Fliegen, Mücken, Bremsen 15 Mär 2015 — 30 Aug 2015 Landesmuseum Wiesbaden

© Landesmuseum Wiesbaden
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Eine Ausstellung der Naturhistorischen Sammlungen
Kleine Tiere sind selten Thema großer Ausstellungen. Fliegen, Mücken und Bremsen kommen jetzt im Museum Wiesbaden groß raus. Aber nicht nur, weil ein Schwarm übergroßer Tigermückenmodelle ausgestellt wird. In hochaufgelösten

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Fotografien wird ihre bizarre Schönheit zur Schau gestellt und unter dem Mikroskop kann ihre filigrane Bauweise studiert werden. Dank der Stubenfliegen und Stechmücken ist die Insektenordnung der Zweiflügler gut bekannt, beliebt sind sie weniger und das Wissen über sie gering. Allein in Deutschland leben 10.000 verschiedene Arten von Zweiflüglern. Sie sind nicht nur Plagegeister, sondern auch intelligent und faszinieren mit spannenden Lebensweisen. In der Ausstellung können Besucher die Tiere mit dem Mikroskop erforschen, sich von lebenden Fliegen umschwärmen lassen und die Tiere bei der Nahrungssuche beobachten. Die Ausstellung informiert auch über die Gefahren, die von den Tieren als Krankheitsüberträger ausgehen und über die ungeahnten Dienste, die sie als Putzkommando für die Umwelt leisten. Eine Welt ohne Fliegen ist nicht denkbar, sind doch ein Fünftel aller auf dem Erdball vorkommenden Tierarten Zweiflügler.

Zusammen mit dem Naturhistorischen Museum Neuchâtel und dem Museum für Naturkunde Berlin bieten die Naturhistorischen Sammlungen Wiesbadens mit dieser Ausstellung eine natur- und kulturgeschichtliche Reise in das wenig bekannte Reich der Fliegen.

Zur Ausstellung

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Der Ausstellungsrundgang startet mit dem Surren von Stubenfliegen. Eine alleine kann schon nerven. Wie klingen dann erst tausend Tiere? Gut sichtbar und auch gesichert sind die nervösen Tiere in der Eingangsinszenierung zu erleben. Die nächsten Stationen zeigen das Wirken der Tiere, im Nützlichen wie im Schädlichen. Nützlich sind sie als Aasfresser und in der Ausstellung können die Maden bei dieser Tätigkeit beobachtet werden. Sie sind es, die sich im Lebenszyklus der Fliegen von Tierkadavern ernähren.

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Wen es dabei schaudert, sollte bedenken, dass Fliegen innerhalb von kurzer Zeit Aas verschwinden lassen. Diese Fliegen sind die Müllabfuhr der Natur und in den Städten würde man ohne sie im Haustierkot versinken. Dieser Säuberungsdienst half übrigens viele Jahrhunderte lang auch Wunden zu heilen und wird heute dort wieder nützlich, wo Antibiotika nicht mehr wirken.

Raubfliege © Landesmuseum Wiesbaden
Raubfliege © Landesmuseum Wiesbaden

Zweiflügler tun aber auch weh, gerade wenn Bremsen und Gnitzen zustechen. Gefährlicher sind die Stiche tropischer Bluttrinker. Malariamücke und Tsetsefliege sind die bekanntesten Arten. Zusammen mit einigen weiteren Arten tragen sie dazu bei, dass fast die Hälfte der Menschheit durch Zweiflügler von Krankheit bedroht ist. Jährlich erkranken weltweit eine halbe Millionen Menschen an einem Insektenstich schwer. In rot getaucht zeigt die

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Ausstellunginszenierung Krankenbetten und informiert eindrücklich mit Filmen und Fotos über die Krankheiten, ihre Verursacher und stellt neuste Forschungsprojekte vor.
Die Zweiflügler-Forschung beschäftigt sich aber nicht nur mit medizinischen Fragen. Die Tau- oder Essigfliege Drosophila melanogaster kam schon vor einhundert Jahren als Modellorganismus zu Ehren. Sie gehört zu den ersten höheren Organismen, deren Erbgut erforscht werden konnte und verhalf damit der heutigen Medizinforschung zu einem ungeheuren Schub. Techniker studieren die Flugkünste der Zweiflügler mit ihren halsbrecherischen Landemanövern und träumen von Fluggeräten mit ähnlich guten Flugeigenschaften. Dieses und weiteres Wissenswertes erfahren die Besucher im letzten Raum der 800 Quadratmeter großen Ausstellung.

Wussten Sie, dass man mit Fliegen auch Trüffelpilze findet? Oder dass sie den industriellen Fischfang entlasten, weil man sie statt Fischmehl verfüttern kann? Die kleinen Insekten mit den zwei Flügeln überzeugen in der Wiesbadener Ausstellung auch optisch. Hier sind neben den einheimischen Zweiflüglern besonders schöne Exemplare aus der ganzen Welt zu sehen. Stielaugenfliege, Langhornmücke oder Regenbremse, Waffen-, Tanz- und Buckelfliege, Hummelschwärmer und Schneckenfliege sind nur einige davon.

Aber Achtung, Stein-, Köcher- und Kamelhalsfliegen führen mit ihren Namen in die Irre, sind sie doch mit den Zweiflüglern nicht näher verwandt. Und die Fliegenfischer erfinden ihre ganz eigenen, kunstvollen Fliegen, um Fische an die Angel zu bekommen.

Einige Zahlen und Fakten zu den Zweiflüglern

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• Zweiflügler werden wissenschaftlich als Diptera bezeichnet und umfassen die beiden Großgruppen Fliegen und Mücken.
• Die meisten Fliegen haben sechs Beine, zwei Flügel und zwei Schwingkölbchen. Abweichungen existieren aber überall. So gibt es etwa einige Lausfliegen ohne Flügel.
• Zweiflügler durchlaufen nach einem Larvenstadium eine vollständige Metamorphose (Ei – Larve – Puppe – Imago).
• Die Larven entwickeln sich von unterschiedlichsten Nahrungsquellen (tote organische Substanzen, Pflanzen, Fleisch).
• Die Aufgabe der erwachsenen Tiere ist es, die Verbreitung und Vermehrung zu sichern.
• Besonders spannend sind beispielsweise Balz und Paarung, insbesondere bei Geweihfliegen, Stielaugenfliegen, Tanzfliegen und Raubfliegen.
• Ein Hektar westeuropäischer Laubwald produziert pro Jahr 7 kg (6 Millionen) Zweiflügler – Wirbeltiere nur 6,3 kg pro Hektar und Jahr.
• Wie in fast allen Tiergruppen sind etwa ein Drittel aller Arten Parasiten (Buckelfliegen, Raupenfliegen, Wollschweber, Kugelfliegen).
• Feinde der Fliegen sind unter anderem Menschen, Vögel, Fledermäuse, Eidechsen, Frösche, Fische, Spinnen, Sandlaufkäfer.
• Heute werden 175 Familien unterschieden (z.B. Schwebfliegen, Bremsen, Stechmücken).
• Fossil sind weitere 43 Familien belegt.
• Mehr als 150.000 Arten sind bisher weltweit beschrieben worden. Es wird mit mindestens einer Millionen Arten zu rechnen sein.
• Zur vollständigen Erfassung müssten wir etwa weitere 500 Jahre intensiv forschen.
• Auf dem letztjährigen Internationalen Kongress der Fliegenforscher trafen sich etwa 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus über 40 Ländern in Potsdam.
• In Deutschland leben mehr als 10.000 Arten (von insgesamt 48.000), also sind ein Fünftel aller Tierarten Zweiflügler.
• Alleine von den Schwebfliegen gibt es mehr als 440 Arten in Deutschland und über 5.000 Arten weltweit. Sie fallen dadurch auf, dass sie fliegend auf einer Stelle verharren und mit ihrer auffälligen Färbungen Wespen und andere wehrhafte Hautflügler imitieren.
• Der älteste bekannte Zweiflügler (Grauvogelia arzvilleriana) stammt aus der Trias (etwa 240 Millionen Jahre).
• Besonders in Bernstein finden sich ungeheure Mengen an fossil überlieferten Zweiflüglern.
• Baltischer Bernstein (etwa 44 Mio Jahren) zeigt bereits alle heutigen Familien und oft können diese auch heutigen Gattungen zugeordnet werden.
• Für den Menschen sind Zweiflügler nützlich als Destruenten, Bestäuber, Parasiten von Schädlingen, Nahrung, in der Medizin und Forensik.
• Als Quälgeister für Menschen gelten Stechmücken (Culicidae), Gnitzen (Ceratopogonidae) [Virus – Blauzungenkrankheit], Kriebelmücken (Simuliidae) [Flussblindheit], Bremsen (Tabanidae), Lausfliegen (Hippoboscidae), Wadenstecher (Muscidae), Dasselfliegen (Oestridae), Sandmücken (Phlebotominae), Zungenfliegen (Glossinidae).
Aktuelle Invasoren: (1) Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) seit 2007 in Deutschland (Überträger von Dengue- und Gelbfieber), (2) Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) seit 2011 in Deutschland, (3) Sandmücken (Phlebotominae) (Überträger von Leishmaniose) seit 1999 in Deutschland.
• Häufigste von Zweiflüglern übertragene Krankheiten: Malaria (durch Culicidae), Schlafkrankheit (durch Tsetse-Fliege, Glossinidae), Flussblindheit (durch Simuliidae), Leishmaniose (durch Phlebotominae), Gelbfieber-Virus (durch Culicidae), Denguevirus (durch Culicidae), Chikungunya-Virus (durch Culicidae), West-Nil-Virus (durch Culicidae), etc.
• Bedeutende Forscher in Deutschland: Johann Wilhelm Meigen (1764-1845), Rudolf Wiedemann (1770-1840), Willi Hennig (1913-1976), Christiane Nüsslein-Volhard (1942)