„Wo Literatur ist, ist auch immer Hoffnung – Erste Literaturgala der Frankfurter Buchmesse

In einer Zeit der Vorurteile, der Emotionen, des Populismus seien Bücherfür uns alle ein Ort des Denkens und des Nachdenkens, begrüßte Fernsehmoderatorin Bärbel Schäfer die über 1000 Gäste auf der ersten Literaturgala der Frankfurter Buchmesse im Congresscentrum am gestrigen Samstagabend. „Ich glaube wir brauchen wieder etwas mehr Vernunft in dieser Welt“, so die Schäfer, die gemeinsam mit dem Autor, Moderator und Literaturvermittler Thomas Böhm durch den Abend führte.

Das fröhliche Moderatorenpaar der ersten Literaturgala der Frankfurter Buchmesse Thomas Böhm und Bärbel Schäfer.  © Foto: Diether v Goddenthow
Das fröhliche Moderatorenpaar der ersten Literaturgala der Frankfurter Buchmesse Thomas Böhm und Bärbel Schäfer. © Foto: Diether v Goddenthow

Die Frankfurter Buchmesse sei ein Ort der Vielfalt, des Respektes und der Anerkennung des anderen, „und ich habe das Gefühl: Wo Literatur ist, wo Kreativität ist, da ist auch immer Hoffnung! Eingeladen hatten die Veranstalter, die Frankfurter Buchmesse und der HR 2 sowie die Buchhandlung, ein Riege internationaler Bestseller-Autoren wie: Elif Shafak, Colson Whitehead, Maja Lunde, Ken Follett und Margaret Atwood sowie zum Vorlesen von Textpassagen aus Neuerscheinungen die bekannte deutsche Schauspielerin Nina Petri und Bela B Felsenheimer. Er ist Gitarrist, Komponist, Sänger und Schlagzeuger und Mitglied der Punkrock-Band Die Ärzte sowie Schriftsteller und Synchronsprecher. „Genießen sie! Don’t be german, be emotional! Gründen Sie Familien!“, brachte Bärbel Schäfer zu Beginn der Gala die Gäste in Stimmung!

Elif Safak „Unerhörte Stimmen “

Elif Safak © Foto: Diether v Goddenthow
Elif Safak © Foto: Diether v Goddenthow

Thomas Böhm und Elif Safak machten den Anfang. Elif Şafak, geboren als Elif Bilgin, ist eine türkische Schriftstellerin, die in türkischer und englischer Sprache schreibt. Sie gehört zu den meistgelesenen Schriftstellerinnen in der Türkei sowie zu den türkischen Schriftstellern mit hohem Bekanntheitsgrad im Ausland. Ihrem neuen Roman „Unerhörte Stimmen “, erschienen bei „Kein & Aber“, liegt die wissenschaftlich erforschte Tatsache zugrunde, dass, wenn der Körper tot ist, das Gehirn noch etwa 10 Minuten weiterleben kann. Und was dann passieren kann, erzählt Shafak anhand ihrer Hauptprotagonistin Leila, einer zu Sexarbeit genötigten jungen Frau, die ermordet wurde, und flugs – durch Gerüche und Geschmäcke – im Zustand einer Art Zwischenwelt ihr eigenes Leben Revue passieren lässt.

Schauspielerin Nina Petri liest Passagen aus den Neuerscheinungen. © Foto: Diether v Goddenthow
Schauspielerin Nina Petri liest Passagen aus den Neuerscheinungen. © Foto: Diether v Goddenthow

Elif Shafak erzählt nicht nur eine spannende Kriminalgeschichte, sondern will an die Stimme der Vergessenen erinnern, eine Geschichte die erinnern soll an Menschen, die tatsächlich in Istanbul ermordet und in eine Mülltonne geworfen wurden. Das Werk ist geprägt von der Empathie mit den Anderen genauso wie von der Hinwendung zur muslimischen Mystik als Quelle einer großen Tradition des oralen Erzählens, fasst Thomas Böhm zusammen.

Colson Whitehead „Die Nickel Boys“

Colson Whitehead © Foto: Diether v Goddenthow
Colson Whitehead © Foto: Diether v Goddenthow

Colson Whitehead ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Er wurde für seinen Roman The Underground Railroad 2016 mit dem National Book Award und 2017 mit dem Pulitzer Prize for Fiction sowie der Andrew Carnegie Medal for Excellence in Fiction und dem Arthur C. Clarke Award ausgezeichnet.

In seinem neuesten Buch „Die Nickel Boys“ erzählt Whitehead wie in der Nickel Academy, einer Besserungsanstalt der frühen 60er Jahre in den Sümpfen Floridas, verwahrloste und auffällig gewordene Jugendliche misshandelt wurden und zu Tode gekommen sind. Seine fiktionale Geschichte bleibt dabei aber eng an der Realität der Jahrzehnte lang begangenen Verbrechen, die erst 2014 öffentlich bekannt wurden durch Skelette-Funde eines ehemaligen Friedhofs vis-à-vis der Nickel Academy.
Colson Whitehead, Bela B Felsenheimer, der auch noch ein paar Fragen an den Autor hatte,  und Bärbel Schäfer. © Foto: Diether v Goddenthow

Colson Whitehead, Bela B Felsenheimer, der auch noch ein paar Fragen an den Autor hatte, und Bärbel Schäfer. © Foto: Diether v Goddenthow

Sein sechzehnjähriger Protagonist Elwood lebt mit seiner Großmutter im schwarzen Ghetto von Tallahassee und ist ein Bewunderer Martin Luther Kings. Als dieser einen Platz am College bekommt, scheint sein Traum von gesellschaftlicher Veränderung in Erfüllung zu gehen. Doch durch einen Zufall gerät er in ein gestohlenes Auto und wird ohne gerechtes Verfahren in die Besserungsanstalt Nickel Academy gesperrt. Dort wurde auch er missbraucht, gepeinigt und ausgenutzt. Mit seinem spannenden Roman bringt der Autor zugleich den tief verwurzelten Rassismus und das nicht enden wollende Trauma der amerikanischen Geschichte zutage.

Maja Lunde „Die Geschichte des Wassers“

Maja Lunde. © Foto: Diether v Goddenthow
Maja Lunde. © Foto: Diether v Goddenthow

Die in Oslo geborgene Norwegerin Maja Lunde studierte Literatur, Psychologie und Kommunikationswissenschaften an der Universität ihrer Heimatstadt. Nach dem Studium arbeitete sie in einem Filmmuseum und bei Filmproduktionen. Sie wurde schließlich Autorin. Ihr Buch „Die Geschichte der Bienen“,ein aufrüttelndes literarisches Plädoyer für die Natur, wurde das meistverkaufte Buch 2018. Mit ihrem neuen Werk „Die Geschichte des Wassers“ begibt sich  Signes, eine 70jährige Umweltaktivistin, auf eine riskante Reise mit einem Segelboot von Norwegen nach Frankreich, an Bord eine Fracht, die das Schicksal des blauen Planeten verändern kann. In einem anderen Strang, Frankreich 2014, werden Menschen durch eine große Dürre gezwungen von Südeuropa in den Norden zu flüchten, wo jedoch auch das Trinkwasser knapp ist. Als der junge Vater David und Tochter Lou in einem vertrockneten Garten ein uraltes Segelboot, Signes Segelboot, finden, keimt Hoffnung auf. Mit ihrem Roman stellt Lunde die Bedeutung von Wasser, die Basis allen irdischen Lebens, ins Zentrum als Warnung vor wachsender Wasserknappheit, vor allem, wenn wir Menschen nicht lernen, anders mit dem kostbaren Nass umzugehen.

Ken Follett „Notre-Dame: A Short History of the Meaning of Cathedrals“

Ken Follett © Foto: Diether v Goddenthow
Ken Follett © Foto: Diether v Goddenthow

Ein weiterer Höhepunkt war der Starautor Ken Follett, der in der Literaturszene neben Stephen King, Dan Brown, John Grisham oder Michael Crichton als einer der international erfolgreichsten und auflagenstärksten „Schreib- und Epenunternehmer“ gilt. Denn seit geraumer Zeit arbeitet er mit einem zwanzigköpfigen Mitarbeiterstab, das Follett Office, zusammen. Während Follett die kreative Arbeit des Schreibens leistet, übernehmen seine Crue, darunter auch Historiker, Journalisten usw., übernehmen Recherchen, organisatorische und administrative Aufgaben. Schnellschreiber Follett rechnet für ein Buch, natürlich abhängig vom Umfang, ungefähr 24 Monate, nämlich 8 Monate für die Recherche, 8 Monate für den Entwurf und nochmals 8 Monate für die Endfassung. Mittlerweile hat er allein in Deutschland an die 30 Millionen Bücher verkauft. Für seine Trilogie „Sturz der Titanen“, „Winter der Welt“ und „Kinder der Freiheit“ soll er ein Garantiehonorar von 14 Millionen Euro erhalten haben. 2017 erschien wiederrum im Bastei-Lübbe-Verlag „Das Fundament der Ewigkeit“. Insgesamt hat Follett über 20 ins Deutsche übersetzte Romane geschrieben. Aber er war nicht immer so erfolgreich, erzählt er. Als er merkte, dass er als „Enthüllungsjournalist“ ungeeignet war, begann nebenbei abends und wochenends Kurzgeschichten und Romane zu schreiben. Das führte zwar zur Publizierung einiger Bücher, wovon sich aber keines wirklich gut verkaufte. Dank seine Agenten, der an ihn glaubte, blieb er am Ball. Als dann 1978 sein Roman Die Nadel erschien, wurde er über Nacht Bestseller-Autor, so erfolgreich, dass er seinen bisherigen Beruf in einem kleinen Verlag aufgeben konnte. Er mietete sich in Frankreich eine Villa und widmete sich nun ausschließlich seinem nächsten Roman Dreifach.

Ken Follett liest aus seinem Buch: Notre-Dame: Eine kurze Geschichte der Bedeutung der Kathedralen: "„Die wunderbare Kathedrale Notre-Dame de Paris, eine der größten Errungenschaften der europäischen Zivilisation, stand in Flammen. Der Anblick verwirrte und störte uns zutiefst. Ich war den Tränen nahe. Vor unseren Augen starb etwas Unbezahlbares. Das Gefühl war verwirrend, als würde die Erde beben." © Foto: Diether v Goddenthow
Ken Follett liest aus seinem Buch: Notre-Dame: Eine kurze Geschichte der Bedeutung der Kathedralen: „„Die wunderbare Kathedrale Notre-Dame de Paris, eine der größten Errungenschaften der europäischen Zivilisation, stand in Flammen. Der Anblick verwirrte und störte uns zutiefst. Ich war den Tränen nahe. Vor unseren Augen starb etwas Unbezahlbares. Das Gefühl war verwirrend, als würde die Erde beben.“ © Foto: Diether v Goddenthow

Bislang nur in Englisch erschien soeben: „Notre-Dame: A Short History of the Meaning of Cathedrals“ (Notre-Dame: Eine kurze Geschichte der Bedeutung der Kathedralen). In diesem kurzen, bezaubernden Buch beschreibt der internationale Bestsellerautor seine die Gefühle, die ihn beschäftigten, als er von dem Feuer erfuhr, das eine der größten Kathedralen der Welt, die Notre-Dame de Paris, zu zerstören drohte Welt. Follett erzählt die Geschichte der Kathedrale, von ihrem Bau bis zu ihrer Rolle im Laufe der Zeit und der Geschichte. Er zeigt den Einfluss, den die Notre-Dame auf Kathedralen auf der ganzen Welt und auf das Schreiben einer seiner berühmtesten und bekanntesten Romane „Die Säulen der Erde“ hatte.

Margaret Atwood „Die Zeuginnen“

Moderator Thomas Böhm, Schrifstellerin Margaret Atwood und Moderatorin Bärbel Schäfer.© Foto: Diether v Goddenthow
Moderator Thomas Böhm, Schrifstellerin Margaret Atwood und Moderatorin Bärbel Schäfer.© Foto: Diether v Goddenthow

Kämpferisch wie ihre Fans sie kennen, gab sich die weltweit für ihre zahlreichen Romane, Erzählbände, Gedicht- und Kinderbücher bekannte, in Ottawa geborene Schriftstellerin Margaret Atwood. Sie ist unbestritten eine der wichtigsten Autorinnen Nordamerikas. Ihre Werke liegen in über 20 Sprachen übersetzt vor und wurden national wie international vielfach ausgezeichnet. Mit „Die Zeuginnen“ hat Atwood nun 34 Jahre später die Fortsetzung des Kultbuches „Der Report der Magd“ vorgelegt, erschienen im Berlin-Verlag. Darin erzählt sie vom Ende des Gottesstaates „Gilead“, womit sie sich in den Olymp der großen Dystopien wie George Orwells „1984“ oder Aldous Huxleys „Schöne Neuer Welt“ geschrieben hat.

Margaret Atwood. © Foto: Diether v Goddenthow
Margaret Atwood. © Foto: Diether v Goddenthow

Margaret Atwood liebt nicht nur Geschichten vom Ende der Welt, wie etwa die ihrer Trilogie „MaddAddam“, in der sie eine Sintflut herauf beschworen hat, oder ihre dreibändige Saga von Oryx und Crake, in der nach einer Seuche, er größte Teil der Menschheit hinweg gerafft wurde. Nein, die Trägerin des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2017 liebt Geschichten. Denn „Geschichten haben es in sich. Sie können das Denken und Fühlen der Menschen verändern – zum Besseren oder zum Schlechteren“, so die Autorin. Atwood, deren Vater Biologe war, setzt sich nicht nur auch sehr für die Emanzipation der Frau ein, sondern auch für den Klimaschutz und lobt Greta und die junge Generation, die es geschafft habe, dass nunmehr auch die Politiker Klimaschutz als wichtiges Thema sehen.

Erste Literaturgala auf der Frankfurter Buchmesse 2019. © Foto: Diether v Goddenthow
Erste Literaturgala auf der Frankfurter Buchmesse 2019. © Foto: Diether v Goddenthow