Hermann Kesten-Preis an Günter Wallraff – Cem Özdemir hält Laudatio. Hermann Kesten-Förderpreis an Lina Attalah/„Mada Masr“

Günter Wallraff, Frankfurter Buchmesse 2018, Weltempfang, Diskussion "Das freie Wort unter Druck" - Untersuchung des PEN-Zentrums und des Instituts für Medienforschung der Universität Rostock.  © Foto: Diether v. Goddenthow
Günter Wallraff, Frankfurter Buchmesse 2018, Weltempfang, Diskussion „Das freie Wort unter Druck“ – Untersuchung des PEN-Zentrums und des Instituts für Medienforschung der Universität Rostock. © Foto: Diether v. Goddenthow

Darmstadt / Wiesbaden, 29. Juli 2020. Furchtlos für die Meinungsfreiheit gegen alle Widerstände: Der Hermann Kesten-Preis des deutschen PEN-Zentrums geht 2020 an den Autor Günter Wallraff. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir übernimmt die Laudatio. Die unabhängige ägyptische Online-Zeitung „Mada Masr“ und ihre Chefredakteurin Lina Attalah erhalten den Hermann Kesten-Förderpreis. Die Verleihung beider Preise findet am 19. November um 19 Uhr im Kleinen Haus des Staatstheaters Darmstadt statt. Durch den Abend führt der Jurist, Publizist und Moderator Michel Friedman.

Ralf Nestmeyer, Vizepräsident des deutschen PEN-Zentrums: „Mit Günter Wallraff ehren wir einen der engagiertesten deutschen Autoren der letzten Jahrzehnte. Mit bewundernswertem Mut und großem persönlichem Einsatz hat er sich immer wieder für die Meinungsfreiheit sowie für politisch verfolgte Autorinnen und Autoren wie beispielsweise Salman Rushdie oder Julian Assange eingesetzt. Seine Lebensleistung verdient unsere aufrichtige Bewunderung.“

Hessens Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn ergänzt: „Günter Wallraff ist ein Phänomen. Er zeigte uns die fragwürdigen Recherche-Methoden des Boulevard-Journalismus, ließ uns erschreckend tief blicken in die menschenverachtenden Arbeitsbedingungen eines so genannten Gastarbeiters, nahm uns mit in den harten Alltag von Paketdienstleistern und Flugpersonal. Es gibt das schwedische Wort ,wallraffa‘ für verdecktes journalistisches Arbeiten und das Grundsatzurteil ,Lex Wallraff‘, das solches Vorgehen juristisch schützt. In einer Zeit, in der leider Journalistinnen und Journalisten immer mehr angefeindet werden, ist sein mutiges Aufzeigen von Missständen ein Vorbild. Für ebenso unerschrocken halte ich Chefredakteurin Lina Attalah und ihr Redaktionsteam. Sie berichten kritisch über ihre Entwicklungen in Ägypten und wehren sich gegen Zensur und Einschüchterungen. Der Preisträger und die Preisträgerin lassen uns hinsehen, wenn Unrecht geschieht, und stoßen Veränderungen an. Ich gratuliere ihnen herzlich zur Auszeichnung.“

Günter Wallraff hat mit Reportagen über diverse Großunternehmen, die BILD-Zeitung, die Lebenssituation türkischer Gastarbeiter sowie über Obdachlose und Rassismus wirkungsvoll politische und gesellschaftliche Missstände angeprangert. Wiederholt ist der Schriftsteller in die Türkei gereist und hat die Freilassung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tageszeitung „Cumhuriyet“ sowie anderer inhaftierter Medienschaffender gefordert. Zuletzt hat er die Initiative www.assange-helfen.de ins Leben gerufen, die medienwirksam für die Entlassung des inhaftierten WikiLeaks-Gründers Julian Assange eintritt.

Als Mitbegründerin und Chefredakteurin von „Mada Masr“ (https://madamasr.com/en), einer unabhängigen ägyptischen Online-Zeitung, setzt sich die 1983 geborene Lina Attalah aktiv für den Kampf gegen die Einschränkung des unabhängigen Journalismus in ihrem Land ein. Sie veröffentlichte Artikel in „Al-Masry Al-Youm“, „Cairo Times“, „The Daily Star“ und dem „Christian Science Monitor“ sowie für die Nachrichtenagentur „Thomson Reuters“. Lina Attalah gehört zu den wichtigsten kritischen Stimmen in der ägyptischen Medienlandschaft. Mehrfach war sie Repressalien ausgesetzt. Bereits im November 2019 wurde sie kurzzeitig von ägyptischen Sicherheitsdiensten inhaftiert und im Juni 2020 erneut von den Behörden bei ihrer Arbeit behindert und eingeschüchtert.

Der Hermann Kesten-Preis würdigt Persönlichkeiten, die sich im Sinne der Charta des internationalen PEN in besonderer Weise für verfolgte und inhaftierte Schriftsteller und Journalistinnen einsetzen. Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern gehören Günter Grass, Anna Politkowskaja, Liu Xiaobo, Can Dündar und Erdem Gül sowie Gioconda Belli. Erstmals im Jahre 2000 stiftete das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst ein Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro. Der Hermann Kesten-Förderpreis, welcher alle zwei Jahre verliehen wird, ist mit 3.000 Euro dotiert, die ebenfalls vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst bereitgestellt werden. Weitere Informationen: www.pen-deutschland.de/de/kesten-preis/

Das deutsche PEN-Zentrum ist mit seinem Geschäftssitz in Darmstadt eine von weltweit über 150 Schriftstellervereinigungen, die im PEN International zusammengeschlossen sind. PEN steht für Poets, Essayists, Novelists. Die ursprünglich 1921 in England gegründete Vereinigung hat sich als Anwalt des freien Wortes etabliert und gilt als Stimme verfolgter und unterdrückter Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Der deutsche PEN begleitet mit Initiativen und Veranstaltungen das literarische Leben in der Bundesrepublik. Er bezieht Stellung, wenn er die Meinungsfreiheit, gleich wo, in Gefahr sieht. Er mischt sich ein, wenn im gesellschaftlichen Bereich gegen den Geist seiner Charta verstoßen wird.

siehe auch:
Freiheit für das Wort
Nie wieder kriechen