Auf einer großen Jubiläumsveranstaltung zum 10-Jährigen Bestehen der Gutenberg-Gesundheitsstudie/Gutenberg Health Study (GHS) wurden gestern Abend in der Mainzer Rheingold-Halle bei einer Standortbestimmung und einen Gesundheits-Quiz erste Ergebnisse vorgestellt.
Die Gutenberg-Gesundheitsstudie/Gutenberg Health Study (GHS) ist die weltweit größte Bevölkerungsstudie ihrer Art. Über 15.000 repräsentativ ausgewählte Frauen und Männer im Alter zwischen 34 und 74 Jahren aus der Stadt Mainz und dem Landkreis Mainz-Bingen sind in die Studie eingeschlossen. Die zentrale Fragestellung der interdisziplinären Gutenberg-Gesundheitstudie(GHS), die seit 2007 an der Universitätsmedizin Mainz durchgeführt wird, lautet: Was hält gesund und was führt zur Entstehung von Krankheiten? Auf den Prüfstand kamen und kommen (die Studie läuft bis mindestens 2022 weiter) dabei alle wichtigen Organe des Körpers sowie auch Persönlichkeits- und Sozialfaktoren: „Das geht von Herzschwäche bis Arteriosklerose, von Augenerkrankungen bis Bluthochdruck und von Diabetes bis zu Störungen der Nierenfunktion“, sagt Prof. Dr. med. Philipp Wild, Leiter der Gutenberg-Gesundheitsstudie.
Prof. Wild stand gestern Abend der Moderatorin Lisa Ruhfus Rede und Antwort. Wild dankte allen Mitwirkenden und Ermöglichern der Gutenberg-Gesundheitsstudie. Er stellte die Studienleiter der beteiligten Institute der Unimedizin Mainz mit ihren Funktionen und Fachgebieten vor und begrüßte sie zudem als Experten des (Quiz-)Abends. Hier mussten die – prominenten – Kandidaten – antworten auf zahlreiche knifflige Fragen geben, etwa wer die meisten Gene habe, der Wasserfloh, Mensch, Gemüsekohl oder die Fruchtfliege. Niemand hat die richtige Antwort gewusst, dass nämlich der Gemüsekohl mit 100 000 Genen herausragt, gegenüber 31 000 beim Wasserfloh, 23 000 beim Menschen und 3.500 Genen bei der Fruchtfliege. Unbekannt war auch, dass 50 Prozent des menschlichen Erbgutes identisch ist mit dem einer Banane, und dass mit höherer Bildung (nicht Intelligenz) auch die Kurzsichtigkeit zunehme.
Wenn sich Kinder täglich zwei Stunden lang ohne Smartphone in der freien Natur mit Blick in die Ferne bewegten, könnte einer verhaltensbedingten Kurzsichtigkeit durch zu viel Lesen, Samartphone- und PC-Arbeit (die ursächlich stärker als genetische Faktoren zu Kurzsichtigkeit führten) wirksam vorgebeugt werden, so Prof. Dr. Norbert Pfeiffer, Direktor der Augenklinik.
Mit einer Pilotstudie fing alles an
Zunächst war das Ziel der Gutenberg-Studie, Herz- und Gefäßerkrankungen besser zu erforschen, doch eine Pilotstudie 2005, die mit 1800 Probanden gestartet wurde, weckte das Interesse weiterer Disziplinen, so dass die Studie um Erkrankungen von Stoffwechsel- und Immunsystem, Psyche, Lunge, Augen, Gehör, Haut und Krebs-Ursachenforschung erweitert wurde, so Professor Wild, Leiter Präventive Kardiologie und Medizinische Prävention Leiter Klinische Epidemiologie, CTH. Intention der Studie war und ist es, die Einflussfaktoren auf die Gesundheit, die Entstehung und den Verlauf von Erkrankungen besser zu verstehen, um mit den vertieften und neuen Erkenntnissen die Diagnostik, Therapie, Prognose und Prävention von Krankheiten zu verbessern. Das Besondere der Studie sei nicht nur, über so einen langen Zeitraum mit einer so großen Zahl freiwilliger Probanden arbeiten zu können. Auch die Tiefe der erfassten Daten pro Person sei bedeutend: über Vorerkrankungen, Genetik, Molekular-Profil, Persönlichkeitsstruktur bis hin zu Lebens- und Umwelt-Faktoren (z.B. Stress in Familie, Arbeitsplatz oder durch Lärm) , Haushaltseinkommen, Hobby, Beruf etc.
Zur Erhebung der umfassenden Gesundheitsdaten wurden die Studienteilnehmer nicht nur eingangs, sondern in regelmäßigen Abständen untersucht. Nur so ist eine Querschnittstudie möglich und aussagefähig. Die – anonymisiert weiterverarbeiteten – Gesundheitsdaten wurden/werden von Wissenschaftlern aller Disziplinen genutzt und ausgewertet. Allein 2016 wurden 123 Publikationen – von der Kongress-Präsentation über Fachzeitschriften- und Buchbeiträge bis hin zum Eingang in Behandlungsleitlinien – veröffentlicht.
Erste Ergebnisse
Während des unterhaltsamen Gesundheits-Quiz blickten zwischen den einzelnen Fragenblöcken die Leiter der Gutenberg-Gesundheitsstudie in kleinen Interviews und Statements auf die seit 10 Jahren geleistete Arbeit und Ergebnisse der Gutenberg-Gesundheitsstudie zurück: Man habe Genorte identifizieren können, die mit dem Auftreten von Krankheiten wie Herzschwäche, Herzinfarkt, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes und Augenerkrankungen in Zusammenhang stehen, was für die Entwicklung von Medikamenten und Diagnose-Tests wichtig sei.
Beispielweise konnte für den Troponintest gezeigt werden, einen Herzinfarkt statt in sechs nun in drei Stunden ausschließen zu könnnen. Es konnte der Zusammenhang von Lärmbelästigung und Angst und Depression einerseits, der Beitrag unterschiedlicher Lärmquellen zu der Lärmbelästigung andererseits nachgewiesen werden, etwa eine starke Zunahme von Depression und Angst mit steigender Lärmbelästigung, was aber auch zur Erhöhung von Blutdruck und anderen mit Stress in Verbindungen stehen Erkrankungen führen kann.
Bei extremer Lärmbelästigung seien, so Studienleiter Prof. Dr. Manfred Beutel von der Klinik für Psychosomatische Medizin, Depression und Angst immerhin doppelt so häufig wie bei geringer Lärmbelästigung.
„Nachdem wir zeigen konnten, dass Lärm das Herz-Kreislaufsystem schädigt, werden wir diese Befunde zum Anlass nehmen, in den weiteren Nachuntersuchungen der Gutenberg Gesundheitsstudie die Zusammenhänge zu Lärmbelästigung und den psychischen Erkrankungen noch genauer zu prüfen, so Prof. Dr. Thomas Münzel, einer der Initiatoren und Mitautor der Studie. Lärmbelästigung sei ein international anerkannter Indikator für die Gesundheitswirkung von Lärm. So beinträchtigten Genervtheit, Ärger, Erschöpfung und Stresssymptome durch Lärm auf Dauer Wohlbefinden, Gesundheit und Lebensqualität.
Darüber hinaus konnten sich die Gäste während der gesamten Veranstaltung ab 17.30 Uhr im Foyer der Rheingold-Halle bei fetziger Musik, Wein, Weck , Brezel und Worscht zugunsten der Mainzer Herzstiftung an den zahlreichen Infoständen nochmals über die medizinischen Disziplinen, Untersuchungsmethoden und Datensicherheit informieren und/oder von Experten beraten lassen.
(Diether v. Goddenthow/ Rhein-Main.Eurokunst)
Siehe auch:
Gutenberg-Gesundheitsstudie
Präventive Kardiologie
Mainzer Herzstiftung (hatte die Jubiläumsveranstaltung unterstützt)