Bauhaus: „Moderne am Main 1919-1933″ – Museum angewandte Kunst vom 19. Januar bis 14. April 2019

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Moderne am Main 1919-1933
19. Januar bis 14. April 2019
Eröffnung: Freitag, 18. Januar 2019, 19 Uhr

Moderne am Main 1919-1933

Zum 100. Jubiläum des Bauhauses richtet das Museum Angewandte Kunst seinen Blick auf die Geschichte Frankfurts in den Jahren zwischen 1919 und 1933: Hier konstituiert sich ein beispielloses Programm baulicher, gestalterischer und kultureller Erneuerung, das unter dem Namen Neues Frankfurt in die Kulturgeschichte eingeht. Die Stadt entwickelt sich nach dem ersten Weltkrieg zum Archetyp der modernen Großstadt, der weit über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung findet. Zwar gilt das Bauhaus heute vielen als die Wiege der Moderne im 20. Jahrhundert. Doch die berühmte Kunst- und Gestaltungsschule ist nicht der alleinige Brennpunkt neuartiger Gestaltung in Deutschland und Europa. Zum Ausgang der 1920er Jahre hat sich Frankfurt am Main als ein dem Bauhaus gleichwertiges, weltbekanntes Zentrum der Avantgarde etabliert.

Die Ausstellung Moderne am Main 1919–1933 möchte zeigen, dass das Neue Frankfurt sich nicht im bekannten, von Ernst May initiierten Wohnungsbauprogramm oder der beliebten Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky erschöpfte. Denn zu dieser Großstadtutopie gehörte ab der zweiten Hälfte der 1920er Jahre der universale Anspruch, mit neuen Gestaltungsformen alle Bereiche des menschlichen Lebens zu erfassen und im Verbund mit einer forcierten Industrialisierung eine neue urbane Ges ellschaft auf den Weg zu bringen. Dieser Anspruch fand seinen Niederschlag im Produkt-, Interieur-, Industrie- und Kommunikationsdesign, in den angewandten und freien Künsten ebenso, wie auch in den (damals) neuen Medien Fotografie, Film und Rundfunk.

Aus ihrer Gegenwart – und weniger aus der Vergangenheit – leiteten die Protagonist*innen das für die Moderne am Main so Spezifische ab: die Einheit von Gestaltung und sozialem Engagement. Nicht etwas Repräsentatives, mit Bedeutung Aufgeladenes galt es zu schaffen, sondern Dinge mit einem erkennbaren Charakter der technischen Produktion und der sozialen Funktion – im Hinblick auf eine neue, bessere Gesellschaft. Und so lässt sich aus heutiger Sicht sagen, dass es in den 1920er Jahren wohl kaum eine Stadt gab, in der so sehr der Geist des Neuen wehte wie in der Großstadt am Main.

Folgende entscheidende Faktoren lassen sich für diese Entwicklung ausmachen: die wiedererstandene Messe, das städtische Hochbauamt sowie die Kunstschule Frankfurt, die unter Fritz Wichert eine bedeutende Neuausrichtung erfährt und auch Lehrkräfte des Weimarer Bauhauses nach Frankfurt bringt. Aber auch andere, der neuen Gestaltung verpflichtete Vereinigungen und Interessengemeinschaften sowie eine ansehnliche Zahl privater Unternehmen wie der Lampenproduzent Bünte & Remmler, die Bauersche Gießerei oder das Telekommunikationsunternehmen Fuld und Co. waren mit ihrer Arbeit an einer auch außerhalb der Stadt wahrgenommenen ästhetischen wie gesellschaftlichen Neugestaltung im Sinne des Neuen Frankfurt aktiv beteiligt. Die institutionellen Strukturen werden ergänzt durch ein enges Geflecht informeller Strukturen aus Verbänden, Interessengruppen und gesellschaftlichen Zusammenkünften der Innovator*innen.

Mit mehr als 500 Objekten und Entwürfen, Fotografien und Reproduktionen, Zeichnungen, Gemälden, Filmen und Tonaufnahmen von über 40 privaten Leihgeber*innen öffentlichen Archiven und Museumssammlungen erzählt das Museum Angewandte Kunst die Geschichte des Neuen Frankfurt in so noch nie gesehener Fülle und Dichte. Acht thematische Kapitel zeichnen auf 1.200 Quadratmetern ein facettenreiches Bild von einem Aufbruch in die Gestaltungsmoderne, der von Zukunftsoptimismus und Weltoffenheit geprägt war. Sie stellt bekannte und weniger bekannte Protagonist*innen der Moderne am Main vor, macht mit den kreativen Netzwerken der Metropole Frankfurt vertraut und zeigt Verbindungen und Unterschiede zum Bauhaus auf. Dabei wird klar: Wenn das Bauhaus die Akademie der Moderne war, so war das Neue Frankfurt ihre Werkstatt – hier wurde den neuen Ideen ein stadtgesellschaftlicher Diskursraum eröffnet und ein praktisches Experimentierfeld geboten.

Ausstellungs-Rundgang

Treppe zum Bierkeller (Gesellschafterhaus im Palmengarten, Frankfurt am Main) Grete Leistikow (1892-1962) ca. 1930 Vintage Print 8,6 × 11,8 cm © Galerie Berinson, Berlin
Treppe zum Bierkeller (Gesellschafterhaus im Palmengarten, Frankfurt am Main) Grete Leistikow (1892-1962) ca. 1930
Vintage Print 8,6 × 11,8 cm © Galerie Berinson, Berlin

Grundlagen des Neuen Frankfurt
Im ersten Kapitel der Ausstellung können sich die Besucher*innen mit der Situation in Frankfurt nach dem ersten Weltkrieg vertraut machen. Als wichtigster Protagonist für die gesellschaftliche und politische Umwälzung gilt hier Ludwig Landmann (1868–1945), seit 1916 Wirtschaftsdezernent und ab 1924 Oberbürgermeister Frankfurts, der schon während des Krieges an der Idee einer neuen internationalen Messe arbeitete und später den Begriff des Neuen Frankfurt prägte. Mit Unterstützung seines Teams wollte er durch die Etablierung Frankfurts als Messestandort und infrastrukturellen Knotenpunkt den Export deutscher Produkte und eine neue Internationalisierung fördern. So war die Neueröffnung der Messe Frankfurt im Jahr 1919 ein entscheidender Faktor auf dem Weg in die Moderne. Zugleich zählt zu den wichtigen historischen Faktoren auch die Fundierung des Werkbund Hauses sowie das Wirken der Ausstellungsmacherin Lilly Reich. In der von ihr initiierten Messeschau „Von der Faser zum Gewebe“ (1926), stehen erstmals keine fertigen Produkte, sondern Material, Halbfertigware und Herstellungsprozesse im Vordergrund.

Experimentieren und Forschen
Mit dem Neuen Frankfurt verband sich auch ein weitreichender Umbruch in der Kunst und die Etablierung verschiedener neuer Medien, allen voran Film und Ton. In dem Ausstellungskapitel „Experimentieren und Forschen“ werden deshalb Akteur e vorgestellt, die wichtige Jahre in Frankfurt verbrachten und durch ihre genreübergreifenden Experimente zu Pionieren auf den Gebieten der neuen Medien und der Musik avancierten. Gezeigt werden hier u. a. Experimentalfilme des in Gelnhausen geborenen Oskar Fischingers, der dem Film und seiner Ausweitung in die „visuelle Musik“ deutliche Impulse gab. Auch die
wichtigen Entwicklungen im Bereich Musik und Ton werden hier vorgestellt. So gibt es Kompositionen von Paul Hindemith zu hören, die der gebürtige Hanauer auch für ein frühes elektronisches Instrument – das Trautonium – schrieb. Ebenso wird die Rolle des Radios anhand von zwei wichtigen Protagonisten vorgestellt: Hans Flesch und Ernst Schoen präg ten mit ihrem Programm den neuen Frankfurter Sender (Südwestdeutscher Rundfunk), der zwischen 1924 und 1929 als die innovativste Radiostation in Deutschland gilt. Besucher*innen können hier das überhaupt erste Hörspiel hören, das im Oktober 1924 über den Äther ging: „Zauberei auf dem Sender“.

Neben dem Zugang zu diesem historischen Film- und Tonmaterial, steht den Besucher*innen eine Neuauflage eines Theremin-Synthesizers zum Ausprobieren und Entdecken bereit, gestiftet von Moog-Music in den USA. Der Theremin-Synthesizer wurde bereits um 1920 von Lev Termen entwickelt und gilt als erstes elektronisches Musikinstrument.

Netzwerke und Gesellschaften
Die Moderne-Bewegung im Rhein-Main-Gebiet war getragen von einem Netzwerk unterschiedlichster Personen, einer Verbindung vieler, die sich mal enger, mal weniger fest zusammenschlossen, um gemeinsam an der Realisierung verschiedener Gestaltungsprojekte zu arbeiten. Exemplarisch für den Netzwerkgedanken stehen Leben und Werk des Künstlerpaares Ella Bergmann-Michel (1895–1871) und Robert Michel (1897–1983), das in diesem Kapitel anhand ausgewählter Arbeiten vorgestellt wird. Ihr Wohnhaus und Arbeitsraum im Taunus – ein Gehöft namens Schmelzmühle – etablierten sie zu einem zentralen Dreh- und Angelpunkt für Gestalter*innen, Künstler*innen und Architekt*innen ihrer Zeit, den sie später liebevoll als „Heimatmuseum of Modern Art“ bezeichneten. Zu den Gästen, die hier ein- und ausgingen, gehörten Lázló Moholy-Nagy, Willi Baumeister, Jan Tschichold und nicht zuletzt Kurt Schwitters.

Das Ehepaar war zudem in wichtigen Verbänden vertreten, die ebenfalls gestalterische Umbrüche in Frankfurt anstießen: Robert Michel war Mitglied im Werkbund und Bund deutscher Architekten. Er engagierte sich im Arbeitskreis soziales Bauen der Frankfurter Oktobergruppe und realisierte ab 1928 mehrere kleinere Bauprojekte. Ella Bergmann-Michel arbeitete als Fotografin und drehte zwischen 1931 und 1933 insgesamt fünf dokumentarische Filme über den Alltag in Frankfurt am Main und Umgebung, die ebenfalls in einer Auswahl zu sehen sind. Gemeinsam mit Paul Seligmann (1903–1985) gründete sie die Liga für den unabhängigen Film, die in Frankfurt zahlreiche Veranstaltungen zum künstlerischen Film organisierte, so auch die Aufführungen der experimentellen Filme Oskar Fischingers 1932, der zu dieser Zeit schon in Berlin lebte.

Lehren und lernen
An der ästhetischen wie gesellschaftlichen Neugestaltung beteiligt war auch die Kunstschule Frankfurt (ein Zusammenschluss der Kunstgewerbeschule und der Städelschule), die Fritz Wichert ab 1924 zu einer Lehrinstitution nach dem Vorbild des Weimarer Bauhauses formte und in eine zweisemestrige Vorklasse, zehn Fachklassen und entsprechende Werkstätten gliederte. Anders als am Bauhaus stand in Frankfurt die Architektur von Anfang an auf dem Lehrplan. Die freien und angewandten Künste soll ten gleichrangig behandelt werden. Adolf Meyer, Josef Hartwig, Karl Peter Röhl und Christian Dell wechselten vom Weimarer Bauhaus nach Frankfurt und arbeiteten am Main für das moderne
Lehrkonzept. Zu den Lehrenden gehörten auch Margarethe Klimt (Modeklasse), Richard Lisker (Textilklasse), Paul Renner und Willi Baumeister (Typografie und Werbegrafik), Franz Schuster (Innenarchitektur), Richard Scheibe (Bildhauerei) und Max Beckmann (Malerei). Aus dieser Schule gingen u. a. hervor die Fotografinnen Marta Hoepffner und Elisab eth Hase
sowie der Grafiker Werner Hugo Epstein, der Maler Helmut Tamm und die Typografin und Grafikerin Liselotte Müller.

Die Kunstschule unterhielt auch regen Kontakt mit der Industrie und der Wirtschaft sowie den kommunalen Ämtern. Hans Leistikow, Leiter des grafischen Büros der Stadt Frankfurt, setzte zum Beispiel während seiner Lehrtätigkeit an der Kunstschule zwischen 1926 und 1927 Aufträge der Stadt mit Studierenden um. Dies gilt auch für Adolf Meyer, der kleine Bauaufträge an seine Studierenden weitergab und Josef Hartwig, der in seinem Unterricht Aufträge im Sinne der neu geschaffenen Friedhofsrichtlinie umsetzte.

Großstadt gestalten
Die Akteur*innen der Frankfurter Moderne stießen nicht nur Neuerungen im Wohnungsbau an, sondern ebenso in der Grünplanung und bei der Gestaltung des öffentlichen Raumes. Die Stadt sollte durch den systematischen Einsatz wiederkehrender, durchdacht entworfener Elemente gegliedert und zu einer Einheit zusammengefasst werden. Von Ernst Mays Großraumplanung über Max Brommes Grünanlagen und Leberecht Migges Wertstoffkreisläufe bis hin zu Margarete Schütte-Lihotzkys Kleingartenlauben und Adolf Meyers Trinkbrunnen lassen sich in den gefundenen Lösungen deutlich die demokratischen und solidarischen Ideen hinter den Entwürfen ablesen.

Noch heute, fast einhundert Jahre nach dem Projekt Neues Frankfurt, weist das Stadtbild an einigen Orten Elemente dieser Gestaltungsmoderne auf. Diese Orte regen dazu an, über d ie Ideale ihrer Gestalter*innen nachzudenken und die immer noch aktuelle Frage zu stellen: Wie wirkt die gebaute Umwelt auf das Zusammenleben der Menschen in einer Stadt?

Auch Ferdinand Kramer, der mit dem Innenausbau und der Möblierung der Frankfurter Wohnungssiedlungen beauftragt war und das für das Neue Frankfurt charakteristische Möbeldesign hervorbrachte, gestaltete eine Reihe von Parkbänken und Ausstattungen für den öffentlichen Raum. Eine dieser Parkbänke, die leider heute aus dem Stadtbild verschwunden sind, wurde in Kooperation mit der tatcraft GmbH, einem MakerspaceStartup-Unternehmen aus Frankfurt, nach Plänen Kramers reproduziert und lädt in der Ausstellung zum Verweilen ein. Zwei weitere Parkbank-Reproduktionen sollen im Laufe der Ausstellung langfristig im Metzlerpark und am Mainufer installiert werden.

In Produktion gehen
Die Frankfurter Moderne wurde vor allem durch die enge Zusammenarbeit städtischer Ämter möglich gemacht. Das Frankfurter Baudezernat baute in den 1920er Jahren ca. 12.000 Wohnungen in am Stadtrand neu angelegten Siedlungen und nahm so in einem bisher nicht gekannten Ausmaß Einfluss auf die Gestaltung der Stadt: die Architektur der Gebäude, die Grünflächen und Friedhöfe, die Reklame aber auch die Inneneinrichtung der Wohnungen sollten rationaler, standardisierter und somit moderner gestaltet werden.

Im Sommer 1925 wurde Ernst May (1886–1979) von den Stadtverordneten zum Stadtrat für Hoch- und Städtebau gewählt. Martin Elsaesser (1884–1957) trat die neu geschaffene Stelle des Hochbaudirektors an. Mit der Berufung dieser beiden Architekten begann eine wirksame Umstrukturierung des Hochbauamtes, das sich nun in folgende Untereinheiten gliedert e:
„Abteilung E: Großbauten“, „Abteilung B: Bauberatung“ und „Abteilung T: Typisierung“. Unter Mays Direktion fielen zudem die Baupolizei und das Siedlungsamt mit den Abteilungen „Stadt- und Regionalplanung“ sowie „Garten- und Friedhofswesen“.

Im Ausstellungsbereich „In Produktion gehen“ können die Besucher*innen zahlreiche Designobjekte entdecken, die aus dem Neuen Frankfurt hervorgingen – zumeist in Zusammenarbeit von städtischen Akteuren mit den florierenden regionalen Privatunternehmen. Zu sehen sind u. a. Möbel von Ferdinand Kramer und Franz Schuster, eine Reihe von Leuchten von Christian Dell und Adolf Meyer, das Frankfurter Telefon der Firma Fuld sowie der Kühler der Autokarosserie des Adler Standards 8 nach den Entwürfen von Walter Gropius und seinem Berliner Büro.

Moderne veröffentlichen
In diesem Bereich der Ausstellung kann man anhand von Fotografien, Objekten, Plakaten und Faksimiles eine Auswahl von Großveranstaltungen kennenlernen, die in der demokratisch regierten Großstadt symbolisch zwischen Politik und Öffentlichkeit vermittelten. Sie geben Auskunft darüber, welche öffentlichen Themen und Interes sen verhandelt wurden und wie dieser beispiellose Modernisierungsschub forciert und bewältigt wurde. Darüber hinaus legt die Ausstellung hier einen Schwerpunkt auf die Fotografie und stellt hier die wichtigsten Protagonist*innen vor, die für dieses Medium in Frankfurt tätig waren und

Prolog und Epilog
Zu Beginn der Ausstellung können die Besucher*innen virtuell in die Welt des Neuen Frankfurts eintauchen. Noch bevor man die eigentliche Ausstellung betritt, ermöglicht die VR-Installation von Nadine Auth (Absolventin der HfG Offenbach) – entstanden in Zusammenarbeit mit Caspar Schirdewahn (Student an der HTW Berlin im Studiengang Gamedesign) – eine detaillierte Vorstellung nahezu aller an der Moderne am Main beteiligten Akteur*innen. Was sich zweidimensional nicht mehr darstellen ließ, jenes Beziehungs- und Arbeitsgeflecht, dieses weit verzweigte Netzwerk von Personen unterschiedlichster Professionen, wird hier auf äußerst sinnliche Art und Weise für die Besucher*innen erfahrbar.

Die abschließende Klammer bildet der Epilog, mit ausgesuchten Objekten und einer weiteren Multimedia-Installation. Eine Bibliothek von 360°-Panoramen der heute erhaltenen Frankfurter Küchen von Fotografin Laura J Gerlach zeigt die wohl berühmteste Erfindung des Neuen Frankfurt im Kontext ihrer jetzigen Umgebungen – private Wohnungen, Büros und Museen. Die durch die freundliche Unterstützung von Lauterbach Schaap Interiors in Frankfurt ermöglichte Installation, bildet zusammen mit zwei Kunstwerken von Olaf Metzel einen Link zur im selben Raum befindlichen originalen Frankfurter Küche aus dem Frankfurter Siedlungsbauprogramm. Als Pendant zur und inspiriert von der Frankfurter Parkbank von Ferdinand Kramer, ist im letzten Abschnitt der Ausstellung zudem eine neue Variante zu sehen, die von der tatcraft GmbH unter heutigen technischen und materiellen Gesichtspunkten entwickelt wurde. Wenn die Ausstellung mit ihren Kapiteln also ein aufschlussreiches Bild von Aufbruch, Vorbildfunktion und den gestalterischen Auseinandersetzungen in jener Zeit zwischen 1919 und 1933 zeichne t, lassen sich anhand der „Andeutungen“ an ihrem Ende drei grundlegende Fragen ableiten: Ob und in welcher Weise gesellschaftliche Veränderungen auch einen veränderten, von Nachahmung befreiten ästhetischen Niederschlag finden müssen, wie das Neue in die Welt kommt und wie viel Moderne, also Neues und damit Veränderungen der Mensch verträgt.

Kuratorisches Statement
Dem Neuen Frankfurt setzten der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg ein jähes Ende. Ernst May und seine „Brigade“ zog es in die UdSSR, wo die Gestaltungsmoderne unter Stalin schon alsbald diskreditiert wurde, während in den USA die Gruppe um Walter Gropius auf rege Resonanz traf und als International Style nach 1945 eine weitreichende Strahlkraft entwickeln konnte. In Frankfurt sind, sieht man einmal von der Frankfurter Küche oder der Schrift Futura ab, keine ikonischen oder später ikonisierten Produkte entstanden, sondern vielmehr Bauten, Möbel, Haushaltsgegenstände, Kommunikationsmittel, kurzum Gebrauchsgegenstände für den täglichen Bedarf, oder wie Mart Stam es nannte, „Dinge für das Menschenmaß“.

Es gab einen noch viel tragischeren Grund für das Ende dieser Moderne: Kaum eine andere Stadt war so sehr vom Engagement ihrer jüdischen Bürgerinnen und Bürger für die Moderne geprägt wie Frankfurt. Unternehmer, Politiker, Intellektuelle kamen zu einem großen Teil aus dieser jahrhundertealten Tradition. 1933 zählte die jüdische Gemeinde Frankfurts etwa 30.000 Mitglieder. Nach 1945 war diese ehemalige Stadt-, Wissens-, und Handlungselite nahezu vollständig verschwunden. Mehr als 10.000 von ihnen waren in Konzentrations – und Vernichtungslagern ermordet worden, die anderen emigriert.

Mit dieser Ausstellung das Neue Frankfurt in seiner Gesamtheit wiederzuentdecken, heißt für uns, die Kurator*innen, nicht nur eine historische Rehabilitation zu betreiben, sondern auch das Ende dieser Moderne am Main zu thematisieren und darüber hinaus dazu einzuladen, Perspektiven für die Zukunft in politischer, sozialer, gesellschaftlicher und eben auch gestalterischer Hinsicht zu entwickeln.

Daher möchte das Museum Angewandte Kunst an die Worte des 1924 zum Frankfurter Oberbürgermeister gewählten Ludwig Landmanns erinnern, der nicht nur den programmatischen Begriff des Neuen Frankfurt prägte, sondern zugleich klarmachte, wofür es stehen sollte und an wen es appellierte, nämlich „an den weltoffenen, sachlichen und zukunftsfrohen Geist in Frankfurt“

Kurator*innen
Grit Weber, Annika Sellmann, Prof. Dr. Klaus Klemp, Prof. Matthias Wagner K
Museum Angewandte Kunst
Schaumainkai 17
60594 Frankfurt
www.museumangewandtekunst.de