Die Frankfurter Buchmesse ist zurück – Fünf Tage kulturelle Vielfalt und internationaler Austausch

© Foto: Diether von Goddenthow
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4000 Aussteller aus 95 Ländern in Frankfurt / Das spanische Königspaar und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Eröffnung der 74. Frankfurter Buchmesse Ehrengast Spanien: Sprachliche Vielfalt und Kreativität / Schwerpunkt-Thema Übersetzung Fokus Ukraine: Veranstaltungen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und First Lady Olena Selenska (virtuell)

Mit 4000 Ausstellern aus 95 Ländern, auf zehn Hallenebenen, mit zahlreichen Bühnen auf dem Messegelände, mehr als 2000 Events und 4000 akkreditierten Journalisten ist die Frankfurter Buchmesse (19.-23.Oktober 2022) in voller Präsenz zurück. Am heutigen Dienstag, 18. Oktober um 17.00 Uhr, wurde die 74. Frankfurter Buchmesse in Anwesenheit des spanischen Königspaares, König Felipe VI und Königin Letizia, sowie von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender eröffnet. Ebenfalls zu den Eröffnungsrednern gehörten Boris Rhein, der Ministerpräsident des Landes Hessen, die Bürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main, Dr. Nargess Eskandari-Grünberg, die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs, und die literarischen Festredner aus Spanien, Irene Vallejo und Antonio Muñoz Molina.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier © Streaming-Foto: Diether von Goddenthow
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier © Streaming-Foto: Diether von Goddenthow

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterstrich in seiner Rede, dass die  Frankfurter Buchmesse ein bedeutendes kulturelles, aber auch soziales und politisches Ereignis, „ohne das unser Land, unsere Kulturnation Deutschland im Grunde gar nicht zu denken wäre.“

Aber diese Buchmesse sei nicht nur ein Ereignis für unser eigenes Land. Sie strahle auch weit darüber hinaus und hane sich in den vielen Jahrzehnten einen großen internationalen Ruf erworben. „Hier finden nicht nur bedeutende Geschäfte statt, werden Lizenzen vereinbart und Verträge abgeschlossen. Hier treffen sich Autorinnen und Autoren, Verleger und Agentinnen, aber auch Leserinnen und Journalisten aus allen Sprachen und Kulturen. Hier werden internationale Beziehungen geknüpft, auf eine sehr persönliche, individuelle Art“, so der Bundespräsident.

Boris Rhein, Hessischer Ministerpräsident.© Streaming-Foto: Diether von Goddenthow
Boris Rhein, Hessischer Ministerpräsident.© Streaming-Foto: Diether von Goddenthow

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein unterstrich in seinem Grußwort den Wert des freien Wortes: „Die Freiheit zu denken, zu lesen und zu sagen, was wir für richtig erachten, ist häufig so selbstverständlich, dass wir sie allzu oft als gegeben ansehen. Wie essentiell diese Freiheit jedoch ist, sieht man überall dort, wo regimekritische Autoren auf dem Index landen und das Internet blockiert wird. Jeden Tag gehen weltweit Menschen auf die Straße, riskieren Leib und Leben, weil sie genau diese Freiheit für sich beanspruchen“, sagte der Ministerpräsident.

„Die Frankfurter Buchmesse ruft uns alljährlich ins Gedächtnis, wie wichtig diese Freiheit ist. Wir in Hessen sind sehr stolz, dass die internationale Literaturszene in diesen Tagen auf unser Land blickt. Wir sind ausgesprochen gerne Gastgeber“, sagte der Regierungschef.

Juergen Boos, der Direktor der Frankfurter Buchmesse, sagte: „Ich freue mich sehr auf das Wiedersehen mit vielen Autor*innen, Verleger*innen und Partner*innen. Die persönliche Begegnung ist gerade jetzt so wichtig wie nie: Denn Präsenz hilft gegen Polarisierung. Man spricht anders miteinander, wenn man einander gegenübersteht. In den nächsten Tagen werden in Frankfurt aktuelle, kontroverse und leidenschaftliche Diskussionen ausgetragen werden. Und sie werden nicht ungehört verhallen. Denn gemäß unserem diesjährigen Motto „Translate. Transfer. Transform.“ sind wir überzeugt, dass die Buchbranche für die notwendige Verständigung sorgen kann. Sei es durch Übersetzung von Literatur von einer Sprache in die andere, durch weltweite Solidarität mit Büchermacher*innen im Exil, oder durch die internationale Vernetzung, die hier stattfindet.“

Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, und der britisch-pakistanische Schriftsteller Mohsin Hamid,  bei der Eröffnungspressekonferenz der 74. Frankfurter Buchmesse  © Foto: Diether von Goddenthow
Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, und der britisch-pakistanische Schriftsteller Mohsin Hamid, bei der Eröffnungspressekonferenz der 74. Frankfurter Buchmesse © Foto: Diether von Goddenthow

Weltweit größter Marktplatz für Bücher, der Start in den Leseherbst und ein bedeutendes Kulturereignis für die Völkerverständigung – das alles sei die Frankfurter Buchmesse, die morgen startet, so Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels bei der Pressekonferenz zur Messe-Eröffnung. „In einer Welt, in der zwischen politischen, kulturellen und ideologischen Haltungen immer tiefere Gräben entstehen, schafft die Buchmesse Raum für den friedlichen, demokratischen Austausch“, so Schmidt-Friderichs. Die Buchbranche nehme ihren gesellschaftlichen Auftrag sehr ernst: „Verlage und Buchhandlungen wollen gerade in diesen unsicheren Zeiten eine umfassende Versorgung mit Literatur, Sach- und Fachinformationen gewährleisten.“

Gleichzeitig betonte sie, wie steigende Energiekosten, Ressourcenengpässe und eine spürbare Kaufzurückhaltung Verlage, Buchhandlungen und die Branchenlogistik erheblich unter Druck setzten. Buchhandlungen rechneten mit einem Anstieg der Energiekosten von bis zu 300 Prozent. Verlage, die schon im laufenden Jahr rund 50 Prozent mehr für Druck und Produktion ihrer Bücher bezahlen müssten, gingen von weiteren Steigerungen um 20 bis 30 Prozent im kommenden Jahr aus. Der Branche stehe, so Schmidt-Friderichs, ein frostiger Herbst und Winter bevor und man hoffe, dass die Frankfurter Buchmesse auch neue Impulse insbesondere für den  stationären Handel bringe.

Politische Prominenz auf der Frankfurter Buchmesse

Zahlreiche Spitzenpolitiker und Politikerinnen werden der Frankfurter Buchmesse in den nächsten Tagen einen Besuch abstatten, oder das Wort per Videobotschaft an die anwesenden Verleger*innen richten: Am Messedonnerstag meldet sich der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, bei einer Versammlung der Europäischen Verlegervereinigung (FEP) virtuell zu Wort. Und auch die First Lady der Ukraine, Olena Selenska, wird im BRIGITTE Talk (Messesamstag, 17.30 Uhr) digital zu Gast sein. In Frankfurt Präsenz zeigen werden die Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht, die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Lisa Paus, Kulturstaatsministerin Claudia Roth und zahlreiche weitere Spitzenpolitiker*innen aus dem In- und Ausland.

Appell zum Schutz der Buchbranche

Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, und der britisch-pakistanische Schriftsteller Mohsin Hamid, appellierten zuvor heute bei der Eröffnungspressekonferenz der 74. Frankfurter Buchmesse  zum Schutz der Buchbranche.  Im Rahmen ihrer publizistischen Möglichkeiten sei es ihre Pflicht, ein sichtbares Gegengewicht zu spalterischen, antidemokratischen und diskriminierenden Tendenzen zu schaffen und diese geschlossen zu verurteilen.

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, forderte Unterstützung aus der Politik, um die Stellung der Buchbranche zu schützen: „Die Frankfurter Buchmesse ist der weltweit größte Marktplatz für Bücher und Geschichten. Gleichzeitig ist sie ein bedeutendes Kulturereignis für Völkerverständigung. In einer Welt, in der zwischen politischen, kulturellen und ideologischen Haltungen immer tiefere Gräben entstehen, schafft die Buchmesse Raum für den friedlichen, demokratischen Austausch. Verlage und Buchhandlungen wollen gerade in diesen unsicheren Zeiten eine umfassende Versorgung mit Literatur, Sach- und Fachinformationen gewährleisten. Während der Corona-Pandemie ist ihnen das erfolgreich gelungen – die Buchbranche hat sich in den letzten beiden Jahren als bemerkenswert widerstandsfähig erwiesen. Doch die instabile Welt- und Marktlage stellt sie vor neue große Herausforderungen. Die Branche braucht dringend ausgleichende Maßnahmen durch die Politik, damit sie ihrem gesellschaftlichen Auftrag weiterhin in gewohnter Weise nachkommen kann.“

Übersetzung im Fokus

Im Rampenlicht stehen Übersetzer und Übersetzerinnen von Literatur selten – und doch ist ihre Arbeit essenziell. Dass der Akt des Übersetzens auch im übertragenen Sinne allgegenwärtig ist, sobald Sprachräume, Kulturen, Erfahrungen oder Gewohnheiten aufeinandertreffen, führt zu der großen thematischen Klammer der 74. Frankfurter Buchmesse: „Translate. Tansfer. Transform.“

Der Schriftsteller Mohsin Hamid sagte in seiner Rede auf der Eröffnungspressekonferenz: „Mindestens die Hälfte der Bücher, die mir in meinem Leben am meisten bedeutet haben, wurden in Sprachen geschrieben, die ich selbst nicht lesen kann. Ohne Übersetzer wäre ich heute nicht der Leser, der ich bin. Auch meine eigenen Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt, die ich selbst nicht beherrsche. Ohne Übersetzer wäre ich nicht ansatzweise der Schriftsteller, der ich bin. Und nicht nur das. Gabriel García Márquez hat über den Übersetzer Gregory Rabassa gesagt: ‚Er hat meine Bücher besser geschrieben als ich.‘ Ich vermute, dass viele von uns Schriftstellern dasselbe sagen würden, beherrschten wir die Zielsprache gut genug, um das Werk unserer Übersetzer lesen zu können. Übersetzer sind unverzichtbar. In unserer heutigen Welt, einer Welt der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit und des Nativismus, einer Welt, die sich auf den Bau von Mauern konzentriert, schaffen Übersetzer Fenster und Türen.“

Große internationale Beteiligung, starker Ehrengastauftritt Spaniens

Impression  des spanischen Ehrengast-Pavillons im Forum. Bücher stehen hier im Zentrum und bei der "Wurstlandschaft" handelt es sich um Sitzmöglichkeiten, um in Ruhe schmökern zu können. © Foto: Diether von Goddenthow
Impression des spanischen Ehrengast-Pavillons im Forum. Bücher stehen hier im Zentrum und bei der „Wurstlandschaft“ handelt es sich um Sitzmöglichkeiten, um in Ruhe schmökern zu können. © Foto: Diether von Goddenthow

Rund zwei Drittel der Aussteller kommen aus dem Ausland. Die asiatische Beteiligung ist erfreulich hoch; Nordamerika und Mittel- und Südeuropa sind im Länderspektrum besonders stark vertreten. Einen bedeutenden Anteil hat hierbei Spanien: Der Ehrengast 2022 ist mit über 320 Ausstellern und Agenturen und allen Sprachräumen des Landes präsent und ist im ausgebuchten Literary Agents & Scouts Center (LitAg) nach Großbritannien und den USA sogar die drittstärkste Fraktion.

Programmatisch tritt Spanien vor allem im Ehrengast-Pavillon (Forum Ebene 1) in Erscheinung, wo Besucher unter dem Motto „Creatividad Desbordante – Sprühende Kreativität“ auf Expedition gehen können. Durch das Zusammenspiel von Architektur, KI-gestützten Installationen und Live-Veranstaltungen wird hier jeder seine individuelle Reise antreten und dabei auf literarische Stimmen treffen wie Kiko Amat, Elena Medel, Cristina Morales, Elizabeth Duval, Rosa Montero, Sara Mesa und Fernando Aramburu. Dem Gesamtkonzept liegt die „Theorie der Kirschen“ der Schriftstellerin Carmen Martín Gaite (1925-2000) zugrunde: „Geschichten sind wie Kirschen. Wer in eine Schale mit Kirschen hineingreift, wird niemals nur eine einzelne Frucht erwischen.“ So soll es sich auch mit den Begegnungen und Eindrücken verhalten, die dem Publikum beim Besuch des Pavillons widerfahren. Insgesamt umfasst die spanische Delegation rund 200 Autoren und Kreative aus Spanien. Beteiligt sind sie unter anderem auch am Literaturfestival BOOKFEST, bei THE ARTS+ und am Buchmesse-Fachprogramm.

Die 74. Buchmesse wird gefördert durch Mittel aus dem Programm NEUSTART KULTUR der Bundesregierung.