Mit Urban Sketching die Seele der Menschen berühren – „Vor Ort – Zeichnend erzählt“ im Landesmuseum Mainz

Eindruck aus Paris vom französischen Illustrator Lapin. © Foto: Diether v. Goddenthow
Eindruck aus Paris vom französischen Illustrator Lapin. © Foto: Diether v. Goddenthow

Wenn sieben international tätige Zeichnerinnen und Zeichner vom 29.06 bis 2. 09. 2018 im Mainzer Landesmuseum in der Sonderausstellung „Vor Ort – zeichnend Erzähltes“ Höhepunkte ihrer freihändig an allen möglichen Orten spontan entstandenen Arbeiten zeigen, soll der Erlebniswert dieser ohnehin emotional sehr ansprechenden Werke von multisensorische Stationen mit Riech-, Tast- und Hörmöglichkeiten aufgepeppt werden.

Beispielsweise geschieht das auch mit Felix Scheinbergers Skizzenbuch „Hedo Berlin“ auf recht originelle Weise.

Aus dem Skzissenbuch "Hedo Berlin" von Felix Scheinberger. © Foto: Diether v. Goddenthow
Aus dem Skzissenbuch „Hedo Berlin“ von Felix Scheinberger. © Foto: Diether v. Goddenthow

Der Professor für Design an der Fachhochschule Münster hat unter anderem in einem Berliner Nachtclub, in dem Fotografieren verboten ist, seinen Skizzenblock gezückt, und ähnlich wie ein Gerichtszeichner ganz entzückende Eindrücke mit Stift und Farbe festgehalten von Club-Außenansichten beim Anstehen zum Einlass, über das Treiben drinnen bis hin zu Porträts von Tänzerinnen und Prostituieren.

Dabei stünde wie beim Urban Sketching generell das Machen im Zentrum, und zwar vor allem zum Vergnügen des Zeichnenden. Es ginge nicht nur um den Mut, die ersten Striche zu machen, sondern darum, die eigenen Erfahrungen, den eigenen Blick ins Zentrum zu rücken“, erklärt Ellen Löchner, eine der Ausstellungsmacherinnen und Leiterin der Abteilung Vermittlung im Landesmuseum Mainz. Um die Besucherinnen und Besucher über die Bildbetrachtung hinaus noch intensiver am Erlebens des Künstlers bei seinem Zeichnen im Nachtclub teilhaben zu lassen, haben sich die

Multisensorische Station zum Skizzenbuch Hedo-Berlin.© Foto: Diether v. Goddenthow
Multisensorische Station zum Skizzenbuch Hedo-Berlin.© Foto: Diether v. Goddenthow

Ausstellungsmacherinnen etwas ganz Besonderes einfallen lassen, nämlich indem sie über die Möglichkeit zur haptischen Simulation per Latextücher und olfaktorischen Stimulation mit je einem schwülstigen Herren- und Damen-Duft weitere Sinne der Besucher ansprechen wollen. Und wer möchte, kann über ein QR-Code per Smartphone durch typische Nachtclubgeräusche in Form einer Komposition sich zusätzlich einschwingen lassen. Wobei ich sagen muss, dass die Bilder derart ausdrucksstark sind, und durchaus für sich alleine stehen können. Aber wer vielleicht noch nie in einem Nachtclub war, dürfte durch diese multisensorische Station, insbesondere durch die recht exotisch anmutenden Düfte von Bettina Frauen, durchaus bestens emotional unterstützt werden.

Sehr eindrucksvoll und keine technische Zeichnung ist Johanna Krimmels Bagger, aus ihrer Baggerserie. © Foto: Diether v. Goddenthow
Sehr eindrucksvoll und keine technische Zeichnung ist Johanna Krimmels Bagger, aus ihrer Baggerserie. © Foto: Diether v. Goddenthow

Wunderbar und spannend sind die zum Teil schwerpunktmäßig sehr verschiedenen Arbeiten von Marina Grechanik, Sebastian Koch, Johanna Krimmel, Lapin, Sebastian Lörscher und Inma Serrano. Neben ihren Arbeiten werden zwölf Grafiken aus dem Bestand des Landesmuseums gezeigt.

Der Leitspruch der Urban Sketchers aus ihrem Manifest lautet: „Wir zeichnen vor Ort, drinnen oder draußen, nach direkter Beobachtung“. Es geht nicht um Schön-Zeichnen, sondern um die Freude daran, um das Erlebnis zeichnen, wobei angemerkt sei, dass sämtliche gezeigten Werke aus der „Feder“ von Profis stammen. Es sind lebendige und verstehbare Werke, die keiner weiteren Erläuterung bedürfen, die authentisch sind, und vor allem, die die Seele der Menschen berühren und sie mitnehmen. Urban Sketching-Kunst ist eine Art Renaissance des Impressionismus, als die Künstler im 19. Jahrhundert ihre muffigen Ateliers verließen, und in der freien Natur ihre Eindrücke skizzierten und malten. Die gegenständliche Bilderwelt des Urban Sketching erfüllt dass, was mitunter zu abstrakte und zu akademische zeitgenössische Kunst vielfach nicht mehr vermag, nämlich den Menschen in seinen Bedürfnissen nach verständlicher Bildersprache und harmonischen Bilderleben anzusprechen.

Ein besonderes Ausstellungs-Highlight wird am Abend der Ausstellungseröffnung, heute  ab 19 Uhr, der „Skizzomat“ von Felix Scheinberger sein. Gemeinsam mit Studenten wird der Hochschullehrer für Zeichnen und Illustration an der Münsterer Fachhochschule auf Wunsch, Porträts der Besucher anfertigen. Hierfür stehen 1500 Blatt  DIN-4-Aquarell-Bögen zur Verfügung. Die Porträts, vor’s Gesicht des Porträtierten gehalten, werden anschließend mit dem Smartphone fotografiert und ins Netz gestellt, anschließend an einer Aktionswand der Ausstellung angebracht oder den Besuchern mitgegeben.

Ein umfangreiches Rahmenprogramm aus Workshops zum Mitmachen, Zeichenkursen und Vorträgen begleitet die Ausstellung.

Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst

Weitere Informationen auf der Website des Landesmuseums Mainz.

Flyer zur Ausstellung