Arbeitgeberverbände des Hessischen Handwerks (AHH) fordern kluge politische Entscheidungen – Gleichstellung akademischer und beruflicher Ausbildung – Abbau von Bürokratie u. Überregulierung

Das traditionelle parlamentarische Neujahrstreffen der Arbeitgeberverbände des Hessischen Handwerks (AHH) am 29. Januar 2020 im Wiesbadener Kurhaus. Links im Bild Volker Bouffier. Der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier betonte, dass die Hessische Landesregierung das Handwerk wertschätze. „Das hessische Handwerk ist ein starkes Stück Mittelstand und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Vom Handwerk geht eine große integrative Kraft aus“. © Foto: Diether v Goddenthow
Das traditionelle parlamentarische Neujahrstreffen der Arbeitgeberverbände des Hessischen Handwerks (AHH) am 29. Januar 2020 im Wiesbadener Kurhaus. Links im Bild Volker Bouffier. Der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier betonte, dass die Hessische Landesregierung das Handwerk wertschätze. „Das hessische Handwerk ist ein starkes Stück Mittelstand und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Vom Handwerk geht eine große integrative Kraft aus“. © Foto: Diether v Goddenthow

Zukunft geht nur mit dem hessischen Handwerk – das wurde erneut auf dem traditionellen parlamentarischen Neujahrstreffen der Arbeitgeberverbände des Hessischen Handwerks (AHH) in Wiesbaden klar. Präsident Wolfgang Kramwinkel machte vor über 200 Teilnehmern aus Politik und Wirtschaft deutlich, dass das Handwerk die derzeit etwas bröckelnde Konjunktur stütze. Vor allem die kleinen und mittelständischen Familienbetriebe aus dem Handwerk machten es der Politik einfach, da sie maßgeblich zur aktuellen Rekordbeschäftigung und zu dem damit in Zusammenhang stehenden hohen Steueraufkommen beitrügen. „Doch das alles ist kein Selbstläufer. Wenn wir wollen, dass dies auch in Zukunft so bleibt, müssen heute die richtigen politischen Entscheidungen getroffen werden“, sagte Kramwinkel.

Gleichstellung von akademischer und beruflicher Bildung

Wolfgang Kramwinkel, Präsident der Arbeitgeberverbände des Hessischen Handwerks (AHH) © Foto: Diether v Goddenthow
Wolfgang Kramwinkel, Präsident der Arbeitgeberverbände des Hessischen Handwerks (AHH) © Foto: Diether v Goddenthow

Zu den politischen Entscheidungen gehöre unter anderem, dass die Zwei-Klassen-Behandlung von akademischer und beruflicher Ausbildung endlich beendet werden muss: „Akademische und berufliche Bildung gelten in Deutschland immer noch nicht gleich viel. Betrachtet man, wie stark beide Bildungswege finanziell gefördert werden, dann besteht ein starkes Ungleichgewicht. Deshalb fordern wir, Azubis und Studierende endlich finanziell gleichwertig zu behandeln und unsere Ausbildungsbetriebe und Azubis zu entlasten. Das wäre ein wirklich starkes Zeichen der Wertschätzung des Handwerks und der beruflichen Ausbildung.“ Kramwinkel machte deutlich, dass die Wertschätzung für die berufliche Ausbildung auch bei der Ausstattung der Berufsschule beginnen muss: „Das Schlagwort digitale Schule muss auch für Berufsschulen sowie berufliche Weiterbildungsangebote gelten. Gerade um die handwerkliche Berufsausbildung attraktiv und zukunftsfest zu machen, ist eine Modernisierung der Inhalte und Unterrichtsformen zwingend notwendig. Hier bedarf es dringend der Unterstützung des Landes Hessen.“

Abbau von Bürokratie und Überregulierung
Zudem warnte Kramwinkel vor den negativen Folgen einer ausufernden Bürokratisierung, die sich bereits auf die jüngere Generation auswirkten. Zwar habe Deutschland den Anspruch ein Gründerland zu sein. „Die Wahrheit ist aber, dass sich junge Menschen immer seltener für die Selbstständigkeit entscheiden. Selbst die Übernahme des elterlichen Betriebs lehnt die nächste Generation zunehmend ab. Es ist für junge Menschen heute anscheinend attraktiver, im Angestelltenverhältnis feste Arbeitszeiten und ein geregeltes Einkommen zu haben.“

Vor allem die Überregulierung mache dem Handwerk zunehmend zu schaffen. Immer mehr junge Meisterinnen und Meister , so Kramwinkel , seien beispielsweise darüber besorgt, „angesichts der ausufernden Bürokratie keine Zeit mehr für ihre Kunden und die eigentliche handwerkliche Tätigkeit zu haben. Sie wollen ihr Handwerk und keine Bürokratietätigkeit ausüben.“, so der AHH-Präsident.

Bürokratieabbau sei zwar seit Jahren in aller Munde, aber es fehle letztlich an entsprechendem Elan und Wille. Die seit Jahren bekannten und genügend vorliegenden Handlungsvorschläge würden einfach nicht wirklich aufgegriffen, trotz Weiterentwicklung des „One-in / One-out-Verfahrens“ und aktuellen Bürokratieentlastungsgesetz. Beispielsweise „brauchen wir eine sinnvolle Harmonisierung von Handels-und Steuervorschriften, damit Betriebe nicht immer häufiger gezwungen sind, neben der Handelsbilanz zusätzlich eine Steuerbilanz zu erstellen“, so Kramwinkel. Endlich geestrichen gehöre auch die Vorfälligkeit für Sozialversicherungsbeiträge, da es ein Ende haben müsse, dass die Wirtschaft in Vorleistung trete, um Liquiditätsengpässe bei den Sozialversicherungen vorzubeugen. „Konsequente Korrekturen brauchen wir auch bei den bürokratischen Anforderungen des Mindestlohns, der elektronischen Registrierungskassen und den zehnjährigen Aufbewahrungspflichten. Es ist ein Irrweg, die Wirtschaft unter Generalverdacht zu stellen und sämtliche Betriebe mit bürokratischen Pflichten zu belasten, nur um einzelne Missbrauchsfälle aufzudecken„, unterstrich Kramwinkel und fügte hinzu: „Aus den Betrieben höre ich, dass es immer schwerer fällt, die stetig neuen gesetzlichen Anforderungen umfassend zu erfüllen. Auch dort scheint sich immer häufiger das Gefühl der Überbelastung einzustellen. Klar ist, die Summe macht es aus –der Unmut darüber wächst.“

Bouffier: Hessen ist dank Handwerk wirtschaftlich erfolgreich

Ministerpräsident Volker Bouffier.© Foto: Diether v Goddenthow
Ministerpräsident Volker Bouffier.© Foto: Diether v Goddenthow

Der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier betonte, dass die Hessische Landesregierung das Handwerk wertschätze. „Das hessische Handwerk ist ein starkes Stück Mittelstand und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Vom Handwerk geht eine große integrative Kraft aus“, so Bouffier. Als Beispiel dafür nannte er die bundesweit beispiellos enge Zusammenarbeit beim Landes-Programm ,Wirtschaft integriert´, das u.a. Flüchtlinge auf dem Weg ins Berufsleben begleitet. „Hessen ist dank des Handwerks ein wirtschaftlich erfolgreiches Land, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt pflegt.“ Der Ministerpräsident machte deutlich, dass die berufliche Bildung zu den Kernthemen der Hessischen Landesregierung gehöre. „Die Landesregierung engagiert sich mit voller Kraft im Bündnis Ausbildung Hessen, das vor zwei Wochen zum zweiten Mal unterzeichnet wurde. Zudem stocken wir die Haushaltsmittel für die berufliche Bildung auf. Um den Berufsschülerinnen und Berufsschülern die nötigen Kenntnisse zu vermitteln, die mit dem digitalen Wandel einhergehen und digitale Infrastrukturen zu verbessern, fördert die Landesregierung die Beruflichen Schulen durch den Digitalpakt und das Programm „Digitale Schule Hessen.“

Talkrunde – IAA-Weggang hätte verhindert werden können

Talkrunde, moderiert von Wiesbadener-Kurier-Chefredakteur Stefan Schröder, mit den Fraktionsvorsitzenden des Hessischen Landtags (v.li.) Nancy Faeser (SPD), Janine Wissler (Die Linke), Michael Boddenberg (CDU), Arno Enners (AfD), Renè Rock (FDP) und Mathias Wagner (Bündnis 90/Die Grünen). © Foto: Diether v Goddenthow
Talkrunde, moderiert von Wiesbadener-Kurier-Chefredakteur Stefan Schröder, mit den Fraktionsvorsitzenden des Hessischen Landtags (v.li.) Nancy Faeser (SPD), Janine Wissler (Die Linke), Michael Boddenberg (CDU), Arno Enners (AfD), Renè Rock (FDP) und Mathias Wagner (Bündnis 90/Die Grünen). © Foto: Diether v Goddenthow

Die Themen Digitalisierung und Ausbildung standen auch im Fokus der anschließenden Podiumsdiskussion unter der Moderation von Stefan Schröder, Chefredakteur des Wiesbadener Kuriers. Michael Boddenberg (CDU), Nancy Faeser (SPD), Renè Rock (FDP), Mathias Wagner (Bündnis 90/Die Grünen), Janine Wissler (Die Linke) und Arno Enners (AfD) sicherten die Unterstützung des hessischen Landtages zu, Mittelstand und Handwerk zu unterstützen. Kontrovers besprochen wurde die tagesaktuelle Absage an den Standort Frankfurt der Internationalen Automobil Ausstellung IAA. Es gelte nun, einen Masterplan zu erstellen um die IAA 2023 wieder nach Frankfurt zurück zu holen. Das RheinMain-Gebiet müsse zum führenden Zentrum von Mobilität und technikoffener Erforschung klimaneutraler Antriebsmöglichkeiten und Kraftstoffe werden.
„Um beim Klimaschutz im Verkehrsbereich voranzukommen, sind neben der Elektromobilität auch andere alternative Kraftstoffe und Antriebe unverzichtbar.

Die Potentiale synthetischer Kraftstoffe und auch die Brennstoffzellentechnologie müssen in der politischen Debatte eine viel größere Rolle spielen,“ forderte Rainer von Borstel, Geschäftsführer der AHH in seinem Schlusswort.