Kategorie-Archiv: documenta 15 Kassel

documenta fifteen vom 18. Juni bis 25. September 2022 ganz unter den Werten und Ideen von lumbung

documenta  14 Kassel Archivfoto: Diether v. Goddenthow
documenta 14 Kassel Archivfoto: Diether v. Goddenthow

Vom 18. Juni bis 25. September 2022 findet die documenta fifteen unter der Künstlerischen Leitung von ruangrupa, einem Kollektiv aus Jakarta an verschiedenen Orten in Kassel statt. Im Zentrum der documenta soll, angelehnt an die von ruangrupa zugrundegelegten Werte und Ideale der lumbung-Praxis am Modell einer gemeinschaftlich genutzten Reisscheune, der Aufbau sozialer Beziehungen und das Hinterfragen von (Macht-)Verhältnissen stehen. Dazu gehört auch, die Verwendungsweise von Sprache zu reflektieren und sie als Werkzeug für die Entwicklung neuer Perspektiven und Ideen zu begreifen. Die documenta fifteen steht darüber hinaus für Vielstimmigkeit. Vor diesem Hintergrund bedient sie sich der Begriffe aus unterschiedlichen Sprachen.

Als künstlerisches und ökonomisches Modell fußt lumbung auf Grundsätzen wie Kollektivität, gemeinschaftlichem Ressourcenaufbau und gerechter Verteilung und verwirklicht sich in allen Bereichen der Zusammenarbeit und Ausstellungskonzeption. Iumbung wird die gemeinschaftliche Praxis von ruangrupa und dem Künstlerischen Team, den lumbung member und lumbung-Künstler*innen und allen Teilnehmenden auf dem Weg zur documenta fifteen im Jahr 2022 und darüber hinaus sein.

lumbung ist das indonesische Wort für eine gemeinschaftlich genutzte Reisscheune, in der die überschüssige Ernte zum Wohle der Gemeinschaft gelagert wird. Hierbei ist lumbung als eine Art kollektiver Ressourcenfundus zu verstehen, der auf dem Prinzip von Gemeinschaftlichkeit beruht. Dieser versammelt Ideen, Wissen, Arbeitskraft, Finanzmittel und andere gemeinsam nutzbare Ressourcen und baut auf bestimmten Werten, Ritualen und Organisationsprinzipien auf. Im Mittelpunkt von lumbung stehen die Vorstellung und der Aufbau dieser kollektiven, geteilten Ressourcen für neue Nachhaltigkeitsmodelle und kulturelle Praktiken. Jene werden durch ResidencyProgramme, Zusammenkünfte, öffentliche Aktivitäten und die Entwicklung von entsprechenden Instrumenten unterstützt.
Interdisziplinäre Herangehensweisen sind für diesen Prozess wesentlich. Indem Aktionen und Räume entstehen, verflechten sich soziale Beziehungen und Transaktionen, die in einer langsamen und organischen Entwicklung schließlich eine öffentliche Form finden, um „in und mit der Gesellschaft zu leben“. Diese Strategie zeichnet ein Bild der Beziehungen zwischen einer Kunstorganisation und ihrer Gemeinschaft – eine Organisation, die selbst aktiver Bestandteil ihrer Umgebung wird und sich auf der Basis von örtlicher Nähe und der Berücksichtigung bestehender Wünsche konstatiert.
Grundprinzipien des Prozesses sind die Bereitstellung von Raum, um Ideen zu sammeln und zu erkunden, kollektive Entscheidungsfindung, Auflösung von Zentralisierung und das Spiel zwischen Formalitäten und Informalitäten. lumbung fußt auf gemeinsamen Werten aller Beteiligter: Lokale Verankerung, Humor, Unabhängigkeit, Großzügigkeit, Transparenz, Gebügsamkeit und Regenaration.
Die sich im lumbung-Modell ausdrückende Idee von Solidarität und Freundschaft verwirklicht sich in der lokalen Verankerung, einem regionalen lumbung-Netzwerk in Kassel, bei dem viele Beteiligte vor Ort zur Mitwirkung aufgerufen sind, sowie in einem für die documenta fifteen gegründeten internationalen Netzwerk der lumbung member. Hierfür haben ruangrupa und das Künstlerische Team weltweit Kollektive, Organisationen und Initiativen eingeladen, die aufgrund ihrer inspirierenden Methoden, ihrer tiefgreifenden künstlerischen Verwurzelung in lokalen sozialen Strukturen und ihren experimentellen organisatorischen und ökonomischen Ansätzen den Werten von lumbung entsprechen.

Weitere Informationen: https://documenta-fifteen.de/

Dr. Birgitta Coers übernimmt ab dem 1. Oktober 2020 die Leitung des documenta archivs.

Die Kunsthistorikerin Birgitta Coers (geb. 1970) leitet ab dem 1. Oktober 2020 das documenta archiv. Im Anschluss an ihre Universitätslaufbahn in Marburg und Tübingen spezialisierte sie sich in den letzten Jahren auf das physische und digitale Management von Künstler*innennachlässen. Nach einer ersten Station im Fachreferat Kunst der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden entwickelte sie im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst ein Datenmodell für künstlerische Objekt- und Schriftvorlässe und koordinierte im Landratsamt Rottweil den Aufbau des Archivs Margot Fürst / HAP Grieshaber. Zuletzt erarbeitete sie als wissenschaftliche Archivarin im Landesarchiv Baden-Württemberg Rechercheinstrumente für die Provenienzforschung.

Coers’ wissenschaftliche Schwerpunkte liegen in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, auf kulturellen und politischen Netzwerken zwischen Ost und West nach 1945, Ausstellungs- und Institutionengeschichte. Ein besonderes Interesse gilt darüber hinaus webbasierten Publikationsstrategien und digitalen Forschungsinfrastrukturen aus bibliothekarischer und archivarischer Sicht.

Unter der neuen Leitung ist das documenta archiv nach Votum der Findungs­kommission aus archivfachlicher wie kunstwissenschaftlicher Perspektive zukunftsgerichtet aufgestellt: „Als Direktorin des documenta archivs ist es mir ein Anliegen, die außergewöhnlichen Bestände mit Blick auf die digitalen Herausforderungen wissenschaftlich aufzubereiten und international sichtbar zu machen. Ich freue mich darauf, das Archiv zu einem lebendigen Wissens­ort innerhalb des geplanten documenta Instituts zu gestalten“, so Birgitta Coers.

Birgitta Coers ersetzt Nadine Oberste-Hetbleck, die die Stelle als Direktorin des documenta archivs nicht wie geplant zum 1. August 2020 antritt. Aus familiären Gründen entschied sie sich für einen Verbleib in Köln und wird dort zukünftig das Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarkt­forschung ZADIK an der Universität zu Köln leiten, dem sie seit Jahren eng verbunden ist. „Ich hatte mich bereits sehr auf die Tätigkeit in Kassel für das im globalen Kreis der Kunstarchive herausragende documenta archiv gefreut, welches auch mit Blick auf das geplante documenta Institut große Potentiale besitzt. Meine zukünftige Position in Köln und die bereits bestehende fachliche Verbundenheit ermöglichen aber vielfältige Anknüpfungspunkte für gemeinsame Projekte und einen intensiven Austausch“, so Nadine Oberste-Hetbleck.

Bis zum Antritt von Birgitta Coers verbleibt die kommissarische Leitung des documenta archivs bei dem Leiter der wissenschaftlichen Abteilung, Martin Groh.

Die documenta 15 Kassel findet 2022 unter künstlerischer Leitung des Künstlerkollektivs ruangrupa statt

Der Termin der nächsten documenta, der documenta 15, findet vom 18. Juni bis 25. September 2022 in Kassel statt.

Die künstlerische Leitung der documenta 15. übernimmt erstmals das Künstlerkollektiv „ruangrupa“. Es besteht ein im Kern aus zehn Künstler*innen und Kreativen aus dem indonesischen Jakarta. Es wurde von der internationalen Findungskommission einstimmig zur Künstlerischen Leitung der Weltausstellung in Kassel ausgewählt und vom Aufsichtsrat berufen.