„Heißzeit“ zum Wort des 2018 gekürt

"Heißzeit" Wort des  Jahres 2018. © Foto: Diether v. Goddenthow
„Heißzeit“ Wort des Jahres 2018. © Foto: Diether v. Goddenthow

Zum  42. Mal in Folge hat am 14. Dezember 2018 die Gesellschaft für Deutsche Sprache GfdS im Wiesbadener Rathaus die Wörter des Jahres bekannt gegeben. Bevor der Vorsitzende der Gesellschaft für Deutsche Sprache,  Prof. Dr. Peter Schlobinski, Professor  für Germanistische Linguistik an der Leibniz Universität Hannover, gemeinsam mit der Geschäftsführerin der Gesellschaft für Deutsche Sprache Dr. Andrea-Eva Ewels das Wort des Jahres verriet, erklärte er kurz die Verfahrensweise:

Dr. Andrea-Eva Ewels, Geschäftsführerin der Gesellschaft für Deutsche Sprache und Prof. Dr. Peter Schlobinski, Vorsitzende der Gesellschaft für Deutsche Sprache sowie Annika Hauzel (im Hintergrund)  geben das Wort des Jahres 2018 bekannt.  © Foto: Diether v. Goddenthow
Dr. Andrea-Eva Ewels, Geschäftsführerin der Gesellschaft für Deutsche Sprache und Prof. Dr. Peter Schlobinski, Vorsitzende der Gesellschaft für Deutsche Sprache sowie Annika Hauzel (im Hintergrund) geben das Wort des Jahres 2018 bekannt. © Foto: Diether v. Goddenthow

Die Mitarbeiter der Gesellschaft für Deutsche Sprache (GfdS) hatten in diesem Jahr eine Liste mit weit über 1000 Wörtern zusammengetragen, darunter 300 Einsendungen von Bürgern. Diese Liste wurde dann von einer fachkundigen Jury bei einer Sitzung auf zirka 130 Wörter kondensiert. Von diesen 130 Wörtern haben es schließlich 10 Wörter ins Ranking der Zehner-Liste geschafft, die heute der Presse im Wiesbadener Rathaus präsentiert wurde.  Zu den zentralen Auswahlkriterien gehörten nicht Wort-Frequenz, also die Häufigkeit der Wortverwendung, sondern, welche gesellschaftliche Bedeutung die Wörter im Jahr 2018 gehabt hätten, welche Rolle sie spielten und wie signifikant sie gesellschaftliche Themen und Interessen im weitesten Sinne widerspiegelten, so Schlobinski.

Die Wörter des Jahres 2018
1. Heißzeit
2. Funklochrepublik
3. Ankerzentren
4. Wir sind mehr
5. strafbelobigt
6. Pflegeroboter
7. Diesel-Fahrverbot
8. Handelskrieg
9. Brexit-Chaos
10. die Mutter aller Probleme

Heißzeit

Der Dürre der Heißzeit folgt nach Abschmelzen der Pole durch den Anstieg der Meere bis zu 60 Metern eine Überflutung große Teile Europas, hier modellhaft dargestellt. Zu besichtigen in der derzeitigen Ausstellung Eiszeit-Safari vom 7 Okt — 21 Apr 2019 im Museum Wiesbaden.  © Foto: Diether v. Goddenthow
Der Festlands-Dürre der Heißzeit folgt nach Abschmelzen der Pole durch den Anstieg der Meere bis zu 60 Metern eine Überflutung großer Teile Europas, hier modellhaft dargestellt. Zu besichtigen in der aktuellen Ausstellung Eiszeit-Safari vom 7 Okt — 21 Apr 2019 im Museum Wiesbaden. © Foto: Diether v. Goddenthow

Das Wort des Jahres 2018 ist Heißzeit thematisiert  nicht nur einen extremen Sommer, der gefühlt von April bis November dauerte. Ebenfalls angedeutet werden soll eines der gravierendsten globalen Phänomene des frühen 21. Jahrhunderts, der Klimawandel. Nicht zuletzt ist Heißzeit eine interessante Wortbildung. Mit der lautlichen Analogie zu Eiszeit erhält der Ausdruck über die bloße Bedeutung ›Zeitraum, in dem es heiß ist‹ hinaus eine epochale Dimension und verweist möglicherweise auf eine sich ändernde Klimaperiode.

Auf Platz 2 wählte die Jury Funklochrepublik. Vor allem im ländlichen Raum ist in Deutschland die Mobilfunkabdeckung vergleichsweise schlecht, was spätestens seit dem letzten Bundestagswahlkampf ein politisches Thema ist. Ob der neue Mobilfunkstandard 5G »an jeder Milchkanne nötig« sei oder nicht, wurde von Vertreterinnen und Vertretern der Großen Koalition intensiv diskutiert.

Mit der Einführung von Ankerzentren (Platz 3) wollte die Große Koalition das Problem der unkontrollierten Migration in den Griff bekommen. Das Erstglied Anker steht hier nicht für Fixierung oder Sicherung wie beim Anker eines Schiffs, sondern für »Ankunft, Entscheidung, Rückführung«, ist also eine Art Akronym (ein Wort, das aus Anfangsbuchstaben oder -silben anderer Wörter gebildet wird). In einem Ankerzentrum sollen Flüchtlinge untergebracht werden, bis sie in Kommunen verteilt oder aber – nach Ablehnung ihres Asylantrags – in ihr Herkunftsland abgeschoben werden.

Mit dem Satz Wir sind mehr (Platz 4) reagierte eine breite Öffentlichkeit auf fremdenfeindliche Kundgebungen in Chemnitz. Zunächst handelte es sich dabei um den Titel eines Konzerts »gegen Rechts«, zu dem im September mehr als 65.000 Besucher in die sächsische Stadt kamen.

Strafbelobigt (Platz 5) oder auch strafbefördert wurde Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesverfassungsschutzes. Er hatte sich mehrfach mit politischen Stellungnahmen weit aus dem Fenster gelehnt. Vor allem die SPD, aber auch Teile der CDU forderten seine Ablösung. Innenminister Seehofer hielt zunächst seine Hand über ihn und wollte ihn zum Staatssekretär im Innenministerium befördern, was die Große Koalition an den Rand des Bruchs brachte. Nach einer öffentlich gewordenen Politiker-Schelte Maaßens sah sich der Minister gezwungen, ihn in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen.

Platz 6 belegt der Ausdruck Pflegeroboter. Das Wort steht stellvertretend für eine Diskussion um die Zukunft der Betreuung von Pflegebedürftigen und Kranken, in der in absehbarer Zeit Roboter den Platz von Pflegekräften übernehmen könnten. Der Roboter »Pepper« wurde 2018 als Prototyp vorgestellt.

Ein Diesel-Fahrverbot (Platz 7) wurde in verschiedenen deutschen Städten erlassen, um die Einhaltung einer EU-Richtlinie zu Stickstoffdioxid-Grenzwerten durchzusetzen. Dieselfahrzeuge älterer Bauart sind besonders umweltbelastend. Trotz zweier Spitzentreffen von Vertretern des Bundes, der Länder und der Kommunen, bei denen 2017 vereinbart worden war, mehrere Milliarden Euro für die Investition in sauberere Dieselmotoren zur Verfügung zu stellen, ließen sich die Fahrverbote nicht überall vermeiden.

Ein Handelskrieg (Rang 8) wurde von US-Präsident Trump als politisches Mittel der Wahl nicht nur der EU, sondern auch dem großen Konkurrenten China mehrfach angedroht. Handelskriege seien »gut und leicht zu gewinnen«, teilte Trump mit, um seinen Entschluss zu rechtfertigen, Strafzölle auf Stahl und Aluminium zu erheben.

Mit Brexit-Chaos (Platz 9) greift die GfdS-Jury ein Thema auf, das mehr oder weniger das gesamte Jahr 2018 begleitete. Die schwierigen Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens führten die Gefahr eines harten oder auch ungeordneten Brexits mit kaum auszudenkenden Folgen vor Augen und ließen eine Wortkreuzung zweiter Ordnung entstehen: gegenüber den Brexiteers (›Brexit-Befürwortern‹) gewannen die Bregretter (›Brexit-Gegner‹) immer mehr an Boden. War schon Brexit eine Wortkreuzung aus Britain und Exit, so erscheint Bregretter als Wortkreuzung aus Brexit und regret (›bedauern‹).

Platz 10 belegt der Ausdruck die Mutter aller Probleme. So hatte Innenminister Horst Seehofer die Migration bezeichnet und damit eine intensive Debatte ausgelöst, in deren Verlauf vielerlei als Mutter aller Probleme bezeichnet wurde: von der CSU bis zu Horst Seehofers Mutter. Die GfdS weist mit ihrer Wahl zugleich auf ein sprachliches Muster hin, wonach die Mutter aller … für das größte aller Exemplare einer Kategorie steht: die Mutter aller Schlachten (nannte Saddam Hussein 1990 den 2. Golfkrieg), die Mutter aller Bomben (warfen die USA 2017 über Afghanistan ab), die Mutter aller Niederlagen (erlebte die CSU bei der Landtagswahl 2018) usw.