Kategorie-Archiv: Ludwig-Beck-Preis f. Zivicourage

„Als würden sie uns das Existenzrecht absprechen“ – Theresa Breuer für Kabul-Luftbrücke mit dem Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage in Wiesbaden geehrt

"Es ist mir eine große Ehre hier ausgezeichnet zu werden von meiner Heimatstadt (...) Was für ein Privileg in diesem freien Land zu leben  und wertgeschätzt zu werden", freut sich, die Preisträgerin Theresa Breuer, am 20. Juli 2023 von  Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerhard Obermayr und Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende bei einer Feierstunde im Wiesbadener Rathauses mit dem Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage ausgezeichnet wurde. © Foto Diether von Goddenthow
„Es ist mir eine große Ehre hier ausgezeichnet zu werden von meiner Heimatstadt (…) Was für ein Privileg in diesem freien Land zu leben und wertgeschätzt zu werden“, freut sich, die Preisträgerin Theresa Breuer, am 20. Juli 2023 von Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerhard Obermayr und Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende bei einer Feierstunde im Wiesbadener Rathauses mit dem Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage ausgezeichnet wurde. © Foto Diether von Goddenthow

Am  Donnerstag, 20. Juli, verliehen Oberbürgermeister Gerd-Uwe Mende und Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerhard Obermayr im Festsaal des Wiesbadener Rathauses der Journalistin und Filmemacherin Therese Breuer den den Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage für die Gründung der Kabul-Luftbrücke
In der Verleihungs-Urkunde heißt es: “Mit diesem Preis würdigen wir Ihr herausragendes Engagement für Frauen in Afghanistan vor der Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 und für vor den Taliban fliehenden Menschen nach deren Machtübernahme im Jahr 2021 durch Gründung der ‚Kabul-Luftbrücke‘. Sie haben ohne Rücksicht auf sich selbst unter Inkaufnahme erheblicher eigener Gefahren Menschen gerettet und Zivilcourage in besonders herausragender Art und Weise gezeigt“. Die Laudatio hielt Antje Pieper, stellvertretende ZDF-Politikchefin und Moderatorin des „auslandsjournal“. Kulturell umrahmt wurde die Veranstaltung von Tänzerinnen der afghanischen Frauentanzgruppe „Atan“ in traditionellen Kostümen, die seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan nicht mehr öffentlich getragen werden dürfen.

Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende © Foto Diether von Goddenthow
Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende © Foto Diether von Goddenthow

Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende betonte, dass „Theresa Breuer in herausragender Art und Weise Zivilcourage im Sinne von Ludwig Beck bewiesen habe, und es ihm eine besondere Freude sei, ihr als ehemalige Wiesbadenerin diesen Preis zu verleihen.“ Die Würdigung der Preisträgerin soll aber auch auf das Schicksal von Frauen in Afghanistan aufmerksam machen. Denn, so der Oberbürgermeister, geriete seit dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zunehmend aus dem Blick, „dass Frauen vom Regime systematisch und massiv unterdrückt werden und ihnen vor allem der Zugang zu Bildung verwehrt wird. Auch in vielen anderen Ländern, etwa im Iran, schreitet die Unterdrückung von Frauen voran. Dagegen gilt es Zeichen zu setzen: für das Recht auf Bildung, Arbeit, Selbstbestimmung, Teilhabe an politischen Entscheidungen und am gesellschaftlichen Leben.“, so Mende.

Theresa Breuer hat im Jahr 2021 als freie Journalistin gemeinsam mit einer amerikanischen Kollegin einen Dokumentarfilm über afghanische Bergsteigerinnen gedreht. Diese Frauen versuchten, den höchsten Berg des Landes (Noshaq, 7.500 Meter) zu besteigen. Beide begleiteten die Afghaninnen bei ihrem Rekordversuch, der zugleich eine politische

Demonstration darstellte. Sie wollten beweisen, dass Frauen auch in einer patriarchalischen Gesellschaft ihren eigenen Weg gehen und Widerstände überwinden können. Es sind mutige Frauen, deren Mut nicht nur darin besteht, einen hohen Berg zu besteigen, obwohl keine der Frauen das je zuvor gemacht hatte. Siestellen sich damit gegen eine Gesellschaft, die Frauen bei vermeintlichem Fehlverhalten misshandelt, vergewaltigt und verstümmelt.

Oberbürgermeister Gerd Uwe Mende, Preisträgerin Theresa Breuer und Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerhard Obermayr. © Foto Diether von Goddenthow
Oberbürgermeister Gerd Uwe Mende, Preisträgerin Theresa Breuer und Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerhard Obermayr. © Foto Diether von Goddenthow

Nachdem am 16. April 2021 die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer infolge des Abzugs der Amerikaner auch den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan verkündete, kehrten die deutschen Truppen am 30. Juni 2021 nach Deutschland zurück.

Theresa Breuer gründete kurz darauf die Kabul-Luftbrücke, um Menschen auf der Flucht vor den Taliban in Afghanistan außer Landes zu bringen. Durch ihre Dreharbeiten über afghanische Bergsteigerinnen erkannte sie die Gefahr für die Protagonistinnen ihres Films und andere Menschen, die nicht auf den Evakuierungslisten standen. Bislang konnten weit über 3000  Menschen in Sicherheit gebracht werden. Breuer hat unter Inkaufnahme erheblicher eigener Gefahren Menschenleben gerettet.

„Aus eigner Idee, nicht, weil sie von außen angetrieben wurde“

Dr. Gerhard Obermayr. Stadtverordnetenvorsteher. © Foto Diether von Goddenthow
Dr. Gerhard Obermayr. Stadtverordnetenvorsteher. © Foto Diether von Goddenthow

Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerhard Obermayr hob in seinem Grußwort besonders Theresa Breuers Eigeninitiative bei ihren lebensgefährlichen Unternehmungen hervor. Die Preisträgerin habe aus „eigener Idee heraus“ die Kabul-Luftbrücke initiiert „und nicht, weil sie dazu angetrieben wurde“, so Obermayr. Er zog Parallelen zu US-General Lucius D. Clay, der vor 75 Jahren auch aus eigenen Stücken heraus und gegen manche Widerstände, etwa der Briten, die Berliner Luftbrücke initiierte, weil er Menschen in höchster Not erlebte und sie nur durch die Initiierung der Luftbrücke zur Umgehung der sowjetischen Berlin-Blockade vor Hunger- und Kältetod retten konnte. Auch Theresa Breuer sei einfach nur ihrem Herzen gefolgt und habe aus sich selbst heraus die Initiative ergriffen, so Obermayr.

Der 11.September 2001 war „ihr journalistisches Erweckungserlebnis“ – Laudatio

Antje Pieper, stellvertretende ZDF-Politikchefin und Moderatorin des „auslandsjournal“. © Foto Diether von Goddenthow
Antje Pieper, stellvertretende ZDF-Politikchefin und Moderatorin des „auslandsjournal“. © Foto Diether von Goddenthow

Antje Pieper, die sich auf Anhieb mit der Preisträgerin ob ihrer Offenheit geduzt hat, kannte diese bislang nicht persönlich, aber „ich kenne viele Leute, die mit Dir zusammengearbeitet haben“, darunter die bekannte ZDF-Auslandskorrespondentin Katrin Eigendorf, die mit der Preisträgerin in Israel, im Libanon sowie in Afghanistan für das ZDF-Auslandsjournal zusammengearbeitet habe. Eigendorf beschriebe Theresa Breuer, so die Laudatorin, als einen stets lebenslustigen, umtriebigen Familienmenschen, der es liebe in der Welt unterwegs zu sein. Und wenn Theresa etwas mache, dann richtig. „Sie schenkt sich nichts, da übertrifft sie mich über ein Vielfaches, und du weißt, was das heißt.“, zitiert Antje Pieper Katrin Eigendorf, und fügt hinzu: „Wer Katrin Eigendorf kennt, der weiß, was das heißt.“ Theresa Breuer betone in Gesprächen immer wieder ihre „etwas manische Neugierde“,“ihre Abenteuerlust“, aber auch den Drang, „Dingen auf den Grund zu gehen“, „dran zu bleiben“, was die Grundvoraussetzungen für jedes Reporterleben seien, so Pieper. Ihr „journalistisches Erweckungserlebnis“, wie Theresa Breuer es selbst nenne, sei am 11. September 2001 gewesen, da war sie 14 Jahre, habe intuitiv gespürte, dass an einem einzigen Tag die Welt eine andere war, und sie wollte wissen warum. Damit war in gewisser Weise ihr beruflicher Weg ein wenig vorgezeichnet.

Mit eisernem Willen und Disziplin zur Extrembergsteigerin für einen Filmdreh
Eigentlich müsse man sich ja nur anschauen, so Pieper, was Theresa Breuer vor der Luftbrücke gemacht habe. Das eindrucksvollste Beispiel ihrer Arbeitsweise sei etwa ihre Vorbereitung ihres Filmprojektes. Dass afghanische Frauen das taten, „was noch nie Frauen davor gemacht haben“, sei das eine. Das andere war, dass auch Theresa Breuer zur Extrembergsteigerin werden musste, um auf den 7500 Meter hohen Berg zu kommen, so Pieper. Die Laudatorin erinnerte an ein eigenes Film-Projekt vor Jahren, als ihr Kamerateam wegen zu schweren Equipments bereits beim nicht mal 1000 Meter hohen Vulkan Stromboli, nördlich vor Sizilien gelegen, schlapp machte. Theresa Breuer habe sich auf die Dreharbeiten in einer Höhe bis 7.500 Metern „auf einem Laufband in einem Fitness-Studio in Kabul“ vorbereitet. „Sie hat die Steigung eingestellt, und 20 Kilo Gepäck auf den Rücken gepackt“ und unermüdlich trainiert. Das stehe für Pieper „symbolisch für ganz Vieles: Untrainiert erreicht keiner Gipfel. Eiserner Wille, Durchhaltefähigkeit. Wenn sie etwas erreichen will, dann kennt sie kein Nein und keine Grenzen. Sie schont sich selbst nicht“, ist Pieper voller Bewunderung für Theresas eisernen Willen und Durchhaltekraft.

Ihre Power halfen, Menschen aus der „Hölle von Kabul“ zu retten
Das seien natürlich Eigenschaften, die ihr zugutekamen, als sie Frauen und deren Familien half, dem Taliban-Regime aus Afghanistan zu entkommen. Theresa Breuer sei zwar Journalistin, habe aber „in dem Moment als sie die Luftbrücke gegründet hat, natürlich diese Rolle des ‚Nur Zusehens und Berichtens temporär verlassen“. Man könne wirklich nur erahnen, welchem Risiko sich die Preisträgerin ausgesetzt habe und was es hieße, im Chaos der Machtübernahme der Taliban, Menschen aus der „Hölle von Kabul“ zu retten. „Wir haben als ZDF auch versucht“, so Pieper, „unseren Producer mit Familie und seinen drei kleinen Kindern herauszufliegen. Er war eine Ortskraft vor Ort“. Ihre Kollegin Katrin Helwich habe damals, gefühlt Tag und Nacht, von Mainz aus telefoniert, ununterbrochen mit In- und Außenministerium. Sie habe mit allen möglichen Stellen gesprochen, um herauszufinden, wie die Familie durch das Chaos von Kabul in das Flughafengelände kommen kann.“ Das veranschauliche, was erst Theresa Breuer mit der Gründung der Kabul-Luftbrücke geleistet habe, so die Laudatorin. Mittlerweile konnten 3.750 Menschen mit Hilfe der Kabul-Luftbrücke vor den Taliban fliehen.

Was für ein Privileg in diesem freien Land zu leben und wertgeschätzt zu werden – Dankesworte der Preisträgerin

Preisträgerin Theresa Breuer. © Foto Diether von Goddenthow
Preisträgerin Theresa Breuer. © Foto Diether von Goddenthow

„Es ist mir wirklich eine riesige Ehre hier ausgezeichnet zu werden von meiner Heimatstadt“. Und läge auch eine gewisse Ironie darin, dass ihre Heimatstadt sie für ihren Kampf für Frauen in Afghanistan auszeichne, „deren Heimat ihnen das Existenzrecht fast schon abspricht“, dankte Therese Breuer, die sich angesichts ihrer häufigen Wohnortwechsel und ihres Nomadenleben weltweit schon immer mit dem Begriff Heimat schwergetan habe. Aber „kein Land auf der Welt hat mir auch so viel über mich selbst erzählt, wie Afghanistan“. Das wäre ihr sehr schmerzlich und in ganz vielen Situationen bewusst geworden, dass sie daheim mit ihrer Mutter im Kurpark beim Konzert mal laut gegrölt habe, als ein Mädchen aus Afghanistan zu ihr sagte, dass man ihre Stimme besser nicht hören solle. Oder beim Hockyspielen, wo in Afghanistan Mädchen mit Steinen beschmissen worden sind, oder als sie mit ihren Eltern Abitur gefeiert habe, und dann selbstverständlich zum Studieren nach Berlin und München ging, während eine afghanische Freundin klagte, dass „ihr Vater sie nicht studieren lassen will, weil das Risiko so groß sei, dass sie bei einem Selbstmordanschlag sterben“ könne, und es dann „ja eine Schande ist, wenn Fremde ihre Leichenteile aufsammeln würden.“ Oder dass sie früher auch Theater gespielt und natürlich ihre Eltern sie auch bei Theateraufführungen gesehen habe, während in Afghanistan der „Bruder einer Bergsteigerin beim Filmprojekt zu ihr sagte: „Wenn ich seine Schwester weiterhin filmen würde, würde er sie umbringen!“ Das war noch bevor die Taliban das Regime übernommen hatten. Und trotzdem haben Frauen in Afghanistan für ihre Emanzipation gekämpft. Es waren ganz ganz viele, „und ich hab die Frauen bewundert, ihren Mut bewundert, und war gleichzeitig so wahnsinnig froh, diesen Mut nicht haben zu müssen, weil ich in einer Gesellschaft aufgewachsen bin, wo so viel selbstverständlich ist, wo ich weiß, dass ich etwas wert bin. Das hat mir meine Familie gezeigt, und das hat mir auch meine Stadt gezeigt, und das zeigt sie mir bis heute, und das weiß ich wahnsinnig zu schätzen.“, dankt die Preisträgerin ihrem Schicksal, ihrer privilegierten Situation qua Geburt in Deutschland, was ihr aber erst richtig aus der Distanz in Afghanistan bewusst wurde.

Kulturell umrahmt wurde die Veranstaltung von  Tänzerinnen der afghanischen Frauentanzgruppe "Atan" in traditionellen Kostümen, die seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan nicht mehr öffentlich getragen werden dürfen. Hier nur von hinten u. mit unkenntlichem Gesicht. © Foto Diether von Goddenthow
Kulturell umrahmt wurde die Veranstaltung von Tänzerinnen der afghanischen Frauentanzgruppe „Atan“ in traditionellen Kostümen, die seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan nicht mehr öffentlich getragen werden dürfen. Hier nur von hinten u. mit unkenntlichem Gesicht. © Foto Diether von Goddenthow

„Als würden sie uns das Existenzrecht absprechen“
Kaum eine andere wie Theresa Breuer kennt so gut die derzeitige Situation afghanischer Frauen: „Frauen in Afghanistan können nicht mehr für sich selbst kämpfen“. „Sie können nicht mehr studieren. Sie dürfen nicht mehr reisen. Sie dürfen nicht mehr öffentlich singen, tanzen oder Theater spielen. Sie dürfen keine bunten Kleider mehr tragen. Sie können keinen Reisepass mehr beantragen, ohne dass männliche Verwandte ihre Zustimmung geben. Sie können das Haus nicht mehr verlassen ohne die Zustimmung eines männlichen Verwandten“.
Was für ein Unterschied wäre es doch hier in einem freiheitlichen Land wie Deutschland, wenn man hier die Mädchen, die gerade getanzt haben, in ihren bunten traditionellen afghanischen Kostümen erlebe, und spüre, wie viel Lebensfreude von ihnen ausginge. „All diese schönen Kleider, die wir eben beim Auftritt gesehen haben, werden inzwischen in Kabul aus den Läden genommen“, klagt die Preisträgerin. Und die Gesichter der Schaufensterpuppen würden gar schwarz angemalt. „Es ist einfach grauenhaft zu sehen. Es sei, so eine afghanische Freundin von ihr, „als würden sie uns das Recht absprechen, überhaupt zu existieren“. Theresa Breuer will daher weiterhin auf die Unterdrückung von Frauen in Afghanistan aufmerksam machen.

Zum Ludwig-Beck-Preis

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Mit dem Ludwig-Beck-Preis ehrt die Landeshauptstadt Wiesbaden Menschen, Institutionen oder Vereinigungen aus aller Welt, die sich mit besonderer Zivilcourage für das Gemeinwohl, das friedliche Zusammenleben der Menschen, die soziale Gerechtigkeit und die Grundprinzipien von Demokratie und Rechtsstaat eingesetzt haben. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Die Stadtverordnetenversammlung hat im Dezember 2003 beschlossen, zu Ehren von Ludwig Beck den Ludwig-Beck-Preis einzurichten. Der in Biebrich geborene Widerstandskämpfer Generaloberst Ludwig Beck, der sich in der Zeit des Nationalsozialismus gegen Adolf Hitler und seinen rassistischen Machtwahnstellte, bleibt auch in der heutigen Zeit ein Beispiel für besondere Zivilcourage. Er hätte nach dem Gelingen des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 deutsches Staatsoberhaupt werden sollen.

Dem Auswahlgremium zur Verleihung des Ludwig-Beck-Preises gehören der Oberbürgermeister, der Stadtverordnetenvorsteher sowie 17 weitere Vertreterinnen und Vertreter von Stadt, Kirchen, Organisationen, Vereinen und Medien an.

(Dokumentation Diether von Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Theresa Breuer erhält am 20. Juli 2023 den Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage der Landeshauptstadt Wiesbaden

Der mit 10.000 Euro dotierte Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage wird in diesem Jahr an die in Wiesbaden geborene freie Journalistin und Filmemacherin Theresa Breuer verliehen für Ihre Initiative „Kabul-Luftbrücke“, durch die seit 2021 über 1000 vor den Taliban aus Afghanistan fliehende Menschen in Sicherheit gebracht werden konnten. Als Filmemacherin erkannte sie die Gefährdung für die Protagonistinnen ihres Films und weiterer Personen, die nicht auf den Evakuierungslisten standen, weswegen sie  unter Einsatz ihres eigenen Lebens entsprechend handelte.

Das Auswahlgremium zur Verleihung des Ludwig-Beck-Preises, dem der Oberbürgermeister, der Stadtverordnetenvorsteher sowie 17 weitere Vertreterinnen und Vertreter von Stadt, Kirchen, Organisationen, Vereinen und Medien angehören, möchte mit der Wahl von Theresa Breuer das Schicksal der afghanischen Menschen in den Blick der Öffentlichkeit zurückbringen und auf die Unterdrückung durch die Taliban aufmerksam machen. Insbesondere Frauen verlieren seit der Machtübernahme immer mehr Rechte. Die persönliche Freiheit, das Recht auf Bildung, Arbeit, Selbstbestimmung, Teilnahme an politischen Entscheidungen und am sozialen Leben, Meinungsfreiheit, das alles ist für die Menschen in Afghanistan in weite Ferne gerückt.

Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerhard Obermayr und Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende verleihen den Preis am Donnerstag, 20. Juli, zum Jahrestag des im Jahr 1944 gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler. Der Namensgeber des Preises, Generaloberst Ludwig Beck, sollte nach dem Putsch das neue Staatsoberhaupt von Deutschland werden. Er wurde im Anschluss an das gescheiterte Attentat erschossen.

Die Preisverleihung findet im Großen Festsaal des Rathauses statt. Laudatorin für die Preisträgerin wird Antje Pieper sein, stellvertretende ZDF-Politikchefin und Moderatorin unter anderem des „auslandsjournal“.

Wahre Helden geehrt mit dem Preis für Bürgermut u. Ludwig Beck-Preis für Zivilcourage der Landeshauptstadt Wiesbaden 2019

Den mit 10.000 Euro dotierte Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage, verliehen Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel (links) und Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (rechts) am 22. August 2019 an Anthony Sadler, Aleksander Skarlatos und Spencer Stone für ihren heldenhaften Einsatz zur Überwältigung eines islamistischen Attentäters während eines Terroranschlags in einem Thalys-Schnellzug. ©  Foto: Diether  v Goddenthow
Den mit 10.000 Euro dotierten Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage verliehen Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel (links) und Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (rechts) am 22. August 2019 an Anthony Sadler, Aleksander Skarlatos und Spencer Stone für ihren heldenhaften Einsatz zur Überwältigung eines islamistischen Attentäters während eines Terroranschlags in einem Thalys-Schnellzug. © Foto: Diether v Goddenthow

Am 22. August 2019 verliehen Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel und Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende im Festsaal des Rathauses den Wiesbadener Preis für Bürgermut 2019 sowie den Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage an vier junge Männer, die ihr Leben für andere riskierten. Der mit 2.500 Euro dotierte Preis für Bürgermut 2019 ging an Schahabedin Azodifar für sein lebensrettendes Einschreiten gegen einen psychisch kranken Messerstecher in Wiesbaden. Den mit 10.000 Euro dotierten Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage erhielten Anthony Sadler, Aleksander Skarlatos und Spencer Stone für ihre mutige Vereitlung eines Terrormassakers im Thalys-Schnellzug von Amsterdam nach Paris 2015. Laudator für den Preisträger des Preises für Bürgermut war Polizeipräsident Stefan Müller. Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington, hielt die Laudatio auf die Preisträger des Ludwig-Beck-Preises für Zivilcourage.

Gert-Uwe Mende – mit Taperkeit über staatsbürgerlichen Mut hinaus

Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende ©  Foto:  v Goddenthow
Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende © Foto: v Goddenthow

Bei den diesjährigen Preisträgern müsse der Begriff der Zivilcourage über die Bedeutung von „staatsbürgerlichem Mut“ hinaus noch weiter gefasst werden. Denn bei Schahabedin Azodifar und den drei US-Amerikanern, Anthony Sadler, Aleksander Skarlatos und Spencer Stone, stehe das „Attribut ‘Tapferkeit‘ ganz oben, wenn es um die Beurteilung dessen gehe, was sie geleistet haben“, unterstrich Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende in seiner einführenden Begrüßungsrede: „Es geht heute Abend um Menschen, die sich trotz Gefahr für Leib und Leben selbstlos für andere eingesetzt haben. Für beide Preise hat das Auswahlgremium Menschen ausgewählt, die durch ihren persönlichen Einsatz eine Straftat vereitelt oder zumindest die Folgen deutlich gemildert haben“, sagt der Oberbürgermeister. Er begrüßte neben den Laudationes, Polizeipräsident Stefan Müller und Leiter des ZDF-Studios in Washington Elmar Theveßen, zahlreiche Ehrengäste. Unter ihnen waren die Generalkonsulin der Vereinigten Staaten von Amerika Patricia Lacina, der stellvertretender Kommandeur der US Army Garrison Wiesbaden, Gregory Burke, der Command Sergeant Major Christopher Truchon sowie die beiden Großnichten von Widerstandskämpfer Ludwig Beck, Marianne Tobeck und Gabriele Schreiner-Hammes.

„Männer-WG der Diltheyschule“ unter Leitung von Tilman Jerrentrup sorgten im Comedian Harmonists-Stil für die richtige Stimmung im Festsaal des Wiesbadener Rathauses. ©  Foto: Diether  v Goddenthow
„Männer-WG der Diltheyschule“ unter Leitung von Tilman Jerrentrup sorgten im Comedian Harmonists-Stil für die richtige Stimmung im Festsaal des Wiesbadener Rathauses. © Foto: Diether v Goddenthow

Für einen wunderbaren und bewusst heiter gehaltenen musikalischen Rahmen sorgte die weit über Wiesbadens Grenzen hinaus bekannte Gruppe „Männer-WG der Diltheyschule“ unter Leitung von Tilman Jerrentrup mit Schlager-Songs im Comedian Harmonists-Stil á la „ Schöne Isabella von Kastilien“ oder „Bei mir bist schön“. Ludwig Beck hatte einst in der Diltheyschule Abitur gemacht- Diese Verbindung ließe es mehr als naheliegend erscheinen, so Mende, dass die Dilthey-Schule auch mit dem Ludwig-Beck-Preis thematisch verbunden sei. Neben einem von Anfang an stattfindenden Austausch mit dem Auswahlgremium habe sich auch diesmal Ulrich Guse, Lehrer an der Dilthey-Schule, mit Oberstufenschülern auf die Preisträger vorbereitet, hob der Oberbürgermeister hervor.

Die Nachfahren der Widerstandskämpfer rund um Ludwig Beck sind heute noch eng miteinander verbunden (vli.) Dieprand von Schlabrendorff, Rechtsanwalt u. Notar,  Sohn des Widerstandskämpfers Fabian von Schlabrendorff, Marianne Tobeck Großnichte von Ludwig Beck und Professor Dr. Friedrich-Wilhelm von Hase, Archäologe, Sohn des Widerstandskämpfers   Generalmajor Karl Paul Immanuel von Hase, der in Plötzensee auf ausdrücklichen Befehl Hitlers durch Hängen hingerichtet   ©  Foto: Diether  v Goddenthow
Die Nachfahren der Widerstandskämpfer rund um Ludwig Beck sind heute noch eng miteinander verbunden (vli.) Dieprand von Schlabrendorff, Rechtsanwalt u. Notar, Sohn des Widerstandskämpfers Fabian von Schlabrendorff, Marianne Tobeck Großnichte von Ludwig Beck und Professor Dr. Friedrich-Wilhelm von Hase, Archäologe, Sohn des Widerstandskämpfers Generalmajor Karl Paul Immanuel von Hase, der in Plötzensee auf ausdrücklichen Befehl Hitlers durch Hängen hingerichtet wurde. © Foto: Diether v Goddenthow

Der „Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage“ trage den Namen des in Wiesbaden-Biebrich geborenen Widerstandskämpfers Generaloberst Ludwig Beck. „In seiner Berliner Wohnung liefen die Fäden für das Attentat auf Hitler zusammen, obwohl er wusste, dass er permanent von der Gestapo observiert wurde. Für den geplanten Staatsstreich nach dem missglückten Attentat auf Hitler war Beck als Staatsoberhaupt vorgesehen und er versuchte bereits im Widerstand, Kontakt mit der englischen Regierung aufzubauen, um günstige Bedingungen für eine Kapitulation Deutschlands auszuhandeln. Wie zahlreiche weitere Widerstandskämpfer bezahlte er sein couragiertes Verhalten mit seinem Leben. Aus diesem Grund gilt er auch heute noch als hervorragendes Beispiel für Zivilcourage, nicht nur bei uns in Wiesbaden“, sagte der Oberbürgermeister.

Christa Gabriel – Vorbilder gegen eine Kultur des Wegsehens

Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel. ©  Foto: Diether  v Goddenthow
Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel. © Foto: Diether v Goddenthow

Wer für aktive Zivilcourage eintrete, so Christa Gabriel , verkörpere Werte, die für eine stabile Gesellschaft unverzichtbar seien. „Denn eine Gesellschaft lebt nicht von Egoisten, sondern von Menschen, die sich mit anderen verbunden fühlen. Wer Zivilcourage und Bürgermut zeigt, der tut nicht nur Gutes, sondern der leistet Großes“, sagte die Stadtverordnetenvorsteherin und fügte hinzu, dass es solche Vorbilder gerade heutzutage brauchte, den denen entgegentreten, die  „die aggressiv gegen andere vorgehen, nur weil die ihnen fremd erscheinen, weil sie eine andere Kultur, oder einer anderen Religion angehören oder weil sie eine andere Hautfarbe haben.“
Zivilcourage und Bürgermut seien gelebter Gemeinsinn, und man freue sich, „ dass es immer wieder Vorbilder gibt, die andere dazu anregen, es ihnen gleichzutun.“ Diese Menschen zeigten, „dass es durchaus möglich ist, dort zu helfen, wo andere weg schauen.“, sagte Gabriel und unterstrich, dass die Preisträger mit ihrem Engagement ein“ ganz deutlich sichtbares Zeichen gegen die weit verbreitete Unkultur des Wegsehens, des Weghörens und des fehlenden Interesses für den Nächsten“ gesetzt hätten.

Preis für Bürgermut – Laudatio Stefan Müller

Polizeipräsident Stefan Müller. ©  Foto:   v Goddenthow
Polizeipräsident Stefan Müller. © Foto: v Goddenthow

Polizeipräsident Stefan Müller dankte Schahabedin Azodifar für sein beherztes aktives Eingreifen, und dass er eben nicht weggeschaut habe. „Sie haben das mit vorbildlichem Mut getan, mit Bürgermut. Aus diesem Grund freue ich mich außerordentlich, dass Ihnen der Preis für Bürgermut der Landeshauptstadt verliehen wird“. Zuvor hatte der Polizeipräsident den Fall, der auch vor dem Landgericht Wiesbaden verhandelt wurde, kurz aus polizeilicher Sicht nachgezeichnet: So hatte die später Gerettete, eine junge Wiesbadenerin, am 9. Juni 2019 ihre Wohnung verlassen, um ihren Freund zu besuchen. Auf dem Weg zum Auto telefonierte sie mit ihrem Partner. Es sei eine völlig belanglose Situation gewesen, wie sie hundertfach in Wiesbaden vorkäme, jeden Tag, jeden Morgen, jeden Abend. Doch die Situation sollte, so der Polizeipräsident, in der nächsten Sekunde eine dramatische Wende nehmen: „Die junge Frau war im Telefonat vertieft, als aus dem Nichts ein fremder Mann vor ihr auftauchte, und sie anstarrte. Plötzlich zog der Mann ein Messer aus der Hosentasche und stach mit diesem ruckartig in Richtung des Halses des Opfers, ohne Grund, ohne Vorwarnung, ohne einen Streit, ohne einen Anlass“. Als Motiv für seine Tat  habe der Täter bei seiner späteren psychiatrischen Begutachtung angegeben, dass er einen Mord begehen wollte, eine Frau töten wollte. Der Täter hatte einfach so zugestochen, ohne einen für die Frau ersichtlichen Grund, ohne Vorwarnung, ohne einen Streit, ohne einen Anlass, so der Polizeipräsident.

Geistesgegenwärtig habe die junge Frau eine Körperbewegung nach hinten gemacht, so dass sie „glücklicherweise“ nur leicht am Hals getroffen wurde und schreiend wegrennen konnte. Aus einiger Entfernung habe Schahabedin Azodifar, der heutige Preisträger diese Situation zwar vage wahrgenommen, aber im ersten Moment eher an einen Streit zwischen einem Pärchen gedacht, da er das Messer nicht gesehen hatte. „Doch augenblicklich änderte sich sein Blick auf die Szenerie als die Frau schrie ‘Mein Gott, der hat ein Messer!‘, berichtete der Polizeipräsident, und stellte die Frage in den Raum: „Wie reagiert man in einer solchen Situation als ein Unbeteiligter? Sie alle dürfen sich diese Frage stellen, und sich beantworten. Wegschauen? Wegrennen? Sich in Sicherheit bringen? Die Polizei anrufen?“ Es gäbe viele Optionen, so Müller, aber „unserer Preisträger hatte keine Zeit, zu überlegen oder gar, abzuwägen. Für ihn gab es keine ‚Was-wäre wenn-Frage?‘“ Azodifar ging sofort in Richtung zur verängstigten Frau. „Ich wollte der Frau das Gefühl geben: Ich bin jetzt da, beruhigen sie sich bitte!“, zitierte Müller aus dem Wiesbadener Kurier und konstatierte: „Was für ein bemerkenswerter Satz! ‚Ich bin jetzt da! Beruhigen Sie sich bitte!‘“

„Leider hielt das beruhigende Gefühl nicht lange an“, so der Polizeipräsident weiter. „Denn der Täter, welcher kurzzeitig verschwunden war, tauchte plötzlich wieder auf und ging entschlossen mit dem Messer ein zweites Mal auf die verängstigte Frau zu. Eine ganz schwierige Situation. Ich weiß das von meinen eigenen Kollegen: Eine höchst respektvolle Situation, wenn Sie einem Messerangreifer gegenüberstehen!“, so Müller, denn unterhalb von drei Metern habe man kaum noch eine Chance, sich gegen gravierende Verletzungen ausreichend zu schützen.

Den mit 2.500 Euro dotierte Preis für Bürgermut 2019 erhielt Schahabedin Azodifar für sein mutiges Einschreiten bei einem Überfall in Wiesbaden. Hier mit Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende und Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel. ©  Foto: Diether  v Goddenthow
Den mit 2.500 Euro dotierte Preis für Bürgermut 2019 erhielt Schahabedin Azodifar für sein mutiges Einschreiten bei einem Überfall in Wiesbaden. Hier mit Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende und Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel. © Foto: Diether v Goddenthow

Doch der „Mann, den wir heute auszeichnen, zögerte abermals keine Sekunde, stellte sich schützend vor die Frau und schickte sie sogar auf die andere Straßenseite. Das Signal an den Angreifer war eindeutig“. Die angegriffene Frau habe das Handeln „ihres Beschützers“, wie sie ihn später nannte, so Müller, als „wilde Entschlossenheit!“ bezeichnet. Diese Entschlossenheit habe wohl auch auf den Täter derart gewirkt, dass dieser seinen Angriff beendete und  flüchtete, so Müller, in dessen Brust allerdings zwei Seelen schlügen: Die des Polizeipräsidenten, „dessen Mitarbeiter das ganze Jahr Präventionskurse, auch in der Stadt, machen und vielen Bürgern und Bürgerinnen nahebringen, dass man sich bestenfalls nicht selbst in Gefahr bringen sollte, auch wenn man Menschen genau vor einer solchen Gefahr schützen möchte.“ „Und auf der anderen Seite meines Herzens“, so der Mensch Stefan Müller, „ bin ich zutiefst beeindruckt:‘ Mensch, das hat der Klasse gemacht!‘ Ein Lebensretter mit Bürgermut! Und da muss man den Hut ziehen!“ Das tat der  Polizeipräsident einmal mehr mit den Worten: „Lieber Herr Azodifar, Sie haben mit ihrem entschlossenen Handeln eine junge Frau vor dem Schlimmsten bewahrt und ohne den geringsten Zweifel an ihrer Entschlossenheit zuzulassen, sich einem Angreifer in den Weg gestellt. Wie sagte noch die Frau: ‚Er war wild entschlossen!'“

 

Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage –  Laudatio Elmar Theveßen 

Laudator Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington. ©  Foto: Diether  v Goddenthow
Laudator Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington. © Foto: Diether v Goddenthow

Elma Theveßen begann mit einem Dank dafür, „dass ich heute hier sein darf, um mich mit Ihnen gemeinsam für etwas zu bedanken, was wir in unserer heutigen Zeit viel häufiger gebrauchen könnten: Mut, Anstand und Mitmenschlichkeit.“ Er käme, so Theveßen, „gerade aus dem Land, in dem der Begriff Held – Hero – besonders gern, ja geradezu inflationär benutzt wird: Sportheroes, Musikheroes, Showheroes, Politheroes – Helden allerorten, in den allermeisten Fällen haben sich die Genannten auch Verdienste erworben, in vielen Fällen sind sie Vorbilder im besten Sinne, aber nicht gerade selten halten sich auch manche nur selbst für Helden – das soll insbesondere in der Politik ab und an vorkommen“, kritisierte der ZDF-Auslandsstudioleiter „all das Heldengetümmel“, in dem wir schnell den Blick dafür verlieren könnten, „was denn wirklich WAHRE Helden sind“.

Drei WAHRE Helden seien heute unter uns: die beiden amerikanischen US-Soldaten Spencer Stone und Alek Skarlatos, die mit ihrem Freund Anthony Sadler auf ihrer Europatour am 21. August 2015, spätnachmittags, 17.45 Uhr, im Thalys-Zug von Amsterdam nach Paris saßen, als „ein islamistischer Terrorist, der angesichts seiner feigen, menschenverachtenden Tat eine namentliche Erwähnung nicht verdient, mit einer AKM-Kalaschnikow, einer Pistole, einem Messer und einer Flasche Benzin möglichst viele Menschen töten“ wollte. Das Leben von 550 Passagieren an Bord habe auf dem Spiel gestanden, so Theveßen weiter. Da habe der junge amerikanische Soldat Alek Skarlatos „Get him“ – „Ergreift ihn!“ gerufen, und die damals 23 und 22 Jahre alten Freunde stürzen los und überwältigen den 25-jährigen Täter. „Spencer Stone wird dabei durch Messerstiche und -schnitte verletzt. Hätte das Gewehr des Terroristen keine Ladehemmung gehabt, es wäre wohl viel schlimmer ausgegangen.“,  gab der Laudator zu bedenken.

Diese drei Helden, so Theveßen, stünden in einer Reihe mit dem französischen Polizisten Ahmed Merabet, 42-jähriger Sohn algerischer Einwanderer, „der sich im Januar 2015 den Terroristen bei ihrem Anschlag auf die Mitarbeiter des Satiremagazins „‘Charlie Hebdo‘ entgegen stellte“ und erschossen wurde. Sie stünden in einer Reihe mit den Helden, „die am 11. September 2001 beim United Airlines Flug 93 den Sturm auf das Cockpit wagten, um den Terroristen ihre Waffe, das Flugzeug, zu entreißen, wohl wissend, dass sie dennoch sterben würden. Das Flugzeug stürzte in ein Feld bei Shanksville in Pennsylvania.“, so der Laudator, der noch eine Vielzahl weiterer Heldentaten aufzählte, in dessen Reihe nun die heute drei Ausgezeichneten stünden.

Das Schrecklichste daran sei aber, so Theveßen, dass der Bedarf an wahren Helden offenbar schnell wachse. „Schießereien, Mordanschläge, Terrorattacken – unsere Welt ist so angefüllt mit Hass, dass fast täglich Menschen sterben“. Der Terror an sich mache „keinen Unterschied was Religion, ethnische Herkunft oder politische Überzeugungen angeht – die Täter stammen aus allen Strömungen, die Opfer haben unterschiedlichste Hintergründe, die Helden übrigens auch“ – alle Altersgruppen, alle Geschlechter, alle Ethnien und Glaubensrichtungen seien vertreten. Ihre Gemeinsamkeit sei, dass sich keiner danach dränge, „ein Held zu sein, aber als die Umstände es erfordern, ist ihnen das Leben anderer Menschen wichtiger als ihr eigenes.“

Was befähigt Menschen zu selbstlosem Heldenmut?

Welche Grundlagen Menschen nun befähigten, in Ausnahmesituationen zu solchen Helden zu werden, könne nicht generell gesagt werden. Die drei heute Geehrten, seien Freunde aus jener Zeit, da sie noch Schüler an der Freedom Christian School in Fair Oaks, Kalifornien waren. Wer sich die Ziele dieser Schule genauer anschaue, entdecke wertvolle Anhaltspunkte:

„Die Schüler sollen sich als Teil einer lokalen und globalen Gemeinschaft verstehen. Das erfordere Wissen über und Wertschätzung für den Beitrag verschiedener Kulturen. Zu den vermittelten Werten gehören der Respekt für alle Menschen, unabhängig von ihrer Kultur und ihrem sozioökonomischen Stand, und die persönliche Verantwortung für das Wohlergehen anderer. Nun, ich bin sicher, die drei haben in ihrer Schulzeit damals – genau wie ich an meinem bischöflichen Gymnasium am Niederrhein – auch den ein oder anderen Blödsinn angestellt, aber genauso sicher bin ich, dass vieles von damals hängengeblieben ist, eine wichtige Rolle spielt in ihrem privaten und ihrem beruflichen Leben.“, so der Laudator und fragte: „Was, wenn es bei viel mehr Menschen ähnlich wäre wie bei ihnen, wenn wir uns wieder mehr besinnen auf Werte wie Respekt, Anstand, Mut und Mitmenschlichkeit? Bräuchten wir dann nicht weniger wahre Helden, die ihr Leben aufs Spiel setzen?“

Menschenverächter und Feiglinge

Islamisten, wie der Terrorist im Thalys-Zug, seien Menschenfeinde. Sie sprächen denen, die anders denken, ja anders seien, die einen anderen Glauben häben oder einer anderen politischen Überzeugung anhingen, die Legitimation ab. „Genau dasselbe machen auch Links- und Rechtsextremisten, und leider auch nicht wenige Rechtspopulisten. Politische Gegner werden als Feinde gesehen, Kritiker als Volksverräter gebrandmarkt, Journalisten als Lügner geschmäht, obwohl die eigentlichen Lügen doch von den Extremisten und Populisten verbreitet werden. Verbal treiben derzeit vor allem rechte Anführer Keile in die Gesellschaften Europa. Wenn sie beschwören „Wir wollen unsere Kultur behalten, wir wollen unser Land behalten“, Mitbürger als „Kümmeltürken“ und „Kameltreiber“ beschimpfen, „Kopftuchmädchen“ mit „Taugenichtsen“ gleichsetzen und „Afrikanern“ in völkisch-rassistischer Manier genetische Eigenschaften von Insekten oder Mikroorganismen zuordnen, dann beginnt so die Entwertung aller, die angeblich anders sind“, mahnte der Laudator.

Wie die Terroristen von Pittsburgh und Poway, die Juden ermordeten, wie der Attentäter von Christchurch, der 50 Muslime erschoss, wie der Schütze von El Paso, der Männer, Frauen und Kinder hispanischer Herkunft ausmerzen wollte, wie die islamistischen Mörder, die in London, Paris, Berlin, Barcelona und an vielen anderen Orten hunderte von Menschen töteten, sei auch der Terrorist, der Angreifer im Thalys-Zug „ein Menschenverächter und Feigling“ gewesen, der Gottseidank gestoppt wurde von mutigen Menschen wie Anthony, Alek und Spencer, so Theveßen. .

Aufstehen für Respekt, Anstand und Mitmenschlichkeit

Warum warteten wir „bis zu dem Punkt, an dem nur Menschen unter Einsatz ihres Lebens noch schlimmeres verhindern können“, statt all jenen entschlossen entgegen zu treten,“ die den fruchtbaren Boden bereiten für schreckliche Terrortaten“? Wo seien die Helden, die ohne ihr Leben riskieren zu müssen, „nur aufstehen müssten für Respekt, Anstand und Mitmenschlichkeit?“ „Menschenwürde, Religions- und Meinungsfreiheit, Solidarität und Rechtsstaatlichkeit – die Gemeinsamkeit dieser Werte war die Lehre aus der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs. Das ist kein romantischer Firlefanz, das sind existenzielle und rechtsverbindliche Verpflichtungen“, unterstrich Theveßen und zitierte den damalige US-Präsident Barack Obama aus dessen Appell an die Europäer vom Frühjahr 2016 während der Hannovermesse, sich stärker ihrer Rolle als Wahrer der Menschenrecht bewusst zu werden:

„Ich sage Ihnen, dem Volk von Europa: Vergessen Sie nicht, wer Sie sind! Sie sind die Erben des Ringens um Freiheit. Sie sind die Deutschen, Franzosen, Niederländer, Belgier, Luxemburger, Italiener und, ja, auch die Briten, die sich über alte Trennlinien erhoben und Europa auf den Weg der Einheit gebracht haben. Sie sind die Polen der Solidarność, die Tschechen und Slowaken, die eine Samtene Revolution wagten. Sie sind die Letten, Litauer und Esten, die ihre Hände für die große Menschenkette der Freiheit gereicht haben. Sie sind die Ungarn und Österreicher, die einst den Grenzzaun aus Stacheldraht durchschnitten. Und Sie sind die Berliner, die in jener Novembernacht endlich die Mauer niedergerissen haben. Sie sind die Menschen von Madrid und London, die sich angesichts der Bombenanschläge weigerten, sich der Angst zu ergeben. Und Sie sind die Pariser, die das Bataclan wiedereröffnen. Ihr seid die Menschen von Brüssel mit ihrem Platz voller Blumen und Flaggen, zwischen denen ein Belgier eine Botschaft hinterließ: ‚Wir brauchen mehr. Mehr Verständigung. Mehr Dialog. Mehr Menschlichkeit.‘ Genau das sind Sie. Vereint, zusammen. Sie sind Europa – geeint in der Vielfalt, geleitet von den Idealen, die die Welt erleuchten, und stärker, wenn Sie geeint zusammenstehen.“ (Barack Obama zit.n. Elmar Theveßen, Rede vom 22.08.2019)

Viele seien in diesem Saal, so Theveßen, „die dazu beigetragen haben, dass aus den Trümmern des Krieges, Frieden, Freiheit, Stabilität, Wohlstand, Sicherheit, Menschenwürde erstanden sind. Was für eine Leistung! Stolz und Mut sollten unsere Haltung sein, nicht Angst und Verzagtheit!“, so der Laudator, der mit den Worten schloss:„Nicht jeder wird bereit sein, soweit zu gehen wie Sie, lieber Herr Stone, lieber Herr Skarlatos und lieber Herr Sadler, wahre Helden mit ihrer mutigen Tat an jenem 21. August 2015. Vielen Dank dafür! Aber jeder kann dennoch ein Stück beitragen im Kampf gegen Krieg, gegen Terror und gegen einen drohenden Rückfall in die düsterste Zeit unserer Geschichte.“

(Mit freundlicher Genehmigung: Ausschnitte aus den Reden von Gert-Uwe Mendig, Christa Gabriel, Stefan Müller und Elmar Theveßen vom 22.8.2019– Dokumentation: Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Preis für Bürgermut und Ludwig-Beck-Preis werden verliehen

 Ludwig Beck ist der Namensgeber des Wiesbadener Preises für Zivilcourage.© wiesbaden.de / Foto: Stadtarchiv

Ludwig Beck ist der Namensgeber des Wiesbadener Preises für Zivilcourage.© wiesbaden.de / Foto: Stadtarchiv

Der mit 2.500 Euro dotierte Preis für Bürgermut 2019 wird an Schahabedin Azodifar für sein mutiges Einschreiten bei einem Überfall in Wiesbaden verliehen. Den Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage, der mit 10.000 Euro dotiert ist, erhalten Anthony Sadler, Aleksander Skarlatos und Spencer Stone für ihren Einsatz zur Überwältigung eines Attentäters während eines terroristischen Anschlags in einem Thalys-Schnellzug.

Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel und Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende verleihen die Preise am Donnerstag, 22. August, im Großen Festsaal des Rathauses. Laudator für den Preisträger des Preises für Bürgermut ist Polizeipräsident Stefan Müller. Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington, hält die Laudatio auf die Preisträger des Ludwig-Beck-Preises für Zivilcourage.

Auf Vorschlag von Oberbürgermeister a.D. Sven Gerich in der Sitzung des Auswahlgremiums am 19. Oktober 2018 wird Schahabedin Azodifar für sein mutiges Einschreiten bei der Bedrohung einer Frau durch einen jungen Mann mit einem Messer ausgezeichnet. Er hat die Frau mit seinem mutigen Engagement vor größerem Schaden bewahrt und eigene Nachteile in Kauf genommen. Schahabedin Azodifar ist iranischer Staatsangehöriger, lebt seit 1983 in Deutschland und wohnt in Amöneburg.

Auf Vorschlag der „Stiftung 20. Juli 1944“ hat sich das Auswahlgremium in der Sitzung am 19. Oktober 2018 für Anthony Sadler, Aleksander Skarlatos und Spencer Stone als Ludwig-Beck-Preisträger entschieden. Sie werden für ihren Einsatz zur Überwältigung eines Attentäters während eines terroristischen Anschlags in einem Thalys-Zug von Amsterdam nach Paris , der gerade durch Belgien fuhr, geehrt. Die Preisträger wurden bereits von dem ehemaligen US-Präsident Obama und dem ehemaligen französischen Präsidenten Hollande geehrt. Alle drei Preisträger reisen zur Preisverleihung aus den Vereinigten Staaten von Amerika an und sind von Dienstag, 20., bis Freitag 24. August Gäste der Landeshauptstadt Wiesbaden.

Dem Auswahlgremium für beide Preise gehören der Oberbürgermeister, die Stadtverordnetenvorsteherin, die Vorsitzende des Ausschusses für Bürgerbeteiligung und Netzpolitik sowie 16 weitere Vertreterinnen und Vertreter von Stadt, Kirchen, Organisationen, Vereinen und Medien an.

Pfarrer Christoph Wonneberger erhielt den Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage 2015 der Stadt Wiesbaden

Die musikalische Umrahmung des Festaktes der Ludwig-Beck-Preis-Verleihung erfolgte durch das Streichquartett der Wiesbadener Musik- & Kunstschule: Johanna Steuer, Violine, Merle Kreyenfeld, Violine, Luisa Nowotny, Viola und Juliane Steuer, Violoncello.© massow-picture
Die musikalische Umrahmung des Festaktes der Ludwig-Beck-Preis-Verleihung erfolgte durch das Streichquartett der Wiesbadener Musik- & Kunstschule: Johanna Steuer, Violine, Merle Kreyenfeld, Violine, Luisa Nowotny, Viola und Juliane Steuer, Violoncello.© massow-picture

Am vergangenem Mittwoch,  30.September 2015, wurde der Wegbereiter der Leipziger Montags-Demonstrationen, der Leipziger Pfarrer Dr. h.C. Christoph Wonneberger von Oberbürgermeister Sven Gerich und Stadtverordnetenvorsteher Wolfgang Nickel mit dem Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage der Landeshauptstadt Wiesbaden 2015 ausgezeichnet. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Unter den Gästen waren   neben Vertretern der Stadtverordnetenversammlung und der Kirchen auch die Kommandeurin der US-Garnison Wiesbaden Erbenheim, Colonel Mary L. Martin sowie eine Schulklasse der Dilthey-Schule mit ihrem Geschichtslehrer Dr. Schubert. Ferner begrüsste Oberbürgermeister Sven Gerich die beiden  Großnichten Ludwig Becks:  Marianne Tobeck und Gabriele Schreiner-Hammes.

Pfarrer Dr. h.c. Christoph Wonneberger, Leipzig. Preisträger des Ludwig-Beck-Preises für Zivilcourage der Landeshauptstadt Wiesbaden 2015.© massow-picture
Pfarrer Dr. h.c. Christoph Wonneberger, Leipzig. Preisträger des Ludwig-Beck-Preises für Zivilcourage der Landeshauptstadt Wiesbaden 2015.© massow-picture

Der Preis trägt den Namen des in Wiesbaden-Biebrich geborenen Widerstandskämpfers Generaloberst Ludwig Beck. In seiner Wohnung liefen die Fäden für das Attentat auf Hitler zusammen, obwohl er wusste, dass er permanent von der Gestapo observiert wurde. Beck war sogar als Staatsoberhaupt vorgesehen, hätte das Attentat auf Hitler geklappt. Mit dem Ludwig-Beck-Preis ehrt die Landeshauptstadt Wiesbaden Menschen in Gedenken an den Mut des Generaloberst Beck Institutionen oder Vereinigungen aus aller Welt, die sich mit besonderer Zivilcourage für das Allgemeinwohl, das friedliche Zusammenleben der Menschen, die soziale Gerechtigkeit und die Grundprinzipien der Demokratie und des Rechtsstaates eingesetzt haben.

Oberbürgermeister Sven Gerich .© massow-picture
Oberbürgermeister Sven Gerich .© massow-picture

„Ich freue mich sehr, dass sich das Auswahlgremium für Christoph Wonneberger ausgesprochen hat. Er hat Zivilcourage in ganz herausragender Art und Weise gezeigt. Die Verleihung des Preises an ihn, einen der maßgeblichen Wegbereiter der friedlichen Revolution in der DDR, ist auch angesichts des 25jährigen Jubiläums der Deutschen Einheit ein wunderbares Zeichen“, betonte Oberbürgermeister Sven Gerich.  Aber Ludwig Beck und Christoph Wonneberger. so der Oberbürgermeister, seien auf den ersten Blick sicherlich nicht miteinander vergleichbar:„hier der humanistisch gebildete Sohn einer alten Offiziersfamilie, dessen militärische Laufbahn quasi schon in die Wiege gelegt war, dort der Sohn eines sächsischen Pfarrers, dem seine Berufung zum Pfarrer auch schon von Geburt an vorgegeben war“. Unterschiedlicher könnten Menschen auf den ersten Blick nicht sein“, so Sven Gerich,“und doch einen sie beide das Ziel, sich mit dem jeweils herrschenden System nicht nur anzulegen, sondern es nach Möglichkeit zu überwinden. Aber auch mit ganz unterschiedlichen Mitteln: Auf der einen Seite militärisch mit einem geplanten Attentat als Basis für einen Staatsstreich. Auf der anderen Seite mit Friedensgebeten; ermunternd, motivierend und immer wieder Mut machend. Jedoch in beiden Fällen immer mit der Gewissheit, beobachtet und in Gefahr für Leib und Leben zu sein.
Ludwig Beck bezahlte für seinen Einsatz mit dem Leben. Christoph Wonneberger erfuhr seine eigene Wiedergeburt nach einem Gehirninfarkt am 30. Oktober 1989, dem Tag, an dem 500 000 Menschen in Leipzig demonstrierten und skandierten: „Wir sind das Volk“.

Stadtverordnetenvorsteher und Mitglied des Auswahlgremiums Wolfgang Nickel. © massow-picture
Stadtverordnetenvorsteher und Mitglied des Auswahlgremiums Wolfgang Nickel. © massow-picture

Auch Stadtverordnetenvorsteher Wolfgang Nickel, Mitglied des Preis-Auswahlgremiums, unterstrich Dr. Christoph Wonnebergers Schlüsselrolle als einer der Wegbereiter der friedlichen Revolution in Leipzig und sein unbeirrbares wie riskantes Engagement der  Freiheit zum Durchbruch zu verhelfen. „Pfarrer Christoph Wonneberger war einer der Haupt-Akteure der friedlichen Revolution in der DDR. Bereits zu Beginn der 80er Jahre hat er sich konsequent für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit eingesetzt. Ich bin sehr beeindruckt von dieser Leistung.Trotz der ständigen Bedrohung durch die Staatssicherheit und der Schwierigkeiten auch innerhalb der Kirche, hat er in der Leipziger Nikolaikirche den Menschen Mut gemacht und ihnen die Angst genommen“, sagte Wolfgang Nickel.

Der anschließend im Ratssaal abgespielte Videofilm 25 Jahre Friedliche Revolution: Aus der Kirche auf die Straße nahm die Besucher auf eine beeindruckende kurze Zeitreise über Christophs Wonnebergers Wirken mit.

Laudator Christan Dietrich, Thüringer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.© massow-picture
Laudator Christan Dietrich, Thüringer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.© massow-picture

So eingestimmt, lauschten die Festgäste besonders aufmerksam der Laudatio Cristian Dietrichs, Thüringer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.  Christian Dietrich ist langjähriger Freund und Wegbegleiter von Christoph Wonneberger. Er war damals als 16-jähriger in den Leipziger friedensbewegten Zeiten der Montags-Demos aktiv mit dabei. Kein anderer   hätte es wohl besser verstanden,   als Zeitzeuge so authentisch  über  Pfarrer Christoph Wonnebergers riskantes und mutiges Wirken  zu berichten. Dietrichs Gänsehaut-Laudatio, zugleich ein beeindruckendes zeitgeschichtliches Dokument jener Tage,  dürfen wir mit Dietrichs Erlaubnis  folgend  abdrucken:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
Wunderbar ist es: der Zivilcouragepreisträger 2015 ist Christoph Wonneberger. Ein Vierteljahrhundert nach dem Deutschland geeint ist, schauen wir dankbar zurück auf das, was seit dem Ende der kommunistischen Gewaltherrschaft in unserem Land möglich wurde.
Mit Christoph Wonneberger wird nicht nur ein Mensch geehrt, der einen besonderen Anteil am Ende der SED-Diktatur hatte, sondern zugleich einer der auch heute an einer Kultur des Bürgermutes arbeitet. Welchen langen Weg Christoph Wonneberger dabei gegangen ist und geht, wird öffentlich noch nicht so lange wahrgenommen. Die Biographie des Archivs Bürgerbewegung und die Biographie, die der Sächsische Landesbeauftragte für die Stasiunterlagen im vergangenen Jahr herausgegeben haben, versuchen diesem Mangel abzuhelfen. Dem diente auch der Nationalpreis im vergangenen Jahr. Bei der Verleihung im Französischen Dom in Berlin hisste der Preisträger jedoch nicht die Deutsche Fahne, sondern seine Regenbogenfahne mit dem Symbol der DDR-Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“. In diesem Sinne denke ich, ist Dir, lieber Christoph, der Zivilcouragepreis besonders nahe.
Mit dem Ludwig-Beck-Preis werden die „beiden Leben“ von Christoph Wonneberger gewürdigt: sein Engagement für Freiheit und Leben als Pfarrer in der DDR bis zum Schlaganfall Ende Oktober 1989 und sein Engagement für die Menschlichkeit und den Frieden, seit Christoph Wonneberger seine Sprache wiedergefunden hat. Dazu gehört der Protest gegen die Präsenz amerikanischen Militärs auf dem Fliegerhorst in Büchel und gegen die Verletzung des Atomwaffensperrvertrags in den letzten Jahren.

Für Christoph Wonneberger ist Zivilcourage das Pendant zum Gebet und Ausdruck des Gottvertrauens. Diese Form des Bürgermutes kumulierte in Ost und Mitteleuropa vor einem Vierteljahrhundert zu einer Revolution. Eine Revolution, die anders verlief als die Französische. Eine Revolution, die auch auf anderen Werten ruhte.

Zu ihren Schlüsseldaten gehören ganz unterschiedliche Versuche, „in der Wahrheit zu leben“ (Václav Havel), aber auch die Öffnung von russischen Kirchen kurz vor dem Millennium der Taufe Russlands, die Bildung von fliegenden Universitäten und Gewerkschaften in Polen und die Wahl eines Polen zum Papst, die Bezeichnung von Gräbern der Opfer des kommunistischen Terrors, Gottesdienste auf den Straßen vor den umgenutzen Kirchen in der Ukraine und Weißrussland, eine 600 km lange Menschenkette quer durch das Baltikum 50 Jahre nach dem Stalin-Hitler-Pakt und hunderttausende Menschen, die ihre Heimat mit fast nichts verließen.

Lange bevor sich in den ehemals kommunistischen Ländern der Wandel hin zu bürgerlichen Freiheiten vollziehen konnte, begann sich das Wissen auszubreiten, dass es Freiheit und Demokratie nicht ohne Besonnenheit und beherzte Bürger geben kann.

Nicht mehr in der Lüge leben zu müssen und Verantwortung übernehmen zu dürfen, souverän zu werden als Bürger, als Unternehmer, als Kommune oder Land, das waren die Leitwerte, die die Menschen aus der kommunistischen Diktatur nach Europa führten. Ein wichtiger Pfad dabei war die Zivilcourage, die letztlich auf Konflikt- und Gewaltminimierung zielte.
Je mehr Bürger mit Zivilcourage ein Land hat, desto weniger Helden wird es einmal brauchen. Glücklich ein Land, das keine Helden braucht!

In Diktaturen gibt es keine Trennschärfe zwischen Zivilcourage und Heldentum. Die SED verstand – wohl nicht zu unrecht – Selbstbestimmung und Solidarität sehr oft als Angriff auf ihre Macht.

Zur Anpassung in Schule, in Beruf, im Verein, in der Hausgemeinschaft, in der Öffentlichkeit und anderswo… – zur Anpassung gab es Alternativen, doch oft mit unabsehbaren Risiken. Leben in der Diktatur hieß, ständig abzuwägen ob Anpassung oder Widerstand gegen die staatlichen Instanzen sinnvoll ist. Dem Druck konnte man nur mit einer Risikobereitschaft und mit einer gewissen politischen Moralität gewachsen sein.

Christoph Wonneberger hat wie sein Vater Theologie studiert und wurde evangelischer Pfarrer. In den evangelischen Kirchen wurden nach dem Mauerbau Trainingsprogramme zur Stärkung der Bürger gegenüber dem Staat und seiner Ideologie entwickelt. Eines dieser pädagogischen Konzepte nannte sich „Erziehung zum Frieden“ – es hätte auch Freiheitstraining heißen können. Einer der Innovativsten auf diesem Feld in den letzten 15 Jahren der DDR war Christoph Wonneberger.
Viele Elemente des gewaltlosen Widerstands gegen eine der wirkmächtigsten europäischen Diktaturen sind mit ihm verbunden:

  • Friedensgebete
  • Fastenwochen
  • Friedenssternfahrten
  • ein Werkstattwochenende der Opposition unter dem Titel „Statt Kirchentag“
  • selbstverantwortete Zeitschriften
  • Flugblätter
  • Demonstrationen.

Etwas ganz Spezifisches für Christoph Wonneberger war die Initiative für den Sozialen Friedensdienst mit der sprechenden Abkürung „SoFD“.
Was verbarg sich dahinter?
In der DDR gab es keine Alternative zur Wehrpflicht. Lediglich Baubrigaden innerhalb der DDR-Armee wurden zugestanden. Verweigerer mussten mit hohen Haftstrafen rechnen. Im Gegenzug dazu entwickelte eine Dresdner Gruppe um Christoph Wonneberger 1981 ein scheinbar ganz niederschwelliges Konzept der Selbstverteidigung und des gesellschaftlichen Wandels. Anstelle des Dienstes in der Armee sollten – ähnlich wie es in der Bundesrepublik möglich war –Wehrpflichtige in Alters- und Pflegeheime gehen können. SoFD stellte nicht nur die Militarisierung der Gesellschaft in Frage, sondern ging zugleich an gegen die katastrophalen und entwürdigenden Zustände in den staatlichen Pflege- und Altersheimen. Schon die Idee war ein Übungsfeld für Zivilcourage. In Verbindung mit dem Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ waren viele Jugendliche daran beteiligt.

Wieder waren die Risiken unabsehbar. Die Vorreiter wurden von der Stasi verfolgt. Die Vorgänge der Beteiligten erhielte Codeworte wie „Feind“, „Pazifist“, „Zersetzer“ oder „Provokateur“. Die SED reagierte mit Bildungsverboten. Einige Bürgerrechtler wurden inhaftiert, wie z.B. Roland Brauckmann aus Hoyerswerda.
Was ermutigte die so Verfolgten, nicht aufzugeben?

Im Gemeindebrief vom Ende des Jahres 1987 fragte Pfarrer Wonneberger nach dem Horizont des Jahres 1987 und stellte fest, dass in der Froschperspektive alles grau und grau erscheint.
Kein Silberstreif am Horizont… Horizontverengung. Selbst der Stern von Bethlehem außer Sichtweite.

Da half nur ein Blickwechsel, doch auch die Vogelperspektive ist nicht eindeutig. Der Pfarrer stellte Alternativen fest: Falke oder Taube? und plädierte für die Perspektive aus dem Taubennest auf dem Kreuz Jesu Christi. Wie solch ein Perspektivwechsel, solche eine Befreiung möglich ist, habe ich im Leipziger Friedensgebet vor 26 Jahren, am 25. September 1989, erlebt.
Seit Ende 1988 versuchten wir den Platz vor der Nikolaikirche als öffentlichen Raum zu gewinnen, als Forum und letztlich als Ort, an dem die Sinn- und Machtfrage gestellt werden kann. Nach dem Friedensgebet am 4. September 1989 wurden dazu Transparente getragen.
Darauf war u.a. zu lesen: „Für ein offenes Land mit freien Menschen“. Die SED reagierte mit Gewalt. Verhaftungen, hohe Geldstrafen, Polizeiketten und Hundestaffeln. Faktisch wurden die Friedensgebetbesucher und Demonstranten eingekesselt.

In dieser Bedrohungssituation hielt Christoph Wonneberger seine Predigt.
Er begann mit den Worten:
’Mit Gewalt’, sagte der Friseurgehilfe – das Rassiermesser an meiner Kehle – ‚ist der Mensch nicht zu ändern!’

Mein Kopfnicken beweist ihm das Gegenteil.

Nach einer kurzen Pause lachten einige in der Kirche und es gab Beifall. Mit wenigen Worte war das Problem eines jeden, der unter Gewalt lebt, umschrieben. Fast jeder, der in der Kirche stand – es waren 2000 Menschen
gekommen, hatte Angst vor Gewalt.
Sie waren ja gekommen, weil sie nicht abseits stehen wollten, weil sie „Gesicht zeigen“ und ihren Protest artikulieren wollten. Doch wie wird die Staatsmacht in weniger als einer Stunde darauf reagieren?

Die Geschichte mit dem Rassiermesser an der Kehle zeigte: Unter Gewalt gibt es kein Entrinnen, keine Freiheit. Gewaltlogik widerspricht jeder Vernunft. Unter Zwang, Androhung und Anwendung von Gewalt wird das Subjekt gespalten und Lebensoptionen zerstört. Indem Christoph Wonneberger dieses Diktaturprinzip ansprach, leitete er schon die Befreiung ein.
Ich erinnere mich, wie seine Rede mich immer wieder zum Lachen lockte und so die Anspannung wich.

Im Zentrum der Rede stand die Analyse der Gewalt und ihrer Logik:
Gewalt zerstört Menschenleben.
Aus diesem Grund wird Gewaltanwendung strafrechtlich geahndet.
Doch was ist, wenn der Staat gewalttätig ist und diese nicht kontrolliert und begrenzt wird durch Parlamente, Gerichte und die Öffentlichkeit?
Ein solcher Staat verliert seine Legitimation.
Wer Gewalt übt,
mit Gewalt droht und sie anwendet, wird selbst Opfer der Gewalt.
[…]
Wer andere willkürlich der Freiheit beraubt, hat bald selbst keine Fluchtwege
mehr.
Wer das Schwert nimmt, wird durchs Schwert umkommen.

Und die, die von Gewalt bedroht sind, was können sie tun?
Wonneberger sagte: Angst haben wir, so denke ich, alle […] Aber: Fürchtet Euch nicht, mir ist gegeben alle Gewalt, im Himmel und auf Erden, so sagte einst Jesus. Das war keine Drohung, das war keine Nötigung. Dahinter steht kein Machtapparat. Mir ist gegeben alle Gewalt, das heißt innere Gewissheit und innere Kraft und äußere Glaubwürdigkeit. Demgegenüber sind Stasi- Apparat, Hundertschaften, Hundestaffeln nur Papiertiger und so endete die Predigt prophetisch: Fürchtet euch nicht! Wir können auf Gewalt verzichten.

In Besonnenheit und im Vertrauen auf Gott kann der destruktive Regelkreis der Gewalt durchbrochen werden, Freiheit hat Platz und Gewaltlosigkeit Zukunft. Nach einem orthodoxen Lobpreis Gottes und Empfehlungen zum gewaltlosen Handeln folgte das Lied ‚We shall overcome’. Es war von Peet Seeger in die DDR gebracht worden und war auch unter der sozialistischen Jugend bekannt. Das Lied nahm die Emotionen auf und gab eine gemeinsame Sprache der Zuversicht (‚We shall overcome‘), Gemeinschaft (‚We walk hand in hand‘) und Sehnsucht (‚We will live in peace‘).

Beim Fürbittengebet ergriffen manche die Hände ihrer Nachbarn und erhoben die gefassten Hände. Nach dem Segen wurde noch mal das Lied gesungen.“

Es war wie Heilig Abend am Ende der Christvesper, wenn die Gemeinde im Stehen die Weihnachtshymne anstimmt und weiß: Jetzt ist Weihnachten.

Draußen auf der Straße formierte sich dann der Demonstrationszug, Hunderte, die nicht im Friedensgebet waren, schlossen sich ihm an. Zuletzt waren es wohl 4000 Menschen, die an diesem Abend demonstrierten. Hier – auf der Straße – wurde couragiert die Machtfrage gestellt – ganz im Sinne des Predigers: Wir können auf Gewalt verzichten.

Später wird Christoph Wonneberger sagen:
Leibhaftig ist der, der mit Gott rechnet.

Mit der Zunahme der Gewalt gegen Demonstranten in den Tagen um den 40. Jahrestag der DDR-Gründung am 7. Oktober wurde der Montag, der 9. Oktober, zum Tag der Entscheidung.

Vierzehn Tage nach der ersten großen Demonstration kamen wohl 25mal soviel Menschen in die Leipziger Innenstadt. Eine Gruppe um Christoph Wonneberger hatte in Vorbereitung dieses Tages tagelang heimlich über 25.000 Flugblätter hergestellt.
Wir haben eines davon gerade in dem Film gesehen

(https://www.youtube.com/watch?v=LY-N7seuOBM).
Hier hieß es:
An die Einsatzkräfte appellieren wir: Enthaltet Euch der Gewalt!
Reagiert auf Friedfertigkeit nicht mit Gewalt!
W i r s i n d e i n V o l k !
Gewalt unter uns hinterlässt ewig blutende Wunden!

Der Satz Wir sind ein Volk! sprang in die Augen. Er wurde auf der Straße auch skandiert.

„Wir sind ein Volk!“ meinte nicht die Deutsche Einheit, sondern überbrückte die Distanz zwischen denen, die ihre Herrschaft auf Gewalt und Willkür errichteten und denen, die dagegen aufstanden.
Die Autoren des Flugblattes gingen davon aus, dass es trotz dieser langen Gewaltherrschaft etwas gibt, was die Menschen in der DDR letztlich verbindet: die Angst vor blutenden Wunden.

Meine sehr geehrte Damen und Herren,
heute, wo sich der Magistrat von Wiesbaden und viele Demokraten dieses Landes Christoph Wonneberger mit dem Preis für Zivilcourage ehren oder ihm dazu gratulieren, sei mir gestattet die brennende Frage der Friedlichen Revolution zu wiederholen:

Sind wir ein Volk?

Was hält uns als Deutsche, als Bundesrepublik zusammen? Das ist keine Frage nach dem Verhältnis von „Ossi“ und „Wessi“. Nein, die Unterschiede unter uns Ostdeutschen sind größer als diese pauschalen Zuordnungen innerhalb Deutschlands. Den „Ossi“ gibt es nicht. Dies zumindest stellte der Bundespräsident vor wenigen Tagen fest (Interview mit der Wochenzeitschrift SUPERillu, 24.09.2015).

Ein Ausgleich zwischen denen, die in ihrer Bildung und Karriere behindert wurden, viele Jahre ihres Lebens in mehrfacher Hinsicht eingesperrt waren und mit perfiden Methoden zersetzt wurden und denen, die das auf Gewalt gestützte System mitgetragen haben, ist immer noch offen und schon lange ein gesamtdeutsches Thema.

Doch – was verbindet unsere Gesellschaft?
Nicht nur angesichts der vielen potentiellen Neubürger stellt sich die Frage nach der gesellschaftlichen Akzeptanz des Gründungsimpuls der Bundesrepublik. „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen…“, – so wird die Basis unserer Gemeinschaft in der Präambel unserer Verfassung beschrieben.

In Verantwortung wächst Freiheit.
Doch: Können wir uns des deutschen Verantwortungspatriotismus’ so sicher sein? Wie kommen dabei die Erfahrungen der beiden menschenverachtenden deutschen Diktaturen zur Geltung?
Eine europäische Studie stellt fest, dass sich nirgendwo die Bevölkerung so wenig mit ihrem Land identifiziert wie in Deutschland (Radar des gesellschaftlichen Zusammenhalts).
Ein gefährliches Missverständnis von Zivilcourage ist, den Pfad der Gewaltlosigkeit zu verlassen und sie als Konkurrenz zum staatlichen Gewaltmonopol auszubauen.

Christoph Wonneberger hat – als ein ganzer Staatsapparat gegen sein Volk stand – gesagt: Er gibt keine Alternative zum staatlichen Gewaltmonopol.
Christoph Wonneberger – Preisträger des Ludwig-Beck-Preises für Zivilcourage. Der Preis ist eine Ermutigung zur Freiheit, die aus Verantwortung wächst

Leibhaftig ist der, der mit Gott rechnet.

Zivilcourage als Stärkung des rechtsstaatlichen Gewaltmonopols durchbricht die Teufelskreise der Gewalt und stärkt unsere Gesellschaft als Schutzraum der menschlichen Würde.

Ich danke Ihnen für ihre Geduld.“

(Wir danken Christian Dietrich, dass wir seine Rede vom 30. September 2015 im Rathaus Wiesbaden anlässlich der Verleihung des Ludwig-Beck-Preises für Zivilcourage der Landeshauptstadt Wiesbaden 2015, original abdrucken durften)

vl.Sven Gerich, Oberbürgermeister, Angelika Eder, Begleiterin von Pfarrer Wonneberger, Christian Dietrich, Laudator, Wolfgang Nickel, Stadtverordnetenvorsteher und Mieglied des Auswahlgremiums bei der Ludwig-Beck-Preisverleihung am 30.September 2015 im Wiesbadener Rathaussaal. © massow-picture
vl.Sven Gerich, Oberbürgermeister, Angelika Eder, Begleiterin von Pfarrer Wonneberger, Christian Dietrich, Laudator, Wolfgang Nickel, Stadtverordnetenvorsteher und Mieglied des Auswahlgremiums bei der Ludwig-Beck-Preisverleihung am 30.September 2015 im Wiesbadener Rathaussaal. © massow-picture

Nach einem musikalischen Zwischenspiel „Tango von Michael Mc Lean“ des Streichquartett der Wiesbadener Musik- und Kunstschule folgte die Preisverleihung durch Oberbürgermeister Sven Gerich und Stadtrat Nickel. Lang anhaltender Applaus. Der so geehrte Pfarrer Dr. Christian Wonneberger war sichtlich gerührt über so viel Lob. Das ist gar nicht sein Ding. So spielte er in seinem Dank sogleich sein „viel zu hochgespieltes“ Leipziger Wirkung im Vergleich zum Wagemut  des Offiziers  und Namenspatron Ludwig Beck herunter: „Während Beck seine Zivilcourage mit dem Leben bezahlte“, so Wonneberger, „war meine geplante Internierung in einem Schweinestall für mich dagegen ein Klacks.“ Er habe doch nur getan, was getan werden musste, und in seiner Position als Pfarrer habe er da schon mehr Möglichkeiten gehabt als die meisten anderen. Er sei immer schon ein Revoluzzer gewesen, auch heute noch. Seit Pfarrer Wonneberger nach seinem Schlaganfall 2008 wieder die Sprache gefunden hatte,  ist er erneut unermüdlich in Sachen Frieden  unterwegs, und das im wahrsten Wortsinne: Mit dem Fahrrad fährt  und organisiert Wonneberger Friedenstouren. Angelika Eder, Lehrerin aus Benzheim Bergstrasse, begleitet ihn häufig dabei. Eine der weitesten Friedensfahrten führte  von Paris nach Moskau und zurück, insgesamt  4000 Kilometer Friedens-Fahrradtour.

Pfarrer Christoph Wonneberger (r.) überreicht Oberbürgermeister Sven Gerich ein Exemplar seiner eigens für die Friedensmissionen gefertigten Friedenfahnen mit dem Leitgedanken "Schwerter zu Pflugscharen". © massow-picture
Pfarrer Christoph Wonneberger (r.) überreicht Oberbürgermeister Sven Gerich ein Exemplar seiner eigens für die Friedensmissionen gefertigten Friedenfahnen mit dem Leitgedanken „Schwerter zu Pflugscharen“. © massow-picture

Immer im Gepäck dabei: Mehrere Exemplare seiner eigens für diese Friedensmissionen gefertigte Regenbogen-Friedensfahne mit der aufgedruckten weltweiten Botschaft „Schwerter zu Pflugscharen“, die Wonneberger an würdige Gesprächspartner als Andenken und Mahnung zugleich verschenk, so auch  an Wiesbadenens Oberbürgermeister Sven Gerich. In Kürze reisen Christoph Wonneberger mit Angelika Eder in einer  Gruppe  Kriegsgegner wiederholt ins ferne Asien nach Korea. Dort ist eine Friedens-Radtour  entlang der Grenze zwischen Nord- und Südkorea geplant. Weitere Projekte stehen auf Wonnebergers Plan: Mahnende Friedensfahrten zu europäischen Nato- und Atomwaffen-Stützpunkten mit der Forderung nach totaler Abrüstung auf allen Seiten, „bei den Amerikanern und den Russen“. Pfarrer Dr. Christoph Wonneberger ist durch und durch Pazifist und auch nach 25 Jahren kein „Salon-“ oder „Talkshow-Friedensbewegter“ geworden, sondern einer, der es vorzieht couragiert zu handeln und Verantwortung vorzuleben. Der Frieden muss jeden Tag aufs Neue  gepflegt, verteidigt und eingefordert werden, davon ist Pfarrer Dr. Christoph Wonneberger überzeugt. Einen besseren und authentischeren Preisträger hätte die Stadt Wiesbaden wohl kaum finden können!