Frankfurter Buchmesse im Zeichen des Kampfes um die „Freiheit des Wortes“ am 13. Okt. 2015 eröffnet

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Zur Eröffnung präsentiert sich die 67. Frankfurter Buchmesse in zweierlei Hinsicht als Branchen-Netzwerk. Einerseits ist sie als weltweit größter Handelsplatz für Inhalte das relevanteste Business-to-Business-Netzwerk der Branche. Sie bringt die Beteiligten miteinander in Austausch: Internationaler Rechtehandel, Technologie trifft auf Content, klassische Verlage treffen auf Startups. Andererseits ist die Frankfurter Buchmesse internationale Andockstelle für alle, die sich mit Inhalten, Literatur und Storytelling auseinandersetzen, darüber diskutieren oder sogar streiten. Denn Publishing und Literatur waren schon immer auch Störenfriede, haben am vorherrschenden Konsens gerüttelt. „Literatur hat die Aufgabe Zustände zu benennen, scheinbare Selbstverständlichkeiten zur Diskussion zu stellen,“ so Buchmesse-Direktor Juergen Boos. „In unserem internationalen Netzwerk gilt im Übrigen die Regel: es gibt keine überlegenen Ideen, keine überlegene Kultur. Vielmehr ist es unsere Aufgabe, den Respekt für das jeweils Andere herzustellen. Dies gilt für Autoren wie auch für Publisher.“

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Indonesien ist Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Unter dem Titel 17 000 Inseln der Imagination präsentiert das viertgrößte Land der Welt seine facettenreiche Literatur- und Kulturlandschaft, 75 indonesische Autorinnen und Autoren, über 500

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Veranstaltungen auf dem Messegelände und in Frankfurt sowie zahlreiche deutschlandweite Aktionen laden zu einer Entdeckungstour ein, die ihren mit der Präsentation von vor allem kulinarischen Werken und Hunderten Gewürzen  im Pavillon des Gastlandes gipfelt (im Forum 1, über ARD).

Redeauszüge von Juergen Boos

„Wenn es darum geht, Falschheit und Täuschungen durch Diskussion bloßzustellen und das Böse durch den Prozess der Erziehung abzuwenden, dann ist das Mittel der Wahl immer noch mehr reden (sprechen), keinesfalls die erzwungene Stille“.

Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse. © massow-picture
Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse.
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Dieses Zitat von Louis Brandeis, einem Richter des Supreme Court in den USA in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts setzte Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse an den Anfang seines Statements bei der Eröffnungspressekonferenz der 67. Frankfurter Buchmesse am 13. Oktober 2015. Diese stand ganz im Zeichen des Kampfes um die Freiheit des Wortes und der Meinungsäußerung. Grundwerte, die nicht überall auf der Welt so  selbstverständlich wie bei uns sind, und zunehmend bedroht zu sein scheinen.

„Für Brandes“, so Boos, „war die freie Rede nicht nur eine abstrakte Tugend, sondern ein Grundelement, das im Zentrum jeder demokratischen Gesellschaft verankert ist. Brandes trat bereits im Jahr 1920 nicht für nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Bürger zur freien Meinungsäußerung. Sie sollten sich am Regierungsakt und an der Bildung einer demokratischen Gesellschaft beteiligen und dies gelang seiner Auffassung nach nur dann, wenn sie die Regierung umfassend und angstfrei kritisieren könnten.“ Für Juergen Boos liegt der Kern dieses Zitates auf dem Begriff des Redens, der Diskussion!

„In den letzten Tagen wurde weltweit berichtet über den Auftritt von Salman Rushdie bei uns sowie über den iranischen Boykott der Buchmusse. Ich möchte Ihnen sagen“, so der Buchmessendirektor, „dass ich nicht froh bin über den Boykott des Irans. Denn damit geht einher, das wir eine weitere Gelegenheit verpassen uns mit den iranischen Kollegen auszutauschen.

Er gibt den einen zentralen Aspekt der menschlichen Zivilisation, der für mich nicht verhandelbar ist. Das ist die Freiheit des Wortes, die freie Meinungsäußerung.

Über alles andere soll man nicht nur, man muss darüber reden.

Salman Rushdie, © massow-picture
Salman Rushdie, © massow-picture

Dazu passt die Stelle in dem neuen Roman von Salman Rushdie („Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte“), in der der Geist des Philosophen Ibn Ruschd aus dem Grab heraus seinen ebenfalls vor Jahrhunderten verstorbenen Widersacher Ghzali auffordert, ihre völlig konträren Standpunkte endlich aufrichtig zu verhandeln. „Die Hindernisse von Zeit und Entfernung stellen kein Problem mehr dar“, sagte er zur Begrüßung zu seinem Feind. „Da können wir die Dinge diskutieren, so wie es sich gehört. Höflich im Umgang mit dem Kontrahenten, aber hart in der Sache“. 

Die Aussage, die dahinter liegt, ist völlig simpel, dafür umso wahrer. Eine Idee, eine Haltung ist sowieso nicht totzukriegen. Sie geht nicht weg, auch wenn man all diejenigen umbringt, die sie formulieren. Was einzig bleibt, ist das Reden.

Reden ist die besser Alternative! Eine Erzählung, die diese für mich so wichtige Haltung transportiert wie keine andere (und auch hier stößt uns Rushdie noch einmal mit der Nase drauf), sind „Geschichten aus 1001 Nacht“ aus dem 10. Jahrhundert, in denen sich Scheherazade aktiv in die Hände des Kalifen begibt, um durch ihre Fantasie, ihre Beredsamkeit sein Morden zu beenden. Und die zweite weitere Moral aus den Geschichten aus 1001 Nach lautet, dass die Geschichten des Anderen so interessant sein können, dass man die eigene Haltung komplett zu verändern vermag, wenn man sich nur auf das Unterfangen einlässt!

Die Freiheit des Wortes befindet sich zurzeit einem sehr fraglichen Zustand. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes unter Beschuss. Wir erleben eine Zeit, die von gewaltsamen Konflikten geprägt ist, in der die Spirale der Gewalt sich scheinbar immer nur in eine, in die falsche, Richtung dreht. Was können wir als Branche hier tun?

Wenn es die eine wichtige Aufgabe für die Literatur und das Verlegertum gibt, dann diese: Sie müssen stören. Sehen Sie Rushdie an. Er stört mit seiner Literatur. Die Verleger müssen auch stören. Sie müssen gedankliche Stolpersteine herstellen! Mit ihrem Programm, mit Mut zur Kontroverse. Der Friedenspreisträger Navid Kermani sagt hierzu: „Jedweder Anspruch an Literatur lautet: Respekt für das Andere und Unerbitterlichkeit für das Eigene, die Verteidigung des Marginalisierten und Bestreitung des Herrschenden“.

Ich betone wieder die Notwendigkeit der Kontroverse. Höflich, aber hart in der Sache!

Machen wir uns nichts vor, wir haben uns geistig sehr gemütlich eingerichtet. Wie wähnen uns hier auf der richtigen Seite der Mauer. Diese spezifischen Mauern nennt man auch Scheuklappen. Sie bewahren uns vor Unbequemlichkeit und den Gefahren einer klaren Stellungnahme. Gleichzeitig können sie zu Fehleinschätzungen führen und uns zu Mittätern machen.

Wenn der Claim der Frankfurter Buchmesse „Die Welthauptstadt der Ideen“ überhaupt für irgendetwas nützlich ist, dann für die Erkenntnis, dass Ideen aus der ganzen Welt hier zusammentreffen, aber noch lange nicht nahtlos zusammenpassen. Und dass dieses Zusammentreffen etwas bewirken muss. Die Kunden, die Besucher sollen nach einer Woche Buchmesse eine neue Perspektive eingenommen haben.“ (Juergen Boos)

Die Meinungs- und Publikationsfreiheit ist nicht verhandelbar
Heinrich Riethmüller, © massow-picture
Heinrich Riethmüller, © massow-picture

Heinrich Riethmüller,Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, stellte noch deutlicher die Verantwortung der Verleger, Buchhändler und Publizisten für eine offene und feie Gesellschaft in den Mittelpunkt seiner Rede. „Die Meinungs- und Publikationsfreiheit sind für uns keine verhandelbare Werte, denn sie sind die Grundlage einer freien, demokratischen Gesellschaft und damit auch Grundlage unseres Schaffens“, so Riethmüller. „Von der diesjährigen Frankfurter Buchmesse geht gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsströme der Ruf nach Freiheit und Toleranz in die Welt. Bücher leisten einen zentralen Beitrag für eine offene und tolerante Gesellschaft. In diesem Kontext haben Verleger, Buchhändler und Publizisten eine große Verantwortung. So müssen sie sich immer wieder aufs Neue hinterfragen, wieviel Selbstzensur auch zu ihrer täglichen Arbeit gehört“, so Riethmüller.

Desweiteren führte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels:
In diesem Jahr treffen wir uns in einer besonderen Situation. Die Welt ist in Aufruhr. Der Kampf zwischen den Religionen und das Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich, verfolgt und geborgen, gefangen und frei, hungrig und satt findet derzeit in Europa seinen Ausdruck in hunderttausenden von Flüchtlingen. Sie sind auf der Suche nach Freiheit, Frieden und einem menschenwürdigem Leben.

Es sind Männer, Frauen, Kinder – Familien aus anderen Kulturen als der europäischen, mit einer anderen religiösen Sozialisation, mit Erfahrungen, die uns unbekannt sind, und mit einer Kraft, die sie bis nach Europa getrieben hat. Mich berühren die Bilder, die ich sehe, die Geschichten der Flüchtlinge, die ich höre, mich berührt ihr Wille, frei zu leben und der Mut, in eine andere Welt aufzubrechen.

Nach den Anschlägen auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo Anfang des Jahres, ist den Verlegern und Buchhändlern in Deutschland bewusst geworden, wie notwendig es ist, sich wieder
stärker für das Wort und die Freiheit einzusetzen.

Ich freue mich deshalb, dass Salman Rushdie unserer Einladung gefolgt ist und heute Vormittag auf der Eröffnungspressekonferenz der Buchmesse zu uns gesprochen hat. Es war in Vergessenheit geraten, dass er immer noch mit einer Todesdrohung belegt ist. Und das darf nicht vergessen werden. Die Meinungs- und Publikationsfreiheit sind für uns keine verhandelbare Werte, denn das Recht auf freie Meinungsäußerung und der Zugang zu jeglicher Information, so wie es in Artikel 19 der Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben ist, ist die Grundlage einer freien, demokratischen Gesellschaft und damit auch Grundlage unseres Schaffens.

Das ist nicht überall auf der Welt so. Fünf Beispiele, die Sie auf der Website des PEN Deutschland ausführlicher nachlesen können:
Susana Chávez Castillo aus Mexiko war eine bekannte Dichterin und Frauenrechtlerin. Sie wurde vor viereinhalb Jahren ermordet aufgefunden. Sie war erwürgt worden, man hatte ihr eine Hand abgetrennt. Sie hatte sich als Aktivistin und Dichterin für Gerechtigkeit für hunderte von ermordeten Frauen in der Juárez Region in Mexiko eingesetzt. Ihr Gedicht “Sangre Nuestra” (Unser Blut) war aus der Sicht eines Opfers geschrieben.

Wie bei ähnlich gelagerten Fällen schlossen die mexikanischen Behörden einen Zusammenhang zwischen ihrer Arbeit als Aktivisten und Dichterin und ihrer Ermordung aus. Seit 2004 sind nach Angaben des PEN mindestens 67 Journalisten, Blogger und Schriftsteller in Mexiko ermordet worden.

Mohammed al-Ajami ist Dichter aus Katar und Ehrenmitglied des deutschen PEN-Zentrums. Ende November 2012 war er wegen angeblicher „Anstiftung zum Sturz des herrschenden Regimes” und „Beleidigung des Emirs” zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Diese wurde später auf 15 Jahre verkürzt. al-Ajami muss die restliche Haftstrafe komplett absitzen.

Der chinesische Aktivist, Schriftsteller und Dichter Li Bifeng verbrachte wegen seiner politischen Aktivitäten und seinem kritischen Schreiben seit 1990 insgesamt über 12 Jahre in Haft.

Nach Informationen des internationalen PEN wurde er 2011 erneut inhaftiert und 2012 vom Volksgerichtshof wegen einer angeblichen Betrugssache zu einer Gefängnisstrafe von 12 Jahren verurteilt. Es wird angenommen, dass Li Bifeng wegen seines friedlichen politischen Aktivismus angegriffen wird, insbesondere wegen seiner Beziehungen zu dem exilierten chinesischen Schriftsteller Liao Yiwu,

Dem saudi-arabischen Redakteur und Blogger Raif Badawi wird „Beleidigung des Islams“ und die „Gründung einer liberalen Webseite“ vorgeworfen. Derzeit ist Raif Badawi in Saudi-Arabien inhaftiert, an ihm wird seit Januar die barbarische Strafe von 1000 Peitschenhieben vollzogen.

Der Autor und Augenarzt Abdelwahhab Azzawi lebte in Syrien. Bereits vor Ausbruch des Bürgerkriegs veröffentlichte Azzawi mehrere Texte, die die Regierung kritisierten. Seine Texte wurden sowohl von der syrischen Regierung als auch von islamistischen Gruppen als Bedrohung aufgefasst. Beide drohten ihm deshalb mit Arrest, Entführung und Gewalt. Der Autor vom Sicherheitsdienst auf offener Straße attackiert und geschlagen. Abdelwahhab Azzawi flüchtete mit seiner Frau und den zwei Töchtern in den Jemen. Da die Familie dort ebenfalls bedroht wurde, musste Azzawi seine Familie verlassen.
Er konnte sich retten und ist vorerst in Deutschland aufgenommen worden. Von Dortmund wurde er über Aachen nach Eisenhüttenstadt verlegt, wo er lange auf die Bewilligung seines Asylantrags warten musste. Mittlerweile ist er anerkannt. Jetzt wartet Abdelwahhab Azzawi auf die Ankunft seiner Familie.

Für das Wort und die Freiheit – dieser Anspruch ist groß und ein weites Feld. Die Autorin und die drei Autoren haben dafür gekämpft oder kämpfen noch heute dafür. Sie alle haben dafür bezahlt. Mit Haft, Folter, Flucht oder ihrem Leben. Wir sind in einer komfortablen Situation. Wir brauchen keine Sanktionen zu befürchten. Gerade deshalb kann man es uns zumuten, Verantwortung zu übernehmen. Als Verleger, als Buchhändler, als Publizist.

Hunderttausende von Menschen suchen derzeit Zuflucht. Gegensätzliche Weltanschauungen treffen dabei aufeinander. Viel Toleranz ist vonnöten, auch bei den Flüchtlingen, die jetzt plötzlich mit Menschen anderer religiöser Herkunft auf engstem Raum zusammenleben müssen. Viele geflüchtete Menschen müssen diese Toleranz lernen, denn ihre Welt war bislang eine mit anderen Regeln. Ihr Weltbild ein fremdes. Was können wir tun? Wie können wir helfen? Unsere Aufgabe ist es nicht, alles zu tolerieren, aber unsere Aufgabe könnte es sein, Toleranz zu vermitteln.

Bücher leisten hier einen zentralen Beitrag. Literatur öffnet die Türen zu Sprache, Wissen und Kultur. Literatur macht Verständigung möglich – zwischen Menschen, Ländern und Religionen. Literatur baut Brücken und macht Geschichten und Geschichte erlebbar. Literatur ist Nahrung für den Kopf. Bereitet
in ihrer Vielfalt den Boden für die nötige und notwendige Toleranz.

Ein Beispiel ist die Aktion der deutschen Verleger und Buchhändler „Bücher sagen Willkommen“. Sie wurde zum Weltbildungstag im September initiiert – zusammen mit der Frankfurter Buchmesse und der LITCAM, eine gemeinnützige Gesellschaft, die von der Frankfurter Buchmesse ins Leben gerufen wurde und sich für Bildungsgerechtigkeit und Integration einsetzt. Mit dieser Aktion fördert die Buchbranche notwendige Plätze zum Lesen und Lernen in der unmittelbaren Umgebung von Flüchtlingsunterkünften und ruft zu Spenden im Buchhandel auf, um diese Orte mit ausgewählten Büchern auszustatten.

Viele der Flüchtlinge, die täglich nach Deutschland kommen, werden länger hier bleiben. Sie sollen und wollen sich integrieren, das Land kennenlernen, das sie aufgenommen hat, und die Menschen verstehen, die hier zu Hause sind. Neben den lebensnotwendigen Ressourcen wie Unterkunft und Verpflegung können Bücher, Bildung und Kultur diese Integration entscheidend unterstützen.

Die Frankfurter Buchmesse ist der Ort, an dem über einhundert Länder und Kulturen zusammentreffen, sie ist fünf Tage das WeltCamp der Ideen, der Inhalte und des Austauschs. Wenn nicht von hier, von wo aus sonst sollte der Ruf nach Freiheit und Toleranz in die Welt gehen. Und die Forderung an die Regierenden, sich dafür mit ganzer Kraft einzusetzen.

Navid Kermani, der am kommenden Sonntag in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält, erinnerte nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo daran, dass Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit weder selbstverständlich noch kostenlos sind. Gerne zitieren ich ihn zum Abschluss: „Der Kampf gegen Unfreiheit und Gewalt findet nicht nur in Kobani oder Aleppo statt, nicht nur am 11. September 2001 in New York oder am 7. Januar 2015 in Paris. Wir müssen für die Ideale der Gerechtigkeit und der Toleranz jeden Tag eintreten, im Alltag, am Arbeitsplatz oder in der Schule, in den Parteien, Gewerkschaften oder religiösen Gemeinden.“ Also auch – so möchte ich ergänzen – hier auf der Frankfurter Buchmesse.“

Eröffnungsfeier der 67. Buchmesse im Congress Center

eroeffnung-buchmesseIm Beisein zahlreicher prominenter Ehrengäste wurde gegen Abend die 67. Frankfurter Buchmesse im Congress Center feierlich eröffnet. Im gleichen Tenor, die Meinungsfreiheit gegen alle Ideologien und religionsfanatistischen Dogmen zu verteidigen, sprachen sich sämtliche Redner für eine Vielfalt der Ideen aus. Unter ihnen:  Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Prof. Monika Grütters MdB, Staatsministerin für Kultur und Medien, Peter Feldmann, Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, Goenawan Mohamad, Literarischer Redner des Ehrengastes Indonesien und Dr. Anies Rasyid Baswedan, Minister für Bildung und Kultur des Republik Indonesien. Die Sängern Endah Laras  sang für Freiheit und Frieden.

Dr. Anies Rasyid Baswedan, Minister für Bildung und Kultur der Republik Indonesien. © massow-picture
Dr. Anies Rasyid Baswedan, Minister für Bildung und Kultur der Republik Indonesien. © massow-picture

Besonders herzlich begrüßte Heinrich Riethmüller die Vertreterinnen und Vertreter des Gastlands Indonesien. „Wir sind gespannt auf die Begegnungen und Gespräche mit den indonesischen Kolleginnen und Kollegen, wir freuen uns auf eine Literatur, die in Europa heute noch wenig bekannt ist“, sagte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und stellte klar, dass er sich sicher sei, dass sich dies ändern werde, nicht zuletzt durch die diesjährige Frankfurter Buchmesse. Indonesien sei ein Land, das innerhalb von 70 Jahren einen grundlegenden Wandel durchlaufen habe, von der Kolonie zur Demokratie. „An der Literatur eines Landes geht das nicht spurlos vorbei, eine solche Entwicklung spiegelt sich dort wider. ‚17.000 Inseln der Imagination‘ haben unsere Gäste ihren Buchmesseauftritt betitelt – wir alle sind hier, um diese 17.000 Inseln zu entdecken.“, so der Riethmüller.
Dem deutschen Buchmarkt geht es nach Aussagen des Vorstehers des Börsenvereins gut. „Verlage und Buchhandlungen wissen um ihre Kompetenzen, stellen sich selbstbewusst auf und bieten dem digitalen Kapitalismus Paroli, also all denen, die zentrale Strukturen des Marktes okkupieren und dadurch zerstören wollen“, so Riethmüller. Der Buchmarkt und die Marktteilnehmer hätten sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt, im Mittelpunkt stünden dabei nach wie vor die eigentlichen Kernaufgaben – die Entdeckung, Publikation, Kuratierung und Vermarktung von Inhalten. „Ob E-Books oder Social-Reading-Portale – das alles ist kein großes Thema mehr, sondern Bestandteil eines breiter gewordenen Marktes.“

Die Welt des Publishing rückt – analog zum immer enger vernetzten Handel – auch in den Messehallen stärker zusammen. So wird die englischsprachige Welt näher an das räumliche Zentrum der Messe geholt. Jeder potentielle Geschäftsabschluss ist jetzt nur noch fünf Minuten Fußweg durch die Hallen entfernt. Das Konzept geht auf: Die Frankfurter Buchmesse wächst mit rund 7.200 Ausstellern aus 104 Ländern. Dazu kommen neue Angebote wie der Orbanism Space für digital getriebene Communities, die neue und internationale Gourmet Gallery oder der Handmade-Day für die Prosumenten der Do-It-Yourself-Community.Das Näher-Aneinander-Rücken bedeutet aber auch: Die Buchmesse ist weltweiter Treffpunkt der Autoren, Journalisten, Kreativen und Kulturvermittler, die in von Extremismus geprägten Zeiten für eine besonnen geführte Diskussion stehen. An keinem Ort wird das besser sichtbar als im neu platzierten „Weltempfang“ in Halle 3.1. Der Themenschwerpunkt lautet dieses Jahr „Grenzverläufe“ und wurde bereits lange vor den Flüchtlingswellen im Sommer festgelegt. Dort finden interkulturelle Feminismus-Debatten, Panels mit Internet-Aktivisten und ein Kompendium politischer Autoren statt.

Der Umsatz im Buchmarkt lag bis Ende September 2015 bei minus 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, doch das allein sagt nach Einschät-zung von Heinrich Riethmüller über die eigentliche Marktentwicklung nicht viel aus. „Die Umsatzzahlen bilden einen Markt ab, dessen Jahresergebnis geprägt ist von einzelnen Titeln, die sich ausnehmend stark verkaufen. Harry-Potter-Jahre oder Shades-of-Grey-Jahre waren stets die umsatzstärksten für den Buchhandel. Deshalb sehen wir ein leichtes Minus auch mit Gelassenheit, weil es lediglich zeigt, dass wir diese wirtschaftlichen Ausnahmetitel in diesem Jahr nicht haben.“ Er gehe dennoch davon aus, nach einem starken Herbst in etwa auf Vorjahresniveau zu landen.