Georgia – Made by Characters Der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2018 ist so einzigartig und kunstvoll wie sein Alphabet

Ehrengastpavillon Georgien © Foto: Diether v. Goddenthow
Ehrengastpavillon Georgien © Foto: Diether v. Goddenthow

FRANKFURT. Mit Georgien präsentiert sich eine jahrtausendealte Kulturnation vom 10. bis 14. Oktober 2018 als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Die georgischen „characters“, die 33 kunstvoll geschwungenen Buchstaben des einzigartigen Alphabets, zählen zum UNESCO-Welterbe und prägen das Motto des Ehrengastauftritts: Georgia – Made by Characters. Das Land zwischen Europa und dem Kaukasus stellt dabei nicht nur seine Geschichten und Werke vor, die in dieser faszinierenden Schrift niedergeschrieben wurden, sondern auch die Charaktere, die dahinterstehen: Autor*innen, Künstler*innen, Musiker*innen – kurzum, die Georgier*innen selbst. Über 150 Neuerscheinungen wurden im Gastlandjahr auf dem deutschsprachigen Buchmarkt herausgegeben. 70 deutschsprachige Verlage haben Titel zu Georgien in ihrem Programm. Seit der Gründung des Georgian National Book Center (2014) und der Einführung des Übersetzungsförderungsprogramms (2011) sind insgesamt 200 Titel aus dem Georgischen in deutscher Sprache erschienen. Mehr als 70 Autor*innen kommen nach Deutschland und werden auf der Frankfurter Buchmesse und in der Stadt Frankfurt ihre Werke auf insgesamt 350 literarischen Veranstaltungen – von Lesungen bis Konferenzen – persönlich vorstellen. Rund 100 Kulturevents laden zu weiteren spannenden Entdeckungen des Landes ein. Das Herz des Ehrengastauftritts ist der Pavillon auf dem Messegelände, der in seiner Gestaltung an die 33 Buchstaben angelehnt ist. Hier wird täglich ein umfangreiches und hochkarätiges Literatur- und Kulturprogramm geboten: von Lesungen und Diskussionen bis hin zu klassischer und elektronischer Musik.

Von Klassik bis Zeitgeist – Neue Bücher aus und über Georgien

Bücherschau im georgischen Ehrengast-Pavillon im Forum der Frankfurter Buchmesse.  © Foto: Diether v. Goddenthow
Bücherschau im georgischen Ehrengast-Pavillon im Forum der Frankfurter Buchmesse.
© Foto: Diether v. Goddenthow

Vom historischen Heldenepos über die scharfzüngige Satire bis zum persönlichen Bericht aus dem Gulag – die Neuerscheinungen in deutscher Sprache spiegeln die historische und kulturelle Vielfalt des Landes wider, dessen Literatur bereits im 5. Jahrhundert mit dem hagiographischen Werk Das Martyrium der Heiligen Schuschanik begann. Dabei werden auch unterschiedliche Genres abgedeckt: von Romanen, Krimis, Erzählungen, Märchen und Sagen bis hin zu georgischen Epen und Anthologien georgischer Poesie, Sachbüchern, Kinder- und Jugendbüchern sowie Sammlungen kritischer Essays. Auch zahlreiche „Klassiker“ der georgischen Literatur können von den deutschsprachigen Leser*innen nun entdeckt werden. So etwa das georgische Nationalepos von Schota Rustaweli Der Recke im Tigerfell (Reichert Verlag, 2014) aus dem 12. Jahrhundert, das nun auch in einer modernen Prosaversion unter dem Titel Der Held im Pardellfell, nacherzählt von Tilman Spreckelsen und illustriert von Kat Menschik (Galiani Verlag), erschienen ist. Von Micheil Javakhishvili (1880–1937), dem Begründer der modernen georgischen Prosa, sind sieben Titel in deutscher Sprache erhältlich. Mit Awelum, Der Korb und Der Garten der Dariatschangi (Matthes & Seitz Berlin) von Otar Tschiladse (1933–2009) sind drei Werke eines Vertreters der Weltliteratur erschienen, der bereits zweimal für den Literaturnobelpreis nominiert war.

Über 70 georgische Autor*innen kommen zur Frankfurter Buchmesse

Impressionen vom Ehrengast-Pavillon. © Foto: Diether v. Goddenthow
Impressionen vom Ehrengast-Pavillon. © Foto: Diether v. Goddenthow

Mehr als 70 georgische Autor*innen werden in den kommenden Tagen Frankfurt zu Gast sein und ihre Bücher vorstellen. Darunter Aka Morchiladze, einer der derzeit angesehensten georgischen Schriftsteller. Von dem in London lebenden Autor, der über 30 Werke veröffentlichte, erschienen gleich mehrere Bücher in deutscher Sprache: Santa Esperanza und Obolé (beide Mitteldeutscher Verlag) sowie Reise nach Karabach und Der Filmvorführer (beide Weidle Verlag). Er und die hierzulande wohl bekannteste Autorin Nino Haratischwili werden bei der Eröffnungsfeier der Frankfurter Buchmesse sprechen. Die in Hamburg lebende Autorin stellt ihr neues Buch Die Katze und der General (Frankfurter Verlagsanstalt) vor. Erwartet werden auch weitere der vielen engagierten georgischen Frauen, etwa Naira Gelaschwili, eine wegen ihrer nonkonformistischen Prosa beliebte Schriftstellerin, die mit ihrem 1982 unter schwierigen Umständen in Georgien veröffentlichten Buch Ich fahre nach Madrid (Verbrecher Verlag) ein glühendes Plädoyer für die Kraft der Fantasie hält. Oder Tamta Melaschwili, eine Aktivistin der feministischen Bewegung, die in ihrem neuen Werk Marines Engel (Wieser Verlag) in literarischer Form versucht, den Ursprung von Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Unterdrückung zu begreifen. Anna Kordsaia-Samadaschwili hält mit Wer hat die Tschaika getötet (Verlag Hans Schiler) ein Plädoyer für Toleranz, und Nana Ekvtimishvili gibt den rebellischen Mädchen und Frauen in der georgischen Gesellschaft in ihrem Buch Das Birnenfeld (Suhrkamp Verlag) Gesicht und Stimme.

Ein dunkles Kapitel der Landesgeschichte schlägt Lewan Berdsenischwili, ehemaliger Direktor der Georgischen Nationalbibliothek, auf. In seinem Buch Heiliges Dunkel – Die letzten Tage des Gulag (Mitteldeutscher Verlag) erzählt er von seiner Zeit als politischer Häftling. Guram Dotschanaschwili schuf mit seinem Klassiker Das erste Gewand (Carl Hanser Verlag) eine Fabel über Tyrannei und Sehnsucht und ein virtuoses Sprachkunstwerk. Archil Kikodze fängt mit seinem neuen Roman Südelefant (Ullstein Verlag) den georgischen Zeitgeist ein. Und schließlich stellt Lasha Bugadze, der wegen seiner scharfen Satire zu sozial-politischen Themen stets im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses steht, in Frankfurt sein neues Buch Der erste Russe (Frankfurter Verlagsanstalt) vor. Auch das in Georgien sehr beliebte Genre Lyrik ist stark vertreten, und so kommt etwa mit Besik Kharanauli auch einer der bekanntesten georgischen Dichter nach Frankfurt. Alle Neuerscheinungen unter: www.georgia-characters.com/Translations.aspx.

Umgeben von den 33 Buchstaben: Der Ehrengast-Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse

Impressionen vom Ehrengast-Pavillon. © Foto: Diether v. Goddenthow
Impressionen vom Ehrengast-Pavillon. © Foto: Diether v. Goddenthow

Die Vielfalt der georgischen Kultur und Literatur wird vor allem im Ehrengast-Pavillon (Forum / Ebene 1) erfahrbar. In dem von George Bokhua Studio und Multiverse Architecture aus Tiflis gestalteten Raum spielen die Buchstaben des georgischen Alphabets, das seit 2016 auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturguts steht, eine herausragende Rolle: In dem von den 33 Schriftzeichen inspirierten Ambiente werden nicht nur die georgischen Neuerscheinungen präsentiert, es öffnen sich auch 33 Türen, 33 Lieder erklingen, 33 Boote segeln und 33 Brote werden gebacken. Der Pavillon wird zur Bühne für ein umfangreiches Programm mit Lesungen und Live-Musik. Jeden Tag klingt der Messetag um 17 Uhr bei der Happy Hour aus; etwa bei den Techno-Klängen vom Haus-DJ des berühmten Clubs Bassiani aus Tiflis oder beim Auftritt des georgischen Nationalballetts Sukhishvili. Georgischer Wein und landestypische Spezialitäten bringen die Besucher*innen auf den besonderen Geschmack. Krönender Abschluss des Ehrengast-Programms ist die traditionelle GastRollen-Übergabe u.a. mit dem georgischen Autor Zurab Karumidze und der norwegischen Schriftstellerin Åsne Seierstad (14. Okt., 15:30 Uhr).

Begegnungen mit georgischen Autor*innen, Künstler*innen und Kreativen sind ebenso bei Veranstaltungen und Lesungen auf dem gesamten Messegelände möglich, so auch am Nationalstand Georgien (Halle 5.0, B100), am Stand für Kinder- und Jugendliteratur (Halle 3.0, F152), bei THE ARTS+ (Halle 4.1, N67, N71 u.a.), auf der Agora und in der Gourmet Gallery (Halle 3.1, L140, L146). Auch die „Wissenschaft – Made by Characters“ sowie die Innovations- und Technologieagentur präsentieren sich (Halle 4.2, E93, B85). Eine Vielzahl an Vorträgen und Lesungen gibt es dazu auch an anderen Orten, so etwa im Rahmen des städtischen Lesefests OPEN BOOKS oder beim BOOKFEST, dem Festival der Frankfurter Buchmesse.

Eröffnung des Ehrengastpavillions.© Foto: Diether v. Goddenthow
Eröffnung des Ehrengastpavillions.© Foto: Diether v. Goddenthow

Ausstellungen, Performances, Filme: Georgien in Frankfurt
Außerhalb des Messegeländes geben zahlreiche Events vom Theater über Performance bis zur Ausstellung weitere Einblick in die facettenreiche Kulturlandschaft. Das Programm in Frankfurter Museen und Kultureinrichtungen vereint das Beste aus Urgeschichte, antiker und zeitgenössischer Kunst, Fotografie, Architektur, Design, Typografie und Illustration. Zu den Höhenpunkten zählen die Ausstellung „Medeas Liebe und die Jagd nach dem Goldenen Vlies“ in der Liebieghaus Skulpturensammlung mit herausragenden archäologischen Funden und antiken Kunstwerken aus Georgien sowie „Gold & Wein. Georgiens älteste Schätze” im Archäologischen Museum Frankfurt. Unter dem Motto „Tiflis on my Mind“ im Klingspor Museum in Offenbach steht erstmals das georgische Alphabet im Zentrum einer Ausstellung. Freund*innen zeitgenössischer Kunst können sich auf den Film „All is fair in Dreams and War“ von Andro Wekua, einem der populärsten zeitgenössischen Künstler Georgiens, sowie die erste Einzelausstellung zu Thea Djordjadze, einer der profiliertesten Künstlerinnen Georgiens, freuen. Weltberühmte Musiker*innen stimmen das Publikum auch musikalisch auf das Gastland ein, so etwa die Pianistin Khatia Buniatishvili bei der Eröffnungszeremonie der Buchmesse, der Jazz-Pianist Beka Gochiashvili und viele andere beim Konzert des TV-Senders ARTE und nicht zuletzt die Geigerin Lisa Batiashvili mit dem Georgian Philharmonic Orchestra sowie dem Gori Frauenchor beim Konzert in der Alten Oper Frankfurt. Ergänzt wird das Programm durch eine Reihe von Inszenierungen bedeutender georgischer Theaterensembles, darunter das renommierte Rezo Gabriadze Puppentheater, das Tumanishvili Film Actors Theatre sowie das Tskhinvali Staatstheater. Auch Filmfreund*innen kommen auf ihre Kosten, etwa bei einer Filmreihe im Deutschen Filmmuseum sowie bei der Buchvorstellung und Filmvorführung rund um den georgischen Filmemacher, Drehbuchautor, Schauspieler und Maler Kote Mikaberidze.

Georgia is cooking – kulinarische Erlebnisse in ganz Frankfurt
Nicht nur im Georgien-Pavillon und in der Gourmet Gallery können Messebesucher*innen auf den besonderen georgischen Geschmack kommen. Unter der Motto „Georgia is cooking“ macht Veranstalter Leon Joskowitz mit fünf georgischen Top-Köch*innen und kulinarischen Botschafter*innen, darunter die gefeierte Köchin Tekuna Gachechiladze, die eigens zur Buchmesse nach Frankfurt reisen, die kulinarische Vielfalt des Landes auch im Frankfurter Stadtgebiet erlebbar, etwa mit der Reihe „Books n‘ Wines“.