Klima-Professor Majib Latif spricht über „Heißzeit“ auf Neujahrsempfang im Frankfurter Römer

Prof. Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Kiel), Urkrainische Konsulin Doyenne Alla Polyova, Oberbürgermeister Peter Feldmann. © Foto: Diether v. Goddenthow
Prof. Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Kiel), Urkrainische Konsulin Doyenne Alla Polyova, Oberbürgermeister Peter Feldmann. © Foto: Diether v. Goddenthow

Rund 1300 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Stadtgesellschaft stießen am 17.1.2019 mit Oberbürgermeister Peter Feldmann, der ukrainischen Generalkonsulin Doyenne Alla Polyova und Festredner Klima-Professor Dr. Mojib-Latif im Frankfurter Römer aufs neue Jahr an. Musikalisch wurde die Veranstaltung umrahmt von Kaye-Ree.

Für Oberbürgermeister Feldmann war „2018 ein rundum gelungenes Jahr“. Und Krisen, ob im Wohnungsmarkt, im Nahverkehr oder in der Automobil-Industrie seien, so Feldmann „eigentlich Herausforderungen, die wir stemmen müssen, denen wir nicht ausweichen können“.

Oberbürgermeister Peter Feldmann. © Foto: Diether v. Goddenthow
Oberbürgermeister Peter Feldmann. © Foto: Diether v. Goddenthow

Besonders freue er sich mit Blick auf 2019, „dass die Kinder und Jugendlichen ab nächster Woche kostenlosen Eintritt in die Schwimmbäder bekommen“. Die Diskussion über Kultur beantworte Frankfurt vor allem mit dem kostenlosen Eintritt in Museen und Kultureinrichtungen und in den Zoo für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren. Er sei überzeugt davon, so Feldmann, dass dies ein Schritt in die richtige Richtung zur Teilhabe sei.

Auch mit der Eröffnung der neuen Altstadt, einem ganz besonderem Ereignis, habe man die Herzen der Menschen erreicht. „Die Menschen haben sich in diese neue Altstadt gedrängt als noch gar kein Geschäft darin war, als da noch niemand wohnte. Sie haben durch die Zäune fotografiert, sie haben versucht, hineinzukommen (…) Die Menschen haben sich in diese neue Altstadt verliebt. Sie haben sie sich angeeignet“, freute sich der Oberbürgermeister, der darin auch einen großen Respekt der Menschen vor Handwerkskunst und diesem neuen Herzen der Stadt sähe. Die Menschen „wollen diese neue Altstadt (…) „und ich bin begeistert von der Begeisterung der Menschen der Stadt“, so Feldmann, einst selbst Wiederaufbaukritiker. Auch werde dank großem bürgerschaftlichen Engagements der Goethe-Turm 2019 wieder aufgebaut.

Die Paulskirche solle anlässlich ihrer – bislang unter Wert verkauften – Bedeutung als nationales Monument der Demokratie nicht weiterhin nur ein Ort der Erinnerung und des Gedenkens sowie für getragene Veranstaltungen und großen Reden sein. Vielmehr solle die Wiege der Demokratie demnächst auch wieder zu einem Ort der lebendigen demokratischen Debatte werden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterstütze dieses Vorhaben. Ein Erstgespräch dazu sei in Berlin bereits anberaumt, so der Oberbürgermeister.

Desweiteren konnte Feldmann auf Erfolge beim Bemühen um mehr Klimaschutz verweisen:. So sinke der Energieverbrauch bei städtischen Neubauten stetig. Durch die flächendeckende Einführung von Ökostrom, den konsequenten Ausbau des Radwegnetzes, den Ausbau des Grüngürtel und Initiativen wie Umweltlernen wurde bereits viel erreicht, um Frankfurt in ökologischer Hinsicht fit für die Zukunft zu machen. „Diese Liste ließe sich lange fortsetzen. Frankfurt hat bereits viel gemacht. Aber: Es ist nie perfekt. Denn so wie die soziale Frage in den Städten entschieden wird, wird auch die Frage des Klimawandels dort entschieden“, sagte Feldmann. Deswegen müsse die Stadt ihre Anstrengungen noch verstärken. Ein sichtbares Zeichen für das Bemühen um mehr Nachhaltigkeit, ist sicherlich auch, einen Klimaforscher als Festredner gewinnen zu können.

Urkrainische Konsulin Doyenne Alla Polyova,  © Foto: Diether v. Goddenthow
Urkrainische Konsulin Doyenne Alla Polyova, © Foto: Diether v. Goddenthow

Begeistert von Frankfurts Weltoffenheit und Toleranz als einer Stadt, in der über 50 Prozent der Bevölkerung aus 170 Nationen friedlich zusammenleben, zeigte sich die ukrainische Generalkonsulin Doyenne Alla Polyova und rief unter großem Beifall den Gästen zu:. „Die Stadt Frankfurt ist für uns ein Stück Heimat geworden“.

Professor Mojib Latif warnt vor weiterer „Heißzeit“

Frankfurt habe im nicht enden wollenden Sommer 2018 hinsichtlich der Anzahl der Sommertage mit über 25 Grad bundesweit den Vogel abgeschossen, was die Messungen seit Beginn der Aufzeichnungen angeht. Bundesweit waren wir ganz oben mit 2,9 Grad über dem Durchschnitt, begann der international renommierte Professor Dr. Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Kiel, seine Festrede „Herausforderung Klimawandel“. Nicht von ungefähr habe die Gesellschaft für Deutsche Sprache in Wiesbaden „Heißzeit“ zum Wort des Jahres gekürt, nicht nur, um „diesen Sommer würdigen zu wollen“, sondern, da eben die derzeitige Erderwärmung, „die wir Menschen im Begriff sind anzustoßen, vom Ausmaß her ähnlich epochal sei“ wie die Eiszeit, falls es uns nicht gelänge, die Erderwärmung durch Reduktion des Co2-Ausstoßes zu begrenzen. Insofern träfe das Wort“ Heißzeit“ wirklich den Nagel auf den Kopf, so der Klimaprofessor, unter dessen eindringlichen frei gesprochenem Vortrag der Kaisersaal 20 Minuten lang zum Hörsaal für Erstsemester der Klimaforschung wurde.

Prof. Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Kiel). © Foto: Diether v. Goddenthow
Prof. Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Kiel). © Foto: Diether v. Goddenthow

Wer mitreden wolle, müsse verstehen, „worum es hier eigentlich geht.“ Es ginge zunächst einmal darum, zu verstehen, warum die Erde eigentlich lebensfreundlich sei, so Latif. Die Erde sei „der einzige Planet unseres Sonnensystems der lebensfreundlich ist. Schauen Sie mal unsere beiden Nachbarn an: Der eine Nachbar ist die Venus. Auf der Venus herrschen Temperaturen von 400 Grad. Unser anderer Nachbar, der weiter von der Sonne entfernt ist als wir, ist der Mars. Auf dem Mars herrschen extrem kalte Temperaturen.“ Es sei nur unserer ganz speziellen Atmosphäre zu verdanken, dass auf der Erde überhaupt Leben möglich sei.

Unsere Atmosphäre habe nämlich eine ganz besondere Zusammensetzung aus 78,1 Prozent Stickstoff, 20,9 Prozent Sauerstoff und dann nochmal 0,93 Prozent Edelgasen wie Argon, zusammen 99,93 Prozent. Und wenn dies alles wäre, dann herrschte auf dem Planeten Erde ein eiswüstenhaftes Klima wie auf dem Mars. Aber da wäre noch dieser verschwindend kleine Rest, „die sogenannten Spurengase (…) diese sind für das Klima relevant: Es ist der Bruchteil eines Prozents, und die machen den berühmten Treibhauseffekt“, so der Klimaprofessor. Diese sogenannten Treibhausgase Kohlendioxid, Methan, Distickstoffmonoxid (Lachgas) und Ozon wirkten wie das Glas eines Treibhauses. Sie seien transparent für Sonnenstrahlung, aber sie ließen die Wärme nicht entweichen. Im Prinzip sei der Treibhauseffekt super, auch Kohlendioxid sei super, da wir ohne das gar nicht leben könnten. Wie bei einer Medizin könne es jedoch zu Nebenwirkungen kommen, wenn man zu viel davon nehme. Es ginge darum, „dass wir einen an sich heilsamen Effekt verstärken und dass sehen wir dann in Form der Erderwärmung und diese schreitet, wie gesagt, immer weiter voran.“

Konzentrierte Stille herrschte im Kaisersaal als Mojib Latif die Basics über die Zusammensetzung der Erdatmosphäre erklärte. © Foto: Diether v. Goddenthow
Konzentrierte Stille herrschte im Kaisersaal als Mojib Latif die Basics über die Zusammensetzung der Erdatmosphäre erklärte. © Foto: Diether v. Goddenthow

Das Klimaproblem ist in erster Linie ein Energieproblem
Seit geraumer Zeit seien wir Menschen dabei, die Zusammensetzung der Luft zu ändern, „in dem wir immer mehr von diesen Spurengasen, insbesondere vom Kohlendioxid in die Luft blasen.“ Das geschähe vor allem durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Erdöl, Kohle und Erdgas zur Energiegewinnung. „Das heißt: Das Klimaproblem ist in erster Linie ein Energieproblem.“

Mittlerweile sei allein der Co2 Gehalt der Luft auf ein Maß gestiegen, „den es noch nie zuvor in der Menschheit gegeben hat. Der Co2-Gehalt der Luft sei seit mindestens 800 000 Jahren nicht mehr so hoch gewesen“. Das ergab die Auswertung von Luftbläschen an Eiskernen aus Bohrungen in der Antarktis: „so wissen wir ziemlich genau Bescheid über die Geschichte der Zusammensetzung der Atmosphäre.“, erklärte Latif das Verfahren.

Mit deutschem Klimavorbild weltweit überzeugen
Mittlerweile hat sich das Klima derart erwärmt, so dass das Eis der Erde schmilzt. „Allein in der Arktis ist im Monat September, am Ende des Sommers, das Meereis, also das Eis, das auf dem arktischen Ozean schwimmt, um 40 Prozent seit Beginn der Messungen 1979 zurückgegangen“. Ginge die Entwicklung so weiter, so der Kieler Klimaforscher, könne die Arktis bis Mitte des Jahrhunderts im Sommer eisfrei sein. Zugleich stürben auch die Korallenriffe ab. 1 Grad Erwärmung der Ozeane reiche bereits, um die sogenannte Korallenbleiche auszulösen. Korallenriffe sind auch die Brutstätten vieler Fischarten, die zur Sicherung der menschlichen Ernährung unverzichtbar sind.

Allein von 1991 bis heute habe der Co2-Ausstoß um 60 Prozent zugenommen: „Wir haben nur noch ein kleines Zeitfenster, um diese Dinge zu regeln, 10 oder 20 Jahre“, so Latif. Der Klimarat sage, wir müssten bis 2060 klimaneutral werden.

Latif träumt davon, dass im Jahr 2050 vielleicht einmal gesagt werden könnte: „damals wurde doch der Grundstein für die Lösung des Klimaproblems in Deutschland gelegt“. Denn Deutschland habe nicht nur bereits 40 Prozent erneuerbare Energien-Anteil am Stromverbrauch. Deutschland habe auch die erneuerbaren Energien bezahlbar gemacht hat. Sie boomten jetzt in vielen, vielen Ländern auch beispielsweise in China, Asien usw., so der Klimaforscher.

Deutschland spiele eine energetische Vorreiterrolle. Im Grunde beeinflusse der Co2 Ausstoß in Deutschland, global betrachtet, kaum das Klima. Aber es ginge um das gute Beispiel Deutschlands, andere Länder zu überzeugen von der Notwendigkeit und Machbarkeit, erneuerbare Energien klimaneutral einzusetzen. Nur da hapere es häufig. „Wie wollen wir denn Ländern wie Brasilien klarmachen, dass sie ihre Regenwälder schützen sollen, wenn wir im gleichen Atemzug unseren kläglichen Restwald Hambacher Forst abholzen, um Braunkohle zu fördern?“

Es sei einfach wichtig, anderen Ländern voranzugehen, und zu zeigen, dass Klimaschutz möglich ist. Auch die Industrie würde noch mehr mitgehen, wenn sie nur feste Rahmenbedingungen vorfände. Klimaschutz würde aber viel zu sehr ideologisiert, zu einer Art Glaubenssache. „Wir können aber nicht mit Physik handeln. Sie können das nicht in politische Lager aufteilen.“, so Latif. Klimaschutz gelinge nur gemeinsam. Wenn jedoch die Politik nicht rechtzeitig die Rahmenbedingungen setze, dann ginge es zu langsam, „dann haben wir keine Chancen“, so die eindringliche Warnung des Klimaforschers.

Die Herausforderung des Klimawandels war Tischgespräch. © Foto: Diether v. Goddenthow
Die Herausforderung des Klimawandels war Tischgespräch. © Foto: Diether v. Goddenthow

Latifs schnörkellosen Worte stießen auf offene Ohren: „Toll, hab‘ heut viel gelernt.“ oder „Ein Neujahrsempfang wie ein kleiner Klimagipfel,, super!“, solche und ähnliche Kommentare konnte man anschließend am Grüne-Soße-Lunch-Buffet und an etlichen Tischen in der Wandelhalle und den verwinkelten Fluren des Römers vernehmen.

(Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)