Gestern Abend eröffneten Kulturdezernentin Marianne Grosse und Museumsdirektorin Dr. Annette Ludwig die Sonderausstellung der amtierenden Stadtdruckerin Franca Bartholomäi im Gutenberg-Museum. Nach berührenden Worten von Katharina Fischborn, der Mainzer Stadtdruckerin 2006/7, hielt der Lyriker und Dramaturg Ralf Meyer eine pointierte Einführung in die fantastische wie geniale Holzschnittwelt der Franca Bartholomäi. Musikalisch umrahmten die Veranstaltung Andreas Kubitzki am Marimbaphon und der Bachor & Friends an Saxophon und Klavier.
Einmal gucken reicht bei Franca Bartholomäis vielschichtigen, beinahe surreal wirkenden, schwarz-weißen Holzschnitten nicht. Da erblickt der Betrachter gesichtslose Wesen, die im Sessel hockend vor sich hin starren, vermeintlich menschliche Gestalten, auf deren Haut Sterne prangen oder aus deren Köpfen stattliche Hörner erwachsen, kräftige Pferdekörper, deren Umrisse zu verschmelzen scheinen mit den sie umgebenden Pflanzen: Es sind wahrhaft absonderliche Figuren, die Franca Bartholomäi zu Protagonisten ihrer Holzschnitte macht. Und jedes Mal, wenn man erneut schaut, entdeckt man nicht nur etwas Neues, sondern mitunter eine weitere Bedeutungs-Ebene, die dem Betrachter neue Interpretationsmöglichkeiten eröffnet.
Bartholomäis Bilder oder auch einzelne Szenen hieraus, erschließen sich mitunter erst auf den zweiten oder dritten Blick. Nichts ist so, wie es scheint.
Ihre Werke sind nicht nur originell, sondern obendrein wohltuend handwerklich perfekt.
Es sei „Liebe auf den ersten Schnitt“ gewesen, erklärt die Künstlerin, warum sie sich schon während ihres Grafik-Studiums an der Burg Giebichenstein, Hochschule für Kunst und Design in Halle, auf den Holzschnitt-Druck in seiner ursprünglichsten, reduziertesten Form spezialisiert hat: schwarze Farbe auf weißem Grund. „Ich mag das Material Holz. Es setzt mir einen gewissen Widerstand entgegen und zwingt mich zu Langsamkeit.“
Mit dieser Technik schafft Bartholomäi mit höchster Präzision exakt umrissene Formen, die in verschachtelte Räume umgesetzt werden. Die Bilder von rätselhaften Zwitterfiguren zusammen mit Gegenständen im Mittel- oder Hintergrund erscheinen als magische Visionen, wirken ebenso anziehend wie verstörend und widersetzen sich jeder schnellen, einfachen Interpretation. Beim Betrachter rufen sie Erinnerungen an mythologische Geschichten, Märchen oder Träume wach. „Franca Bartholomäi schafft eine ganz eigene Bilderwelt. So bringt sie auch die Weltsicht des ausgehenden Mittelalters in ihre Arbeit ein“, sagt Museumsdirektorin und Jury-Vorsitzende Dr. Annette Ludwig.
Bartholomäi, die in Hohenmölsen im südlichen Sachsen-Anhalt geboren wurde und heute in Halle lebt, ist die erste Mainzer Stadtdruckerin, die nicht aus der GutenbergStadt kommt. Dass die Preisträger nach einer Satzungsänderung nicht mehr zwingend einen biografischen Bezug mehr zur rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt aufweisen müssen, weite den Blick dieser Auszeichnung aus auf die zeitgenössische Kunst in ganz Deutschland, begründet Museumsdirektorin Ludwig.
Der Stadtdruckerpreis wird seit 1987 von der Stadt Mainz vergeben. Die Auszeichnung, die herausragende Grafiker, Pressendrucker und Typografen ehrt, ist einem Preisgeld in Höhe von 6000 Euro und einer Einzelausstellung im Gutenberg-Museum verbunden.
Weitere Informationen auch zum Begleitprogramm finden Sie unter: Gutenberg-Museum Mainz