Kategorie-Archiv: Jahresempfang der Wirtschaft

Kammern fordern wirksamen Bürokratie-Abbau beim Jahresempfang der Wirtschaft – Robert Habeck verspricht zu helfen


Mehrere tausend Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur waren am Donnerstag, 25. Januar, zum „Jahresempfang der Wirtschaft“ mit Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck in die ausgebuchte Mainzer Rheingoldhalle gekommen. 15 Kammern und Institutionen des Mittelstands, des Handwerks, der freien Berufe und der Landwirtschaft aus Rheinland-Pfalz hatten zum Mainzer Großereignis eingeladen, das als größter Jahresempfang der regionalen Wirtschaft in Deutschland gilt – und als Plattform für den Dialog mit Entscheidern aus Bundes- und Landespolitik. Habeck war im Rahmen seiner Rheinland-Pfalz-Reise als Keynote-Speaker in die Mainzer Rheingoldhalle gekommen, nachdem er zuvor bei Mainzer Großunternehmen wie Schott und Werner & Mertz zu Gast war.

Impression des Jahresempfangs der Wirtschaft am 25.1.2024 in der Mainzer Rheingoldhalle mit mehreren Tausend Gästen aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Gesellschaft. © Foto: Diether von Goddenthow
Impression des Jahresempfangs der Wirtschaft am 25.1.2024 in der Mainzer Rheingoldhalle mit mehreren tausend Gästen aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Gesellschaft. © Foto: Diether von Goddenthow

IHK-Präsident Walden für „Praxis-Check“ bei neuen Gesetzen

Die Veranstalter des Jahresempfangs nutzten die Möglichkeit, um die Stimmungslage in der Wirtschaft und ihre Positionen deutlich zu machen: „Viele unserer Betriebe wissen nicht, wie es weitergehen soll“, sagte IHK-Präsident Dr. Marcus Walden in seiner Begrüßung. „Inflation, Energie- und Rohstoffkosten belasten die Bilanzen. Dazu kommen Lieferschwierigkeiten, lähmende Bürokratie und der Arbeitskräftemangel. Vor allem: Es fehlt das Vertrauen, dass Entscheidungen Bestand haben. Weshalb Unternehmen weniger investieren. Darüber müssen wir beim ‚Jahresempfang der Wirtschaft‘ sprechen.“

IHK-Präsident Dr. Marcus Walden. © Foto: Diether von Goddenthow
IHK-Präsident Dr. Marcus Walden. © Foto: Diether von Goddenthow

Besondere Sorge mache den Betrieben die zunehmende Bürokratisierung. Denn, wenn Berichtspflichten das Tagesgeschäft lähmten, „können wir die großen Herausforderungen unserer Zeit nicht lösen“. Service-Dienstleistung für alle, die jetzt hektisch für ihren Betrieb nachdenken, wieviel Grad das denn sein müssen: mindestens 21 Grad, sagt die Technische Regelung für Arbeitsstätten, die sogenannte ASR 3.5. Und selbst an das Lüften von Toilettenräumen und die Wechselwirkung des Lüftungsvorgangs mit der Raumtemperatur wurde gedacht. Ich zitiere aus der technischen Regelung: „In Toilettenräumen darf die Lufttemperatur durch Lüftungsvorgänge, die durch Benutzer ausgelöst werden, kurzzeitig unterschritten werden“. Ende des Zitats – mehr muss man, glaube ich, nicht dazu sagen.“, so Walden.

Obwohl die Bundesregierung bereits vier Bürokratieentlastungsgesetze auf den Weg gebracht habe, kämen „immer noch mehr neue Vorschriften hinzu als alte wegfallen.“, so der IHK-Präsident, und forderte „einen verbindlichen Praxis-Check für neue Gesetze. Da helfen die Kammern auch gerne mit.“ Großer Applaus. „Ich schätze mal, dass es Herr Habeck genauso sieht“.

„Neben Messwerten hilft manchmal aber vielleicht auch einfach gesunder Menschenverstand. Und das Vertrauen, dass verantwortungsbewusste Unternehmerinnen und Unternehmer vieles auch ohne seitenlange Regelungen richtig machen.“, so Walden. Und hätten die Unternehmer schließlich „alle Verordnungen gelesen, verstanden und erfüllt, folgen endlose Planungs- und Genehmigungsverfahren“, spricht der IHK-Präsident den Unternehmern und Freiberuflern im Saal aus der Seele. Innovationsgeschwindigkeit sähe anders aus!. Statt noch mehr Bürokratie  würde dringend „ein klares Bekenntnis zu unserem Industrie- und Innovationsstandort – und zu allem, was Innovation schafft“, gebraucht. Dazu gehörten „Investitionen in die Infrastruktur, in Forschung und Entwicklung. Und vor allem auch: eine sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen. Stattdessen verdoppeln die Betreiber der Stromübertragungsnetze in Deutschland zum Jahreswechsel die Entgelte. Das schlägt sich bei jedem Einzelnen von uns und für alle Branchen in der Stromrechnung nieder. Für einen industriellen Mittelständler bedeutet das leicht mehrere Hunderttausend Euro. In Rheinland-Pfalz betrifft das allein gut 13.200 Industriebetriebe, die knapp ein Viertel des Bruttosozialproduktes erwirtschaften. Vertrauensbildende Maßnahmen, die wichtig für alle sind, die investieren wollen und sollen, sehen anders aus“, so der IHK-Präsident. Er rief Robert Habeck zu: „Die Erwartungen an Sie für das Jahr 2024 sind hoch. Sie haben es mit in der Hand, das Vertrauen der Unternehmen in den Standort Deutschland wieder zu stärken.“

Talk – Wie soll Bürokratieabbau mit Lieferkettengesetz gehen?

Beim Talk diskutierten Andreas Creutzmann, Landespräsident Rheinland-Pfalz der Wirtschaftsprüferkammer, Malu Dreyer, Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen, Dr. Wilfried Woop, Präsident der Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz und Moderatorin Patricia Küll. © Foto: Diether von Goddenthow
Beim Talk diskutierten (v.li.n.r.) Andreas Creutzmann, Landespräsident Rheinland-Pfalz der Wirtschaftsprüferkammer, Malu Dreyer, Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen, Dr. Wilfried Woop, Präsident der Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz und Moderatorin Patricia Küll. © Foto: Diether von Goddenthow

Bürokratiekritik war auch vorherrschendes Thema der anschließende Talkrunde, die souverän und kenntnisreich von Patricia Küll moderiert wurde.  Auf dem Podium der Rheingold-Halle: Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen, Andreas Creutzmann, Landespräsident der Wirtschaftsprüferkammer und Dr. Wilfried Woop, Präsident der Landeszahnärztekammer.   HWK-Präsident Friese, als erster befragt, redet Klartext: „Der Frust ist groß, und der steigt immer mehr an.“ Dabei sei das größte Problem für das Handwerk die wachsende Bürokratie. Erst danach käme der Fachkräftemangel, so Friese, der die bürokratische Absurdität manch überflüssiger Regelung am Genehmigungsverfahren für das Bewegen von einem Kran von  A nach B plausibilisiert. Wie ihm ein Kollege aus der Baubranche zugetragen habe, würden Deutschlandweit alle Anträge bewilligt. Doch die Vorlaufzeit bis zur Genehmigung läge bei sechs bis acht Wochen. Wenn aber ohnehin alle beantragten „Kranfahrten“ genehmigt würden, „bräuchte  man doch gar keine Anträge zu stellen.“ Er habe oftmals das Gefühl, dass  Politiker gar nicht zuhörten.

Andreas Creutzmann, Landespräsident der Wirtschaftsprüferkammer, bestätigte Frieses Ausführungen, was tägliche Praxis der Steuerberater wäre, die dann Lösungen finden müssten. Vor allem, so Creutzmann, wie solle Bürokratieabbau angesichts beispielsweise des neuen  „Lieferkettensorgfaltpflichtgesetz“ funktionieren? Inzwischen bereite ja Brüssel  noch eine Verschärfung des Lieferkettensorgfaltpflichtgesetzes vor. Geplant sei auch eine indirekte Lieferkettenprüfungspflicht für Unternehmen ab 1000 Mitarbeitern,  also die Pflicht, auch die Lieferanten der Lieferanten auf Menschenrechts- und Umweltrechtsverletzungen hin zu überprüfen. Und das ganze müsse ja behördlicherseits kontrolliert werden, bedeute also mehr Beamte, mehr Bürokratie. In den Betrieben verlange das Gesetz ein systematisches Risikomanagement und die Unternehmen sollen elektronisch an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle berichten. Und wer solle all die Angaben überprüfen? Gut, für seine Branchen wüchsen die Aufgaben, räumte er auf Nachfrage Particia Külls ein.

Die Ministerpräsidentin Malu Dreyer versicherte, insbesondere an den Handwerks-Präsidenten gerichtet, dass sie die Kritik an der Bürokratie „sehr ernst nimmt“, und alles „aufgenommen würde“. Aber soweit ihr bekannt sei, führe die Landesregierung mit den verschiedenen Kammern intensive im Gespräche, um gemeinsam die Dinge zu erleichtern.  Man sei ja in  einem Veränderungsjahrzehnt, in dem es darum ginge, die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Rheinland-Pfalz zu erhalten und gut zu gestalten. „Meine Landesregierung setzt sich für stabile Rahmenbedingungen ein und unterstützt im Bundesrat die Initiativen zur Entlastung der Unternehmen“, versicherte Ministerpräsidentin Malu Dreyer.  „Wir setzen in Rheinland-Pfalz ganz stark auf wirtschaftliche Zukunftsfelder wie Wasserstoff, Künstliche Intelligenz und die Biotechnologie. Die Ansiedlung des Unternehmens Eli Lilly in Alzey ist nur eines der Ergebnisse der langjährigen strategischen Forschungspolitik der Landesregierung, mit der wir die Biotechnologie systematisch fördern. Wir wollen mit Ihnen als Unternehmen Gewinner der Digitalisierung werden, mit guter Arbeit und wirtschaftlichen Erfolgen auf traditionellen und neuen Märkten“, so die Ministerpräsidentin.

Die Gastgeber der Kammern mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Vizekanzler und Wirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (beide Mitte) beim Jahresempfang der Wirtschaft am 25. Januar 2024 in der Mainzer Rheingoldhalle. © Foto: Diether von Goddenthow
Die Gastgeber der Kammern mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Vizekanzler und Wirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (beide Mitte) beim Jahresempfang der Wirtschaft am 25. Januar 2024 in der Mainzer Rheingoldhalle. © Foto: Diether von Goddenthow

Politik müsse unternehmerischer Denken – Keynote des Wirtschaftsministers Dr. Robert Habeck

Als Hauptredner Dr. Robert Habeck ans Podium trat, war die Stimmung in der mehrere tausend Gäste fassenden Rheingoldhalle aufgeheizt und die Erwartungen hoch. Doch der Wirtschaftsminister schaffte es quasi im Handumdrehen mit einer Fragestellung zur mentalen Verfassung  aus dem Sport am Beispiel der aktuellen Vorabend-Handballer-Niederlage gegen Kroatien die Gemüter im Saal  positiv zu pushen: „Will man gewinnen, und hat man Spaß daran, oder will man, nur nicht verlieren?“ Es reiche seiner Meinung nicht, „nicht nur nicht verlieren zu wollen“, sondern es gehe darum, „gewinnen zu wollen!“, motivierte der Wirtschaftsminister.

Dr. Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. © Foto: Diether von Goddenthow
Dr. Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. © Foto: Diether von Goddenthow

Er teile  die Kritik an der überbordenden Bürokratie und prangerte unter anderem die unglaublichen Restaurant- und Speisekarten-Vorschriften aus dem eigenen Wirtschaftsministerium an: Da konnte beispielsweise ein namhafter Restaurantbesitzer einen Koch aus Hongkong letztlich doch nicht einstellen, weil diesem nach monatelangen Verhandlungen trotz vorliegendem deutschen Arbeitsvertrag der beantragte Aufenthaltstitel verwehrt wurde mit der aberwitzigen Begründung: Im betreffenden Restaurant würde nicht zu 90 Prozent chinesisch gekocht, somit würde auch kein chinesischer Koch benötigt.

Aber wo lägen die Ursachen für diese Flut von Regelungen und Vorschriften – „wie konnte es so weit kommen, dass wir so falsch abgebogen sind?“, fragte der Wirtschaftsminister  selbstkritisch. „Wir haben große politische Entscheidungen an die Gerichte ausgelagert“, so Habeck. Er sei auch genervt darüber, dass immer öfter Verwaltungsgerichte darüber entschieden, was Staat und Verwaltungen überhaupt noch machen dürften. Um möglichst jedes Risiko auszuschließen, gebe es praktisch für jeden Fall eine Regel. Und weil aber eine gute Verwaltung keine Fehler machen und vor Gericht nicht verlieren wolle, stecke sie nicht zuletzt deshalb so viel Kraft in exakte Einhaltung von Regeln und Vorschriften, um eine gute Verwaltung zu sein“, was letztlich keinem der Beteiligten so wirklich gefiele, so der Wirtschaftsminister. Erforderte die Politik auf, „mehr Mut zum Risiko und unternehmerisches Handeln“ zu entwickeln. Dafür bekam er großen Applaus. Dazu gehöre jedoch, „dass diejenigen, die ins Risiko gingen, wenn dann mal etwas schiefginge, nicht gleich den vollen Zorn abkriegen“. Das bedeute natürlich nicht, dass Politiker andauernd Fehler begehen sollten. Tatsächlich müsse man aber mutiger werden und sich auch zutrauen, einen Fehler zu machen.

Als zweites großes Thema ging der Wirtschaftsminister auf das Thema Fachkräftemangel ein: Ohne Weltoffenheit und Willkommenskultur gelänge es kaum, zukünftig genügend Arbeitskräfte zu gewinnen. Das gelte insbesondere für Rheinland-Pfalz, das ökonomisch betrachtet über dem deutschen Exportdurchschnitt liege. Dass dies insbesondere auch ein Verdienst von Zuwanderern sei, stützte Habeck mit der Feststellung, dass heute zwölf von insgesamt 45 Millionen Erwerbstätigen Menschen mit Migrationshintergrund seien. Ohne die Migration gäbe es in diesem Jahr 50.000 Auszubildende weniger. 14 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seien Menschen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft hätten. Er habe ja gar nichts gegen einen fröhlichen Patriotismus, etwa bei großen Sportveranstaltungen, so Habeck, aber einen engstirnigen Nationalismus mit Abschottung, Ausgrenzung und hochgezogenen Grenzen sei das Gegenteil von Weltoffenheit. „Wenn wir Weltoffenheit nicht leben, bricht unsere Wirtschaft zusammen“, warnt Habeck. Eine Abschiebung von diesen Menschen, wie es in rechtsextremen Kreisen ventiliert werde, „wäre das Ende unserer Wirtschaft und weltoffenen Demokratie“.
Wie zuvor schon Ministerpräsidentin Malu Dreyer beim Talk betont hatte, freute es auch Robert Habeck, dass in diesen Wochen Hunderttausende bundesweit lautstark auf die Straße gingen, um „ein klares Signal gegen Rechts“ zu setzten.

Weitere Informationen und Bilder: IHK-Rheinland-Pfalz

Beim Get-together bei rheinhessischem Wein und Brezeln gab es viel Diskussionsstoff. © Foto: Diether von Goddenthow
Beim Get-together bei rheinhessischem Wein und Brezeln gab es viel Diskussionsstoff. © Foto: Diether von Goddenthow

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck beim Jahresempfang der Wirtschaft 2024 in der Rheingoldhalle

Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz  © BMWK / Dominik Butzmann
Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz © BMWK / Dominik Butzmann

Die Industrie- und Handelskammer Rheinhessen teilt mit, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zum Jahresempfang der Wirtschaft am 25. Januar 2024 in die Rheingoldhalle nach Mainz kommt: Er sei der Hauptredner bei dem Mainzer Großereignis, das als größter Jahresempfang der regionalen Wirtschaft in Deutschland gilt.

Für die anschließende Podiumsdiskussion mit den Spitzen aus Wirtschaft und Freien Berufen hat Ministerpräsidentin Malu Dreyer zugesagt. Veranstalter sind 15 Kammern und Institutionen des Mittelstands, des Handwerks, der Freien Berufe und der Landwirtschaft aus Rheinland-Pfalz. Nirgendwo sonst treten so viele landesweite und regionale Institutionen gemeinsam an die Öffentlichkeit. Erwartet werden mehrere tausend Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur.

Impression vom Jahresempfang 2023 © Foto Diether von Goddenthow
Impression vom Jahresempfang 2023 © Foto Diether von Goddenthow

„Wir freuen uns sehr, dass der Bundeswirtschaftsminister und die Ministerpräsidentin bei unserem Jahresempfang in den Dialog mit der Wirtschaft gehen“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Günter Jertz im Namen aller Veranstalter. „Angesichts der ständigen Krisen ist es gerade jetzt wichtig, im Gespräch zu bleiben. Denn die großen Herausforderungen unserer Zeit können wir nur gemeinsam lösen.“

Beim Jahresempfang der Wirtschaft kommen in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Unternehmerinnen und Unternehmer aus Betrieben und Berufen aller Branchen und Größen zusammen – und in den Dialog mit Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitikern aus Bund und Land sowie Repräsentanten der Region.

Die Kooperation begann im Jahr 2000 mit sechs beteiligten Kammern und dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck als Gastredner. Seither waren Bundeskanzler Gerhard Schröder und – dreimal – Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gast, Bundeskanzler Olaf Scholz stand 2019 als Finanzminister am Rednerpult. Dialogpartner waren ebenso die Bundeswirtschaftsminister Clement, Glos und Brüderle, die Parteivorsitzenden Westerwelle, Beck und Gabriel sowie EU-Kommissar Günther Oettinger. Zum Thema „Zeitenwende und deutsche Lebenslügen“ sprach im vergangenen Jahr der langjährige ZDF-Chefredakteur Dr. Peter Frey die Keynote.

Mit mehreren tausend Gästen aus der mittelständischen Wirtschaft zählt der Jahresempfang zu den Großereignissen in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt mit bundesweiter Strahlkraft.

Dahinter stehen folgende 15 Kammern und Institutionen der Wirtschaft, des Handwerks, der Freien Berufe und der Landwirtschaft:

Architektenkammer Rheinland-Pfalz
Handwerkskammer Rheinhessen
Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen
Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz
Landesärztekammer Rheinland-Pfalz
Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz
Landespflegekammer Rheinland-Pfalz
Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz
Landestierärztekammer Rheinland-Pfalz
Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz
Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz
Pfälzische Rechtsanwaltskammer Zweibrücken
Rechtsanwaltskammer Koblenz
Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz
Wirtschaftsprüferkammer in Rheinland-Pfalz

(IHK Rheinhessen)

Plädoyer für rascheren Bürokratieabbau – „Jahresempfang der Wirtschaft“ feiert Comeback in der Mainzer Rheingoldhalle

Bis auf den letzten Platz besetzt war der große Kongressaal der  frisch sanierten Mainzer Rheingold-Halle beim 22. Empfang der Wirtschaft am 2. Februar  2023. 15 Kammern und Institutionen des Mittelstands, des Handwerks, der freien Berufe und der Landwirtschaft aus Rheinland-Pfalz hatten nach zwei Jahren coronabedingter Zwangspause zum Mainzer Großereignis eingeladen, das als größter Jahresempfang der regionalen Wirtschaft in Deutschland gilt. Keynote-Speaker und Ehrengast war Dr. Peter Frey, der als einer der bekanntesten TV-Journalisten Deutschlands gilt – mit einer klaren und unabhängigen Perspektive angesichts der aktuellen Krisen und der politischen Gemengelage. © Foto Diether von Goddenthow
Bis auf den letzten Platz besetzt war der große Kongressaal der frisch sanierten Mainzer Rheingold-Halle beim 22. Empfang der Wirtschaft am 2. Februar 2023. 15 Kammern und Institutionen des Mittelstands, des Handwerks, der freien Berufe und der Landwirtschaft aus Rheinland-Pfalz hatten nach zwei Jahren coronabedingter Zwangspause zum Mainzer Großereignis eingeladen, das als größter Jahresempfang der regionalen Wirtschaft in Deutschland gilt. Keynote-Speaker und Ehrengast war Dr. Peter Frey, der als einer der bekanntesten TV-Journalisten Deutschlands gilt – mit einer klaren und unabhängigen Perspektive angesichts der aktuellen Krisen und der politischen Gemengelage. © Foto Diether von Goddenthow

Rezession, Inflation und Krieg in Europa, die Auswirkungen der Corona-Pandemie und Fragen, was gegen all diese Krisen helfen könne, waren die Stichworte, mit denen  der bekannte TV-Moderator Markus Appelmann die rund 3000 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Kultur zum 22. „Jahresempfang der Wirtschaft“ am 2. Februar 2023 in der frisch renovierten Mainzer Rheingoldhalle begrüßte.  Sie repräsentierten  rund 100 000 Betriebe mit über 400 000 Beschäftigten aus 15 Kammern und Institutionen des Mittelstands, des Handwerks, der freien Berufe und der Landwirtschaft aus Rheinland-Pfalz. 

Als Keynote-Speaker konnte der renommierte, international erfahrene Journalist und Fernsehmoderator Dr. Peter Frey, ZDF-Chefredakteur i.R., gewonnen werden. Er sprach zu   „Zeitenwende und deutsche Lebenslügen“, wobei Frey mit Blick auf  den Umgang mit der Pandemie,  mit dem Energie-Engpass und dem Mut zur unfreiwilligen militärischen „Zeitenwende“ unserem Land eine positive Bilanz 2022 bescheinigte:  „Wir haben die Kraft, Krisen zu bewältigen. Dieses Land ist zu Innovation und Solidarität fähig!“.
Aber wie lange noch, fragten viele Mittelständler und Wirtschaftsvertreter: Denn nicht die Krisen allein seien ihr  größtes Problem. Vielmehr lähme sie und unser Land eine wachsende überbordende Bürokratie, eine zu beobachtende Erschöpfung von Mitarbeitern und Unternehmern sowie zusehends die Angst etlicher  junger Menschen, sich Führungspositionen zuzutrauen.

Handwerkspräsident Jörg Friese hofft auf einen neuen Ruck durch unsere Gesellschaft 

Im Namen aller 15 gastgebenden Kammern begrüßte in diesem Jahr der Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen die Gäste. © Foto Diether von Goddenthow
Im Namen aller 15 gastgebenden Kammern begrüßte in diesem Jahr der Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen die Gäste. © Foto Diether von Goddenthow

Diese vielerorts anzutreffende postpandemische und von den Auswirkungen der Energiekrise gezeichnete Gemengelage der Unternehmen und Arbeitnehmer im Mittelstand  brachte Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen, in seinem bisweilen recht emotionalen Grußwort  auf den Punkt: Die multiplen Krisen wirkten auf ihn wie ein Brennglas, sie zeigten „was wir in den letzten Jahren vernachlässigt und immer wieder vor uns hergeschoben haben“. Die Digitalisierung sei immer noch nicht so weit, „dass sie schon derartige Effizienzgewinne bringen könnte, um natürlich auch die Folgen des demographischen Wandels abzufangen“, so Friese. „Plötzlich erkennen wir in fast allen Bereichen der Infrastruktur erheblichen Investitionsstau, egal, ob bei der Bahn, den Autobahnbrücken, dem Öffentlichen Gesundheitswesen oder gerade im Bereich der Bildung.“ Fehlende Arbeitskräfte würden zur Herausforderung, und er, der Handwerkspräsident, kenne „keine Branche, keinen Betrieb und keine Organisation, die nicht über die Schwierigkeiten bei der Besetzung vakanter Arbeitsstellen“ klage. Zudem gingen immer mehr traditionelle Strukturen im sozialen Miteinander verloren, ob z. B. in Vereinen oder anderen ehrenamtlichen Organisationen, so Friese. „Was mich besorgt“ so Friese, „ sind weniger die zahlreichen Herausforderungen. Auch unsere Eltern, unsere Großeltern hatten mit großen Herausforderungen zu kämpfen. Was mich besorgt, ist die riesige Verunsicherung, und die Erschöpfung, die ich wahrnehme! Vielleicht an der einen oder anderen Stelle ist es auch Bequemlichkeit und Egoismus.“

Vor allem sorge ihn auch, dass immer mehr junge Menschen „keine Führungsposition mehr übernehmen“ wollten. „Und allen Aufrufen zur Notwendigkeit des lebenslangen Lernens zum Trotz, gibt es eine immer geringere werdende innere Bereitschaft, auch an Weiterbildungen teilzunehmen“, so der Handwerkspräsident. Er höre immer wieder so Aussagen wie: „Ich habe keine Zeit! Ich habe keine Lust zur Weiterbildung!“ Und das höre er nicht nur von Beschäftigten, sondern auch „von Betriebsinhabern“. Er könne allmählich die Entschuldigungen nicht mehr hören.
„Wie schaffen wir es, dass wieder ein Ruck durch unsere Gesellschaft geht. Wie schaffen wir wieder Mut und Zuversicht zu schaffen, und diesen auch an unsere Mitarbeiter und an unsere Mitmenschen weiterzugeben?“, fragte er ins Plenum und ermahnte sich und seine Kolleginnen und Kollegen: „Sie alle, die Sie hier sitzen! Sie, die Sie Verantwortung tragen in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen! Sie sind diejenigen, die andere mitnehmen, andere anstecken und inspirieren müssen, mit Zuversicht und Mut nach vorne zu blicken!“

Gerade die Zeit der multiplen Krisen sollten genutzt werden, Neuanfänge zu wagen: „Gehen Sie neue Wege! Trauen Sie sich! Schneiden Sie alte Zöpfe ab und probieren Sie neue Dinge aus! Und was genauso wichtig ist: Ermutigen Sie auch andere, dies zu tun. Seien Sie bereit, auch Fehler zu machen und Dinge auszuprobieren und gestehen Sie dies auch anderen zu! Wir brauchen mehr Zuversicht, mehr Mut in der Politik, in der Gesellschaft in den Betrieben. Sie alle, auch ich, sind gefordert, dies umzusetzen“, so Friese abschließend in seinem leidenschaftlichen Appell.

IHK-Präsident Peter Hähner: „Wir dürfen uns nicht länger bremsen lassen“

Die Talkrunde war einer der  Höhepunkte des 22. Empfangs der Wirtschaft- (v.li.n.r.:) TV-Moderator Thomas Appelmann, Joachim Rind, Präsident der Architektenkammer, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Peter Hähner, Präsidenten der IHK für Rheinhessen,  Günther Matheis, Präsident der Landesärztekammer. © Foto Diether von Goddenthow
Die Talkrunde war einer der Höhepunkte des 22. Empfangs der Wirtschaft- (v.li.n.r.:) TV-Moderator Thomas Appelmann, Joachim Rind, Präsident der Architektenkammer,
Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Peter Hähner, Präsidenten der IHK für Rheinhessen, Günther Matheis, Präsident der Landesärztekammer. © Foto Diether von Goddenthow

Im Mittelpunkt der anschließenden Talkrunde mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer, dem Präsidenten der IHK für Rheinhessen, Peter Hähner, dem Präsidenten der Landesärztekammer, Dr. Günther Matheis, sowie Joachim Rind, Präsident der Architektenkammer, standen Energie- und Klimakrise und die Frage, wie Wirtschaft und Politik damit umgehen.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer. © Foto Diether von Goddenthow
Ministerpräsidentin Malu Dreyer. © Foto Diether von Goddenthow

Ministerpräsidentin Malu Dreyer sieht aber  auch Grund für Optimismus, so spüre man nach  den vielen Krisen der vergangenen Jahre den „starken Willen in der Bevölkerung und in der Wirtschaft, nach vorne zu schauen, zu gestalten und aus den Herausforderungen Chancen zu machen“. „Wirtschaft und Industrie, Staat und Gesellschaft haben bewiesen, wie gut sie Kräfte bündeln und Modernisierung vorantreiben können“, so die Ministerpräsidentin. Der Weg in die Zukunft sei klar gezeichnet: „Die Transformation von Wirtschafts- und Arbeitswelt und die Umstellung auf erneuerbare Energien müssen mit hohem Tempo vorangetrieben werden. Wir müssen Innovationen fördern, die Infrastruktur nachhaltig ausbauen und bürokratische Hürden senken, so dass qualifizierte Fachkräfte nach Deutschland kommen, zukunftsweisende Ideen gefördert werden und Unternehmen bereit sind, in Deutschland zu investieren“, sagte die Ministerpräsidentin.

Peter Hähner, Präsident der IHK für Rheinhessen © Foto Diether von Goddenthow
Peter Hähner, Präsident der IHK für Rheinhessen © Foto Diether von Goddenthow

Der IHK-Präsident Peter Hähner machte deutlich, dass sich die Wirtschaft in Rheinhessen und in Rheinland-Pfalz insgesamt als krisenresistent gezeigt habe – allerdings unter anderem auf Kosten von Investitionen, die zurückgestellt werden mussten. Dabei seien diese gerade jetzt entscheidend, auch mit Blick auf das Ziel des Landes Rheinland-Pfalz, bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu sein. „Hier geht es um Neubau, Erweiterung sowie Modernisierung großer Teile der Infrastruktur, der Gebäude oder der Industrieanlagen. Dabei dürfen wir uns nicht länger durch langwierige Genehmigungsprozesse bremsen lassen. Wir brauchen dringend eine höhere Ausbaugeschwindigkeit und -dynamik bei der Energieversorgung.“ Der IHK-Präsident forderte „Bürokratiearme, schnellere und digitalisierte Förderprozesse und eine höhere Ausbaugeschwindigkeit und -dynamik der Energie-Infrastruktur. „Wir dürfen uns nicht länger bremsen lassen“

Joachim Rind, Präsident der Architektenkammer. © Foto Diether von Goddenthow
Joachim Rind, Präsident der Architektenkammer. © Foto Diether von Goddenthow

Diese Forderung unterstrich auch Joachim Rind,  Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz: „Ich wünsche mir bei dem Bürokratieabbau deutlich mehr Geschwindigkeit. Ich glaube, dann kriegen wir von ganz alleine eine Fahrt rein, die man aufnehmen kann.“ Im Bausektor läge seiner Einschätzung nach die Zukunft vor allem im Gebäudebestand: „Wenn wir die Klimaziele zwischen 2035 und 2040 erreichen wollen, brauchen wir ein wirkliches Umsteuern bei allen am Bau Beteiligten. Der Fokus muss weg vom Neubau mit seinem großen CO2-Fußabdruck hin zur Entwicklung und Pflege des Gebäudebestands und seiner Potenziale.“ Deshalb ist für den Gebäudebestand nach Auffassung von Rind die konsequente Lebenszyklusanalyse nötig. So können die beim Bau ehemals aufgewendete und darin gebundene Energie, die verwendeten endlichen Materialressourcen und nicht zuletzt die ihnen zugewachsene Kultur- und Alltagsgeschichte in die Abwägung ‚Sanierung oder Neubau‘ einbezogen werden. Auch bei der Frage nach Schaffung von dringend benötigtem Wohnungen müsse geprüft werden, ob nicht auch leerstehende Bürogebäude in guten Zentrumslagen entsprechend umgebaut werden könnten. „Zero Waste“ wäre keine Utopie. Lösungen für dieses neue Bauen sind an den Hochschulen und in vielen ambitionierten Architekturbüros bereits entwickelt. Präsident Rind fordert daher „Was uns noch hindert, sind alte Normen und Regelwerke und natürlich Haftungsfragen.“ Deshalb: „Nachdenken und Mut haben, sich auch von gewohnten Dingen mal zu lösen!“

Peter Frey  „Zeitenwende und deutsche Lebenslügen“  

Keynote-Speaker und Ehrengast war Dr. Peter Frey, der als einer der bekanntesten TV-Journalisten Deutschlands gilt – mit einer klaren und unabhängigen Perspektive angesichts der aktuellen Krisen und der politischen Gemengelage. Unter dem Titel „Zeitenwende und deutsche Lebenslügen“ hielt er ein starkes Plädoyer für Demokratie und Zusammenhalt. Seine Jahresbilanz 2022: „Wir haben die Kraft, Krisen zu bewältigen. Dieses Land ist zu Innovation und Solidarität fähig.“ © Foto Diether von Goddenthow
Keynote-Speaker und Ehrengast war Dr. Peter Frey, der als einer der bekanntesten TV-Journalisten Deutschlands gilt – mit einer klaren und unabhängigen Perspektive angesichts der aktuellen Krisen und der politischen Gemengelage. Unter dem Titel „Zeitenwende und deutsche Lebenslügen“ hielt er ein starkes Plädoyer für Demokratie und Zusammenhalt. Seine Jahresbilanz 2022: „Wir haben die Kraft, Krisen zu bewältigen. Dieses Land ist zu Innovation und Solidarität fähig.“ © Foto Diether von Goddenthow

„Wir stecken in sich überlagernden Krisen, und jede einzelne ist  schwergewichtig und kurzfristig kaum lösbar“,  fasste Peter Frey gleich zu Beginn seines Beitrags „Zeitenwende und deutsche Lebenslügen“ die gegenwärtige Situation   zusammen. Umso mehr gelte es, gemeinsam eine Zeitenwende zu wagen, um die Herausforderungen zu meistern. Dazu müsse sich unsere Gesellschaft endgültig aus drei zentralen Lebenslügen befreien, nämlich erstens, „der billigen Energie aus Russland“, zweitens, „einer kaum zu verantwortenden und zu Abhängigkeiten führenden wirtschaftlichen Verschränkung mit China“ und drittens „der Übereignung der eigenen Sicherheit an die USA.“  „Diese drei, in Politik, Medien und Gesellschaft kaum kontrovers diskutierten Grundbedingungen, waren die Grundlage für das neue deutsche Wirtschaftswunder zum Beginn des 21. Jahrhunderts“, so Frey.

Aufwertung der Verteidigung
Obgleich er als ehemaliger Kriegsdienstverweigerer zu einer Generation gehöre, „die angesichts des Nato-Doppelbeschlusses in den 1980er Jahren von „Frieden schaffen ohne Waffen“ geträumt hatte, müsse er heute feststellen, dass „dieser Satz seine Schwächen hat, wenn wir es mit einem Angreifer zu tun haben, der entschlossen ist, seine Interessen mit militärischer Gewalt, auch mit Gewalt gegen die eigene Bevölkerung, durchzusetzen“, so Frey. In dieser Lage sei „der effektivste Weg, die Ukraine zu unterstützen durch die Lieferung von Waffen“, was für Christen und Pazifisten natürlich eine Zumutung sei. „Unter dem Druck des Aufstiegs der neuen Autokratien wird sich ein größer gewordenes Europa, einschließlich der Ukraine, stärker mit den USA verbünden und sich dabei gleichzeitig für den Fall wappnen müssen, dass diese USA noch einmal in die Hände neonationalistischer, an Westeuropa wenig interessierter Kräfte fallen.

Generell müsse Deutschland „der militärischen Dimension als staatlicher Aufgabe einen viel höheren Stellenwert einräumen“, so Frey. Die »Zeitenwende« sei „nicht nur ein politischer, vor allem sicherheits- und außenpolitischer Paradigmenwechsel, sondern eine Entscheidung mit weitreichenden finanziellen und deshalb gesellschaftlichen Folgen.“

Re-Globalisierung statt Entkopplung von China
Deutschland brauche sich auch nicht kleiner machen als es sei, immerhin kam die Erfindung des entscheidenden Impfstoffes zur Corona-Bekämpfung aus Mainz, überspitzt gesagt, wurde aus Deutschland heraus die „Welt vor Corona“ gerettet, und nicht aus China. In China sei die Pandemie benutzt worden, „um die Mobilität einzuschränken und einen digitalen Überwachsungsstaat einzuführen, wie ihn die Welt bisher nicht kannte“, so Frey. Die wirtschaftlichen Folgen der verfehlten Corona-Politik in China seien immens. „Es ist Zeit, China mit mehr Selbstbewusstsein entgegenzutreten“. Der  Westen habe in der Krise gezeigt, „was er besser kann“, so Frey, der sich jedoch ausdrücklich gegen eine wirtschaftliche Entkopplung von China und gegen eine De-Globalisierung aussprach. Der wirtschaftliche Preis und die destabilisierenden Folgen in unserer Gesellschaft wären viel zu hoch. Aber wir müssten Konsequenzen ziehen. „die Abhängigkeiten genau kalkulieren, und unsere Kunden und Auftraggeber diversifizieren. Wir müssen am Ende Globalisierung neu denken, nicht nur ökonomisch, auch strategisch, politisch, ökologisch und sozial“, sagte Frey. Ein neues Globalisierungs-Konzept bedeutete nicht, „wie bisher einfach die günstigsten Produktionsstandorte durch Handel, durch Kommunikation, Investitionen, Technologietransfer, durch eine freizügige Wirtschaftsordnung miteinander zu verknüpfen“.

„Wir brauchen eine Re-Globalisierung, wie das Claus Hulverscheidt in der Süddeutschen Zeitung genannt hat“, so Frey. Re-Globalisierung hieße, „sich breit aufzustellen, Rohstoff und Produktion zu Exportmärken zu diversifizieren, die Arbeitsteilung mit ähnlich gestrickten Staaten zu forcieren, und zugleich gegenüber Autokraten und Diktatoren mehr Vorsicht walten zu lassen, insbesondere bei kritischen Gütern“, allein, wenn wir an Arzneimittel, Batterien oder Chips dächten.

(Dokumentation: Diether von Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Über den Jahresempfang der Wirtschaft 

Impression vom 22. Empfang der Wirtschaft in der Rheingold-Halle Mainz. © Foto Diether von Goddenthow
Impression vom 22. Empfang der Wirtschaft in der Rheingold-Halle Mainz. © Foto Diether von Goddenthow

Auch beim  22. Jahresempfang der Wirtschaft kamen in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt wieder Unternehmerinnen und Unternehmer aus Betrieben und Berufen aller Branchen und Größen zusammen – mit der Möglichkeit zu einem unmittelbaren Dialog mit Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitikern aus Bund und Land sowie Repräsentanten der Region. Die Kooperation begann im Jahr 2000 mit sechs beteiligten Kammern und dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck als Gastredner. Seither waren Bundeskanzler Gerhard Schröder und – dreimal – Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gast, Bundeskanzler Olaf Scholz stand 2019 als Finanzminister am Rednerpult. Dialogpartner waren ebenso die Bundeswirtschaftsminister Clement, Glos und Brüderle, die Parteivorsitzenden Westerwelle, Beck, Gabriel und Lindner sowie Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Bundesbankpräsident Dr. Jens Weidmann sowie EU-Kommissar Günther Oettinger.

Dahinter stehen folgende 15 Kammern und Institutionen der Wirtschaft, des Handwerks, der freien Berufe und der Landwirtschaft:

Architektenkammer Rheinland-Pfalz
Handwerkskammer Rheinhessen
Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen
Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz
Landesärztekammer Rheinland-Pfalz
Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz
Landespflegekammer Rheinland-Pfalz
Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz
Landestierärztekammer Rheinland-Pfalz
Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz
Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz
Pfälzische Rechtsanwaltskammer Zweibrücken
Rechtsanwaltskammer Koblenz
Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz
Wirtschaftsprüferkammer in Rheinland-Pfalz

Weitere Eindrücke vom Jahresempfang der Wirtschaft

Austausch und Netzwerken beim Jahresempfang der Wirtschaft im oberen Foyer der Mainzer Rheingold-Halle. © Foto Diether von Goddenthow
Austausch und Netzwerken beim Jahresempfang der Wirtschaft im oberen Foyer der Mainzer Rheingold-Halle. © Foto Diether von Goddenthow

Mit gegenseitiger Wertschätzung gemeinsam die Zukunft schaffen – Sommerabend der Wirtschaft 2022 im VRM-Garten

Mainzer Sommerabend der Wirtschaft im VRM-Garten nach zwei Jahren Coronapause. Treffen von  Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. © Foto Diether von Goddenthow
Mainzer Sommerabend der Wirtschaft im VRM-Garten nach zwei Jahren Coronapause. Treffen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. © Foto Diether von Goddenthow

Nach coronabedingter zweijähriger Pause hatten Industrie-und Handelskammer und Handwerkskammer Rheinhessen ihr traditionell großes Netzwerk-Event „Sommerabend der Wirtschaft“ im Garten der VRM in Mainz-Marienborn wieder aufleben lassen.

Der Chefredakteuer der Verlagsgruppe Rhein-Main, Friedrich Roeinght, begrüßte über 500 Gäste aus Wirtschaft, Politik,  Kultur und Gesellschaft.  Beim anschließenden Talk mit den Präsidenten der Kammern, Hans-Jörg Friese von der Handwerkskammer Rheinhessen, Peter Hähner von der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, sowie dem Geschäftsführer der VRM, Joachim Liebler. ging es um brennende Fragen der Zeit und was sie für die Region Rheinhessen und Rheinland-Pfalz bedeuten. Tenor des Abends: Trotz aller Krisen sehen die Wirtschaftsführer doch eher optimistisch in die Zukunft.

Hans-Jörg Friese, HWK-Präsident Rheinhessen. © Foto Diether von Goddenthow
Hans-Jörg Friese, HWK-Präsident Rheinhessen. © Foto Diether von Goddenthow

Handwerkskammerpräsident Hans-Jörg Friese ist relativ sicher, dass es keinen Blackout geben wird und dass das Handwerk es auch schaffen könnte, bis 2030 sechs Millionen Wärmepumpen in Deutschland einzubauen. Durchschnittlich wären das 25 Anlagen, die jeder Heizungsbauer-Betrieb jährlich einbauen müsste. Das wäre mit ein wenig Geduld, um auch die benötigten Fachkräfte nach und nach heranzubilden, durchaus zu schaffen.

Peter Hähner, IHK-Präsident Rheinhessen.© Foto Diether von Goddenthow
Peter Hähner, IHK-Präsident Rheinhessen.© Foto Diether von Goddenthow

IHK-Präsident Peter-Hähners  Optimismus basiert unter anderem auf der Tatsache, dass trotz aller Krisen die Anzahl der Existenzgründungen in Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren wieder zugenommen habe. Erst vor wenigen Tagen hatte er das Jubiläum zum 20jährigen Bestehen der Starterzentren in Rheinland-Pfalz feiern können und hatte dabei die erfreulichen Zahlen der wachsenden prosperierenden Starter-Szene präsentiert.

Joachim Liebler, Geschäftsführer der VRM.© Foto Diether von Goddenthow
Joachim Liebler, Geschäftsführer der VRM.© Foto Diether von Goddenthow

Joachim Liebler, der Geschäftsführer der VRM, machte einmal mehr deutlich, wie wichtig es in diesen Zeiten wachsender Fake-News sei, auf seriös recherchierte, verlässliche Informationen wie sie der Qualitätsjournalismus in Deutschland böte, zurückgreifen zu können. Ganz bewusst positioniere sich die VRM als publizistisches Gegengewicht zu alternativen Fakten. Sie bräche  komplexe Sachverhalte und Krisen  auf die Region herunter. Etwa, „was bedeutet der Ukraine-Krieg für uns, für die Kinder in den Schulen für den Arbeitsmarkt?“ und vieles mehr.

Der Chefredakteur der VRM, Friedrich Roeingh (li) im Gespräch mit Bundesverkehrsminister  Volker Wissing  © Foto Diether von Goddenthow
Der Chefredakteur der VRM, Friedrich Roeingh (li) im Gespräch mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing © Foto Diether von Goddenthow

Bundesverkehrsminister Volker Wissing, Ehrengast des Abends, verrät im Interview mit Friedrich Roeingh, dass es 2023 ein ÖPNV-Ticket als Fortsetzung des 9-Euro-Tickets geben werde: „Wir sollten das Jahr 2023 mit einem solchen Ticket beginnen“, da hierüber infrastrukturelle Einigkeit herrsche. Auch habe er die Straßen im Blick, unter anderem die 4000 maroden Autobahnbrücken. „Davon hängt der Wohlstand und die Sicherheit unserer Gesellschaft ab“. Natürlich hinge über allem das Damoklesschwert der Energiekrise. Als Geschenk überreichte Roeingh ein „Tempo-130-Schild“ für Autobahnen. Der Bundesverkehrsminister nahm’s mit Humor.

Rheinhessische Weinkönigin Juliane Schäfer.© Foto Diether von Goddenthow
Rheinhessische Weinkönigin Juliane Schäfer.© Foto Diether von Goddenthow

Juliane Schäfer, die amtierende rheinhessische Weinkönigin, lud  anschließend  zum geselligeren Teil Abends und Netzwerken ein. „Ihre Majestät“ warb dabei nicht nur für die ausgezeichneten heimischen Weine und leckeren Speisen der Region.  Sie  hatte auch eine besondere Botschaft im Gepäck, nämlich,  sich einmal mehr der  „Wichtigkeit gegenseitiger Wertschätzung“  bewusst zu werden. Nur mit entsprechender gegenseitiger Wertschätzung in  der   Gesellschaft seien all die herausfordernden  Aufgaben der Zukunft zu meistern.

(Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Kammern verschieben den „Jahresempfang der Wirtschaft 2021“ auf 2022 – Alles andere wäre ein – „falsches Signal an die Unternehmen“

Jahresempfang der Wirtschaft 2020 © Foto: Diether v. Goddenthow
Jahresempfang der Wirtschaft 2020 © Foto: Diether v. Goddenthow

Wie die IHK-Rheinhessen mitteilt, verzichten die 15 veranstaltenden Kammern der Wirtschaft, des Handwerks, der freien Berufe und der Landwirtschaft aus Rheinland-Pfalz darauf, den „Jahresempfang der Wirtschaft 2021“ auszurichten. Stellvertretend für die Kammern, die den größten Empfang der regionalen Wirtschaft in Deutschland seit 2000 jährlich in Mainz ausrichten, sagte der Hauptgeschäftsführer der IHK für Rheinhessen, Günter Jertz: „Mit Rücksicht auf die schwierige wirtschaftliche Lage ist ein solches Netzwerk-Event das falsche Signal an die Unternehmen. Unter Wahrung der geltenden Abstandsregeln wäre eine Präsenzveranstaltung mit mehreren Tausend Gästen im Winter in geschlossenen Räumen ohnehin nicht zu verantworten und sinnvoll zu organisieren.“ Die Kammern planen, den „Jahresempfang der Wirtschaft“ wieder 2022 mit einem Spitzenrepräsentanten der Politik anzubieten.

Klimaschutz muss technologieoffen vorangebracht werden – Fachkräftemangel und Digitalisierung weitere Themen beim Mainzer Jahresempfang der Wirtschaft

Auch in diesem Jahr hat der Jahresempfang der Wirtschaft, in Halle 45 in Mainz, wieder vor der Publikumskulisse von mehreren tausend mittelständischen Unternehmern und Freiberuflern stattgefunden und sich zu einem gewichtigen Sprachrohr des Mittelstandes formiert.  © Foto: Diether v Goddenthow
Auch in diesem Jahr hat der Jahresempfang der Wirtschaft, in Halle 45 in Mainz, wieder vor der Publikumskulisse von mehreren tausend mittelständischen Unternehmern und Freiberuflern stattgefunden und sich zu einem gewichtigen Sprachrohr des Mittelstandes formiert. © Foto: Diether v Goddenthow

Fachkräftemangel, Digitalisierung und eine zu ideologielastige, zu einseitige Klimaschutzpolitik waren vor dem Hintergrund des dramatischen Wandels in den Kernbereichen der deutschen Wirtschaft die zentralen Themen beim Mainzer Jahresempfang der Wirtschaft am 13. Januar 2020 in Halle 45.
Gut 2000 Gäste aus Wirtschaft und Politik, unter ihnen Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Festredner Christian Lindner,  waren der Einladung der 14 gastgebenden Institutionen und Kammern von Industrie und Handel, Handwerk und Freien Berufen gefolgt und diskutieren darüber, was die Wirtschaft benötige, um trotz  gravierender Umwälzungen wettbewerbsfähig zu bleiben und Arbeitsplätze und Wohlstand auch in Zukunft zu sichern.

In der Talkrunde  diskutierten Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Hans-Jörg Friese Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen, Dr. Markus Mai Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz und Justizrat Dr. Thomas Seither, Präsident der Pfälzischen Rechtsanwaltskammer Zweibrücken. Durch Talk und Abend führte SWR-Moderatorin Patricia Küll.

Begrüßung und Keynote: Klimaschutz erfordert intensiven Dialog zwischen Politik und Wirtschaft

IHK-Präsident Dr. Engelbert J. Guenster. "Die Politik muss, wenn sie wirklich mehr Mittel für öffentliche Investitionen mobilisieren möchte, Vergabeprozesse optimieren, Anliegerwiderstände einhegen und die öffentlichen Budgets gegen die Sozialpolitiker verteidigen.“ © Foto: Diether v Goddenthow
IHK-Präsident Dr. Engelbert J. Guenster. „Die Politik muss, wenn sie wirklich mehr Mittel für öffentliche Investitionen mobilisieren möchte, Vergabeprozesse optimieren, Anliegerwiderstände einhegen und die öffentlichen Budgets gegen die Sozialpolitiker verteidigen.“ © Foto: Diether v Goddenthow

Dr. Engelbert J. Günster Präsident der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, plädierte für eine dauerhaft wirksame Klimaschutzpolitik, die auf eine nachhaltige Verbesserung des Klimas abzielt, zugleich aber auch die Entwicklungsperspektiven der Wirtschaft und die Prosperität der Gesellschaft im Auge behält.   „Meiner Beobachtung nach“ so Günster wörtlich,  „befürwortet derzeit immer noch eine Mehrheit der Menschen in Deutschland eine Klimaschutzpolitik, die auf Innovationen setzt und auf den effizienten und bezahlbaren Einsatz moderner Technologien – und zwar technologieoffen.“ In der öffentlichen Diskussion würden Untergangsszenarien entworfen und moralischer Druck aufgebaut, „um maximale Ansprüche an die Wirtschaft zu stellen. Panik, Apokalypse und Ideologie sind aber schon immer schlechte Ratgeber gewesen.“ Und jenseits der deutschen Landesgrenzen würde solch „Anspruchsdenken“ keine breite Akzeptanz mehr finden, was der Klimagipfel in Madrid in aller Deutlichkeit gezeigt habe, so der IHK-Präsident recht besorgt.

„Zwar sichern hierzulande erneuerbare Energien bereits 40 Prozent der Bruttostromerzeugung. Doch immer noch stammt fast die Hälfte aus fossilen Energieträgern wie Kohle oder Gas und 12 Prozent aus Kernkraft. Zwar bleibt die Stilllegung von Atom- und Kohlekraftwerken politisch nach wie vor gewünscht. Aber diese wegbrechenden Kapazitäten durch Erneuerbare zu ersetzen, wird politisch und wirtschaftlich immer schwerer – nicht zuletzt, weil der Protest gegen den Ausbau von Windenergie auf dem Land und gegen Überlandleitungen wächst.“

Günster kritisierte insbesondere die hieraus erwachsene Planungsunsicherheit in der Energieversorgung, die zu einer der zentralen Herausforderungen der Industrie werde, die noch immer ein Viertel des Bruttosozialproduktes erwirtschaftet: „Der aktuelle Produktionsrückgang um fünf Prozent und gleichzeitig der erste Beschäftigungsabbau seit 2010 signalisiert mehr als eine Konjunkturdelle. Er markiert den Wandel in Kernbereichen deutscher Industrie und insbesondere den beginnenden Umbau der Autoindustrie als Schlüsselindustrie, die alleine bislang mehr als 800.000 Menschen in Lohn und Brot setzt. Um unter hohem Erfolgsdruck zum Erreichen der politischen Klimaziele beizutragen, stellen die Autobauer ihre Produkte auf Elektromobilität um, deren Umweltbilanz allerdings immer noch umstritten ist.“

Es ginge bei dieser politisch betriebenen Umstellung nicht nur um einen massiven Stellenabbau bei den großen Herstellern, sondern in der gesamte Lieferkette von Autozulieferern bis hin in den Handel usw. „Gerade in unserem Bundesland werden viele innovative mittelständische Zulieferbetriebe in den Branchen Metall, Elektro, Chemie, Mineralöl oder Kunststofferzeugung schließen müssen und hoch qualifizierte und spezialisierte Mitarbeiter freisetzen. Diese Menschen werden sich in einer nachlassenden Konjunktur nicht so schnell neu beruflich orientieren können und sich abgehängt fühlen. Ihnen schon heute die Notwendigkeit einer Klimapolitik zu erklären, deren Erfolg oder Misserfolg erst in vielen Jahren erkennbar wird, und ihnen alternative Beschäftigungsfelder aufzuzeigen, das dürfte schon in naher Zukunft eine zentrale Aufgabe für alle demokratischen Kräfte in unserem Land werden.“ Günster warnte vor einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft: „Es wird jetzt entscheidend sein, dass Politik und Wirtschaft ihren Dialog noch intensiver führen, aber offen für synergistische technologische Lösungen und ausgewogene ganzheitliche Herangehensweisen.“

Der IHK-Präsident bedauerte, dass die Boomjahre nach der Krise des Jahres 2009 nicht ausreichend genutzt wurden, um Wachstumsvorsorge zu treffen. Jetzt seien Breitbandausbau, Verkehrsinfrastruktur, Bildung und Investitionen in den Umbau der Volkswirtschaft für den Schutz des Klimas die grundlegenden Initiativen und Investitionen, die den Wohlstand auch für kommende Generationen sichern könnten. Günster sagte unter Berufung auf das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW): „Es liegt nicht an zu wenig Geld, es muss nur abgerufen und zur Arbeit gebracht werden. Die Politik muss, wenn sie wirklich mehr Mittel für öffentliche Investitionen mobilisieren möchte, Vergabeprozesse optimieren, Anliegerwiderstände einhegen und die öffentlichen Budgets gegen die Sozialpolitiker verteidigen.“

Zudem sei die Politik gefordert, „gut ausgebildeten Hochschulabgängern wieder die Freude am Einstieg in entwickelnde und produzierende Bereiche der Wirtschaft vermitteln, statt sie ihren Berufsweg bevorzugt in regulierenden Einrichtungen suchen zu lassen“, so der IHK-Präsident.

Mainzer Talkrunde

Mainzer Talk-Runde beim Empfang der Wirtschaft: (v.l.) SWR-Moderatorin Patricia Küll, Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Handwerkskammer-Präsident Hans-Jörg Friese und Thomas Seither, Präsident der Pfälzischen Rechtsanwaltskammer Zweibrücken.© Foto: Diether v Goddenthow
Mainzer Talkrunde beim Empfang der Wirtschaft: (v.l.) SWR-Moderatorin Patricia Küll, Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Handwerkskammer-Präsident Hans-Jörg Friese und Thomas Seither, Präsident der Pfälzischen Rechtsanwaltskammer Zweibrücken.© Foto: Diether v Goddenthow

Ministerpräsidentin Malu Dreyer stellte der rheinland-pfälzischen Wirtschaft ein gutes Zeugnis aus. Rheinland-Pfalz sei ein Land mit vielen innovativen und mittelständischen Unternehmen, der „Standort von einer ganzen Reihe sogenannter ‚hidden champion‘, die weltweit Märkte für sich erschlossen haben. Das ist ein echtes Markenzeichen unseres Landes“, so die Ministerpräsidentin, die Batteriezellfertigung in Kaiserslautern als „ ein Musterbeispiel in Rheinland-Pfalz für gelungene Transformation und ein Resultat einer guten Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik“ nannte. „Das zeigt, dass wir als Landesregierung zusammen mit den Beschäftigten, den Unternehmen und den Akteuren vor Ort mit den richtigen Anpassungsstrategien die Chancen der neuen Zeit nutzen und unser Land immer wieder neu erfinden können“, so Malu Dreyer. Um gerade auch die kleinen und mittleren Unternehmen in der digitalen Transformation im Land zu unterstützen, setze die Landesregierung einen Transformationsrat ein und bringe alle Akteure zusammen: z. B.: die Bundesagentur für Arbeit, LVU, Gewerkschaften und die zuständigen Ministerien der Landesregierung. „Für uns ist ganz klar: Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Schon heute arbeiten Politik, Interessenvertreter, Wissenschaft und Wirtschaft sehr gut zusammen, um Rheinland-Pfalz zu einem Transformationsgewinner zu machen. Dabei versuchten sie alles, „um den jungen Leuten alle Optionen zu zeigen“ und stemme mit der Wirtschaft gemeinsam viele Projekte, wie etwa einen Pflichttag für die Studien- und Berufsorientierung an Gymnasien.

Handwerkskammerpräsident Hans-Jörg Friese, forderte, „die akademische und die handwerkliche Ausbildung muss gleichgestellt werden“. Zwar werde der Meister jetzt dem Bachelor gleichgestellt und mit dem Meisterbrief habe man „das etablierteste Wertpapier der Welt“. Doch gerade im ländlichen Raum sei das Problem groß, Auszubildende zu finden. Auch Thomas Seither, Präsident der Pfälzischen Rechtsanwaltskammer Zweibrücken, forderte, die „Ausbildungsplätze attraktiver zu gestalten, die Fortbildungsmöglichkeiten zu verbessern – und wir müssen besser bezahlen.“, um junge Leute wieder verstärkt für den Ausbildungsberuf als“ Rechtsanwaltsfachangestellte“ zu gewinnen. Bei Justiz habe vor dem Hintergrund des E-justice Gesetzes schon längst die digitale Zeitwende begonnen, spätestens ab dem Jahr 2022 solle in der Justiz ausschließlich elektronisch gearbeitet werden. „ In der zunehmenden, fast sich selbst überholenden Digitalisierung ist es daher wichtig, die Chancen von Legal Tech zu erkennen, zu nutzen und zu integrieren, dabei aber nicht zu vergessen, dass der Mensch den Algorithmus erfunden hat und ihm schon deshalb in Individualität und Persönlichkeit weit überlegen ist.“

Auch in der Pflege habe die Digitalisierung Einzug erhalten, und auf die Frage nach dem Nutzen von Pflegerobotern, machte Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, klar, dass diese weder die menschliche Zuwendung, noch den Menschen als Gegenüber ersetzten könnten, noch wirklich funktionierten. Die Entwickler solcher Geräte sollten sich mit den Fachleuten der Pflege und vor Ort informieren, was die Menschen wirklich benötigten. Im Hinblick auf den personalmangelbedingten Pflegenotstand, plädierte Mai dafür, dass eine Pflegekraft mindesten 4000 Euro monatlich verdienen solle. Wertschätzung erführen Menschen auch durch ihren Verdienst.

Festrede des Ehrengastes Christian Lindner

Christian Lindner Bundesvorsitzender der Freien Demokraten und Vorsitzender der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag. © Foto: Diether v Goddenthow
Christian Lindner
Bundesvorsitzender der Freien Demokraten und Vorsitzender der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag. © Foto: Diether v Goddenthow

Nach Wirtschaftsminister Olaf Scholz (SPD) im vergangenen Jahr, hielt in diesem Jahr die Festrede  Christian Lindner (FDP-Bundesvorsitzender u. Bundestagsfraktionsvorsitzender).
Lindner sieht vor allem in der überbordenden Bürokratie und einer auf reine baterieelektronische Antriebstechnik setzende Brüsseler Politik zur Senkung der Co2-Werte die größte Bedrohung für den Kern der deutsche Wirtschaft, der Automobilindustrie, und unseren Wohlstand. „Wenn wir unseren Wohlstand behaupten wollen, dann müssen wir tatsächlich technologieoffen sein.“ Und zur Technologie-Offenheit gehöre eben dazu, dass alle technologischen Optionen eine gleichberechtigte Chance erhielten. Laut einer aktuellen Studie könnten bis 2030 so 400 000 Beschäftigte, nämlich gut bezahlte Arbeitsplätze in der Automobilindustrie, wegfallen, „weil die batterieelektrische Industrie eben weniger beschäftigungsintensiv ist, weniger Fertigungstiefen hat, weniger Mechanik braucht, als alternative Antriebskonzepte, ohne, dass wir uns schon darüber im Klaren sein können, ob sie tatsächlich ökologisch überlegen sind“, so Lindner. Dahinter steckten ganz feste politische Rahmenbedingungen, wobei es nicht die Automobilhersteller seien, die sich aus freien Stücken einseitig auf Elektroantriebe fixierten, sondern die Brüsseler Vorgaben: „Die Europäischen Co2-Flottengrenzwerte berücksichtigen nicht „grünen“ Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe und führen deshalb rein regulatorisch einseitig dahin, dass nur batterieelektrische Antriebe ökonomischen Sinn für Hersteller machen. Ich kann nicht verstehen, dass eine deutsche Regierung für eine Schlüsselindustrie eben so schädliche Regelungen in Brüssel hat unterstützen können.“
Die vollständige Rede ist folgend aufgezeichnet:

Gastgebende Kammern:

Architektenkammer Rheinland-Pfalz
Handwerkskammer Rheinhessen
Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen
Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz
Landesärztekammer Rheinland-Pfalz
Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz
Landespflegekammer Rheinland-Pfalz
Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz
Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz
Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz
Pfälzische Rechtsanwaltskammer Zweibrücken
Rechtsanwaltskammer Koblenz
Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz
Wirtschaftsprüferkammer in Rheinland-Pfalz

Sommerabend der Wirtschaft bei der VRM Mainz feiert 10jähriges Jubiliäum

(v.li.:) VRM-Volontär Frederik Voss beim Talk mit Hans Georg Schmücker, Geschäftsführer der VRM-Geschäftsführung, Hans Jürgen Friese, Präsident der Handwerkskamm Rheinhessen und Dr. Engelbert Günster, Präsident der Industrie und Handelskammer Rheinhessen über Zukunftsfragen von nachhaltigerer Gewinnung von Auszubildenden und Nachwuchs bis hin zu Aspekten der Meisterung des digitalen Wandels in Medien und Wirtschaft. Bildhintergrund: Das Landesjugendorchesters Rheinland-Pfalz sorgte für die musikalische Einstimmung ©  Foto: Diether  v Goddenthow
(v.li.:) VRM-Volontär Frederik Voss beim Talk mit Hans Georg Schmücker, Geschäftsführer der VRM-Geschäftsführung, Hans Jürgen Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen und Dr. Engelbert Günster, Präsident der Industrie und Handelskammer Rheinhessen über Zukunftsfragen von nachhaltigerer Gewinnung von Auszubildenden und Nachwuchs bis hin zu Aspekten der Meisterung des digitalen Wandels in Medien und Wirtschaft. Bildhintergrund: Das Landesjugendorchesters Rheinland-Pfalz sorgte für die musikalische Einstimmung © Foto: Diether v Goddenthow

Der rasante digitale Wandel und seine damit verbundenen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft waren zentrales Thema des 10. Sommerabends der Wirtschaft im Garten der VRM auf dem Lerchenberg, zu dem Hans Georg Schnücker, Sprecher der Geschäftsführung der VRM, Dr. Engelbert J. Günster, Präsident der Industrie- und Handelskammer und Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen eingeladen hatten. Bei einer Mischung aus Show, Unterhaltung, Information, Talk und kulinarischen Köstlichkeiten kamen gut 1.200 Gäste zusammen aus Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur und Medien um nach der Sommerpause in entspannter Atmosphäre miteinander persönlich ins Gespräch zu kommen, zu netzwerken, Neues zu erfahren und zu feiern.  Ehrengäste  waren unter anderem Ministerpräsidentin Malu Dreyer,  die Rheinhessische Weinkönigin Anna Göhring und Biontech-Chef Ugur Sahin, der im Gespräch mit AZ-Chefredakteuer Friedrich Roeingh, über  Lebenswerk und seine Vision, die Menschen von der Geißel Krebs zu befreien, sprach.

Professor Dr. Ugur Sahin, BioNtech-Chef (l.)  im Gespräch mit Friedrich Roeingh, Chefredakteur der Allgemeinen Zeitung Mainz über neue Ansätze zur Krebstherapie. © Foto: Diether v. Goddenthow
Professor Dr. Ugur Sahin, BioNtech-Chef (l.) im Gespräch mit Friedrich Roeingh, Chefredakteur der Allgemeinen Zeitung Mainz über neue Ansätze zur Krebstherapie. © Foto: Diether v. Goddenthow

Siehe hierzu folgende Beiträge in der Allgemeinen Zeitung Mainz vom 30. August 2019 von:
Reinhard Breidenbach:  Sommerabend der Wirtschaft bei der VRM feiert runden Geburtstag
Sonja Werner: Biontech-Chef berichtet bei VRM-Fest über Krebstherapie

20. Jahresempfang der Wirtschaft – Forderung nach unternehmensfreundlicheren Rahmenbedingungen und Bürokratieabbau

Der "Jahresempfang der Wirtschaft 2019" in der Halle 45  hat auch in diesem Jahr wieder vor der Publikumskulisse von mehreren tausend mittelständischen Unternehmern stattgefunden. Er ist eine Gemeinschaftsveranstaltung Architektenkammer Rheinland-Pfalz, Handwerkskammer Rheinhessen, Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz, Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz, Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, Landestierärztekammer Rheinland-Pfalz Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Pfälzische Rechtsanwaltskammer Zweibrücken, Rechtsanwaltskammer Koblenz, Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz und der Wirtschaftsprüferkammer in Rheinland-Pfalz. © Foto: Diether v. Goddenthow
Der „Jahresempfang der Wirtschaft 2019″ in der Halle 45 hat auch in diesem Jahr wieder vor der Publikumskulisse von mehreren tausend mittelständischen Unternehmern stattgefunden. Er ist eine Gemeinschaftsveranstaltung von: Architektenkammer Rheinland-Pfalz, Handwerkskammer Rheinhessen, Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz, Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz, Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, Landestierärztekammer Rheinland-Pfalz Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Pfälzische Rechtsanwaltskammer Zweibrücken, Rechtsanwaltskammer Koblenz, Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz und der Wirtschaftsprüferkammer in Rheinland-Pfalz. © Foto: Diether v. Goddenthow

Noch ganz im Lichte des rheinlandpfälzischen Rekordwachstums waren am 9.1.2019   rund 2000 Gäste und hochrangige Politiker der Einladung zum traditionellen-Jahresempfang der Wirtschaft nach Mainz in die Halle 45 gefolgt, dem Ausweichquartier, da die Rheingoldhalle zurzeit umgebaut wird. Der Jahresempfang ist   bundesweit  die größte Plattform für den Dialog zwischen Spitzenpolitikern von Bund und Land und der regionalen Wirtschaft. Auch beim 20. Zusammentreffen richtete der Mittelstand wieder einmal recht deutliche Worte an die Vertreter der Politik.  Gastgeber sind die IHK- und HWK-Rheinhessen sowie mittlerweile 15 Kammern der Freien Berufe. Sie repräsentieren gut 100 000 Unternehmen mit über 400 000 Beschäftigten. Olaf Scholz, Bundesminister der Finanzen und Vizekanzler, sprach in seiner Festrede „Europa für sich“ über die Rolle Deutschlands in Europa und die Zukunft der EU: „Ich wünsche mir einen Wahlkampf, der sich stärker um das „Europa für sich“ dreht, nicht so sehr um das „Europa an sich“, so Scholz.
Durch den Abend führte SWR-Moderatorin Daniela Schick.

(v.l.n.r.) Dr. Engelbert J. Günster, Präsident der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, Malu Dreyer, Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Olaf Scholz, Bundesminister der Finanzen und Vizekanzler, Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen. © Foto: Diether v. Goddenthow
(v.l.n.r.) Dr. Engelbert J. Günster, Präsident der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, Malu Dreyer, Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Olaf Scholz, Bundesminister der Finanzen und Vizekanzler, Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen. © Foto: Diether v. Goddenthow

Hans-Jörg Friese „Tun, was die Wirtschaft voran bringt!“

In seiner Begrüßung zog Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen, zunächst eine positive Bilanz, bevor er den anwesenden Politikern ein paar deutliche Worte sagte.
Rheinland-Pfalz nähme mit einem Wirtschaftswachstum von 3,3 Prozent in 2018 den ersten Platz unter den Bundesländern ein. Der Export des Landes sei erneut auf aktuell 58 Prozent gestiegen. Und trotz Brexit mit drohendem Handelskrieg prognostizierten die Beratungsunternehmen für das laufende Jahr 2019 bereits optimistische Aussichten auf weiter steigende Beschäftigungszahlen, so der Handwerkskammerpräsident. Mittelstand und Handwerk befänden sich in einem auch 2019 anhaltenden Höhenflug von drei bis vier Prozent. Aber jeder wüsste, „dass auch der sonnigste Tag wieder dämmern wird“.

Daher sollte man jetzt „das Augenmerk auf die Herausforderungen, Chancen und Reformen legen, die es seit langem anzupacken gilt,“ so Friese. An Finanzminister Olaf Scholz und die Bundespolitik gerichtet, beklagte der Handwerkskammerpräsident die unsäglichen und lähmenden Streitereien innerhalb der Großen Koalition und eine Gegenwartsverwaltung der Hochkonjunktur durch eine verzagte Umverteilung milliardenschwerer Überschüsse im Bundeshaushalt, die nicht das seien, „was die Wirtschaft voran bringt. Und das, was die Politik auf den Weg gebracht hat, wird für Betriebe und Unternehmen bei Sozialabgaben und arbeitsrechtlichen Vorschriften ein Mehr an Belastung zur Folge haben.“

Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen. © Foto: Diether v. Goddenthow
Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen. © Foto: Diether v. Goddenthow

Sichwort: Unternehmenssteuerrecht
Für eine wettbewerbsfähige Steuerbelastung der Unternehmen seien strukturelle Reformen des Unternehmenssteuerrechts mit deutlichen Entlastungen der Unternehmen und Steuerzahler überfällig und auch für den kommenden Haushalt 2019 verschlafen worden.

Stichwort: Bürokratieabbau
Beim Bürokratieabbau trete die Bundesregierung auf der Stelle und das Bürokratieentlastungsgesetz III lasse immer noch auf sich warten. „Das bisher Erreichte kommt nicht bei unseren Betrieben an. Insbesondere kleine Betriebe leiden unter immer höheren Anforderungen und fühlen sich zu Recht zunehmend überfordert. Sehr geehrter Herr Scholz, die Entlastung von Kleinstbetrieben muss endlich Priorität haben,“ so der Handwerkskammerpräsident.

Stichwort: Investitionen in Bildung
Um die Herausforderung der voranschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft in den Betrieben auch künftig noch gewachsen zu sein, „brauchen wir erhebliche Investitionen in eine bessere Bildung von der Kita bis zur Hochschule für die Sicherung des Fach- und Führungskräftenachwuchses. Wir brauchen dringend Investitionen in die Zukunft. Zur Fachkräftesicherung muss Geld in die Hand genommen und damit die berufliche Ausbildung so gefördert werden, dass Berufsschulen und die Bildungszentren des Handwerks in ihrer Ausstattung am Puls der Zeit und damit auch für junge Menschen attraktiv sind. Um Fachkräfte zu gewinnen, müssen noch besser alle inländischen Potenziale erschlossen werden – Frauen, Langzeitarbeitslose, Menschen mit Migrationshintergrund. Ein weiterer Baustein an dieser Stelle ist es, gezielt qualifizierte Fachkräfte von außen anzuwerben. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz muss deshalb zügig beschlossen und umgesetzt werden“, so Frieses Forderung  an die Bundes- und Landespolitik.

In weiteren Stichpunkten widmete sich der Handwerkskammerpräsident der  Wiedereinführung der Meisterpflicht in einigen der 2004 zu zulassungsfrei erklärten Gewerken wie den Fliesenleger, Musikinstrumentenhersteller oder Goldschmied.

Größtes Aufreger-Thema der Betriebe in der Region ist nach wie vor das Dieselfahrverbot. „Das Unverständnis unter den Betrieben und in der Bevölkerung ist riesig.“

Abschließend an die Politik gerichtet, appellierte Friese: „Helfen Sie mit, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die es uns erlauben, weiterhin all die Arbeits- und Ausbildungsplätze zu generieren, die unserem Land die sprudelnden Steuereinnahmen für ein lebenswertes und zukunftsfähiges Gemeinwesen bescheren.“

Talkrunde 
(v.l.n.r.): Pharmazierat Dr. Andreas-Georg Kiefer, Präsident der Landesapothekenkammer, Malu Dreyer Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Dr. Engelbert J. Günster, Präsident der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, Ökonomierat Norbert Schindler, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Daniela Schick, SWR-Moderatorin. © Foto: Diether v. Goddenthow
(v.l.n.r.): Pharmazierat Dr. Andreas-Georg Kiefer, Präsident der Landesapothekenkammer, Malu Dreyer Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Dr. Engelbert J. Günster, Präsident der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, Ökonomierat Norbert Schindler, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Daniela Schick, SWR-Moderatorin. © Foto: Diether v. Goddenthow

Bei der anschließenden Talkrunde mit der Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden Malu Dreyer, mit dem Präsidenten der IHK-Rheinhessen Dr. Engelbert J. Günster, mit dem Präsidenten der Landesapothekenkammer Dr. Andreas Kiefer und dem Präsidenten der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Ökonomierat Norbert Schindler fragte SWR-Moderatorin Daniela Schick, was die Wirtschaft brauche, um wettbewerbsfähig zu bleiben, welche Herausforderungen sich ihr stellten und welche Zukunftsvisionen die Wirtschaftsvertreter im Lande hätten.

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz. © Foto: Diether v. Goddenthow
Malu Dreyer, Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz. © Foto: Diether v. Goddenthow

Ministerpräsidentin Malu Dreyer zeigte sich zutiefst davon überzeugt, „dass wenn wir anpacken, dass wir die Zukunft gestalten können.“ Natürlich gäbe es auch Verunsicherungen insbesondere im Hinblick auf Globalisierung und Digitalisierung. Doch „Digitalisierung“ sei in Rheinland-Pfalz Chefinnensache und zugleich eine Querschnittsaufgabe, „die ressortübergreifend angepackt wird. Im Digitalen Kabinett unter meiner Leitung werden alle relevanten Themen besprochen und Entscheidungen getroffen“, so die Ministerpräsidentin. Rheinland-Pfalz stehe wirtschaftlich sehr gut da: „Das ist der Verdienst der Unternehmerinnen und Unternehmer, unserer innovativen Kammern und auch der vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich mit ihren Betrieben identifizieren und sich dafür engagieren. Und auch meine Landesregierung setzt einen Schwerpunkt darauf, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass sich die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz weiter gut entwickeln kann“, so Ministerpräsidentin.

IHK-Präsident Dr. Engelbert J. Günster sieht der wirtschaftlichen Entwicklung „verhalten positiv“ entgegen, denn „ als exportorientiertes Bundesland schauen wir natürlich nicht ohne Sorgen in die vielen Krisenherde der Welt“. Andererseits, und das zeige ja den positiven Geist unserer Region, glaubten nach einer Umfrage der IHK- Rheinhessen 91 Prozent der Unternehmer, dass es in den nächsten 12 Monaten entweder gleich gut oder besser wird, so der IHK-Präsident, der sich in seinem diesjährigen Statement insbesondere dem regionalen brennenden Thema „mehr Flächen für die Ansiedlung von Industrie- und Gewerbeflächen in Rheinland-Pfalz“ widmete, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft im Land auch in Zukunft zu erhalten. „Wir beobachten eine zunehmende Verknappung verfügbarer Industrieflächen, vor allem großer zusammenhängender Areale. Die werden aber dringend benötigt, um potenzielle Investoren ins Land zu holen.“

Dr. Egelbert J. Günster, Präsident der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen. © Foto: Diether v. Goddenthow
Dr. Egelbert J. Günster, Präsident der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen. © Foto: Diether v. Goddenthow

Günster erinnerte daran, „dass das produzierende Gewerbe in Rheinland-Pfalz fast 300.000 Menschen beschäftigt und pro Jahr 3 Milliarden EUR investiert. Damit trägt es 35 Prozent zur Bruttowertschöpfung des Landes bei.“ Da sei es von Vorteil, dass das Verhältnis zwischen den Entscheidern im Bundesland konstruktiv sei, sagte Günster unter Hinweis auf den seit 2014 laufenden Industrie-Dialog zwischen der Landesregierung, den Kammern, Unternehmerverbänden und Gewerkschaften: „Auch wenn die Rahmenbedingungen für die Unternehmen heute zunehmend auf globaler, europäischer oder auf Bundesebene abgesteckt werden, gibt es viele Aspekte, die auf landespolitischer Ebene zu entscheiden und zu lösen sind.“ Konkret geht es Günster darum, in einem gemeinsam von Innen- und Wirtschaftsministerium sowie den Industrie- und Handelskammern erarbeiteten Gutachten feststellen zu lassen, „welche Brach- oder Militärkonversionsflächen noch zur Verfügung stehen oder inwieweit Stadt-Umland-Kooperationen im Hinblick auf eine interkommunale Flächenpolitik gefördert werden“ könnten.

Malu Dreyer räumte ein, dass die über das starke Wirtschaftswachstum hocherfreute Regierung, natürlich auch dafür zu sorgen habe, „dass wir ausreichend Gewerbeflächen, auch große Gewerbeflächen, zur Verfügung haben.“. Die Regierung habe daher vor, so die Ministerpräsidentin, „dass nach dem nächsten Landentwicklungsplan tatsächlich die Ausweisung oder die Zurverfügungstellung von großen zusammenhängenden Industriegewerbeflächen wirklich ein Schwerpunkt ist.“.

Landwirtschaftskammerpräsident Norbert Schindler beklagte, dass die Landwirtschaft „ja immer den doppelten und dreifachen Landreservierungsverbrauch für alternative Ausgleichsmaßnahmen“ hat, etwa, wenn Flächen versiegelt würden. Solch ein Konkurrenzkampf um die Fläche in der rheinland-pfälzischen wie deutschen Landwirtschaft insgesamt spiegele sich auch in marktverzerrenden und spekulativen Kaufpreissteigerungen wider, mit denen der Gewinn pro Hektar lange nicht konkurrieren könne.

Ökonomierat Norbert Schindler, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. © Foto: Diether v. Goddenthow
Ökonomierat Norbert Schindler, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. © Foto: Diether v. Goddenthow

Zudem machte Schindler seinem Ärger über die in einigen Medien mitunter falsch dargestellte Nahrungsmittelerzeugung Luft und wünschte sich stattdessen “das hohe Niveau wie das Herr Nuhr getan hat mit Rückblick 2018“. Schindler lobte zudem den „Beitrag über die Diesel-Problematik ‚Das Diesel-Desaster‚“ vom 7.1.2019, worin „die Wahrheit wieder deutlich gesagt wird. Ich empfehle jedem diese Sendung in den Mediatheken nochmal nachzusehen. Und ich wünsche mir, dass wir in der Nahrungsmittelproduktion positiv und ehrlich begleitet werden. Denn ohne Bauern und eine funktionierende Landwirtschaft “hättet Ihr alle nichts zu essen!“. Bauern und Winzer, Gärtner und Forstleute in Rheinland-Pfalz erzeugten gesunde Nahrungsmittel, kultivierten die Landschaft, pflegten die ländliche Kultur, machten Rheinland-Pfalz liebenswert und böten zudem touristische Dienstleistungen.

Doch der Landwirtschaft drohe trotz glimpflich überstandener Dürreperiode neues Ungemach: Denn, so Schindler, der sich einst für den Mindestlohn in der Landwirtschaft stark machte, dürfe es doch nicht sein, „dass in Südeuropa Gemüse, Obst und Nahrungsmittel zu Sklavenlöhnen erzeugt“ würden, und „große Nahrungsmitteleinkäufer uns dann mit den gleichen Preisen auf südeuropäischen oder nordafrikanischen Niveau quälen“. „Wenn dies so weitergeht, liebe Freunde, liebe Gäste, geht Deutschlands Landwirtschaft vor die Hunde.!“, warnte der Landwirtschaftskammerpräsident eindringlich.

Malu Dreyer war bei diesem Punkt ganz auf Schindlers Seite. Sie sei „auch Zeitzeugin, dass Sie sich für den Mindestlohn in der Landwirtschaft eingesetzt haben“. Und es könne nicht sein“, so die Ministerpräsidentin, „dass der bei uns bezahlte Mindestlohn der Landwirtschaft woanders nicht eingehalten werde, „und deshalb unterstütze ich Ihr Anliegen, das wir auch auf der EU-Ebene tatsächlich auch etwas erreichen“.

Pharmazierat Dr. Andreas-Georg Kiefer, Präsident der Landesapothekenkamm Rheinland-Pfalz. © Foto: Diether v. Goddenthow
Pharmazierat Dr. Andreas-Georg Kiefer, Präsident der Landesapothekenkamm Rheinland-Pfalz. © Foto: Diether v. Goddenthow

Große Sorgen bereitet Dr. Andreas Kiefer eine zunehmende Monetarisierung im Gesundheitswesen. Er sei „als Deutscher eigentlich so stolz drauf, dass es eben keine Ausgrenzung für Gesundheitsleistungen gibt. Wenn einer krank ist, ist er krank, egal, was er für ein Einkommen hat, und der muss versorgt werden“. Aber es gäbe zu viel floatendes Geld auf der Welt, das Kapitalanlage sucht- Der deutsche Gesundheitsmarkt in Geld gesehen, sei groß, und der dürfe eben nicht für Investoren zur reiner Erzielung von Rendite geöffnet werden, weil darunter die Qualität der medizinischen Versorgung leide. Als Beispiel nannte der Apothekenkammerpräsident, der zugleich für die gesamte Heilbranche sprach, renditeorientierte medizinische Versorgungszentren, die sich dann „dem Zugriff der Aufsicht, zum Beispiel durch die Zahnärztekammer“ entzögen. Auch Arzneimittel seien keine Konsumgüter, sondern ganz spezielle Waren.

Während es immer mehr und größere Gesundheitszentren gäbe, die immer öfter auch von großen Konzernen, zum Teil aus dem Ausland übernommen werden, muss die Ein-Mann-Arzt-Praxis und die kleine Apotheke schließen, fasste SWR-Moderatorin Daniela Schick zusammen und fragte an die Ministerpräsidentin gerichtet: „Ist das eine Entwicklung, der die Politik tatenlos zusehen muss?“.

Das will die Politik nicht: „Ich bin ganz bei Herrn Präsident Kiefer“, so die Ministerpräsidentin. Es sei für „uns als Land wichtig, dort, wo wir Möglichkeiten haben, auch Rahmenbedingungen mitzugestalten, beispielsweise durch eine Krankenhausleistungsplanung“. Die oberste Priorität sei tatsächlich, „dass die Menschen gut versorgt sind, wenn sie krank sind.“ Das sei eine große Herausforderung, insbesondere auch für die Apotheker, so Dreyer.

Die Ministerpräsidentin lobte in diesem Zusammenhang als Beispiel einer möglichen besseren Arzneimittelversorgung der Bevölkerung auf dem Lande die erste digitale Rezeptsammelstelle in der 1200-Seelen-Gemeinde Longkamp am Rande des Hunsrücks, nahe des Heilbades Bernkastel-Kues. Apotheker haben sich hier, technisch unterstützt durch das Apothekenrechenzentrum Darmstadt (ARZ), zusammengeschlossen und ihre eigene Internet-Apotheke gegründet. Die digitale Rezeptsammelstelle in Form eines Terminals ersetzt den Apothekerbriefkasten. Sie bietet einen Scan-Schlitz, in den Patienten ihr Rezept einführen. Automatisch werden die Rezeptdaten gelesen und direkt an die beteiligten Apotheken digital weitergeleitet. Das Rezept bleibt beim Patienten. Durch die digitale Übertragung können nicht vorrätige Arzneimittel sofort bestellt werden und auch eine eventuelle Rücksprache mit dem verordnenden Arzt kann schnell stattfinden. All das spart Zeit, die letztlich auch dem Patienten zu Gute kommt, der in aller Regel dann taggleich durch pharmazeutisches Personal seine Arzneimittel im Rahmen des Botendienstes nach Hause gebracht bekommt oder seine vorbestellten Arzneimittel selbst in der Apotheke abholt.

Die Digitalisierung betreffend, gäbe es auch in Rheinland-Pfalz bei der Hard- und Software noch erheblichen Nachholbedarf, betonte abschließend Dr. Engelbert J. Günster. Wähle sich der deutsche Telekom-Kunde ins Netz erhielte er ungefähr 5 Mbit/ pro Sekunde Downloadgeschwindigkeit, in Albanien mit 11,4 Mbit/Sec dagegen das Doppelte, so der IHK-Präsident. Die Software, also „die Mitarbeiter, die in der Lage sind, mit diesen neuen Herausforderungen der Digitalisierung umzugehen“, seien das andere Thema. Da „brauchen wir Investitionen in die Fortbildung, in die Weiterbildung, aber eben auch in der Generierung entsprechend qualifizierten Nachwuchses.“ so Günster.

„Europa an sich“ Festvortrag von Olaf Scholz, Bundesfinanzminister und Vizekanzler

Olaf Scholz, Finanzminister und Vizekanzler. © Foto: Diether v. Goddenthow
Olaf Scholz, Finanzminister und Vizekanzler. © Foto: Diether v. Goddenthow

In seinem flammenden Plädoyer für eine starke Europäische Union und einen geregelten Brexit, sprach Bundesfinanzminister Olaf Scholz über die Rolle Deutschlands in Europa und die Zukunft der EU in Zeiten von Brexit und der in fünf Monaten bevorstehenden Europa-Wahl. Die komplette Rede finden Sie hier:  „Europa für sich“: Rede von Bundes¬finanzminister Olaf Scholz beim Jahresempfang der Wirtschaft 2019

(Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Gastgebende Kammern

 

Der schleichenden Wirtschaftsfeindlichkeit entgegentreten! – Deutliche Worte auf Jahresempfang der rheinland-pfälzischen Wirtschaft 2018

Der größte Neujahrsempfang der regionalen Wirtschaft in Deutschland in der Rheingoldhalle in Mainz am 7. Februar 2018.  Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow.de
Der größte Neujahrsempfang der regionalen Wirtschaft in Deutschland in der Rheingoldhalle in Mainz am 7. Februar 2018. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow.de

Deutlich mahnende Worte vor einer besorgniserregenden Überbürokratisierung, zuletzt durch die ab 25. Mai 2018 geltende EU-Datenschutz-Verordnung, sowie gegen einen schleichenden wirtschaftsfeindlichen Zeitgeist fanden die Vertreter der gastgebenden IHK, HWK und der Kammern der Freien Berufe auf dem Jahresempfang der Rheinlandpfälzischen Wirtschaft 2018 am 7.Februar in der Rheingoldhalle zu Mainz. Festredner war Professor Dr. Norbert Lammert, Bundestagspräsident a.D., mit einem engagierten Plädoyer für den Zusammenhalt Europas.

Bessere Verhältnisse gab es in Europa noch nie!

Festredner Prof. Dr. Norbert Lammert Bundestagspräsident a.D. beim Jahresempfang der Rheinland-Pfälzischen Wirtschaft 2018 in der Rheingoldhalle Mainz. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow.de
Festredner Prof. Dr. Norbert Lammert
Bundestagspräsident a.D. beim Jahresempfang der Rheinland-Pfälzischen Wirtschaft 2018 in der Rheingoldhalle Mainz. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow.de

Lammert, seit Januar  Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, nannte den europäischen Integrationsprozess, der mit den Römischen Verträgen vor 60 Jahren seinen Anfang nahm, die „wichtigste einzelne Innovation des 20. Jahrhunderts“. Zum ersten Mal in einer zweieinhalbtausend-jährigen gemeinsamen Geschichte sei das Risiko so gut wie beseitigt, „dass Meinungsverschiedenheiten und Interessenkonflikte, die es zwischen diesen Staaten nach wie vor gibt, unter Einsatz von Gewalt mit militärischen Mitteln ausgetragen werden können“, so Lammert. „Bessere Verhältnisse als die, die wir gegenwärtig in Europa haben, gab es auf diesem Kontinent nie!“ Noch nie habe es auf diesem Kontinent den Zustand gegeben, dass „in ausnahmslos allen europäischen Staaten, demokratisch gewählte Parlamente, und von diesen bestellte oder kontrollierte Regierungen im Amt sind“. Diese Errungenschaft sei ihm noch wichtiger, so Lammert, als seine „zugegebenermaßen gebremste Begeisterung gegenüber dieser oder jener konkreten Regierung, die ich da in diesem oder jenen Land im Amt sehe“. Die komplette Rede kann folgend über Youtube abgerufen werden:

Dr. Engelbert J. Günster „Kernthemen couragiert anpacken“

Dr. Engelbert J. Günster, Präsident der Industrie und Handelskammer für Rheinhessen, hatte zuvor seine Begrüßungsrede vor den gut 1600 Vertretern aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Kultur unter das Motto „Kernthemen couragiert anpacken“ gestellt. Obwohl die Unternehmen auch am Standort Rheinhessen derzeit Rekorde verbuchten und ein Drittel von ihnen in den nächsten zwölf Monaten die Investitionen und die Beschäftigtenzahlen erhöhen wollten, läge, so der IHK-Präsident, statt Aufbruchsstimmung „eine bleierne Schwere über unserem Land.“ In Berlin „scheinen die parteitaktischen Grundsatzstreitereien wichtiger zu sein, als die Interessen unseres Landes und seiner Bürger“, so Günster. Und während ein dringender Handlungsbedarf bei Kernthemen zur Modernisierung Deutschlands und ein Zukunftsprogramm im europäischen Kontext bestünde, zermürbe man sich bei Prinzipienreiterei und Spitzfindigkeit, „so zum Beispiel, ob der Mittelwert zwischen 180.000 und 220.000 nun bei 200.000 liegt oder nicht; und ob der Begriff „Obergrenze“ eine normative Begrenzung ist, oder nur deskriptiver Natur.“

Dr. Engelbert J. Günster, Präsident der IHK für Rheinhessen:  „Der Industriestandort Deutschland braucht eine Frischzellenkur - und zwar vor allem bei den Rahmenbedingungen,  die die Politik zu verantworten hat.“ Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow.de
Dr. Engelbert J. Günster, Präsident der IHK für Rheinhessen:
„Der Industriestandort
Deutschland braucht eine Frischzellenkur – und zwar vor allem bei den Rahmenbedingungen,
die die Politik zu verantworten hat.“ Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow.de

Schon in der abgelaufenen Legislaturperiode habe die Große Koalition ihre Machtfülle nicht für grundlegende Reformen im Land genutzt. Auch die soeben mühsam beendeten Koalitionsverhandlungen zeugen auch diesmal nicht davon, dass die sich abzeichnende Fortsetzung der Großen Koalition an diesem Reformmangel etwas ändern wolle. Ein mutloses Wohlfühlprogramm schaffe keine neuen Jobs – und mittelfristig auch keine Aufbruchsstimmung im Land, so der IHK-Präsident. Günster mahnte an, wesentliche Kernthemen couragiert anzupacken, beispielsweise zuvorderst:
„• Investitionen in Bildung von der Kita bis zur Hochschule und die Sicherung des Fach- und Führungskräftenachwuchses,
• Ertüchtigung und Ausbau der digitalen- und der Verkehrsinfrastruktur
• Innere Sicherheit und Schutz der Außengrenzen, • Steuerentlastung von Bürgern und Unternehmen,
• Straffung des Gesundheitswesens und Entzerrung und Verbesserung von Prophylaxe, Akutbehandlung und ganz besonders der Pflege in einer alternden Bevölkerung.“

Zudem gelte es, „einer schleichenden Wirtschaftsfeindlichkeit entgegenzuwirken“, so der IHK-Präsident und zitierte, die diesbezüglichen Beobachtungen des Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadis, aus dessen kürzlich gehaltenen Rede: „In Deutschland hat sich ein Zeitgeist breitgemacht, der Wirtschaft und Industrie pauschal hintertriebene, arrogante Profitgier unterstellt. Anstatt mit dem Wirtschafts- und Industriestandort die Grundlage des hiesigen Wohlstands zu sichern, wird nur noch über Ausstiege, Verbote und Reglementierungen geredet, statt über Innovation, Investition und Modernisierung.“ Er stimme in diesem Punkt ausdrücklich dem erfahrenen Gewerkschaftsführer zu, so Günster, und ergänzte: „Es darf nicht sein, dass ein tüchtiger und erfolgreicher Mittelstand, das Rückgrat unserer Wirtschaft in Sippenhaft genommen wird für Fehlverhalten einiger weniger Großunternehmen. Ich teile gerne auch seinen Weckruf an alle handelnden politischen Akteure: „Der Industriestandort Deutschland braucht eine Frischzellenkur – und zwar vor allem bei den Rahmenbedingungen, die die Politik zu verantworten hat.“, so der IHK-Präsident (Die komplette Rede hier).

Talkrunde diskutierte- Berufsausbildung und Bürokratieabbau
Talkrunde (v.l.n.r.): Edgar Wilk, Präsident der Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz und Landesverband der Freien Berufe Rheinland-Pfalz e. V., Wilhelmina Katzschmann, Vizepräsidentin der Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz, Markus Appelmann, Moderator. Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow.de
Talkrunde (v.l.n.r.): Edgar Wilk, Präsident der Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz und Landesverband der Freien Berufe Rheinland-Pfalz e. V., Wilhelmina Katzschmann, Vizepräsidentin der Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz, Markus Appelmann, Moderator. Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow.de

Noch deutlichere Worte gegen die wachsende Zahl unternehmensfeindlicher gesetzlicher Rahmenbedingungen fand die  Talkrunde mit  Hans Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen, Wilhelmina Katzschmann Vizepräsidentin der Ingenieurkammer Rheinland Pfalz sowie Edgar Wilk, Präsident der Steuerberaterkammer Rheinland Pfalz und Landesverband der Freien Berufe Rheinland Pfalz e. V.. Moderator war Markus Appelmann, SAT1, der durch den ganzen Veranstaltungsabend führte.

Zwei Themen brannten dabei besonders auf den Nägeln: Die berufliche Bildung und der Bürokratieabbau.

Auch ein verpflichtendes Praktikum im Handwerk für alle Schultypen

Besorgniserregend sei das nachlassende Niveau der Schulabsolventen nicht nur in theoretischen Fächern, sondern auch in den praktisch-manuellen Bereichen, weswegen Handwerkspräsident Hans Jörg Friese forderte: „Was wir benötigen, sind in den Schulen handwerkliche Fähigkeiten.“ Wie solle jemand, der noch nie gehämmert habe, plötzlich am Ausbildungsplatz ein Talent für’s Hämmern entwickeln können, versuchte Friese das Problem an diesem kleinen Beispiel im Kern zu benennen. Wenn in den Schulen keine fachpraktischen Fähigkeiten vermittelt würden, könne sich das Handwerk anstrengen wie es wolle; Es gäbe dann keine Möglichkeit mehr, die Versäumnisse in der Feinmotorik nachzuholen. Deswegen forderte der Handwerkskammerpräsident  unter  viel Beifall, ab der 5. Klasse verbindlich Naturwissenschaften zu lehren. Und dass „für alle Schulformen, auch für’s Gymnasium, ein Praktikum verpflichtend ist, und mindestens ein Praktikum in einem Handwerksbetrieb“, so Friese. Denn es werde nicht nur immer schwieriger, gute ausgebildete Menschen zu bekommen. Sondern mit der Digitalisierung in der Wirtschaft, auch im Handwerk, seien die Anforderungen drastisch gestiegen: „Wir haben junge Menschen, die müssen nicht nur das Fachpraktische erlernen, sondern sie müssen diesen Weg der Digitalisierung gehen.“ Da käme  zum Erlernen der nötigen handwerklichen Fertigkeiten noch der Lehrstoff aus dem „Digitalen“ hinzu. Zudem benötigte man Berufsschulen und Bildungszentren der Kammern, die gut ausgestattet seien, so der Handwerkspräsident, und forderte hierfür entsprechende Unterstützung, „um all diese Dinge auch angehen zu können“.

Von Bürokratieabbau keine Spur – Wirtschaft und Freiberufler ersticken bald an überzogenen Dokumentationspflichten 

Beim Thema Bürokratieabbau warnte Edgar Wilk vor den Folgen einer ausufernden Bürokratie für die Freien Berufe und mittelständische Unternehmen. Dabei kritisierte er unter anderem eine Reihe von aktuellen Rechtsvorschriften, die jeden noch so kleinen Arbeitsschritt bei der Berufsausübung dokumentiert sehen wollen. „Dadurch werden Unternehmen und Freiberufler unnötig behindert. Hier muss dringend auf die Bremse getreten werden. Jede neue Dokumentationspflicht lässt den Bürokratieaufwand größer werden“, erklärte Wilk und nannte die nervigsten Gesetzes-Verordnungen, wie etwa die „Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff GoBD. Darin, so Wilk, werde in 184 Punkten detailliert aufgelistet, wie  die Abläufe in der Buchhaltung vonstattengehen und die Arbeitsschritte im Betrieb dokumentiert werden müssen. „Wer gedacht hat, dass die Umstellung auf elektronische Unterlagen die Arbeit vereinfacht und beschleunigt, der hat die Rechnung ohne die Bürokratie gemacht“, so Wilk

Ähnlich kritisch beurteilte der Kammerpräsident auch die Dokumentationspflichten des neuen Geldwäschegesetzes (GwG). Hier wird verlangt, erst einmal festzustellen und zu dokumentieren, ob man selbst „geldwäschegefärdet“ sei.  Besonders betroffen sind hierbei Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer. Sie müssen umfangreich analysieren, ob in ihren Kanzleitätigkeiten Risiken im Hinblick auf Geldwäsche vorhanden sind und diesen Vorgang genau dokumentieren. „Neben dem großen bürokratischen Aufwand droht den Betroffenen bei Nicht-Befolgen der Richtlinien eine unverhältnismäßige Strafe. Hier schießt der Gesetzgeber über das Ziel hinaus.“

Besonders ärgerlich sei auch die ab 25. Mai 2018 verpflichtend anzuwendende europäische Datenschutz Grundverordnung (EU-DS-GVO). Sie bringe zusätzliche, ganz erhebliche Dokumentationspflichten und einen damit verbundenen Bürokratieaufwand mit sich. Danach sind Unternehmen und Freiberufler angehalten, ihre Arbeitsabläufe und Prozesse so einzurichten und zu dokumentieren, dass die Verarbeitungsweise von Personendaten sowie die Erfüllung der umfangreichen Informationspflichten jederzeit gegenüber den Aufsichtsbehörden nachgewiesen werden können. Die meisten Freiberufler sind als Berufsgeheimnisträger aber ohnehin schon durch ihren Beruf dazu verpflichtet, ihre Mandanten-, Klienten- und Patienten-Daten vertraulich zu behandeln; einer zusätzlichen Regelung hätte es da nicht bedurft. „Die neuen Pflichten nach der DS-GVO bei der Bearbeitung persönlicher Daten führen lediglich zu mehr Arbeitsaufwand und Verunsicherung der Mandanten“, kritisiert Wilk. „Diese Regelung trifft genau die Falschen, hier wäre eine Ausnahme sinnvoll gewesen.“ Auch hier drohen Betroffenen bei nicht Befolgung drastisch überzogene Strafen bis zu 20 Mio. Euro.

Netzwerken bei Wein und Bretzel auf dem Jahresempfang der rheinland-pfälzischen Wirtschaft 2018. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow.de
Netzwerken bei Wein und Bretzel auf dem Jahresempfang der rheinland-pfälzischen Wirtschaft 2018. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow.de

(Dokumentation Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

 

Die Statements der Verbandsvertreter können folgend angeklickt werden:

„Götterdämmerung“ beim Jahresempfang der rheinland-pfälzischen Wirtschaft 2017

Gastgeber des Jahresempfangs der Wirtschaft 2017 in der Rheingoldhalle Mainz am 7.Februar waren: Industrie und Handelskammer Rheinhessen, Handwerkskammer Rheinhessen, Architektenkammer Rheinland-Pfalz Handwerkskammer Rheinhessen Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz, Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz, Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Rechtsanwaltskammer Koblenz, Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz, Wirtschaftsprüferkammer in Rheinland-Pfalz. Foto: Diether v. Goddenthow  © atelier-goddenthow
Gastgeber des Jahresempfangs der Wirtschaft 2017 in der Rheingoldhalle Mainz am 7.Februar waren: Industrie und Handelskammer Rheinhessen, Handwerkskammer Rheinhessen, Architektenkammer Rheinland-Pfalz, Handwerkskammer Rheinhessen, Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz, Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz, Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Rechtsanwaltskammer Koblenz, Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz,Wirtschaftsprüferkammer in Rheinland-Pfalz. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Auch beim diesjährigen Jahresempfang der rheinland-pfälzischen Wirtschaft am 7. Februar 2017 in der Rheingold-Halle zu Mainz gab die Publikumskulisse von mehreren tausend mittelständischen Unternehmen der 13 gastgebenden Institutionen wieder ein eindrucksvolles Bild international ausgerichteter, prosperierender Wirtschaftskultur.

Retrospektiv und prospektiv gibt es viel Positives über die – vor allen vom Export geprägte – Wirtschaftsentwicklung zu berichten. Die Auftragsbücher seien (noch) gut gefüllt. Nie ging und geht es der Region wirtschaftlich so gut wie heute, wenn auch die Lage in einzelnen Branchen unterschiedlich zu bewerten sei. Selbst die große Herausforderung der Flüchtlingsunterbringung habe in einigen Branchen für steigende Umsatzzahlen und somit für einen zusätzlichen Wachstumsschub gesorgt. Doch trotz aller  Zuversicht und guten Gründe zum Feiern, gibt es auch Wermutstropfen und zahlreiche Sorgen, insbesondere im Hinblick auf die extrem lockere Geldpolitik der EZB und in Anbetracht von  Brexit, Trump, Infrastrukturdefiziten, demografischem Wandel und, wie ein Gast sagte, einem Götterdämmerung ähnlichen, erstarkenden Populismus, inbesondere mit Blick auf US-Amerika.

Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen , begrüßte die Gäste im Namen aller gastgebenden Institutionen. Foto: Diether v. Goddenthow  © atelier-goddenthow
Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen , begrüßte die Gäste im Namen aller gastgebenden Institutionen. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

„Das Jahr 2017 ist wieder eines, das viele Veränderungen bringen wird (…) zumindest die absehbaren Veränderungen bergen eine große Gefahr, dass es sich nicht zum Besseren entwickelt.“ warnte Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen, bei seiner Eröffnungsrede im Namen von  IHK, der Freien Berufe und seiner Kammer. Laut Ankündigung des neuen US Präsidenten, würden sich wohl die USA von vielen etablierten Verfahrensabläufen der internationalen Politik verabschieden. Und es wäre noch nicht absehbar, was“ dies für den weltweiten Klimaschutz, die internationale Zusammenarbeit und auch für die Weltwirtschaft bedeutet“, so Friese. Als weitere Sorgenknackpunkte mahnte der Handwerkspräsident intakte Verkehrswege an. Das Verkehswegenetz sei in desolatem Zustand, wobei entsprechende Investitionen nicht an der mittelständischen Bauwirtschaft vorbeifließend dürften. Deutschland brauche endlich auch ein Glasfasernetz, ansonsten verlöre die Wirtschaft – im wahrsten Wortsinne – den Anschluss an die europäischen und weltweit agierenden Spitzenländer.

Sorgen bereite der Wirtschaft auch die demografische Entwicklung. Das Erwerbspersonenpotenzial sinke, so der HWK-Präsident, während die Ausgaben der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung weiter wüchsen. Daher sei kein Spielraum für weitere Leistungsausweitungen gegeben. Es gelte stattdessen, die Sozialversicherungsbeiträge bei unter 40 Prozent zu halten und bei Reformen sich am Grundsatz der Beitragssatzstabilität zu orientieren.

Friese warnte zudem, die Europäische Währungsunion zu einer Haftungs- und Transferunion werden zu lassen und teilte einer Vergemeinschaftung der Einlagensicherung oder der Schaffung einer europäischen Arbeitslosenversicherung eine klare Absage. Denn Handlung und Haftung gehörten zusammen: Hierzu müsse ein Insolvenzmechanismus für Staaten entwickelt werden, so Friese.

Die vollständige Rede von Hans-Jörg Friese

Dr.Andrea Benecke, der Vizepräsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz. Foto: Diether v. Goddenthow  © atelier-goddenthow
Dr.Andrea Benecke, der Vizepräsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Dr. Andrea Benecke, Vizepräsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, ging nach ihrem Dank, im Namen der 13 Veranstalter des Jahresempfangs sprechen zu dürfen, in ihren Grußwort auf die Bedeutung der Arbeit der rund 1800 von ihrer Kammer vertretenden approbierten Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ein: „Wir werden vor allem dann gebraucht, wenn es im Leben mal nicht so rund läuft, wenn chronische Überlastung depressiv macht, wenn Menschen sich aufgrund des Verlustes ihres Arbeitsplatzes wertlos fühlen oder wenn schwere Traumata bewältigt werden müssen – um nur einige Beispiele zu nennen.“ Eine starke Gesellschaft ließe auch Menschen, die zeitweise schwach seien, nicht fallen, so Dr. Benecke weiter. In einer starken Gesellschaft müssten Menschen eine psychische Erkrankung vor ihrem Arbeitgeber nicht verheimlichen, sie könnten offen darüber mit ihren Kollegen und mit ihrem Chef sprechen. Eine starke Gesellschaft unterstütze, wo es dringend notwendig sei und ziehe sich dann wieder zurück, wenn die Hilfe nicht mehr gebraucht würde, sagte Dr. Benecke.

Besorgt äußerte sich die Vizepräsidentin jedoch über die niedrigzins bedingte schwierige Lange der berufsständischen Versorgungswerke. Diese gehörten neben der Beamtenversorgung und gesetzlichen Rentenversicherung zur ersten Säule der Altersabsicherung von Freiberuflern in einem kammerfähigen Beruf wie: Ärzte, Rechtsanwälte, Psychotherapeuten, Apotheker, Ingenieure, Architekten u. Steuerberater. Die Versorgungswerke der genannten Freiberufler-Gruppen funktionierten nach dem Kapitalbildungsprinzip: Jeden Monat würde ein einkommensabhängiger Betrag an das Versorgungswerk gezahlt. Dieses Geld werde fest angelegt und nach Eintritt in den Ruhestand samt Zinsen zurückgezahlt. Der Rechnungszins bezeichnete dabei den Ertrag, der aus dem bereits angesammelten Vermögen, aus den zukünftigen Beiträgen und den wiederangelegten Vermögenserträgen nachhaltig erwirtschaftet werden müsse, um die Alters-, Hinterbliebenen- und Berufsunfähigkeitsrenten erfüllen zu können. Der garantierte Rechnungszins lag in den letzten Jahren bei vielen Versorgungswerken zwischen 3,5 und 4 %. Doch die Auswirkungen der Finanzkrise und das Niedrigzinsumfeld stellten die Versorgungswerke vor große Herausforderungen. Immer mehr Versorgungswerke könnten ihr selbst gesetztes Zins-Ziel nicht halten. Das könne gravierende Folgen haben: Die Landesärztekammer und die Rechtsanwaltskammer für den OLG-Bezirk Koblenz wiesen deswegen mit Sorge bereits darauf hin, dass Versorgungseinrichtungen künftig nur mit höheren Risiken eine auskömmliche Rendite im Bereich des Rechnungszinses erreichen könnten, so Dr. Benecke.

Eine weitere Sorge neben den Folgen des anhaltenden Niedrigzinsniveaus für die Mitglieder der Versorgungswerk sei, dass einige Kammern um ihre Selbstverwaltung und Freiberuflichkeit fürchteten, wobei sie auf eine Urteil des Europäischen Gerichtshofes hinwies, welches ausländische Arzneimittelversender von der Preisbindung auf Medikamente befreite und für die örtlichen Apotheken existenzgefährdend sei.

Aber nicht nur  im Bereich der Finanzen, Stichwort Negativzinsen, scheine die Welt Kopf Kopf zu stehen. Auch in vielen anderen Bereichen, sei das, was uns über viele Jahre verlässlich schien, nun nicht mehr so. Die Weltordnung sei aus den Fugen und viele Menschen häben Angst vor der Unsicherheit, die eine zusammenwachsende Welt mit sich bringe. „Um Angst zu reduzieren“, so Dr. Benecke, „wäre es wichtig, dass man sich zumindest auf Tatsachen und Fakten noch verlassen kann – aber auch diese sind ist nicht mehr eindeutig. Da gibt es Politiker, die postfaktisch die jeweilige Gefühlslage als Wahrheit verkaufen und andere, die flugs sogenannte alternative Fakten in die Welt setzen. Dabei gibt es dafür ein klares deutsches Wort: Lügen. Was kann noch geglaubt werden? Mein Appell an uns alle lautet: Mühen wir uns um die Wahrheit, gerade wenn sie kompliziert ist. Sagen wir sie laut und werden wir dabei nicht müde. So kann man Unsicherheit begegnen.“, empfahl die Psychologische Psychotherapeutin abschließend.

Die vollständige Rede von Dr. Andrea Benecke

Bundesbank-Präsident Dr. Jens Weidmann, Hauptredners des Abends, erteilt der Niedrigzinspolitik der EZB eine klare Absage. Foto: Diether v. Goddenthow  © atelier-goddenthow
Bundesbank-Präsident Dr. Jens Weidmann, Hauptredners des Abends, erteilt der Niedrigzinspolitik der EZB eine klare Absage. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Bereits zu Beginn ließ der Hauptredner des Abends Dr. Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank, keinen Zweifel daran, den Anwesenden  nicht  ihre Zukunftsungewissheit ein wenig nehmen zu können. Im Gegenteil: Mervyn King, den früheren Gouverneur der Bank of England, zitierend, stellte Weidmann fest, dass nur wenige Menschen tapferer seien als jene, die sich die Rede eines Notenbankers anhörten. Umso mehr freue er sich, dass es in Mainz und Umgebung so viele tapfere Seelen gäbe. Starke Nerven waren denn auch beim mittelfristigen Ausblick des Bundesbankpräsidenten auf die wirtschaftlichen Entwicklungen Deutschlands gefragt. Nach Darlegung des bislang soliden Aufschwungs, der wachsenden Exporte und  der hohen Exportüberschüsse usw. entwarf Weidmann angesichts des bevorstehenden harten Brexits mit noch nicht absehbaren Folgen, die unsichere Lage in den USA und der unverantwortlichen extremen Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, ein gar nicht so rosiges Zukunfts-Szenario.

Wörtlich sagte der Bundesbanker: „Bei allem Konjunkturoptimismus sollte nämlich eines nicht vergessen werden: So rosig sind die langfristigen Wirtschaftsaussichten für Deutschland nicht, Deutschland bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Einer Langzeitvorausschätzung der OECD zufolge wächst bis zum Jahr 2060 kein bedeutendes Industrieland so langsam wie Deutschland.
Das liegt nicht zuletzt am demografischen Wandel. Der trifft Deutschland besonders hart. Bereits heute erreichen jedes Jahr 200.000 mehr Erwerbstätige das Rentenalter als Junge in den Arbeitsmarkt eintreten.
Wenn auch der starke Zustrom von Flüchtlingen den Arbeitsmarkt momentan von den Auswirkungen der Demografie abschirmt, wird sich der negative Einfluss des demographischen Wandels in Zukunft noch verstärken. Der altersbedingte Rückgang der Erwerbspersonen kann nur kompensiert werden, wenn mehr Menschen eine Beschäftigung aufnehmen und wir bei steigender Lebenserwartung auch länger arbeiten.
Doch selbst pro Kopf gerechnet wachsen die meisten OECD-Länder und Schwellenländer schneller als Deutschland. Die Politik ist also in der Verantwortung, durch die richtigen Weichenstellungen in der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik für ein höheres, nachhaltiges Wachstum zu sorgen.
Neben dem demografischen Wandel, der Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt und dem schwachen Wachstumstrend stehen wir jedoch noch vor weiteren wirtschaftspolitischen Herausforderungen. Hier denke ich insbesondere an die Digitalisierung, die ganze Branchen umwälzen wird, und die Energiewende, deren Ausgestaltung darüber bestimmt, ob Energie bezahlbar bleibt.“

Die vollständige Rede von Dr. Jens Weidmann

"Losin' Groove, der Big Band des Stefan-George-Gymnasiums Bingen, Foto: Diether v. Goddenthow  © atelier-goddenthow
„Losin‘ Groove, der Big Band des Stefan-George-Gymnasiums Bingen, Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Nach einer kleinen musikalischen Erfrischung durch „Losin‘ Groove, der Big Band des Stefan-George-Gymnasiums Bingen, sprach der Präsident der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, Engelbert Günster in seinem Schlusswort zur „Wettbewerbsfähigkeit durch Strukturreformen sichern“.

Engelbert Günster, Präsident der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen übte in seinem Schlusswort ebenfalls heftige Kritik an der Politik des lockeren Geldes der EZB. Foto: Diether v. Goddenthow  © atelier-goddenthow
Engelbert Günster, Präsident der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen übte in seinem Schlusswort ebenfalls heftige Kritik an der Politik des lockeren Geldes der EZB. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

In eine ähnliche Kerbe verfehlter, lockerer Geldpolitik der EZB, die ja nicht zu mehr Kreditvergaben und Investitionen er Unternehmen, sondern nur zur Pflege der Staatshaushalte führte, stieß auch Dr. Engelbert J. Günster, Präsident der IHK für Rheinhessen, in seinem Schlusswort: Unter anderem sagte der Präsident: „Unlängst weist auch der IWF in seinem Bericht darauf hin, dass eine kurzfristige Stimulierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage – sprich: durch billiges Geld – in Deutschland nicht nötig ist. Gefordert sei stattdessen eine Politik, die dazu beitrage, langfristig die Produktionskapazität und -effizienz durch Investitionen in Infrastruktur und in die Ausbildung der Beschäftigten sowie durch eine gerechte Steuerreform zu erhöhen. Sorge bereitet in diesem Kontext die Tatsache, dass die Steuerquote auf neue Rekordwerte klettert und damit natürlich die Belastung der Bürger erheblich steigt. Wenn in Zeiten niedriger Zinsen und sprudelnder Steuereinnahmen eine Entlastung nicht möglich ist, wann dann? Nur wenn die Politik substanzielle Strukturreformen auf den Weg bringt, kann die Wirtschaft dazu beitragen, die Phase niedriger Zinsen und Renditen zu überwinden und die Länder auf einen stabilen Wachstumspfad zurückzuführen. Dann kommt die Investitionsdynamik in Gang, so dass sich die Finanzmärkte aufgrund solider Ertragslagen und unternehmerischer Investitionen von selbst stabilisieren. Das haben auch Sie, Herr Dr. Weidmann, anschaulich erläutert. Dafür danken wir RheinlandPfälzer Ihnen und möchten Sie heute Abend mit dem Eindruck zurück in die Rhein-Main-Metropole verabschieden, dass Rheinland-Pfalz nicht nur geografisch im Herzen Europas ruht. Hier schlägt das Herz unserer Wirtschaft europäisch und global, und die Industrie, der Mittelstand und die Freien Berufe haben die Zukunft fest im Blick. Die rheinland-pfälzische Wirtschaft ist robust unterwegs, gerne sage ich das auch in Anwesenheit des Stellvertretenden Ministerpräsidenten und der Landespolitiker(inn)en. Doch wir brauchen gerade jetzt den vertrauensvollen Schulterschluss, um gemeinsam an der Stärkung unseres Landes und einer positiven Investitionsdynamik zu Medieninformation „Wettbewerbsfähigkeit durch Strukturreformen sichern“

Die vollständige Rede von Dr. J. Engelbert Günster

Während im Saal noch die letzten Statements abgegeben wurde, netzwerkten zahlreiche Gäste bereits eifrig in der großen Lobby. Hier zeigten auch zahlreiche Firmen ihre Leistungsspektrum. Foto: Diether v. Goddenthow  © atelier-goddenthow
Noch während im Saal  die letzten Statements liefen, netzwerkten zahlreiche Gäste bereits eifrig in der großen Lobby. Hier zeigten auch zahlreiche Firmen ihr Leistungsspektrum. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

(Diether v. Goddenthow / Rhein-Main.Eurokunst)