Die ersten Wimmelbilder – Dürers einzigartige Druckgrafiken neu entdecken im Landesmuseum Darmstadt bis 24. April 2016

Albrecht Dürer Das Männerbad Um 1496/97 Holzschnitt ©Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Foto: Wolfgang Fuhrmannek
Albrecht Dürer. Ausschnitt aus: Das Männerbad, um 1496/97. Holzschnitt ©Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Foto: Wolfgang Fuhrmannek

Vom 29. Januar  bis 24. April 2016 zeigt  das Hessische Landesmuseum Darmstadt  130 einzigartige  Meisterdrucke von Albrecht Dürer. Das Werk präsentiert sich wesentlich in den sechs Themen-Pavillons: „Volk und Frömmigkeit“, „Apokalypse“, „Idealakt und Antike“, „Abendmahl und Passion“, „Marienleben“ und „Technische Experimente“.

Per Lupe im eigenen Tempo auf Entdeckungstour durch die ersten Wimmelbilder. © massow-picture
Per Lupe im eigenen Tempo auf Entdeckungstour durch die ersten Wimmelbilder. © massow-picture

„Slow-Look“ mit Lupenhilfe

Aufgrund ihrer unglaublichen  Detailfülle erinnern Albrecht Dürers Meisterdrucke an  erste Wimmelbilder. Zur besseren visuellen Erschließung der zum Teil auch winzigen Bild-Details , haben sich die Ausstellungsmacher bewusst für Lupen und gegen eine digitalisierte Bildaufbereitung zur Tablet-Nutzung entschieden. Denn „bei dem Computer ist ja alles vorpräpariert wenn Sie da klicken. Aber mit der Lupe haben Besucher die Möglichkeit, zu einem ganz persönlichen Dialog mit dem Detailreichtum des Blattes zu finden, den sie ganz allein haben können“, betont Dr. Mechthild Haas, Kuratorin und Leiterin der Graphischen Sammlung. Statt Slow-Food bieten wir „Slow-Look“, so die Kuratorin.  Die Lupen können gleich an der Kasse kostenfrei ausgeliehen werden, um sich dann im eigenen Tempo auf die Erkundungstour zu machen und sich von der Magie der zum Teil über 500 Jahre alten Originale verzaubern zu lassen.

Die Werke stammen aus dem Gesamtbestand an Dürer-Graphik

Es ist ein Glücksfall, dass einst der spätere Großherzog Ludewig I. von Hessen, auf dessen Sammlungen das heutige Hessische Landesmuseum Darmstadt gründet, bereits 1802/03 über die Kunsthandlung Artaria Albrecht Dürers (1471-1528) graphisches Werk fast vollständig und in schönster Druckqualität für die Darmstädter Sammlung erwerben konnte. Wie aus handschriftlichen Vermerken auf einigen Blättern hervorgeht, waren diese zuvor im Besitz des berühmten Graphikhändlers Pierre Mariette, ein Name der bis heute Kennerschaft und höchste Qualitätsmaßstäbe verbürgt.

Albrecht Dürer Die apokalyptischen Reiter Apokalypse, III. Figur 1498 Urausgabe, lateinisch Holzschnitt ©Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Foto: Wolfgang Fuhrmannek
Albrecht Dürer
Die apokalyptischen Reiter
Apokalypse, III. Figur
1498 Urausgabe, lateinisch
Holzschnitt
©Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Foto: Wolfgang Fuhrmannek

Aus ihrem Gesamtbestand der Dürer-Graphik hat die Graphische Sammlung eine Ausstellung mit Holzschnitten und Kupferstichen in vorzüglichen Abzügen sowie einige rare Eisenradierungen zusammengestellt. Zu sehen sind über 130 Blätter. Dürers berühmte Apokalypse (1498) sowie seine Zyklen zur Passion und dem Marienleben (1511) sind vertreten. Hinzu kommen bekannte aber auch äußerst seltene Einzelblätter zu verschiedenen mythologischen und sakralen Themen aus allen Schaffenszeiten des Künstlers, von „Adam und Eva“ (1504) bis zur „Melencholia I“ (1514) oder dem „Großen Triumphwagen“ (1522). Die Ausstellung mit den Glanzstücken von Albrecht Dürers Graphikkunst eröffnet die Perspektive auf einen der wichtigsten Abschnitte der abendländischen künstlerischen Entwicklung überhaupt.

Albrecht Dürer Melencolia I (Die Melancholie) 1514 Kupferstich ©Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Foto: Wolfgang Fuhrmannek
Albrecht Dürer
Melencolia I (Die Melancholie)
1514
Kupferstich
©Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Foto: Wolfgang Fuhrmannek

Der Künstler Albrecht Dürer lebte in einer der markantesten historischen Epochen des Übergangs, an der Schwelle zum Europa der Moderne. Dürers Holzschnitte und Kupferstiche erfüllten nicht mehr nur die Funktion der Andachtsgraphik früherer Jahre. Vielmehr richtete sich Dürer mit seiner Graphik an ein kunstverständiges, religiösen wie philosophischen Fragestellungen gegenüber offenes Publikum. Der Spannungsbogen, den Dürer mit seinen Druckgraphiken setzte, ist von überraschend moderner Intellektualität geprägt, er bewegt sich zwischen Wissenschaft und Alchemie, Philosophie und Mysterium des Glaubens, Naturstudium und visionärer Schau.

Dem Besucher wird in der Ausstellung anhand dieser kostbaren Exponate vermittelt, welch herausragende Rolle Albrecht Dürer (1471-1528) für die Druckgraphik im 16. Jahrhundert zukommt, indem er sie in den Rang der Kunst erhob.

Original oder Fälschung

"Flucht aus Ägypten" - Ist dies Dürers Original oder Raimondis Fälschung?
„Flucht aus Ägypten“ – Ist dies Dürers Original oder Raimondis Fälschung? © massow-picture

Besonders in Italien waren Albrecht Dürers Werke so geschätzt, dass sie häufig einfach adaptiert oder 1 : 1 kopiert wurden. So bildete sich der italienische Kupferstecher Marcantonio Raimondi an Holzschnitten Albrecht Dürers weiter und kopierte zwischen 1505 und 1510 ca. 80 Graphiken, einschließlich Albrechts Dürers Signatur „A.D“. Als das 1506 aufflog, reiste Albrecht Dürer nach Italien. Er ging gerichtlich gegen die nicht autorisierten Reproduktionen vor und gewann den ersten urheberrechtlichen Prozess der Kunstgeschichte. Dabei wurde Raimondi nicht etwa wegen der Kopie der Holzschnitte, sondern allein wegen der widerrechtlichen Aneignung von Dürers Signatur „A.D.“ verurteilt. Mit dem hierdurch erlaubten Kopieren von Gemälden als Kupferstiche begründete Raimondi die künstlerische Sparte der Reproduktion von Kunstwerken durch Kupferstiche. Er machte sozusagen das Abkupfern hoffähig, während Albrecht Dürer ganz nebenbei Urheberrechtsgeschichte schrieb und mit dem Schutz seiner Signatur „A.D.“ das Markenrecht und die „Marke“ als Marketing-Instrument begründete. Präsentiert wird mit „Flucht aus Ägypten“ eines der für das Urteil  von 1506 wichtigen Werke. Im Pavillon Marienleben können Besucher neben Albrecht Dürers Originalholzschnitt  die gleichnamige Kupferkopie von Raimondi samt unerlaubter Dürer-Signatur „A.D.“  in Augenschein nehmen und mit der Lupe klar die Unterschiede zwischen Original und Fälschung erkennen.

Solches und ähnliches Hintergrundwissen über Dürers Schaffen aber auch Einführungen zum Bilderverständnis und thematischen Kontexten  erfahren Besucher insbesondere auch über angebotene Themenführungen, Schülerprogramme, Filmvorführungen und Sonderveranstaltungen (z.B. Großes Dürer-Wochenende am 9. u. 10. April 2016) sowie über Kurse zum Erwerb druckgraphischer Kenntnisse (Radieren, Kupferstich und Kaltnadeltechnik). Siehe hierzu Details weiter unten.

Katalog zur Ausstellung
duerer-ausstellungsbandAbsolut empfehlenswert ist der in bester Druckqualität gelungene englisch-deutsche Ausstellungskatalog: Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Mechthild Haas (Hrsg.): Albrecht Dürer. Art in Transition. Kunst im Übergang. Justus von Liebig Verlag. Darmstadt 2016,  139 Seiten, 14,95 Euro. ISBN: 978-3-87390-371-5

 

Zur Ausstellung:

© massow-picture
© massow-picture

Veranstaltungsort:
Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Friedensplatz 1, 64283 Darmstadt

Öffnungszeiten
Dienstag, Donnerstag, Freitag 10.00 – 18.00 Uhr
Mittwoch 10.00 – 20.00 Uhr
Samstag, Sonn- und Feiertag 11.00 – 17.00 Uhr
Montag geschlossen

Ticket
Erwachsene 10, ermäßigt 6 Euro
Das Ticket berechtigt auch zum Besuch der Ständigen Sammlung.
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren haben freien Eintritt.

Gruppen- und Einzelführungen
Individuelle Buchung beim Besucherservice Bildung und Vermittlung
unter: Telefon: +49 (0) 6151-1657111, Mail: vermittlung@hlmd.de
Anmeldungen auch für Gruppen ohne gebuchte Führung erforderlich!
Die Führungen sind auf 25 Personen beschränkt.
Erreichbarkeit: Dienstag und Freitag 10.00 – 12.00 Uhr, Mittwoch 14.00 – 16.00 Uhr
pro Führung und Gruppe: 60,- Euro zzgl. Eintritt, fremdsprachig: 70,- Euro zzgl. Eintritt

Angebote für Schulklassen
Für Schulklassen gibt es speziell zugeschnittene Rundgänge. Weiterführende Informationen unter www.hlmd.de

Rahmenprogramm
Anlässlich der Sonderausstellung gibt es ein umfangreiches Angebot an Veranstaltungen. Weiterführende Informationen unter www.hlmd.de

Öffentliche Führungen
Sonntag, jeweils 11.30 Uhr
31.01. mit Almut Rüllmann M.A.
14.02. mit Hannes Pflügner M.A.
28.02. mit Dr. Stephanie Hauschild
13.03. mit Nina Wittmann M.A.
10.04. mit Nina Wittmann M.A.
17.04. mit Almut Rüllmann M.A.

Sonntag, jeweils 15.00 Uhr
mit Vorführungen der Drucktechniken Kupferstich und Kaltnadelradierung
07.02. mit Renate-Charlotte Hoffmann M.A.
21.02. mit Barbara Rubert M.A.
06.03. mit Almut Rüllmann M.A.
20.03. mit Renate-Charlotte Hoffmann M.A.
03.04. mit Barbara Rubert M.A.
24.04. mit Dr. Stephanie Hauschild
Alle Druckvorführungen: Katharina Eckert, Ruth Ullenboom

Mittwoch, jeweils 18.30 Uhr
03.02. mit Carien Walter
17.02. mit Dr. Stephanie Hauschild
24.02. mit Dr. Davide Dossi in deutsch-italienischer Sprache
02.03. mit Hannes Pflügner M.A.
16.03. mit Carien Walter
30.03. mit Nina Wittmann M.A.
13.04. mit Hannes Pflügner M.A.
20.04. mit Dr. Davide Dossi in deutsch-italienischer Sprache

Themenführungen
Freitag, jeweils 11.00 Uhr
12.02. »Dürer als Unternehmer«
mit Dr. Mechthild Haas, Kuratorin der Ausstellung

26.02. »Dürer in Venedig«
mit Dr. Davide Dossi, wissenschaftlicher Volontär (in deutsch-italienischer Sprache)

11.03. »Dürers tanzendes Bauernpaar«
mit Dr. Mechthild Haas, Kuratorin der Ausstellung
15.04. »Dürer-Rezeption in Italien«
mit Dr. Davide Dossi, wissenschaftlicher Volontär (in deutsch-italienischer Sprache)

Oster-Führung in der Karwoche
»Die Passion Christi«
Mittwoch, 23.03.,18.30 Uhr
mit Dr. Mechthild Haas, Leiterin Graphische Sammlung

Alle Führungen kostenfrei (lediglich Sonderausstellungseintritt), max. 25 Teilnehmer pro Führung, Teilnahmekarten am Veranstaltungstag an der Museumskasse

Buchung von Gruppen- und Individualführungen
Kostenbeiträge:
eine Führung 60,- Euro zzgl. Eintritt; fremdsprachig 70,- Euro zzgl. Eintritt
Anmeldung mindestens zwei Wochen vor dem geplanten Museumsbesuch.
Servicetelefon: 06151 – 16 57 111 oder E-Mail: vermittlung@hlmd.de

Filmvorführungen
Sonntag 28.2., 15.00 Uhr
und
Sonntag 10.4., 11.30 Uhr
LIDO
»Ich – Albrecht Dürer«
Dokumentarfilm von Stefanie Appel (2011, 45 Min.)
©Bayerisches Fernsehen 2011

Kostenfrei (lediglich Sonderausstellungseintritt)

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