Als am Rhein der Tourismus erfunden wurde – Landesmuseum Mainz eröffnete Sonderausstellung „Mittelrhein in Aquarellen“

Johann Christian Reinhart. Der Rhein, mit Blick auf Bingen, den Mäuseturm und Rüdesheim 1787. Bleistift, Feder in Braun, Apuarell Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum. Als Besonderheit hat Reinhart  die Geschichte Bingens von der Römerzeit bis in 18. Jahrhundert auf seinem Aquarell festgehalten.
Johann Christian Reinhart. Der Rhein, mit Blick auf Bingen, den Mäuseturm und Rüdesheim 1787. Bleistift, Feder in Braun, Apuarell Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum. Als Besonderheit hat Reinhart die Geschichte Bingens von der Römerzeit bis in 18. Jahrhundert auf seinem Aquarell festgehalten.

Am Sonntag, dem 8. November 2015 eröffneten Dr. Andrea Stockhammer, Direktorin des Landesmuseums Mainz GDKE und Kulturstaatssekretär Walter Schumacher, Regierungsbeauftragter für das UNESCO-Welterbe Rheinland-Pfalz die Sonderausstellung Mittelrhein in Aquarellen von Johann Christian Reinhart und Johann Casper Schneider im Rheinland-Pfälzischen Landesmuseum Mainz.

Monika Uliarczyk kuratierte die Ausstellung und  hielt die Einführung . © massow-picture
Monika Uliarczyk kuratierte die Ausstellung und hielt die Einführung . © massow-picture

Monika Uliarczyk M.A. Wissenschaftliche Volontärin, Landesmuseum Mainz, GDKE, führte in ihrem Referat in die von ihr kuratierte Ausstellung ein. Noch lange bevor Joseph Mallord William Turner (1775 bis 1851) erstmals 1817 an den Rhein reiste, um sich mit dieser Landschaft künstlerisch auseinanderzusetzen und bis 1844 auf vermutlich elf Rhein-Reisen in 22 Skizzenbüchern und auf etwa 120 Aquarellen seine Rhein-Impressionen von Köln bis Mainz festhielt, hatte bereits 1787 Johann Christian Reinhart (Hof/Saale 1761–1847 Rom) zahlreiche Rhein-Aquarelle geschaffen, die später  zur Entstehung der kulturgeschichtlichen Epoche der „Rheinromantik“ mit beitrugen.

Jean Ursinus Panorama des Rheins Mainz bis Cöln, 6. Aufl. Mainz 1845   © Wissenschaftliche Stadtbibliothek foto: massow-picture
Jean Ursinus Panorama des Rheins Mainz bis Cöln, 6. Aufl. Mainz 1845 © Wissenschaftliche Stadtbibliothek foto: massow-picture

Prof. Dr. G. Ulrich Grossmann, Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums, unterstrich in seinem spontanen Grußwort den unschätzbaren Wert der  9 Reinhart-Aquarelle, eine Leihgabe des Germanischen Nationalmuseums. „In dieser Zeit“, so Grossmann, „wurde am Mittelrhein in  Deutschland quasi der moderne Tourismus erfunden“. Erste Karten-Panoramen vom Rheinverlauf mit all seinen Städten, Gebirgen, Burgen, Schiffsanlegern und Sehenswürdigkeiten entstanden. Ausgeklappt maßen sie mitunter bis zu 30 Meter bei einer Höhe von nur 15 Zentimetern. Besucher können Jean Ursinus  Rheinpanorama von Mainz bis Cöln, 6. Auflage Mainz 1845, bestaunen. Es zeigt eine detaillierte Abbildung des Flussverlaufs aus der Vogelperspektive mit Randbildern von den Sehenswürdigkeiten und allen Orten. Der  lange Reiseführer-Plan war gefaltet.  1828  gab der Koblenzer Verleger Baedeker einen der ersten Reiseführer, die  „Rheinreise von Mainz bis Cöln, Handbuch für Schnellreisende“ heraus.

Johann_Christian_Reinhard, © Landesmuseum Mainz
Johann_Christian_Reinhard, Am 5. Juli 1787 zeichnete Reinhart diese unkonventionelle Ansicht von Mainz. Die nebeneinander gereihten Schiffsmühlen bilden das Hauptmotiv, während die repräsentativen Bauten der Stadt an den Bildrand gedrängt sind. © Landesmuseum Mainz

Johann Christian Reinhart schuf seine Rheinansichten während einer Rheinreise mit Herzog Georg I. von Sachsen- Meiningen im Jahr 1787. Reinhart war bei ihm als Hofmaler angestellt.

Georg Schneider (Mainz 1759 bis 1843 Aschaffenburg). Blick von der linken Rheinseite in den Rheingau mit Johannisberg und Geisenheim, 1787.© Landesmuseum Mainz GDKE,
Georg Schneider (Mainz 1759 bis 1843 Aschaffenburg). Blick von der linken Rheinseite in den Rheingau mit Johannisberg und Geisenheim, 1787.© Landesmuseum Mainz GDKE,

Seine Aquarelle sind eine interessante Ergänzung zu seinen Graphiken und Gemälden und  den Werken Johann Caspar und Georg Schneiders sowie Christian Georg Schütz’ d. Ä., die ebenfalls zu sehen sind und aus eigenem Bestand des Landesmuseums stammen.

Und wäre Reinhard nicht 1789 nach Rom gegangen, hätte er, so eine Mutmaßung Walter Schumachers , womöglich hierzulande ähnliche Berühmtheit erlangen können wie einst Albrecht Dürer.

Johann Christian Reinhart. A Tivoli, 1794. Die Radierung zeigt Rom und seine Umgebung, wie das benachbarte Tivoli (eine unerschöpfliche Quelle gut verkäuflicher Darstellungen von italienischer Architektur). Reinharts Stil hat sich grundlegend geändert: Immer häufiger konstruierte er seine Werke in Manier idealtypischer Landschaftsdarstellungen und entfernt sich allmählich von wirklichkeitstreuen  Wiedergaben.
Johann Christian Reinhart. A Tivoli, 1794. Die Radierung zeigt Rom und seine Umgebung, wie das benachbarte Tivoli (eine unerschöpfliche Quelle gut verkäuflicher Darstellungen von italienischer Architektur). Reinharts Stil hat sich grundlegend geändert: Immer häufiger konstruierte er seine Werke in Manier idealtypischer Landschaftsdarstellungen und entfernt sich allmählich von wirklichkeitstreuen Wiedergaben.

In seiner Wahlheimat Rom, wo Reinhart im Zentrum der klassizistisch ausgerichteten deutschen Künstlerschaft (deutschen Kolonie) stand, hatte er seinen Stil stark verändert: Stand sein Frühwerk noch stilistisch dem »Sturm und Drang« nahe, wurde Johann Christian Reinhart in Rom zu einem der wichtigsten Repräsentanten der heroischen Landschaftsmalerei. Diese wurde durch die idealistische Dichtung Friedrich Schillers und die Kunsttheorie Carl Ludwig Fernows geprägt.

vl.Prof. Dr. G. Ulrich Grossmann, Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums, im Gespräch mit Dr. Andrea Stockhammer, Direktorin des Landesmuseums Mainz GDKE, und Kulturstaatssekretär Walter Schumacher, Regierungsbeauftragter für das UNESCO-Welterbe Rheinland-Pfalz.© massow-picture
vl.Prof. Dr. G. Ulrich Grossmann, Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums, im Gespräch mit Dr. Andrea Stockhammer, Direktorin des Landesmuseums Mainz GDKE, und Kulturstaatssekretär Walter Schumacher, Regierungsbeauftragter für das UNESCO-Welterbe Rheinland-Pfalz.© massow-picture

Im Zentrum der Kabinettausstellung  des Landesmuseums stehen neun erst in den letzten Jahren wieder vollständig zu einer Einheit zusammengeführten Aquarelle des klassizistischen Landschaftsmalers, Zeichners und Radierers Johann Christian Reinhart als Leihgabe aus der Graphischen Sammlung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg. Darunter befindet sich auch eine Ansicht von Mainz.
Reinhart schuf diese Blätter während einer Rheinreise mit Herzog Georg I. von Sachsen- Meiningen im Jahr 1787.

Ausgebildet wurde Reinhart bei Adam Friedrich Oeser in Leipzig von 1779 bis 1782. Dem Studium folgte ab 1783 der Unterricht bei dem Landschaftsmaler Johann Christian Klengel in Dresden.

Seine Aquarelle, die den Flussabschnitt von Mainz bis St. Goar umfassen, sind topographisch exakte Ansichten, die mit ihrer schnellen und spontanen Führung von Feder und Pinsel vom »Sturm und Drang« geprägt sind. Sie sind frühe Dokumente der künstlerischen und touristischen Entdeckung des Mittelrheintals. Das Mittelrheintal gehört zu den attraktivsten Reisezielen Europas. Der prominenteste Abschnitt dieses Flusslaufs zwischen Bingen, Rüdesheim und Koblenz wurde 2002 von der UNESCO als Welterbe Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal anerkannt. „Der Mittelrhein zieht schon seit über 200 Jahren zahlreiche Besucher in seinen Bann. Ich freue mich sehr darüber, dass das Landesmuseum mit den wunderbaren Zeichnungen von Johann Christian Reinhart den Blick auf dieses einzigartige Ensemble aus Flusslauf, weinbepflanzten Hängen und historischen Burgen und Schlössern lenkt“, so der Regierungsbeauftragte für das UNESCO-Welterbe in Rheinland-Pfalz, Kulturstaatssekretär Walter Schumacher bei der Ausstellungs-Eröffnung.

Die Ausstellung ist bis 10. Januar in der Graphischen Sammlung des Landesmuseums zu sehen.

Diether v. Goddenthow (Rhein-Main.Eurokunst)

Landesmuseum Mainz,
Große Bleiche 49-51.
Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz