Zum fünften Mal stellte die Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (ZIRP) e.V. beim traditionellen kulturellen Jahresauftakt im Mainzer unterhaus vier prominente Persönlichkeiten aus Rheinland-Pfalz mit ihren neuen Plänen und Zielen für 2020 vor. Im Gespräch mit SWR-Moderatorin Patricia Küll verrieten Professorin Susanne Weissman, designierte Präsidentin der Hochschule Mainz, Dr. Denis Alt, seit 2019 Kulturstaatssekretär im Wissenschafts- und Kulturministerium, Dr. Bernd Herkner, seit 2019 Leiter des Naturhistorischen Museums Mainz und Stephan Denzer, seit Juli 2019 Geschäftsführer und Programmplaner des Mainzer Unterhauses, ihre wichtigsten Ziele für die kommenden 11 Monate vor. Heike Arend, Geschäftsführerin der ZIRP konnte zahlreiche Gäste begrüßen und gab einen kurzen Rückblick . Musikalisch grandios umrahmt wurde die Veranstaltung von den jungen Musikstipendiaten der ZIRP Enrico Czmorek (Klavier) und Morgane Voisin (Violine).
Durch die Talkrunde „Auf ein Neues“ führte SWR-Moderatorin Patricia Küll.
Professorin Dr. Susanne Weissman, Vizepräsidentin an der Technischen Hochschule Nürnberg, sagte, sie trete buchstäblich in große Fußstapfen ihres Vorgängers Herrn Muth. Dafür habe sie in Nürnberg mit einigen Dingen im Leben abgeschlossen, zum Beispiel ihre Psychotherapeutische Praxis und ihre Unternehmensberatung aufgegeben, um hundertprozentig ihre künftige Position an der Mainzer Hochschule auszuüben. Bei den ersten Besuchen, „die ich schon in den Fachbereichen hatte“ sei ihr aufgefallen, „dass es viele verborgene Schätze gibt, die es zu heben gilt“, deren Heben sie gerne unterstützen will. Sie hoffe in einem Jahr in wesentlichen Zügen ein gemeinsames Zielbild zu entwickeln.
Aus aktuellem Anlass erinnerte Dr. Denis Alt, Staatssekretär für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur , an den weltweiten Gedenktag des Nationalsozialismus, auch um einmal deutlich zu machen, dass „wir als Ministerium im Grunde genommen die ersten sind, die unter Einschränkung der Demokratie ganz besonders zu leiden hätten. Wir vertreten die Wissenschaft die Wissenschaftsfreiheit, aber auch die Kunst und Kultur und damit die Kunst und Kulturfreiheit, die als erstes zu leiden hätten wenn, „die Demokratie unter Beschuss gerät“. Und da es gegenwärtig diese Entwicklung gibt, so Alt, „lege nahe, dass wir uns in besonderer Weise der Verteidigung unserer Demokratie in diesem Jahr 2020 verschreiben müssen“. Der Staatssekretär und Kulturmensch Alt, der gerne klassische wie rockige Musik hört, glaubt, dass die Vielfältigkeit kultureller Angebote in Rheinland-Pfalz nicht nur in Oberzentren, sondern insbesondere auch in der Fläche etwas ganz Besonderes seien. Für ihn stünde es gar nicht persönlich zur Diskussion, ob für Kultur Geld ausgegeben werden müsse, denn „wir können Kultur nicht ausschließlich am wirtschaftlichen Erfolg messen“; sondern es gäbe eben Einrichtungen, „die der Pflege von Kultur dienen“, und es gäbe „auch so etwas wie einen kulturellen Schatz und Reichtum, den man pflegen muss, den man sich für kommende Generationen bewahren muss.“, so Alt, der überzeugt davon ist, „dass es die Aufgabe eines Staates, eines öffentlichen Gemeinwesen ist, übrigens auch jeder Stadt und Gemeinde, Kulturpflege zu betreiben“ .
Paläoanthropologe und Dinosaurierexperte Dr. Bernd Herkner sieht im neuen Jahr seine vordringliche Aufgabe darin, „das Naturkundemuseum Mainz sichtbarer zu machen, und zwar einmal das Museum selbst, aber auch die Bedeutung der Sammlung nach außen hin zu unterstreichen. Die Sammlung des Naturkundemuseums Mainz umfasse 1,5 Millionen Objekte. Das sei eine wissenschaftliche Datenbasis, eine Datenbank der Natur, eine unschätzbare Infrastruktur für die Forschung gerade jetzt auch hinsichtlich des Artenverlustes, so der Museumsdirektor. Die Naturkundemuseen weltweit seien mit ihren Sammlungen praktisch die „Verwalter der Artenvielfalt“, da sie die Daten, die physischen Objekte dazu haben mit zum Teil darin schlummernden unbekannten wertvollen Informationen für spätere Generationen. Die notwendige Pflege der Sammlung sei sehr verbesserungswürdig, insbesondere auch im Hinblick auf ihre Digitalisierung. Selbst Sammlungen der ganz großen Häuser in Paris und in London seien noch weniger als 10 % digitalisiert. Das sei eine Riesenaufgabe und da müssten natürlich auch Mittel fließen, um das leisten zu können. Mit dem „Standardpersonal„ wäre man froh, gerade mal den Museumsalltag, die Ausstellungen, Vermittlung usw. zu schaffen. Da sei noch viel zu tun, und vor allem wäre für ihn in diesem Jahr noch fällig, das Konzept für den weiteren, neuen Gebäudebereich zu entwickeln, so Herkner.
Naturhistorisches Museum Mainz
Reichklarastraße 1 und 10
55116 Mainz
Stephan Denzer, langjähriger Leiter der Abteilung Kabarett und Comedy im ZDF, 3sat und ZDFneo, und seit Juli 2019 neuer Chef im Mainzer unterhaus will 2020 seine Visionen für ein neues unterhaus in ein klares, konkretes Bild gießen, um den Wandlungsprozess in Gang zu setzten. Das geht nicht von heute auf morgen. Bei der „Heute-Show“ habe es auch fünf Jahre gedauert, bis aus dem anfänglichen Quotenflopp nun das Programmformat mit der höchsten Einschaltquote junger Zuschauer im ZDF wurde. Dem Erfinder von „Die Anstalt“, „Heute-Show“, Leute, Leute“, „Pelzig hält sich“, „Ellerbeck“, „Sketch History“ usw. fiel seine Entscheidung nicht leicht, mit knapp über 50 nochmal etwas ganz Neues zu wagen. Das Loslassen seines Leitungspostens beim ZDF, wo er viel bewegen konnte, sei eine seiner schwersten Entscheidungen im Leben gewesen. Doch die Zeit war reif, nach all dem Erreichten eine neue Herausforderung anzunehmen. Mit der Leitung der Kleinkunstbühne, „er hasse diesen Begriff Kleinkunst“, sei ihm das gelungen. Vor dieser Aufgabe habe er einen Riesenrespekt, und hoffe, dass ihm die Neugestaltung gelinge. Das Unterhaus, so Denzer, müsse wieder für alle Altersgruppen da sein, müsse zu einer Welt für alt und jung werden. Das Unterhaus müsse sich wandeln, offen für neue Formate werden, „um nicht am Ende abgehängt zu werden von den Entwicklungen wie etwa der Digitalisierung, so Denzer. Man müsse sich die Frage stellen, „wie kann ich einer solchen gravierenden gesellschaftlichen Veränderung gerecht werden, auch in einem so alten Traditionshaus wie dem unterhaus“.
Vorteilhaft sei, dass das Unterhaus über zwei Spielstätten verfüge, einmal über das traditionelle Kabarett im großen Theater unten, „und da werden wir natürlich das, was bisher dieses Haus geprägt hat und auch für eine breite Zustimmung in der Bevölkerung sorgt, weitermachen und sich das traditionelle Kabarett weiter entfalten lassen, so Denzer. Im der oberen Theater hingegen sollen dann „die“ Jungen „ihre“ Spielstätte bekommen, wo Experimente stattfinden können, „wo das passiert, was dann hoffentlich in Zukunft die Menschen, wenn sie nicht mehr die Treppe hier hochkommen, unten ins Theater führt“, erläutert Denzer ein wenig augenzwinkernd und zeigt damit, wie die verschiedenen „Formate“ einander befruchten könnten.
Zurzeit verknüpft sich der neue Unterhaus-Chef mit zahlreichen Mainzer Kulturinstitutionen, wie etwa dem Frankfurter Hof oder mit der Mainzer Film-Hochschule. „Wir arbeiten mit den Studenten zusammen. Wir versuchen ihnen den Einblick in Kleinkunst und Comedy zu geben, etwa wie man Inhalte lustig gestalten kann usw.. Im Gegenzug hilft die Hochschule, die ihnen neue Web- und Instagram-Auftritte gestaltet hat, das Unterhaus auf Instagram, Facebook usw. aktiver zu bewerben. „Das ist eine wunderbare Symbiose, eine Synergie, die da entsteht“, so Denzer. Er habe angehende Filmwissenschaftler und auch Studenten am journalistischen Seminar versucht für Comedy zu begeistern. Zwei seien bereits hängen geblieben, „die jetzt gemeinsam ein bisschen im unterhaus mitarbeiten wollen“.
Ja, und es stimme auch, dass ein eigenes Ensemble am Unterhaus entstehen solle. „Wir sind jetzt in der Casting-Phase“. Man könne sich noch bewerben: „Sie müssen uns ein kleines Selfie -Video schicken und irgendetwas Lustiges zu Fridays for Future sagen können. Und dann schaffen Sie’s ins Casting!“ , ermutigt der Unterhaus-Chef, es zu versuchen.
Mainzer Unterhaus
unterhaus – Mainzer Forum-Theater gGmbH
Münsterstraße 7,
55116 Mainz
(Diether v. Goddenthow / Rhein-Main.Eurokunst)