Homo georgicus – der Schädel aus dem Ursprungsland der ersten Europäer

Das Original des weltweit vollständigsten  fossilen Menschenschädels – Schädel 5 aus  Dmanisi – für fünf Wochen zu sehen im  Senckenberg Naturmuseum. Foto: Guram Bumbiashvili, Nationalmuseum Georgien
Das Original des weltweit vollständigsten
fossilen Menschenschädels – Schädel 5 aus
Dmanisi – für fünf Wochen zu sehen im
Senckenberg Naturmuseum.
Foto: Guram Bumbiashvili, Nationalmuseum Georgien

Präsentation vom 11. Oktober bis 18. November 2018 im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt

Frankfurt, 10.10.2018. Georgien ist das Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Aus diesem Anlass zeigt das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt in Zusammenarbeit mit dem Georgischen Nationalmuseum ein außerordentliches Fossil. In Georgien wurden die bisher ältesten Überreste von Menschen außerhalb Afrikas gefunden. Sie werden der Zeit vor 1,8 Millionen Jahren zugeschrieben und gelten somit als die Vorfahren der ersten Europäer. Von besonders großer wissenschaftlicher Bedeutung sind fünf aus der gleichen Fundschicht stammende, gut erhaltene Schädel. Eines dieser Fossilien, „Schädel 5“, wird in der Schatzkammer des Museums ausgestellt. Er ist der weltweit vollständigste fossile Menschenschädel, bei dem auch der Unterkiefer erhalten ist. Der Originalschädel wird erstmals außerhalb Georgiens zu sehen sein.

Prof. Dr. Andreas Mulch, Direktor des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums, eröffnete die Ausstellung und dankte dem Georgischen Nationalmuseum sowie anwesenden Vertretern des georgischen Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport für die Möglichkeit, diesen Sensationsfund aus der Grabungsstätte Dmanisi dem Frankfurter Museumspublikum im Original zu präsentieren. Mulch verwies dabei auf die paläoanthropologische Tradition des Senckenberg-Forschungsinstituts und auf die Chancen, die sich aus der Forschung zur Entwicklung des Menschen ergeben: „Ich freue mich sehr, dass in unserem Haus, mit seiner bereits 1968 von Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald gegründeten paläoanthropologischen Abteilung, nun ein für die Forschung so bedeutendes Originalfossil gezeigt werden kann“.

Mikheil Giorgadze, stellvertretender Minister für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport in Georgien bei der Einweihung des „Schädel 5“. Foto: Senckenberg/Tränkner
Mikheil Giorgadze, stellvertretender
Minister für Bildung, Wissenschaft,
Kultur und Sport in Georgien bei der
Einweihung des „Schädel 5“.
Foto: Senckenberg/Tränkner

1991 wurden bei Grabungen in der Nähe des Dorfes Dmanisi Reste von fossilen Menschen gefunden. Der Ort liegt etwa 85 Kilometer südwestlich der georgischen Hauptstadt Tiflis. In den Folgejahren wurden auf einer Fläche von etwa 400 m² fünf Menschenschädel, zahlreiche weitere Skelettelemente sowie einfache Steinwerkzeuge entdeckt. Das Alter der Fossilien konnte auf etwa 1,8 Millionen Jahre datiert werden. Sie sind damit die ältesten Frühmenschenfunde außerhalb Afrikas und gelten als Vorfahren der ersten Europäer. Senckenberg-Anthropologe Prof. Dr. Friedemann Schrenk nennt die Grabungsstätte Dmanisi eine „spektakuläre Homininen-Fundstelle“, die mit über 20 geborgenen Homininenfragmenten „in die kleine Spitzengruppe der bedeutendsten Hominiden-Fundstellen der Welt aufgerückt ist“.

Die vollständige Erhaltung der fünf Schädel aus Georgien erklärt man sich damit, dass Hyänen sie in unterirdische Höhlen schleppten und sie dort vor Zerfall geschützt waren. Die Überreste von drei Männern und zwei Frauen unterschiedlichen Lebensalters weisen eine Mischung anatomischer Merkmale auf, die vor deren Funden verschiedenen Frühmenschenarten zugeordnet wurden. „Hätte man die einzelnen Schädel an voneinander weiter entfernten Fundorten entdeckt, wären sie aufgrund ihrer großen anatomischen Verschiedenheit wahrscheinlich unterschiedlichen Arten zugeordnet worden“, so Schrenk. Doch die tatsächliche Fundsituation lässt für die internationale Forschergemeinschaft nur den Schluss zu, dass sie alle Angehörige derselben Population waren.

Senckenberg-Paläoanthropologe Prof. Dr. Friedemann Schrenk (links),  im Gespräch mit Prof. Dr. David Lordkipanidze, Generaldirektor Georgisches Nationalmuseum, über neueste Forschungen zu „Schädel 5“  und den Kaukasus als Hotspot der Evolution früher Menschen. Foto: Senckenberg/Tränkner
Senckenberg-Paläoanthropologe
Prof. Dr. Friedemann Schrenk (links),
im Gespräch mit Prof. Dr. David Lordkipanidze,
Generaldirektor Georgisches Nationalmuseum,
über neueste Forschungen zu „Schädel 5“
und den Kaukasus als Hotspot der Evolution früher Menschen.
Foto: Senckenberg/Tränkner

Der im Jahr 2005 entdeckte Originalschädel „Schädel 5“ ist der am besten erhaltene und kompletteste der fünf Schädel und zugleich der weltweit vollständigste eines fossilen Menschen. Ihm wurde später ein fünf Jahre zuvor gefundener Unterkiefer zugeordnet. Auffällig sind der große Gesichtsschädel mit den prominenten Überaugenwülsten und das kleine Gehirnvolumen von nur 546 cm³. Damit besaß dieses Individuum unter den Dmanisi Frühmenschen das kleinste Gehirnvolumen, obwohl es mit einer Körperhöhe von etwa 1,60 Metern größer war als die anderen. Man geht davon aus, dass es sich um eine männliche Person im Alter von etwa 40 Jahren handelt.

Friedemann Schrenk und Grabungsleiter David Lordkipanize sprachen über die neueste Forschung an „Schädel 5“ sowie über den Kaukasus als Hotspot der Evolution früher Menschen. Aktuelle Forschungsmethoden erlauben Einblicke in die biologische und soziale Variabilität der frühen Homininen-Population. „Die Zähne sind völlig abgenutzt, die Zahnwurzel war entzündet. Der rechte Wangenknochen war aufgrund einer
Fraktur deformiert, das linke Unterkiefergelenk weist Anzeichen einer chronischen Arthritis auf“, erklärt Schrenk und ergänzt: „Durch die Funde aus Dmanisi wissen wir heute, dass die ersten Frühmenschen spätestens vor 2 Millionen Jahren zum ersten Mal den afrikanischen Kontinent verließen. Ressourcenreiche Flusstäler erlaubten ein rasches Vordringen der Homininen in den Südkaukasus. Die dortigen Lebensräume boten ideale Lebensbedingungen und waren daher das früheste Zentrum der Menschhheitsgeschichte in Europa.“

Der „Schädel 5“ ist vom 11. Oktober bis zum 18. November 2018 im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt zu sehen. Begleitet wird die Präsentation des einzigartigen Exponats von Repliken der anderen vier Schädel, von einigen großformatigen Fotos sowie von einem Kurzfilm über die Arbeiten an der Grabungsstätte Dmanisi.

Die Präsentation kann nur in Verbindung mit der Dauerausstellung besichtigt werden. Eintritt: 10 Euro für Erwachsene, 5 Euro für Kinder und Jugendliche (6 bis 15 Jahre) sowie 25 Euro für Familien (2 Erwachsene und bis zu 3 Kinder). Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr 9 – 17 Uhr, Mi 9 – 20 Uhr, Sa, So und Feiertage 9 – 18 Uhr.

Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit dem Georgischen Nationalmuseum und dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport Georgiens im Rahmen des Gastlandauftritts Georgiens auf der Frankfurter Buchmesse 2018 entstanden.

Der in der Ausstellung gezeigte Kurzfilm über die Grabungsstätte Dmanisi wurde mit Mitteln des Aktionsplans der Leibniz-Forschungsmuseen finanziert.

Ort:
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Senckenberganlage 25
60325 Frankfurt