Literaturforum im Mousonturm – Programmvorschau September 2019

mousonturmMit der Premiere eines Debütanten meldet sich das Literaturforum im Mousonturm mit einem inspirierenden September-Programm zurück: Jan Wilm, der alles andere als ein Anfänger ist, lebt und arbeitet als Übersetzer und Kritiker in Frankfurt. Das hiesige Publikum kennt ihn als Moderator von Lesungen oder als Rezensent aus der FAZ. Nun stellt er am 5. September sein Winterjahrbuch vor, das sich jeder gängigen Gattungszuschreibung entzieht. Dem diesjährigen Gastland der Frankfurter Buchmesse erweisen wir mit Tomas Espedal schon mal eine Reverenz, während Gunther Geltinger seinen dritten Roman präsentiert, dessen Sogkraft man sich kaum entziehen kann. Die beiden weiblichen Stimmen schließlich, die aus Isabel Bogdans und Dagmar Leupolds Romanen sprechen, bestechen – bei allen Unterschieden – durch ihren Selbstbehauptungswillen.

Das September-Programm 2019

Donnerstag, 5. September 2019, 20 Uhr:
Jan Wilm: Winterjahrbuch (Buchpremiere)
Ein Tausendsassa, dieses Winterjahrbuch! Kein Roman oder Memoir, weder wissenschaftliche Studie noch Essay – kurzum: „Irgendwie eben ein Buch, das doch auch all diese Dinge sein könnte.“ So beschreibt Jan Wilm sein Vorhaben, als er beim „Scholar’s coffee“ des Getty Institute in LA danach gefragt wird, woran er arbeite. Das Thema? Schnee. Im Getty lagert der Nachlass von Gabriel Gordon Blackshaw, der diesen flüchtigen Stoff auf Zelluloid und Papier festzuhalten suchte. Statt daran zu forschen, hängt Wilm aber seinen Gedanken nach. Sein vom DAAD finanzierter Forschungsaufenthalt entpuppt sich als ein Fluchtversuch: vor einer gescheiterten Beziehung, vor der Zukunft und nicht zuletzt vor sich selbst. „Pinienduftgewürzt“ und voller „Lavendelduftwärme“ sind die Nächte an der Pazifikküste, in denen Wilm sich den Kopf darüber zerbricht, wie man Erinnerungen gleichermaßen bannen und bewahren kann. Dazu sollte man am besten Kopfhörer tragen. Denn dieses durch und durch poetische Debüt hat seine eigene Playlist.

Moderation: Björn Jager
Ort: Literaturforum im Mousonturm
Eintrtt: 7,-/4,- (VVK)| 8,-/5,- (AK)
Jan Wilm, geboren 1983, studierte Anglistik und Amerikanistik an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, wo er mit einer Arbeit über J. M. Coetzee promovierte. Als Literaturwissenschaftler arbeitete er in Darmstadt, Frankfurt und Essen. Er ist Autor, Übersetzer und Literaturkritiker. 2016 erschien von ihm das Buch »The Slow Philosophy of J. M. Coetzee«. Wilm lebt in Frankfurt am Main.

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Dienstag, 17. September 2019, 20 Uhr:
Tomas Espedal: Das Jahr
Die Sprache erscheint auf den ersten Blick spartanisch. Doch gerade darin liegt ihre Schönheit. Der Norweger Tomas Espedal vertritt, obwohl auch dem Autobiographischen verpflichtet, das Gegenmodell zu Karl Ove Knausgård. Nicht Raum zu greifen, sondern zu verknappen ist sein Programm. Das Jahr treibt diese Poetik, die Grenze zur Lyrik überschreitend, weiter voran: „Weiße Bäume./ Gefrorenes Wasser./ Der erste Schnee./ Ein einfaches Frühstück./ Kaffee.“ Das war eine Zugfahrt von Bergen nach Oslo. Unterwegssein ist eines der Grundmotive dieses prosaischen Langgedichts. Im Frühjahr, so fängt alles an, fliegt Tomas Espedal nach Nizza. Er ist Petrarca auf der Spur. Nichts Geringeres als dessen aussichtslosen Liebe zu Laura hilft ihm dabei, die Trennung von seiner Frau irgendwie auszuhalten. Verlusterfahrung und –angst sind Espedals ständigen Reisebegleiter. Nahezu ungeschützt erzählt er vom alternden Vater, von seiner Wut auf den Nebenbuhler, der Ohnmacht gegenüber den politischen Verhältnissen. Also von nicht mehr und nicht weniger als einem erwachsenen Leben.

Moderation: Hinrich Schmidt-Henkel
Ort: Literaturforum im Mousonturm
Eintritt: 7,-/4,- (Vorverkauf)| 8,-/5,- (Abendkasse)
Tomas Espedal, 1961 in Bergen geboren, gab sein literarisches Debut 1988 mit dem Roman En vill flukt av parfymer (Eine wilde Flucht vor dem Parfüm). Seither veröffentlichte er zahlreiche, mit vielen Preisen ausgezeichnete Romane und gilt neben seinem Freund Karl Ove Knausgård als einer der wichtigsten Schriftsteller Skandinaviens.

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Donnerstag, 19. September 2019, 20 Uhr:
Gunther Geltinger: Benzin

Intensiv – anders kann man die Wirkung, die dieser Roman entfaltet, kaum nennen. Der Rhythmus, die Metaphorik, das Setting – ihr Zusammenspiel macht die Lektüre atemlos. Benzin erzählt von Alexander und Vinz, einem schwulen Paar, das Südafrika abseits der üblichen Routen erkunden will. Sie haben schweres Gepäck dabei: sowohl den Wunsch, dass der Roadtrip ihrer in die Jahre gekommenen Beziehung neuen Schwung verleihen möge, als auch die bohrende Sehnsucht nach Manuel, in den Vinz sich unversehens verguckt hat. Im Laufe dieser Zerreißprobe platzt plötzlich ein Reifen ihres Mietwagens; Alexander hat jemanden angefahren. Der Mann, dem Anschein nach ein Einheimischer, heißt Unami. Aus ihrem Schuldgefühl heraus machen sie den Verletzten zu ihrem Guide. Doch der Weg, den er ihnen weist, führt nicht zu touristischen Attraktionen, sondern in ein Dickicht aus Brutalität und Ressentiments. Gunther Geltingers dritter Roman scheut vor den niedersten Instinkten des Menschen nicht zurück. Und trotzdem gibt er eine Hoffnung nicht auf, „nämlich die Hoffnung, die Welt zum Besseren hin verändern zu können, indem sie im Text neu erschaffen wird“ (Christoph Schröder).

Moderation: Björn Jager
Ort: Literaturforum im Mousonturm
Eintritt: 7,-/4,- (Vorverkauf)| 8,-/5,- (Abendkasse)
In Kooperation mit Kultur & Bahn e.V.
Gunther Geltinger wurde 1974 in Erlenbach am Main geboren und lebt heute in Köln. Er studierte Drehbuch und Dramaturgie an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien und an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Benzin ist sein dritter Roman.
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Mittwoch, 25. September 2019, 20 Uhr:
Isabel Bogdan: Laufen
Die Erzählerin in Isabel Bogdans neuem Roman ist nach dem Tod ihres Partners am Ende ihrer Kraft. Um gegen das Erstarrtsein anzukämpfen, fängt sie an zu laufen. Ist zunächst schon der Weg von der Wohnung bis zur Kreuzung eine Qual, werden ihre Runden von Woche zu Woche länger – und was als Davonlaufen beginnt, wird schließlich ein Weg zurück ins Leben. Mit jedem Schritt gewinnt sie die Souveränität über ihr Tun zurück. Immer an ihrer Seite: ihre Freunde, ihre Wut, ihre Liebe zur Musik und ein Humor, der ihrer Wut ebenbürtig ist.

Nach ihrem Bestseller Der Pfau überrascht Isabel Bogdan mit ihrem zweiten Roman: Nach einer Gesellschaftskomödie legt sie diesmal ein Trauerbuch vor. Ein Bruch? Nur auf den ersten Blick. Denn auch in Laufen finden sich Isabel Bogdans ganz eigener Blick, ihr Gespür für Witz und ihre Zugewandtheit zu ihren Figuren.

Moderation: Björn Jager
Ort: Literaturforum im Mousonturm
Eintritt: 7,-/4,- (Vorverkauf)| 8,-/5,- (Abendkasse)
Isabel Bogdan, geboren 1968 in Köln, studierte Anglistik und Japanologie in Heidelberg und Tokyo. Sie verfasste zahlreiche Übersetzungen, u.a. von Jane Gardam, Nick Hornby und Jonathan Safran Foer. 2011 erschien ihr erstes eigenes Buch, Sachen machen, bei Rowohlt, außerdem schrieb sie Kurzgeschichten in Anthologien. 2006 erhielt sie den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzung und 2011 den für Literatur. 2016 erschien ihr Roman Der Pfau, der ein Bestseller wurde.

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Donnerstag, 26. September 2019, 20 Uhr:
Dagmar Leupold: Lavinia
Zwischen Begehren und Gewalt besteht eine untergründige Beziehung. Ihr spürt Dagmar Leupold in Lavinia mit unbändiger Sprachlust nach. Dass der 25. Stock eines New Yorkers Wohnhauses, wo sich das Appartement der gleichnamigen Erzählerin befindet, den Anfang des Romans markiert, liegt an der Fallhöhe. Denn jene Beziehung kommt im Fallen ans Licht: Man sagt ‚fall in love’ auf Englisch, findet Gefallen aneinander auf Deutsch, aber die Gefallenen kehren nie mehr zurück. Menschen, so Lavinia, „brauchen den anderen und den Tod, um zu werden, was sie sind“. Stock für Stock bis ins Parterre hinab enthüllt sie mehr und mehr von sich, ihrer Familie, ihrem Leben, das sie von Deutschland über Italien in die USA geführt hat. Sie beweist dabei nicht nur ein Gespür für feinste sprachliche Nuancen, sondern eröffnet auch ein Panorama bundesrepublikanischer Geschichte. Darin tritt das, was sie als Frau am eigenen Leib erfährt, in Spannung zu dem, was nicht vergeht: die Schrecken von Terror und Krieg.

Moderation: Malte Kleinjung
Ort: Literaturforum im Mousonturm
Eintritt: 7,-/4,- (Vorverkauf)| 8,-/5,- (Abendkasse)
Dagmar Leupold, geboren 1955 in Niederlahnstein, lebt als Autorin und Übersetzerin in München. Sie studierte Germanistik, Philosophie und Klassische Philologie in Marburg, Tübingen und New York. Seit 2004 leitet sie das ›Studio Literatur und Theater‹ der Universität Tübingen. Zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt Tukan-Preis 2013. Ihr Werk umfasst Romane, Erzählungen, Gedichte und Essays. Für die Romane Unter der Hand (2013) und Die Witwen (2016) war sie für den Deutschen Buchpreis nominiert.
Hessisches Literaturforum im Mousonturm e.V.
Waldschmidtstraße 4
60316 Frankfurt am Main