Noch fasziniert von der großartigen Architektur des neuen RheinMain CongressCenters (RMCC) wechselten am Samstagabend, am 14. April 2018 gegen 18 Uhr, zahlreiche Kulturinteressierte nonstop vom „Tag der offenen Tür des RMCC“ zur Eröffnung der 18. Kurzen Nacht der Galerien und Museen ins Wiesbadener Stadtmuseum am Markt (SAM) . Im einstigen Marktlager-Gewölbekeller aus der Gründerzeit stimmte der international renommierte PopJazzChor Wiesbaden unter Leitung von Clemens Schäfer die Besucherschar ein auf die „Kurze Nacht“ mit 23 beteiligten Galerien und Museen.
Eröffnet hatten die „Kurze Nacht“ Sabine Philipp, die neue Direktorin des Stadtmuseums, Alexander Imholz, Kulturdezernent der Landeshauptstadt, und Erhard Witzel, seit 18 Jahren Haupt-Regisseur der von der Interessengemeinschaft der Galerien (IG Galerien) veranstalteten „Kunstnacht“. Sabine Philipp und Alexander Imholz dankten ihm und allen Akteuren, die diese wunderbare Kulturveranstaltung mit 23 Galerien und Museen erneut ermöglichten, insbesondere auch Rainer Wehner und Herrn Weber für die Organisation des Oldtimer-Shuttle-Service vom Rollenden Museum Wiesbaden.
Mit einer Flotte von 80 Oldtimern konnten wieder Scharen von Kunstinteressierten über ein Netz von fünf Haltepunkten bis gegen Mitternacht durch die Stadt chauffiert werden. „Ich habe den Verdacht“, so Stadtrat Imholz ein wenig augenzwinkernd, „dass es auch ein paar Autobegeisterte gibt, die heute nur kommen, um Oldtimer zu fahren und weniger um sich Kunst und Kultur zu gönnen. Da wäre mein Rat: Sie können ja den Schwerpunkt auf die Autos setzen, und trotzdem bei der Kunst mal reinschauen. Es lohnt sich in jedem Fall, es erweitert natürlich auch den persönlichen Horizont“, wobei er aber zugab, als man ihn mit einem Senator-Oldtimer abholte, doch lieber den längeren Fahrtweg zum SAM gewählt zu haben. Er wolle heute Abend all die Stationen besuchen, die er beim letzten Mal nicht geschafft habe, so der Kulturdezernent.
Auch seien wieder neue Teilnehmer hinzugekommen, etwa das Schloss Freudenberg, das MI, eine Mischung aus Restaurant und Kunstgalerie, oder auch der Berufsverband der Künstler (BBK) in seinen neuen Räumen in der Nerostrasse. Aber es seien einfach so viele Orte, mit dem Nassauischen Kunstverein und dem Bellevuesaal und den vielen anderen, die Jahr für Jahr mit neuen Ausstellungen am Start sind, dass es gar nicht alles zu schaffen sei. „Also suchen Sie sich etwas aus, übernehmen Sie sich nicht, erholen Sie sich zwischendrin“, riet Imholz und empfahl, zwischendurch ein Gläschen Wein für den guten Zweck „Kunstkoffer“ zu trinken. „Wir haben nicht nur ein, sondern mehrere Weingüter mit dabei, die diese Veranstaltung unterstützen. Auch dafür herzlichen Dank!“
Erhard Witzel bedankte sich bei der Stadt und allen Beteiligten, und versicherte, dass es ihm auch nach 18 Jahren immer noch Spaß mache, die Kurze Nacht zu organisieren. Auch er empfahl ein wenig für den guten Zweck „zu trinken“. Die Hälfte der Erlöse aus dem Weinkonsum flössen direkt in das Projekt „Kunstkoffer“, so Witzel.
Der Weg sei mitunter schon das Ziel, zumindest ein bisschen, war SAM-Direktorin Sabine Philipp vom Oldtimer-Shuttle-Service besonders angetan, aber auch darüber, was die einzelnen Institutionen und Einrichtungen Wertvolles und Aufsuchenswertes zu bieten hätten. „Im Sam haben wir natürlich auch ein bisschen was zu bieten, etwa die aktuelle Sonderausstellung „Impulse – Nassau im Spannungsfeld der Konfessionen“, warb die Museumsdirektorin.
Oberhalb vom SAM, im Restaurant Lumen, hatte im Obergeschoss die GALERIE H22 aus der Herderstrasse 22, zu einem Ausstellungs-Intermezzo von Amador Vallina eingeladen.
In Richtung Wilhelmstraße gelangte man in der Karl-Glässing-Str. 5 bei der AIDS Hilfe Wiesbaden im dritten Stockwerk zur Ausstellung von Andrea Maria Bresson „Caleidoscope – Drei Partituren“ Leben – Tanz – BeWusstSein. Einen Teil dieser Ausstellung, die Buddha-Connection, lag im Dunkeln, und war nur per Taschenlampe bzw. Smartphoneleuchte zu erkunden.
Nur ein paar Schritte weiter in der Wilhelmstrasse 14, zeigte die Lumas Editionsgalerie zumeist großformatige Fotoarbeiten in den Themengruppen „Ein Himmel voller Blumen“ und „elements of nature“.
Nassauischer Kunstverein
Im Nassauischen Kunstverein, Wilhelmstr. 15, wurden die Besucher gefordert mit der aktuellen Gemeinschafts-Ausstellung „Rinnzekete bee bee nnz krr müü“ von Leda Bourgogne / Ryan Cullen / Diogo Duda / Beate Engl / FORT / Daniel Kemeny / Ulrike Königshofer / Tobias Krämer / Hanne Lippard / Isabell Ratzinger.
Beim Projekt FREEDOM & INDEPENDENCE hinterfragt Bjørn Melhus in experimentellen Science-Fiction-Kurzfilmen Ideologien eines religiös geprägten Kapitalismus. Ideen und Zitate der selbsternannten objektivistischen Philosophin und Schriftstellerin Ayn Rand werden dabei mit evangelikalen Inhalten US-amerikanischer Mainstream-Filme konfrontiert.
Ein weiterer Schwerpunkt sind im 3. OG die lebensgroßen Keramiknachbildungen riesiger Blüten von verschiedenen Corpse Flowers, landläufig als fleischfressende Pflanzen bekannt, von Gerrit Frohne-Brinkmann, dem zehnten Fluxus-Stipendiaten Wiesbadens. Ihr künstlich erzeugter Verwesungs-Hautgout ist nicht zu verfehlen, und wem dies nicht auf den Magen schlug, konnte sich vor der dreistöckigen Altbauvilla an Wiesbadens Prachtstrasse mit „Fluxus-Burgern“ ,„bee-bee-Spezials“ und „Pulled Pork Swadwiches“ stärken, dazu vielleicht noch ein Gläschen Riesling vom „Weingut Prinz von Hessen“ für den guten Zweck schlürfen.
Auf allen Etagen helfen an diesem Abend (Kunst-)Studentinnen aus Koblenz, Mainz, Frankfurt und Wiesbaden, Besuchern fachkundig, Kunstwerke auf den Raumplänen zu identifizieren und die dazu gehörenden Beschreibungen im Begleitskript zu finden.
Vom NKV aus haben Besucher geographisch die Wahl, entweder die Wilhelmstrasse in Richtung Friedrich-Ebert-Allee zum Museum Wiesbaden zu marschieren oder retour wieder zum Marktplatz zu laufen, um am dortigen Shuttle-Halt ein Oldtimer-„Taxi“ zu den Galerien in der Taunusstrasse, etwa zu Rother Winter, G 21 oder zum BBK in der Nerostrasse, zu besteigen.
Am SAM Oldtimer-Halt warten Scharen Kulturinteressierter auf „ihren“ Oldtimer-Favoriten. Die Auswahl der bejahrten Fahrzeuge ist riesig. Es gibt praktisch alle Marken. Selbst ein VW-Bus-Krankenwagen aus den 60ern ist dabei. Und für den, der eben nicht einen Rolls Royce, Porsche, Mustang, Jaguar, Mercedes, Opel-Senator, BMW & Co ergattert, kann auch eine Fahrt im Gogo-Mobil unvergesslich bleiben, insbesondere mi Fall längerer Knie.
Am Shuttle-Halt Taunusstrasse-/Ecke Röderstrasse neben der Galerie Rother-Winter herrscht reger Betrieb.
Drangvolle Enge auch in der Galerie Rother Winter. Diese präsentiert Skulpturen von René Dantes und Gemälde von Otto Ritschl ihrer neuesten Ausstellung, und kredenzt zur Verkostung feine Weine des Hauses Georg Müller Stiftung aus Hattenheim, zudem vielen bekannt für den Kunstkeller.
Besonders stimmungsvoll begrüßt die Hinterhauskulisse der BBK SCHAUstelle in der Nerostrasse 32 die nachtschwärmenden Besucher. Nur eine recht angejährte, schmale Steintreppe führt empor zum großen Ausstellungsraum.
14 Künstlerinnen des Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Wiesbaden e.V. zeigen hier Werke ihrer neuesten Ausstellung mit der an die Besucher gerichteten Fragen „WAS SEHEN SIE?“.
Inspiriert von dieser Frage decken die gezeigten Werke ein breites Spektrum ab. Das Flüchtige soll sichtbar gemacht werden, bis hin zur Frage: „Was sehe ich, wenn ich nichts (mehr) sehe?“. Weitere Schwerpunkte beschäftigen sich mit dem „Leben als Bühnenstück“, „Authentizität“, „Relevanz“ usw.
In der Taunusstrasse 19 lädt die GALERIE 21 ein zu „Wir sammeln, was wir lieben“. Gezeigt werden zeitgenössische Positionen origineller Künstler aus dem In- und Ausland
.
Kunst Schäfer in der Faulbrunnenstrasse 11 präsentiert in der Ausstellungshalle unter „Doppelspiel“ zwei Ausstellungen von Anna Flores und Ralf Bohnenkamp, und in der Studiogalerie: „Secret terrain“.
Vor der Galerie malt Aktionskünstler Bernd Schneider auf einer Endlosrolle Bilder am „Fließband“ und kommt mit den Leuten ins Gespräch.
Im Museum Wiesbaden haben alle aktuellen Ausstellungen geöffnet. Zu den Highlights zählen „Frühe Bilder“ von Gerhard Richter. Die kürzlich eröffnete Überblicksausstellung „Von Beckmann bis Jawlensky – Die Sammlung Frank Brabant“, „Pilze – Nahrung, Gift und Mythen“ sowie „Orchideen“.
Gegen 19 Uhr findet die Präsentation der Ergebnisse des Kooperationsprojekts #shortnight statt. „Arbeiten der Leistungskurse Kunst der Oranienschule Wiesbaden treten in den Dialog mit Werken der ständigen Sammlungen des Museums Wiesbaden“.
Gegen 21.30 Uhr tritt ein zweites Mal der PopJazzChor Wiesbaden auf. Es herrscht Hochbetrieb, auch am Stand von Weingut Schloß Vollrads.
Mehr Stationen sind an diesem Abend nicht zu schaffen.
Alles „endet“ im Bellevue-Saal, in der Wilhelmstrasse 32. Vor dem Hintergrund der Ausstellungen von Heiko Sievers „together“ und Konstantin Voit „Konzeptkunst/Zeichnung/Malerei“ steigt gegen 23.30 Uhr zur Krönung der „Kurzen Nacht“ das Abschlussfest.
Alle teilnehmenden Galerien und Museen, sowie Infos zum Rollenden Museum, finden Sie unter http://www.kurze-nacht.de/,
Am kommenden Sonntag, 11. September, zwischen 11 und 17 Uhr feiert das neue „sam – Stadtmuseum am Markt“ seine Eröffnung mit einem großen Museumsfest. An diesem Tag können große und kleine Besucher im Marktkeller erstmals auf rund 1300 Quadratmeter die Geschichte der heutigen Landeshauptstadt Wiesbaden entdecken.
Präsentiert werden die Ausstellung „Wiesbadens Lieblingsstücke“, die Kinderausstellung „Die spinnen, die Mattiaker!“ und die Präsentation „Unsere Schatzkammer“, die im vierteljährlichen Wechsel herausragende Stücke Sammlung Nassauischer Altertümer zeigen wird. „Das neue sam – Stadtmuseum am Markt ist ein Museum für alle. Ich freue mich sehr, dass wir in diesem Sinne zur Eröffnung ein großes Fest auf dem Dernsch’en Gelände feiern können“, äußert sich Oberbürgermeister Gerich erwartungsvoll. „Neben einem reichhaltigen Programm für die Erwachsenen kommen bei unserem Museumsfest vor allem die kleinen Besucher in Kinderführungen und der Kinderausstellung voll auf ihre Kosten“, freut sich auch Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz auf das Eröffnungsfest, das sie um 11 Uhr eröffnen wird.
Auf dem Fest wartet auf die Besucher bei freiem Eintritt ins Museum und zu allen Aktionen ein reichhaltiges Führungsangebot durch das neue „sam – Stadtmuseum am Markt“ sowie, passend zum Tag des Offenen Denkmals, durch zahlreiche Denkmäler der Innenstadt. Im Halbstundentakt geht es unter fachkundiger Führung in das neue Rathaus, die Marktkirche, die Villa Clementine, das Kurhaus und durch die Ausstellungen im Marktkeller. Zugleich werden Schlossplatz und Dernsches Gelände dank der Initiative Kulturgut Mobilität im Rahmen des Tages des rollenden Kulturguts zu einem riesigen Freilichtmuseum, in dem sich Oldtimer aus der ganzen Region präsentieren. Passend dazu ermitteln das Stadtmuseum Wiesbaden und das Rollende Museum Wiesbadens ältesten Oldtimer, der einen Ehrenplatz direkt am Eingang des neuen sam – Stadtmuseum am Markt erhält. Um 16.30 Uhr wird Oberbürgermeister Sven Gerich am Eingang zum Marktkeller Wiesbadens ältesten Oldtimer prämieren. „Ich bin sehr gespannt, welche rollenden Lieblingsstücke in den Wiesbadener Garagen schlummern“, freut sich Oberbürgermeister Sven Gerich auf die ehrenvolle Aufgabe.
Von der Bushaltestelle „Dernsches Gelände“ geht weiterhin der Oldtimerbus der ESWE-Verkehr im Halbstundentakt auf Erkundungstour durch das historische Fünfeck. Rund um den Eingang zum „sam – Stadtmuseum am Markt“ präsentieren das Stadtarchiv Wiesbaden, der Förderverein des Stadtmuseums Wiesbaden, der Verein für Nassauische Altertumskunde, die Paul-Lazarus-Stiftung und das Ortskuratorium der Stiftung Denkmalschutz sich und ihre Arbeit. „Wir hoffen sehr, dass wir mit diesem breiten Angebot möglichst viele Wiesbadenerinnen und Wiesbadener dafür begeistern können, mit uns das große Eröffnungsfest des ‚sam – Stadtmuseum am Markt zu feiern‘“, zeigt sich der kommissarische Direktor des Stadtmuseums Wiesbaden, Dr. Bernd Blisch, erwartungsvoll.
Das 25-jährige Jubiläum der Deutschen Einheit feiert die Landeshauptstadt Wiesbaden mit einer „Woche der
Freiheit“ und auch das Stadtmuseum Wiesbaden ist dabei.
Am 01.10.2015 um 18 Uhr wird die Ausstellung „OSTZEIT – Geschichten aus einem vergangenen Land“ im Rahmen der Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum des Tages der Deutschen Einheit im Schaufenster Stadtmuseum als letzte Ausstellung vor Schließung der Räumlichkeiten in der Ellenbogengasse 3 – 7 eröffnet.
Im Zentrum der Ausstellung stehen Bilder der bekannten ostdeutschen Fotografinnen und Fotografen Sibylle Bergemann, Harald Hausmann, Ute Mahler, Werner Mahler und Maurice Weiss. Sie zeigen in ungeschönten und zugleich sensiblen Bildern den Alltag und die Menschen in der DDR jenseits der sozialrealistischen Wunschwirklichkeiten. Durch ihre Offenheit und persönliche Sichtweise ermöglichen die Fotografien einen authentischen Blick auf den Osten Deutschlands.
„Kurbad, Volksbad, Fürstenbad – Zur Architekturgeschichte des Bades“ vom 17. Juni bis 13. September 2015 im Schaufenster Stadtmuseum, Ellenbogengasse 3 – 7, Wiesbaden. Wellness-, Spass- und Heilbäder wie auch das tägliche Duschen sind heutzutage so selbstverständlich, dass wir uns kaum vorstellen können, dass Körperhygiene und Baden in warmen Wasser einst Privileg von Adel und gehobenem Bürgertum waren. Wie sich aus den einstigen Badeprivilegien einiger weniger bis heute eine so breite und vielfältige Bade- und Wellnesskultur entwickeln konnte, zeigt nun erstmals aus bauhistorischem Blickwinkel die Ausstellung „Kurbad, Volksbad, Fürstenbad – Zur Architekturgeschichte des Bades“ vom 17. Juni bis 13. September 2015 im Schaufenster Stadtmuseum, Ellenbogengasse 3 – 7, Wiesbaden.
Der größte Teil der Ausstellung, einer Wanderausstellung, zeigt aus Holz und Gips in 20 000 Arbeitsstunden gefertigte Modelle der Bäderarchitektur vom 17. bis 20. Jahrhundert von Studierenden (Balena-Projekt) der Fakultät Architektur und Stadtplanung der Universität Stuttgart. Ausstellungsschwerpunkt bildet dabei jedoch die Entwicklung der Bäderarchitektur seit der Einführung erster öffentlicher Badeanstalten im 18. Jahrhundert bis zur mondänen Badekultur der Belle Epoque..
In ihrem Festvortrag führte Dr. Susanne Grötz, Projektleiterin „Balnea“ in die sechsjährige Entwicklung und Inhalte der wunderbar – auch für Kinder sehr anschaulichen – Ausstellung ein (Gesamtvortrag, siehe unten).
Die frühesten Bauten, so Grötz, die im Modell vorgestellt werden, sind die Badepavillons in den Parks der Residenzen des 16. und 17. Jahrhunderts. Kleine Badeschlösschen, die dem Divertissement der Fürsten dienten.
Weitere Stationen sind die Flussbadeanstalten und Badeschiffe des 18. und 19. Jahrhunderts, die Seebäder und die Volks- und Arbeiterbäder des frühen 20. Jahrhunderts. In einem besonderen Schwerpunkt der Ausstellung wurden niemals realisierte Idealentwürfe von Badehäusern um 1800 ins Modell umgesetzt. In dieser von gesellschaftlichen Umwälzungen geprägten Periode brachten die Architekten eine Vielzahl innovativer Ideen zur Bauaufgabe Bad zu Papier.
Eine besondere Rolle kommt Wiesbaden als „Weltkurstadt des 19. Jahrhunderts“ in der Bäderausstellung zu. Gezeigt werden, so Dr. Bernd Blisch, Sammlungsleiter und kommissarischer Direktor des Projektbüros Stadtmuseum, spezifische Pläne, Stiche, historische Fotomaterialien und Architekturzeichnungen aus dem Bestand des Stadtmuseums. Darunter befinden sich wenig bekannte Architekturzeichnungen des um 1805 nach Wiesbaden geholten Baumeisters Christian Zais, etwa Pläne zum Bau des ersten Kurhauses von 1807 bis 1810, zum großen Badhaus vor dem Sonnenberger Tore (1816) sowie der Entwurf des Badehauses „Vier Jahreszeiten“ (1815), welches im Kriege zerstört wurde. Anhand der Pläne ist es aber noch gut vorstellbar und man sieht die vielen kleinen separaten Badestuben und die Gesamtorganisation des Hauses.
Das Badhaus Vier Jahreszeiten und das erste Wiesbadener Kurhaus dienten vielen anderen Städten, etwa Baden-Baden, als Vorbild.
Präsentiert werden zudem Aquarelle des Wiesbadener Malers Hans Völcker zum Kaiser-Friedrich-Bad, welches 1913 auf altrömischen Bäder-Fundamenten im Stil antiker Thermen errichtet und seinerzeit zu den modernsten Heilbädern Europas zählte. Bis zu seiner Umwidmung zum Römisch-Irischen Wellness-Bad und einer Senioren-Residenz war hier die einst berühmte Rheumaklinik beheimatet.
Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz legte in ihrem Grußwort gleich zu Beginn den Besuchern der Ausstellungseröffnung einen Besuch im Kaiser-Friedrichs-Bad ans Herz. Vor allem dankte Sie Dr. Bernhard Blisch und seinem Team Projektbüro-Stadtmuseum für das Zustandekommen der Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Balnea-Team und für die Gestaltung der Ausstellung. Scholz wertete die große Aufmerksamkeit, die dieser Ausstellung zukomme für ein weiteres Indiz des Wunsches in der Bevölkerung für ein Stadtmuseum, das noch immer fehle. So sei neulich in den Medien eine mangelnde Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt beklagt worden. Und das läge in erster Linie mit daran, „weil Wiesbaden immer noch nicht das Historische Museum hat, was wir eigentlich brauchen. Gerade historische Museen, gerade Ausstellungen wie diese, die wir heute hier eröffnen, helfen Menschen und auch einer Stadtgesellschaft, Antworten auf die Fragen zu finden, wer man ist, wo man herkommt, und wohin man möchte“, sagte Scholz und fügte hinzu: „Diesen Spagat zwischen Geschichte und Gegenwart gestaltet das Projektbüro Stadtmuseum Wiesbaden mit seinem kommissarischen Direktor Dr. Bernd Blisch immer wieder beispielhaft. Deswegen erwähne ich ihn auch zweimal mit seinem Team und eine große Anerkennung für die großartige Ausstellung und die begleitende Museumspädagogik. Weiter so!“.
Begleitprogramm und Museumspädagogik
Besichtigungen des Kurhauses Wiesbaden finden statt am 21. Juni, 26. Juli, 16. August, 20. September 2015, jeweils 11.00 Uhr, Treffpunkt: auf dem roten Teppich am Eingang (Stadtseite) zum Kurhaus. 8 Euro Vorverkaufsgebühr in der Tourist-Information.
Exkursion zum Kranzplatz und Kochbrunnen finden statt am 10. Juli und 14. August 2015, jeweils 15 Uhr, Treffpunkt: Schaufenster Stadtmuseum, Ellenbogengasse 3-7. 8 Euro Vorverkaufsgebühr in der Tourist-Information.
Die speziellen Angebote für Grund- und weiterführende Schulen sowie Ferienangebote für Kinder im Grundschulalter können angefragt werden direkt über Tel.: 06 11–34 13 28 77, stadtmuseum@wiesbaden.de
Festvortrag „Kurbad, Volksbad, Fürstenbad – Zur Architekturgeschichte des Bades“ von Dr. Susanne Grötz
Wir danken Frau Dr. Susanne Grötz. Projektleiterin „Balnea“, Stuttgart, ganz herzlich, dass wir ihren hochinteressanten und lehrreichen Festvortrag im Wortlaut folgend publizieren dürfen.
„Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrte Frau Scholz haben Sie herzlichen Dank für Ihre charmante Begrüßung.
Im Namen des Balnea-Teams möchte ich mich zuerst einmal bei Ihnen lieber Herr Dr. Blisch ganz herzlich bedanken. Wir freuen uns, an diesem so trefflichen Ort, der Landeshauptstadt Hessens und dem renommierten Kurbad Wiesbaden zu Gast zu sein.
Zu den Architektur-Modellen
Einige kurze Bemerkungen zur Genese der Ausstellung: das Balnea- Team arbeitet seit vielen Jahren fächerübergreifend zu architekturhistorischen Themen, zu italienischen Theaterbauten, zu Gärten und nun zur Bauaufgabe des Badehauses. Die Arbeitsgruppe, das sind meine Marburger Kollegin, die Kunsthistorikerin und Kuratorin Dr. Ursula Quecke und der Architekt und Gestalter Dr. Erwin Herzberger. Der ehemalige Leiter der Modellbauwerkstatt Martin Hechinger betreute die Studierenden und Sie werden sehen zu welch phantastischen Ergebnissen das führte!
Die Architekturmodelle dieser Ausstellung wurden auf der Basis historischer Ansichten und Pläne in ganz unterschiedlichen Materialien und Bauweisen in akribischer Arbeit von Studierenden der Fakultät für Architektur und Städtebau an der Universität Stuttgart gefertigt. 20 000 Arbeitsstunden sind schätzungsweise in die Modelle eingeflossen.
Die Ausstellungsschwerpunkte
Die Ausstellung Balnea stellt die neuzeitliche europäische Bäderarchitektur in einer Auswahl charakteristischer Bauten vom 17. bis zum frühen 20. Jahrhundert vor.
Die frühesten Bauten, die im Modell vorgestellt werden, sind die Badepavillons in den Parks der Residenzen des 16. Und 17. Jahrhunderts. Kleine Badeschlösschen, die dem Divertissement der Fürsten dienten. Weitere Stationen sind die Flussbadeanstalten und Badeschiffe des 18. und 19. Jahrhunderts, die Seebäder und die Volks- und Arbeiterbäder des frühen 20. Jahrhunderts. In einem besonderen Schwerpunkt der Ausstellung wurden niemals realisierte Idealentwürfe von Badehäusern um 1800 ins Modell umgesetzt. In dieser von gesellschaftlichen Umwälzungen geprägten Periode brachten die Architekten eine Vielzahl innovativer Ideen zur Bauaufgabe Bad zu Papier.
Zu den niemals in die Realität umgesetzten Projekten machen die Modelle auch nicht mehr erhaltene, oftmals nicht nur durch Kriegszerstörung, sondern häufig auch durch Abriss in jüngerer Zeit verlorene Bauten durch Rekonstruktionen wieder erfahrbar.
Übersichtsmodelle veranschaulichen die städtebauliche Einbindung der Bäder, es gibt aber auch Einblicke in preziöse Baderäume, ähnlich eines Guckkastens. Dann gibt es Schnitte durch Gebäude, die gerade die Funktionen einzelner Räume, ihre Ausstattung mit Wannen und Bassins bis hin zu den Heizanlagen aufscheinen lassen. Für jedes einzelne Objekt haben wir gemeinsam mit den Studierenden überlegt, welcher Aspekt am interessantesten wie darzustellen ist.
Neue Hygieneimpulse der Aufklärung führt zur Renaissance des Bädergedankens
Hatten noch im Mittelalter allerorten öffentliche Badestuben den städtischen Alltag geprägt – in großen Handelsstädten gab es bis zu 200 Badestuben – wurde das Bad als öffentliche Einrichtung bis zum 17. Jahrhundert weitestgehend aufgegeben. Die Vorstellung, dass in die Haut eindringendes Wasser die Körperflüssigkeiten störe und das empfindliche Gleichgewicht des Körpers verletze, war unter anderem dafür verantwortlich. Und man führte die Verbreitung von Seuchen und Epidemien auch auf die Badehäuser zurück. Im Zuge der Aufklärung brachten neue Strömungen in Medizin und Pädagogik mit dem Wissen um die hygienische und therapeutische Wirkung des Wassers einen Wandel herbei und so entstanden zur Mitte des 18. Jahrhunderts wieder vermehrt öffentliche Bäder, um der Vernachlässigung der Hygiene und Körperpflege entgegen zu treten.
Die große Zeit der Badeschiffe
In Diderots „Encyclopédie“, dem umfassenden Lexikon aller Wissenschaften, Künste und Berufe des 18. Jahrhunderts, findet sich die Darstellung eines Badeschiffes auf dem Fluss. Hierbei handelt es sich um ein mit beheiztem und gefiltertem Flusswasser betriebenes Wannenbad. Es wurde 1761 in Paris als erste öffentliche Badeanstalt für das wohlhabende Bürgertum auf Initiative eines Baders errichtet. Die Betreuung des Badebetriebs lag in jener Zeit in Händen der Barbiere und Perückenmacher. Diese betrieben neben vielerlei Anwendungen der Gesundheits- und Körperpflege (Aderlass, Rasur u.a.) die Bäder privatwirtschaftlich.
Bis weit ins 19. Jahrhundert waren die am Ufer verankerten Badeschiffe in den europäischen Großstädten verbreitet. So war nach dem Pariser Vorbild 1774 ein erstes Badeschiff auf deutschem Territorium in Frankfurt eröffnet worden.
Hufeland über die Kunst durch Baden menschliches Leben zu verlängern
Der Weimarer Arzt und Aufklärer Christoph Wilhelm Hufeland nennt 1796 in seiner berühmten Schrift „Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern“ u. a. zwei Hauptmittel zur Erhaltung der Gesundheit: die „Reinlichkeit und Hautkultur“ .
Dazu schreibt er: „Man wasche sich täglich mit frischem Wasser den ganzen Körper und reibe zugleich die Haut stark, wodurch sie außerordentlich viel Leben und Gangbarkeit erhält. Man bade jahraus jahrein jede Woche wenigstens einmal in lauem Wasser, wozu sehr nützlich noch eine Abkochung von 5-6 Lot Seife gemischt werden kann. Wollte Gott, dass die Badehäuser an allen Orten wieder in Gang gesetzt würden, damit auch der unbegüterte Teil des Volks diese Wohltat genießen könnte, so wie er sie in den vorigen Jahrhunderten überall genoß, und dadurch gesund und stark wurde. (Anm. dazu: Wir haben noch überall Badehäuser und Bäder, aber bloß als Monumente jener löblichen Gewohnheit. Ihre Benutzung ist durch eine unangreifliche Indolenz der Menschen ganz abgekommen. Ehemals gingen alle Sonnabende Badeprozessionen mit klingenden Becken durch die Straßen, um ans Baden zu erinnern, und der im Schmutz arbeitende Handwerker wusch nun im Bade jene Unreinigkeit von sich, die er jetzt gewöhnlich zeitlebens mit sich trägt. Es sollte jeder Ort ein Badehaus oder Floß im Flusse für den Sommer, und ein andres für den Winter haben“
Schwimmende Badeanstalten setzen sich in ganz Europa durch
Die sich immer weiter verbreitende Einsicht, dass das Baden für jedermanns Gesundheit unerlässlich sei, führte in ganz Europa zum Einsatz von Badeschiffen und Flußbadeanstalten. Die schwimmenden am Ufer befestigten Badeanstalten, die in der Folge der Badeschiffe entstanden, waren einfache Holzkonstruktionen. Diese Flussbäder verfügten über wenig Luxus. Zudem hatten sie mit einem ungezwungen Bad unter freiem Himmel, wie wir uns das heute vorstellen mögen, nichts gemein. Die Badenden bewegten sich zwar nackt im Wasser, jedoch in Bretterverschlägen oder Holzhäuschen, die vor Blicken und Licht schützten. Neben der Unfallverhütung galt es auch, Kontrolle über das Baden zu gewinnen und das ’wilde Baden’ zu unterbinden.
Die Ulmer Badeanstalt an der Donau, ein Beispiel für allerorten an Flüssen und Seen entstehende Flussbadeanstalten, war über Stege vom Ufer zu erreichen. Jeweils neun einfach eingerichtete Kabinen waren dicht an dicht auf einem schwimmenden Ponton befestigt. Die Badehäuschen dienten als Umkleidekabinen und als Zugang zum Wasser. Der Badende bewegte sich in einem ’Käfig’ im kalten Flusswasser.
Der Aufbruch zum fest gebauten Badehaus
Wie wichtig das Thema des öffentlichen fest gebauten Badehauses um 1800 war – anders als das saisonal abhängige Fußbad – beweisen verschiedene Ideenwettbewerbe der Bau-Akademien. Die Bäderarchitektur war ein Thema der Akademien, musste doch der Typus des Badehauses erst noch gefunden werden. Bislang konnten nur die römische Thermenarchitektur und die islamischen Bäder zum Vorbild dienen. Im Mittelalter wurden entweder die antiken Strukturen weitergenutzt oder anspruchslose Holzgebäude errichtet. Neben den Badeschiffen, deren Architektur vom Schiffsbau vorgegeben war, gab es Badeappartements, die in die Raumfolge der Stadtpalais oder fürstlicher Schlösser integriert und im Stil des jeweiligen Gesamtkomplexes ausgebildet waren.
Dieser neuen Bauaufgabe des Badehauses widmeten sich in Kenntnis der Literatur und Bauten der Antike sowie der Renaissance zahlreiche Architekten. Idealentwürfe, die nicht zur Ausführung kamen, bis ihn unsere Studentinnen im Modell umsetzten, erschienen in Traktaten und Publikationen, wie etwa in Johann Gottfried Grohmanns „Ideenmagazin“ (1796 bis 1816). Hier finden sich Badehäuser im chinesischen, maurischen oder ägyptischen Geschmack.
Frühe Luxusbäder – die ersten „Wellness-Tempel“
In dieser Zeit entstanden einige sehr luxuriös ausgestattete Badehäuser mit Wannenbädern, Dampfbad und Schwimmbassin. Im Unterschied zu den Flussbadeanstalten, die ja vorwiegend der Reinigung und der Abhärtung dienten, waren diese Bäder dem Vergnügen gewidmet. Ähnlich wie im Theaterbau finden sich deshalb etliche Anräume wie Lesesäle oder Spielstätten. Die privat betriebenen Einrichtungen konnten so ihre Kosten über das hohe Eintrittsgeld einspielen. In der Folge, Ende des Jahrhunderts, entsteht in Stuttgart in der Büchsenstrasse ein solches Schwimmbad. Leo Vetter, der sich eingehend mit dem Schwimmbadbau beschäftigte und etliche Schriften zum Thema vorlegte, gründete in Stuttgart ein modernes Bad im maurischen Stil, das sich an den nah gelegenen königlichen Bädern der Wilhelma orientierte. Die Rekonstruktion der Herrenschwimmhalle ziert das Buchcover des Balneakatalogs. Verlassen Sie die Ausstellung nicht bevor sie dieses sehr aufwändig gearbeitete Modell angesehen haben. Daran haben drei Studentinnen ihre gesamten Sommermonate gearbeitet.
Ein weiteres Beispiel orientalisierender Architektur finden wir im Bade und Cafehaus für Kairo. Dort baute der preußische Architekt Karl von Diebitsch Märchenpaläste für den ägyptischen Vizekönig Ismail Pascha. Hier ist auch der Reimport islamisierter Architektur „Made in Germany“ in den Orient interessant.
Jedem Deutschen ein wöchentliches Bad
Wenn Sie dann im Anschluss, die frühen Hygienebäder ansehen, könnte der Unterschied nicht grasser sein. Sie sehen eine kleine Pappschachtel, die das Volksbrausebad, im Original eine Wellblechhütte, darstellt. Dieses in ganz dürftigen Materialien hergestellte Modell – das unserem Modellbauer überhaupt nicht gefallen hat – steht für die sozialreformerische Idee „Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad“. 1883 nutzten tausende von Besuchern dieses Volksbrausebad auf der Hygiene-Ausstellung in Berlin. Dort wurde diese Einrichtung vorgestellt, um dem eklatanten Mangel an öffentlichen Badeeinrichtungen bewusst zu machen. Wurden schon seit hundert Jahren Flussbadeanstalten gebaut, die sich ja mehr und mehr einem breiten Publikum öffneten, so war 1880 noch lange nicht die Maxime „Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad“ erfüllt.
Dieses um 1900 immer noch äußerst ehrgeizige Ziel, ist heute für uns kaum noch vorstellbar. Vergessen haben wir das erst in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts die flächendeckende Versorgung durch Privatbäder einsetzte.
Täglich duschen gehört für viele von uns zum Alltag. Und wenn man Täglich duschen in eine Suchmaschine eingibt kommen als erstes Seiten die fragen: waschen wir uns zu oft? Ist täglich duschen gesund und so weiter.
Obwohl sich das Verständnis von Hygiene und Körperpflege ständig veränderte und verändert, war und ist das Thema Baden stets aktuell.
Die besondere Geschichte der Seebäder
Ein weiteres sehr amüsantes Kapitel der Bädergeschichte ist das Seebad. Unser Umgang mit dem Meer hat sich ebenso sehr gewandelt, unser unbekümmertes und freudiges Rennen ins Meer ist auch eine neue Kulturtechnik.
Der Umgang mit der See musste erst erlernt werden, und dazu erfand man uns heute kurios erscheinende Badegeräte. Die Badeschaluppe, ein am Strand vertäutes Segelboot, wurde zum Baden ins Meer gebracht. Wenn es vom Strand ausreichend entfernt war, entkleideten sich die Badegäste hinter geschlossenen Gardinen und stiegen über eine Treppe hinunter in den kleinen zwei Meter langen und ein Meter tiefen Holzkäfig, der in die See abgesenkt wurde. So war das kurze Abtauchen ins bewegte Seewasser gefahrlos möglich, hatte mit selbstvergessenen sich von den Wellen treiben lassen oder gar mit schwimmen rein gar nichts zu tun.
Allerdings wurden in den Seebädern die Badeschaluppen bald von den in England entwickelten Badekarren, fahrbaren Kabinen, abgelöst, da die Gäste reihenweise seekrank wurden.
Eine eindringliche Beschreibung des Badevorgangs, die er in England kennen gelernt hatte, liefert uns Georg Christoph Lichtenberg. In seinem 1793 veröffentlichten Aufsatz: Warum hat Deutschland noch kein öffentliches Seebad? scheint der abenteuerliche Gebrauch dieser neuen Erfindung durch:
„Man besteigt ein zweirädriges Fuhrwerk, einen Karren der ein von Brettern zusammen geschlagenes Häuschen trägt, das zu beyden Seiten mit Bänken versehen ist …In dieses Häuschen steigt man nun, und während der Fuhrmann nach der See fährt, kleidet man sich aus. An Ort und Stelle, die der Fuhrmann sehr richtig zu treffen weiß … lässt er das Zelt nieder: Wenn also der ausgekleidete Badegast alsdann die hintere Thüre öffnet, so findet er ein sehr schönes dichtes leinenes Zelt, dessen Boden die See ist, in welche die Treppe führt. Man fasst mit beiden Händen das Seil und steigt hinab. Wer untertauchen will, hält den Strick fest und fällt auf ein Knie, wie die Soldaten beim Feuern im ersten Glied, steigt alsdann wieder herauf, kleidet sich bey der Rückreise wieder an usw. Es gehört für den Arzt, zu bestimmen, wie lange man diesem Vergnügen (denn dieses ist es im hohen Grade) nachhängen darf. Nach meinem Gefühl war es vollkommen ausreichend, drey bis viermal kurz hinter einander im ersten Glied zu feuern, und dann auf die Rückreise zu denken….“
Die Badekarren breiteten sich rasch über die gesamte Nord- und Ostseeküste aus und waren auch in Skandinavien und Holland gebräuchlich.
Aber die Menschen, die sich im Badekarren wagemutig in die See trauten, waren in der Minderheit, vielmehr war es üblich den Gästen beheizte Seewasserbäder in Wannenbädern zu verabreichen.
1794, im gleichen Jahr als Vogels Schrift „Über Nutzen und Gebrauch der Seebäder“ erschien, kamen bereits 300 Badegäste an die Ostsee. Die ersten Badeeinrichtungen waren den Männern vorbehalten.
Erst 1802 wurde in Heiligendamm ein kleines Damenbad am Strand eingerichtet. In rascher Folge eröffneten zahlreiche Seebäder an Nord- und Ostsee, denn die Zahl jener Badegäste, denen der „auf die Empfindungsnerven so wohltätig wirkende Wellenschlag“ im freien Meerbad zusagte, wuchs stetig.
Ihrer Nachfrage folgten immer neue Badeeinrichtungen: Zunächst einfache, von Holzpfählen eingefriedete und mit fahrbaren oder festen Strandkabinen kombinierte Seebäder, im späteren 19. Jahrhundert solche mit Herren-, Damen-, und Familienbad. In dieser Zeit erlangte das Schwimmen dann auch wieder allergrößte Popularität und nach und nach badete Mann und Frau gemeinsam, zuweilen gar textilfrei.
In den folgenden Jahren konkurrierten immer mehr Seebäder an Nord- und Ostsee um „Kurtouristen“.
Erst mit der Romantik wird aus der Scheu, Liebe zum Meer
Über Jahrhunderte hatte das Meer in den Menschen vor allem Gefühle des Schreckens und der Abscheu erregt. Erst nach einem allmählichen Wandel konnte der Reisende der Romantik die Erhabenheit des Meeres genießen.
Lassen wir noch einmal Joseph von Eichendorff zu Wort kommen: „Ein himmlischer Anblick aufgezeichnet nach dem ersten Besuch am Meer am 22. September 1805:…“ Mit der gespanntesten Erwartung sahen wir dem Augenblike entgegen, wo wir das Meer zu Gesicht bekommen würden. Endlich, als wir den Gipfel der letzten Anhöhe von Travemünde erreicht hatten, lag plötzlich das ungeheure Gantze vor unseren Augen, und überraschte uns so fürchterlich-schön, dass wir alle in unserem Innersten erschraken. Unermeßlich erstrekten sich die grausigen Fluthen in unabsehbare Fernen. In schwindlichter Weite verfloß die Riesen-Waßerfläche mit den Wolken, und Himmel u. Wasser schienen Ein unendliches Gantzes zu bilden. Im Hintergrunde ruhten ungeheure Schiffe, wie an den Wolken aufgehangen. Trunken von dem himmlischen Anblike erreichten wir Travemünde, ein, fast wie Karlsbad an der Küste erbautes niedliches Städtchen, welches wegen des dasigen Seebades von Fremden sehr häufig besucht wird. “
Während in den Jahrhunderten vor 1800 die Reise zu den heißen Quellen vorwiegend der Gesundheitspflege diente und oftmals große Unbequemlichkeit bedeutete, wurde die Bäderreise an die See oder in den Kurort im 19. Jahrhundert zunehmend zur Mode und zur gesellschaftlichen Pflicht. Symptomatisch dafür steht die Redensart: „Man geht dorthin, wo die Mode will, dass man gesunde.“(Jahrbücher der Heilquellen Deutschlands, 1821)
Mondäne Badeorte, unter denen Wiesbaden ein führender war, wurden zu Vergnügungsstätten der Belle Epoque.“
Dr. Susanne Grötz
Am Dienstag, 16. Juni, 18 Uhr, wird eine neue Sonderausstellung im „Schaufenster Stadtmuseum“, Ellenbogengasse 3, eröffnet. „Kurbad, Volksbad, Fürstenbad“ heißt die Präsentation, die sich vor allem mit der Architekturgeschichte des Bades beschäftigt. Sie wird bis zum 13. September zu sehen sein. Öffnungszeiten sind:
Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr.
Die Ausstellung ist aus Arbeiten von Studierenden der Fakultät Architektur und Stadtplanung der Universität Stuttgart entstanden. Sie widmet sich der Entwicklung der Bäderarchitektur seit der Einführung erster öffentlicher Badeanstalten im 18. Jahrhundert. Die Annäherung an die Bauaufgabe „Bad“, wie sie sich den Architekten des 18. und 19. Jahrhunderts stellte, wird über die Architekturmodelle besonders sichtbar.
Dadurch werden auch die verschiedensten gesellschaftlichen und therapeutischen Anforderungen deutlich: Kurbad, Fürstenbad, Seebad, Luxusbad, Volksbad oder Arbeiterbad.
Ergänzt wird die Präsentation durch das Stadtmuseum Wiesbaden.
In einzigartiger Weise werden so durch Modelle, Pläne, Stiche und historisches Fotomaterial wichtige Stationen und Phänomene der Bäderarchitektur des 18. bis 20. Jahrhunderts veranschaulicht.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt in Wiesbaden auf dessen großer Zeit als „Weltkurstadt des 19. Jahrhunderts“. Wenig bekannte Architekturzeichnungen des großen Baumeisters Christian Zais sind dabei ebenso zu erleben, wie bislang unbekannte Arbeiten des Wiesbadener Malers Hans Völcker zum Kaiser-Friedrich-Bad aus den Beständen des Stadtmuseums Wiesbaden.
Parallel zu Ausstellung wird ein umfangreiches Begleitprogramm angeboten: Bei Führungen durch das Wiesbadener Kurhaus kann man etwas von dem Glanz erleben, den der Bau seit über 100 Jahren auf die Besucher ausstrahlt.
Führungen zu Plätzen der Badekultur Wiesbadens
Außerdem stehen Führungen zum Kranzplatz und Kochbrunnenplatz auf dem Programm. Das einstige Zentrum der Badekultur in Wiesbaden hat sich über die Zeit sehr verändert: Aus den Hotels wurden Verwaltungsgebäude, das Grandhotel „Rose“ als Staatskanzlei gar zum politischen Zentrum für ganz Hessen.
Teilnahmekarten zum Preis von 8 Euro zuzüglich Vorverkaufsgebühr gibt es in der Tourist-Information, Marktplatz 1, Telefon 0611 1729930. Ein Flyer zu Ausstellung und Begleitprogramm listet die einzelnen Führungstermine auf. Der Flyer liegt an zahlreichen Kultureinrichtungen aus, ist aber auch im Projektbüro Stadtmuseum oder bei der Tourist-Information erhältlich.
Museumspädagogisches Programm für Schulen
Zudem hat das museumspädagogische Team des Stadtmuseums ein Programm für die Schulen, aber auch ein Ferienprogramm entwickelt: Kochbrunnen 2.0 heißt das Programm für die Grundschüler, die sich nach einer genauen Inspektion des Kochbrunnens und seines Platzes im Schaufenster Stadtmuseum mit der Frage beschäftigen, wie der ideale Kochbrunnenplatz der Zukunft aussehen soll.
„Auf dem Weg zum Weltkurbad – Wiesbaden und seine Bäder im 19. und 20. Jahrhundert“, heißt das Programm für die weiterführenden Schulen: Was gehört zu einer Weltkurstadt? Gepflegte Wellnessbereiche! Großzügige Eventflächen! Top-Architektur! Bei einer Führung, zunächst durch die Ausstellung und anschließend durch die Innenstadt von Wiesbaden, nehmen die Schülerinnen und Schüler die Vorstellungen der Menschen von einem Freizeitverhalten auf höchstem Niveau in den Blick – vor 200 Jahren, vor 100 Jahren und heute. Buchbar sind beide Programme für 35 Euro pro Gruppe.
Es gibt auch ein Ferienangebot für Kinder im Grundschulalter: Jeden Donnerstag in den Ferien, von 14 bis 17 Uhr beschäftigen sich Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren mit dem Thema „Baden“ und „Wasser“ in Wiesbaden. Die Teilnahme hierfür ist kostenlos, eine Anmeldung ist erforderlich im Sekretariat des Stadtmuseums unter Telefon 0611 34132877, mail: stadtmuseum@wiesbaden.de.
Darstellung der 800jährigen, von der Salzgewinnung und späterem Kurbetrieb geprägten Stadtgeschichte im 1998 renoviertem alten Badehaus.
Öffnungszeiten
Mittwoch, Samstag, Sonntag, 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr,
oder nach vorheriger Anmeldung.