Wiesbaden. Der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hat heute den früheren Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, die Bundesministerin für Wirtschaft und Energie Brigitte Zypries und den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Frankfurt Professor Dr. Salomon Korn mit der Wilhelm Leuschner-Medaille ausgezeichnet. Die Wilhelm Leuschner-Medaille ist die höchste Auszeichnung des Landes Hessen und wird jeweils am Hessischen Verfassungstag, dem 1. Dezember, verliehen.
„Mit der Wilhelm Leuschner-Medaille wird die Lebensleistung von Personen gewürdigt, die sich in außergewöhnlicher Weise für Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit eingesetzt haben. In diesem Sinne ehren wir in diesem Jahr drei Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft, die sich für das demokratische Zusammenleben in unserer Gesellschaft engagiert und Hessen würdig vertreten haben. Das verdient Respekt und Anerkennung. Ich gratuliere Brigitte Zypries, Roland Koch und Prof. Dr. Salomon Korn zur Auszeichnung mit der Wilhelm Leuschner-Medaille“, so der Ministerpräsident bei der Feierstunde im Wiesbadener Kurhaus.
Brigitte Zypries war von 2002 bis 2009 Bundesjustizministerin und ist seit Januar 2017 Bundesministerin für Wirtschaft und Energie in der Großen Koalition. „Brigitte Zypries steht beispielhaft für Pragmatismus, Pflichterfüllung und Kontinuität. Unaufgeregt und an der Sache orientiert hat sie stets mit Engagement und Tatkraft ihre Ämter ausgefüllt. Gerade als Justizministerin hat Brigitte Zypries keine Konflikte gescheut und in vielen Rechtsgebieten ihre Spuren hinterlassen. Sie steht für einen modernen und starken Rechtsstaat, der auch den Schutz des Schwächeren, von Minderheiten und denjenigen, die den Schutz von Staat und Recht besonders benötigen, fest im Blick hat – auch das ist ganz im Sinne Wilhelm Leuschners. Im Namen der Landesregierung danke ich zudem für eine konstruktive Zusammenarbeit, wenn es um die Unterstützung hessischer Interessen ging. Das war und ist für Brigitte Zypries immer selbstverständlich“, so der hessische Regierungschef.
Die Kasselerin studierte ab 1972 Rechtswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen und schloss ihr Studium 1978 mit dem Ersten und 1980 mit dem Zweiten Juristischen Staatsexamen ab. Von 1997 bis 2002 war Zypries beamtete Staatssekretärin, zunächst bis 1998 im Niedersächsischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales, von November 1998 bis Oktober 2002 im Bundesministerium des Innern. Von 2002 bis 2009 hatte sie das Amt der Bundesministerin der Justiz in den Kabinetten von Bundeskanzler Schröder sowie Bundeskanzlerin Merkel inne. Am 27. Januar 2017 wurde sie zur Bundesministerin für Wirtschaft und Energie in der Großen Koalition ernannt. Bis dahin übte Brigitte Zypries von 2013 bis 2017 das Amt als Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie aus und war insbesondere für Digitales und Außenwirtschaft zuständig. Von 2005 bis 2017 war sie direkt gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestags für den Wahlkreis Darmstadt und Darmstadt-Dieburg.
Roland Koch amtierte von 1999 bis 2010 als Ministerpräsident des Landes Hessen. „Roland Koch hat, wie die Ministerpräsidenten vor ihm, dieses Land würdig vertreten und ist stets engagiert für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eingetreten. Seine Politik war immer darauf angelegt, für Hessen neue und innovative Lösungen zu finden. Er war in seinen elfeinhalb Jahren Amtszeit stets davon überzeugt, dass Hessen im nationalen und internationalen Wettbewerb auch mutige Reformen brauchte. Diese waren von Erfolg gekrönt, denn auch dank der mittel- und langfristigen Auswirkungen seines ehrgeizigen Konsolidierungsprogramms haben wir heute mehr politischen Gestaltungsspielraum. Roland Koch war als streitbarer Demokrat immer zum Konsens und zur konstruktiven Zusammenarbeit fähig und als Mensch vom ‚Willen des Gestalten Wollens‘ angetrieben“, sagte Ministerpräsident Volker Bouffier bei der Verleihung.
Der gebürtige Frankfurter studierte Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität und schloss sein Studium 1982 mit dem Ersten und 1985 mit dem Zweiten Juristischen Staatsexamen ab. Von 1985 bis 1999 arbeitete er als selbständiger Rechtsanwalt in Eschborn. Im Jahr 1987 zog er als Abgeordneter des Wahlkreises Main-Taunus I erstmals in den Hessischen Landtag ein. Von 1990 bis 1991 und von 1993 bis 1999 war Koch Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Im Februar 1999 wurde Koch zum Hessischen Ministerpräsidenten gewählt und bildete mit der FDP die zweite christlich-liberale Regierungskoalition in der Geschichte Hessens. Es folgten Wiederwahlen im Jahr 2003 und 2009. Am 31. August 2010 legte Koch aus freier Entscheidung sein Amt als Hessischer Ministerpräsident nieder. Nach seiner Zeit als Ministerpräsident war der Ehrenvorsitzende der Hessischen CDU von 2011 bis 2014 Vorsitzender des Vorstandes der Bilfinger SE. Von 2011 an war er Vorsitzender des Aufsichtsrates UBS Deutschland AG, heute führt er den Aufsichtsrat der UBS-Europe SE. Im Ehrenamt ist Koch seit 2010 Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Roland Koch und seine Frau Anke haben 2014 die Stiftung „Tuberöse Sklerose Deutschland“ zur Unterstützung der Bekämpfung dieser seltenen Krankheit gegründet. Im September 2010 wurde er mit dem Silver Award der American Chamber of Commerce geehrt und ihm von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hanoi/Vietnam die Ehrendoktorwürde verliehen.
Professor Dr. phil. Salomon Korn ist seit 1999 Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main und war 2003 bis 2014 Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. „Auch im übertragenen Sinne und unter moralischen Gesichtspunkten hat Prof. Dr. Salomon Korn Fundamente errichtet und Häuser gebaut und damit jüdisches Leben in Frankfurt nach den schrecklichen Ereignissen des Nationalsozialismus wieder möglich gemacht. Mit Beharrlichkeit leistet er bis heute einen Beitrag, jüdisches Leben unverrückbar in die Architektur unserer freiheitlichen Gesellschaft einzugliedern und sie zum festen Bestandteil zu machen. Prof. Korn ist eine Persönlichkeit der Frankfurter Stadtgesellschaft ebenso wie ein Förderer und Impulsgeber für eine lebendige Erinnerungskultur in kultureller und wissenschaftlicher Hinsicht. Seine Auszeichnung ist für uns alle auch Auftrag, sich antisemitischen Ausschreitungen, extremen Gedankengut und antijüdischen Ressentiments mit aller Vehemenz entgegenzustellen. Indem wir gemeinsam handeln, erfüllen wir das Erbe Wilhelm Leuschners für die Freiheit, Demokratie und den Rechtsstaat“, würdigte Bouffier in seiner Laudatio.
Korn, am 4. Juni 1943 im polnischen Lublin geboren, kam nach dem Krieg mit seinen Eltern nach Frankfurt-Zeilsheim. Nach dem Abitur studierte Salomon Korn Architektur und im Nebenfach Soziologie an der Freien Universität Berlin und an der Technischen Hochschule Darmstadt, 1976 wurde er promoviert. Von 1971 bis 1986 war Korn als freier Architekt tätig. 1986 wurde das nach Korns Plänen erbaute Jüdische Gemeindezentrum in Frankfurt am Main eröffnet. Im gleichen Jahr wurde er in den Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt gewählt. Salomon Korn ist zudem Mitglied in zahlreichen Stiftungen, Kuratorien und öffentlichen Einrichtungen. Unter anderem im Stiftungsrat der „Stiftung Flucht, Vertreibung und Deportation“, im Kuratorium der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, im Senat der Deutschen Nationalstiftung oder im ZDF-Fernsehrat. Zudem wurde Salomon mehrfach ausgezeichnet, beispielsweise im Jahr 2006 mit dem Ehrentitel „Professor“ durch das Land Hessen oder 2009 mit dem Hessischen Kulturpreis.
Hintergrund
Die höchste Auszeichnung des Landes Hessen wird seit 1965 vom Hessischen Ministerpräsidenten verliehen. Mit der Medaille wird der Einsatz für Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit von Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft gewürdigt. Unter den Preisträgern der Wilhelm Leuschner-Medaille befinden sich Persönlichkeiten wie Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, die erste weibliche Bundesministerin Dr. Elisabeth Schwarzhaupt, der Philosoph Professor Jürgen Habermas, der Erfinder des Computers Konrad Zuse oder der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Erster Preisträger war im Jahr 1965 der ehemalige Staatsminister des Innern und frühere Landtagspräsident Heinrich Zinnkann.