Trees of Life – Erzählungen für einen beschädigten Planeten 10.10.2019–19.01.2020 Senckenberg im Frankfurter Kunstverein

©  Foto: Diether  v Goddenthow.
© Foto: Diether v Goddenthow.

Vom 10. Oktober 2019 bis zum 19. Januar 2020 präsentiert der Frankfurter Kunstverein mit „Trees of Life – Erzählungen für einen beschädigten Planeten“ ein interdisziplinäres Ausstellungsprojekt, das den Blick von einem historisch gewachsenen, anthropozentrischen Weltbild auf ein systemisches Verständnis des Menschen als Teil des evolutionären Prozesses führt.

Das ist der Auftakt einer Kooperation der eigentlich unüblich erscheint zwischen zwei Häusern, die sich der naturwissenschaftlichen Forschung und zeitgenössischer Kunstproduktion widmen.  Es ist für uns eigentlich der Beginn einer mehrjährigen geplanten Kooperation. Und dieses Mal eröffnen wir mit der Ausstellung im Frankfurter Kunstverein, und in Zukunft werden wir zu Gast im Senckenberg Naturmuseum sein, erläuterte Professorin Franziska Nori, Direktorin des Frankfurter Kunstvereins und Kuratorin der Sonderausstellung beim heutigen Pressegespräch im Frankfurter Kunstverein.

v.l.: Prof. Dr. Dr. h. c. Volker Mosbrugger, Generaldirektor Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung,  Prof. Franziska Nori, Direktorin Frankfurter Kunstverein, Kuratorin der Ausstellung, Philipe Havlik, Wissenschaftler im Senckenberg-Naturmuseum, als wissenschaftlicher Berater.  © Foto: Diether v Goddenthow
v.l.: Prof. Dr. Dr. h. c. Volker Mosbrugger, Generaldirektor Senckenberg Gesellschaft für
Naturforschung, Prof. Franziska Nori, Direktorin Frankfurter Kunstverein, Kuratorin der Ausstellung, Philipe Havlik, Wissenschaftler im Senckenberg-Naturmuseum, als wissenschaftlicher Berater. © Foto: Diether v Goddenthow

Das langwierige Programm im Frankfurter Kunstverein habe ja auch immer wieder gezeigt, „dass wir ein besonderes Interesse für die Künstlerinnen und Künstler haben, die sich den Wissen auch von naturwissenschaftlicher Erkenntnis her ernähren und die großen Fragen auch unserer heutigen Gesellschaft in zeitlichen und historischen Moment stellen“, sagte Nori. Und das löse diese Ausstellung bestimmt auch ein. „Wir haben haben nämlich vier Künstler /innen ausgesucht, die unterschiedliche Arten der Annäherung an die heutige Frage, wie wir uns als Mensch als Teil eines Planeten, eines Großen und Ganzen sehen“, die diese Fragen diskutierten, und ihre unterschiedlichen Positionen auch entsprechend repräsentieren könnten.
Es ginge bei der Kooperation insbesondere auch darum, zu fragen, wer aus welcher Perspektive vom „beschädigten“ Planeten Erde erzählt. Das sei die Grundidee mit der Besucherinnen und Besucher in der Ausstellung, die viele visuelle Metaphern zeige, erstmal willkommen geheißen würden, so die Nori. In der Ausstellung stünden die Exponate aus dem Senckenberg Naturmuseum nicht nur als wissenschaftliche Belege, sondern sie seien Fragmente von der Welt im Verlauf ihrer Evolution. „Sie ermöglichen uns, einen Bezug zu Zeiten herzustellen, die so unermesslich sind, dass man sie in Zahlen ausdrücken, aber emotional nicht zu begreifen und zu empfinden vermag“, erläuterte die Kuratorin.

Die Ausstellung habe im wesentlichen mit dem Thema „Antropozen“ zu tun, ein Thema, mit dem der Mensch sich in den nächsten 100, 200 Jahren intensiv wird auseinandersetzen. Es ginge um eine kritische Betrachtung dessen, „das es uns auf der einen Seite gelungen ist, durch unsere Intelligenz eine Welt zu schaffen, in der es uns so gut geht, wie noch nie“, aber das Ganze „erfolgte auf Kosten des Planeten, dem Planeten der Erde“, sagte Prof. Dr. Dr. h. c. Volker Mosbrugger, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Unserem Naturkapital Erde ginge es so schlecht wie noch nie. „Das heißt: wir haben eigentlich in den letzten paar hundert Jahren unseren Planeten ziemlich ausgebeutet zu unserem Wohl. Und wir müssen jetzt Wege finden, wie wir eigentlich zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung unserer Erde kommen, eine Herausforderung, die alle betrifft. Und gerade da denke ich, macht es Sinn, Wissenschaft und Kunst näher zusammen zu bringen. Warum?: Wissenschaft und Kunst sind beides Früherkennungssysteme. Wenn immer sich etwas verändert“ reagierten Wissenschaft aber eben auch die Kunst als empfindsame Sensoren.

Kaum ein "Zeitzeuge" verbindet "Naturwissenschaft und Kunst" augenscheinlicher als der Agathoxylon, der verkieselte Stamm eines Nadelbaums, 225 Millionen Jahre alt, Nevada, USA, Leihgabe der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. © Foto: Diether v Goddenthow
Kaum ein „Zeitzeuge“ verbindet „Naturwissenschaft und Kunst“ augenscheinlicher als der Agathoxylon, der verkieselte Stamm eines Nadelbaums, 225 Millionen Jahre alt, Nevada, USA, Leihgabe der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. © Foto: Diether v Goddenthow

Tatsächlich beschäftigten sich Wissenschaft und Kunst intensiv auch mit diesem Thema, wir der Mensch eigentlich mit seinem Planeten umgehe, und das aus unterschiedlichen Perspektivenm, so Mosbrugger: „Wir Naturwissenschaftler kommen sehr stark von den Daten, von den Fakten, von den Prozessen, vom analytischem Verständnis. Die Kunst hat weniger einen reduktionístischen, sondern mehr einen holistischen Zugang“. In der Kunst ginge es auch um Fragen des Selbstverständnisses des Menschen, um existentielle Fragen und auch um Ästhetik.
Durch die Sicht aus unterschiedlichen Perspektiven, das Hin- und Herspringen zwischen Kunst- und naturwissenschaftlicher Welt, zwischen reduktionistischen und holistischen Sichtweisen, zwischen Sinnfrage und Verständnis, Prozessverständnis, entstünde für Betrachter ein Mehrwert und „wir beide sind überzeugt, dass dadurch mehr entstehen kann, sowohl für Leute, die mehr an Kunst interessiert sind, wie für Leute, die jetzt mehr an Naturwissenschaften interessiert sind“, so Mosbrugger. Wissenschaftliche Ansätze könnten durch die Kunst emotional erlebbar werden und neue Zugänge zu Erfahrungs- und Denkräumen führen.

Der Ansatz:

Für die Ausstellung produzieren zeitgenössische Künstler*innen Werke und Rauminstallationen und stellen diese in einen inhaltlichen Dialog mit wissenschaftlichen Exponaten aus den Sammlungen des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt. Das Ausstellungsprojekt wird von Podiumsdiskussionen begleitet, an denen Schriftsteller*innen, Naturwissenschaftler*innen, Philosoph*innen und zeitgenössische Künstler*innen miteinander das thematische Spektrum ausloten.

Ausstellungs-Impression © Foto: Diether v Goddenthow
Ausstellungs-Impression © Foto: Diether v Goddenthow

Die Ausstellung wird die gesamte Fläche des Frankfurter Kunstvereins bespielen. Kuratiert wird die Schau von Franziska Nori, Leiterin des Frankfurter Kunstvereins, in Zusammenarbeit mit Philipe Havlik aus dem Stab Zentrale Museumsentwicklung bei Senckenberg.

Den teilnehmenden Künstler*innen ist jeweils ein eigener Ausstellungsraum gewidmet. Der Fokus der Ausstellung ist auf zeitgenössische Diskurse gerichtet, die aktuell in zahlreichen Disziplinen geführt werden und die sowohl das dualistische Denken (Mensch-Natur), als auch die Idee eines Vorrangs des Menschen neu überdenken.

So spielen zum Beispiel die Thesen der Naturwissenschaftshistorikerin Donna Haraway eine Rolle, welche die darwinistische Auffassung von Evolution als Primat des Stärkeren um die Idee der Kollaboration zwischen Arten diskutiert. Auch die mikrobiologischen Erkenntnisse von Lynn Margulis und der von ihr und James Lovelock verfochtenen Gaia-Hypothese werden aufgegriffen. Sie betrachten die Erde als ein zusammenhängendes Ganzes, in dem ein selbstregulierender Prozess alle Lebewesen miteinander in einem System vereint.

Diese Gedanken haben in der heutigen Gesellschaft, verschiedenen wissenschaftlichen Diskursen und in der zeitgenössischen Kunst einen starken Widerhall erzeugt, der in unterschiedlichen ästhetischen Formulierungen seinen Ausdruck findet. Die Ausstellung „Trees of Life“ hat mit gänzlich unterschiedlichen Ansätzen arbeitende Künstler*innen eingeladen, ihre künstlerische Recherche in Frankfurt zu präsentieren.

Das Senckenberg Naturmuseum und der Frankfurter Kunstverein wollen als komplementäre Partner in einer strategischen Kooperation die Potentiale einer neuartigen Verbindung zwischen Wissenschaft und Kunst ausloten, um neue Perspektiven und Narrative zu präsentieren und dabei Verstehen und Orientierung verbinden.

Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können – dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr 200 Jahren. Diese integrative „Geobiodiversitätsforschung“ sowie die Vermittlung von Forschung und Wissenschaft sind die Aufgaben Senckenbergs. Die drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden zeigen die Vielfalt des Lebens und die Entwicklung der Erde über Jahrmillionen.

Mit dem Verständnis von Kunst als Mittler zwischen fachspezifischem Wissen aus den zahlreichen Forschungsbereichen, theoretischen Positionen und Lebensrealitäten, arbeitet der Frankfurter Kunstverein seit vielen Jahren bevorzugt mit Künstler*innen, die Fragestellungen aus technischen Wissenschaften, Naturwissenschaften als auch Geisteswissenschaften aufgreifen. Ihre künstlerischen Auseinandersetzungen und Präsentationen ermöglichen den Besucher*innen, sich durch ästhetische Erlebnisse wissenschaftliche Kenntnisse über die Entschlüsselung von Vernunft hinaus auch mit der Kraft der Poesie anzueignen.

Das Ausstellungsprojekt wird gefördert vom Kooperationspool Frankfurt.

Der Ausstellungsparcours

Rauminstallation "Leben im Wassertropfen" 2019, von Master-Studierenden, Intermedia Design Trier u. Prof. Daniel Gilgen mit Sound Editing von Marcus Haberkorn (Hochschule Trier) © Foto: Diether v Goddenthow
Rauminstallation „Leben im Wassertropfen“ 2019, von Master-Studierenden, Intermedia Design Trier u. Prof. Daniel Gilgen mit Sound Editing von Marcus Haberkorn (Hochschule Trier) © Foto: Diether v Goddenthow

Jede Zeit und jede Kultur hat ihre eigenen Denkmodelle, ihre eigenen Erzählungen hervorgebracht, wieder verworfen, weiterentwickelt oder gar vergessen und neuentdeckt. Das Wissen ist situativ, stellt die Geschichtswissenschaftlerin Donna Haraway fest. Realitätsvorstellungen sind gebunden an den Wissensstand einer Zeit und einer Kultur, die Überzeugungen zum Ausdruck bringen. Gleichzeitig generieren sie Machtgefüge und moralische Kategorien.

Den Auftakt der Ausstellung bildet im Erdgeschoss eine Auswahl an visuellen Metaphern: von der aristotelischen Scala Naturae, einer hierarchischen Anordnung der Lebewesen, an deren Spitze sich der Mensch über alle anderen Kreaturen erhebt und die Charles Bonnet 1781 zeichnete; über die Tagebuchaufzeichnung von Charles Darwin (1837), in der er die Evolution, und nicht das göttliche Prinzip, als Ursprung der Schöpfung erstmals skizzierte; über Ernst Haeckels Stammbaum des Menschen (1884), bis zur zirkulären Visualisierung von David Hillis, die im 21. Jahrhundert tausende von Arten in ihrer phylogenetischen Verknüpfung ohne Hierarchie darstellt. Diese Lebensbäume (trees of life) fassen in Bilder wie der (westliche) Mensch sich über die Jahrhunderte als Teil des Weltgefüges sieht.

Der Ausstellungsparcours führt die BesucherInnen weiter zu einem 225 Millionen Jahre alten versteinerten Baum. Der 1,7 Tonnen schwere Stamm kommt aus dem Petrified-Forest- Nationalpark in Arizona. Er stammt aus der Sammlung des Senckenberg Naturmuseum. Durch besondere Bedingungen ist der Stamm versteinert und steht nun als über zwei Meter hohes skulpturales Fossil in prächtigen Farben im Raum. Das Exponat stellt einen physischen Bezug her zwischen uns und einer Zeitdimension, die wir in Zahlen ausdrücken, aber emotional nicht zu begreifen und zu empfinden wissen.

Sonja Bäumel ist ein eigener Ausstellungsraum im ersten Geschoss gewidmet. Ihr künstlerisches Werk setzt an einer Kritik des sogenannten „human exceptionalism“ – der Sonderstellung des Menschen – an und stellt diese in Frage. Bäumels Arbeit entsteht vor dem Hintergrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse, dass 50% des menschlichen Körpers aus Mikroorganismen besteht, mit denen er in komplexen symbiotischen Wechselwirkungen zusammenlebt. Für die Ausstellung im Frankfurter Kunstverein wurde mit der Künstlerin eine umfassende Werkschau konzipiert, in der mehrere ihrer Arbeiten präsentiert werden. Das Material ihrer künstlerischen Arbeiten sind Mikroorganismen ihrer eigenen Haut, aus denen sie lebende Exponate schafft.

Im benachbarten Ausstellungsraum präsentiert der FKV den Film „Symbiotic Earth“, der 2017 an der University of Oxford seine Weltpremiere feierte. Die Mikrobiologin Lynn Margulis trug dazu bei, James Lovelocks Gaia-Hypothese durch ihre mikrobiologischen Erkenntnisse zu untermauern. Mit einem akademischen Hintergrund als Philosophin, die über die Evolutionsgenetik zur Biologie kam und an unterschiedlichen Universitäten arbeitete, war Margulis eine Verfechterin einer anderen Deutung der Evolution, als Ergebnis der Symbiogenese: der Verschmelzung von zwei Lebewesen zu einem Organismus.

Mit dem Film über Lynn Margulis setzt die Ausstellung Stromatholithen in einen räumlichen Dialog, die aus der Sammlung des Senckenberg Naturmuseums stammen. Die Fossilien entstanden vor über 560 Millionen Jahren. Die Versteinerungen bestehen aus Lagen urzeitlicher Cyanobakterien, die Lynn Margulis in ihrem Film als Urzelle allen Lebens und gleichzeitig als Quelle freien Sauerstoffs in der Atmosphäre aufzeigt. Im Querschnitt lassen sich unzählige Bakterienmatten erkennen, die von einer jahrhundertelangen Abfolge von Werden und Vergehen
zeugen.

Die Hochschule Trier hat mit der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung eine immersive Rauminstallation entwickelt. BesucherInnen betreten eine digitale Welt, in der das Leben im Wassertropfen und der darin existierenden Strahlentierchen, Wimperntierchen, Augentierchen und Rädertierchen überdimensional erfahrbar ist. In der Ausstellung wird die Arbeit erstmalig gezeigt.

Edgar Honetschläger ist Künstler und Filmemacher. In seiner künstlerischen Praxis konzentriert er sich auf die Frage nach kulturellen Gegebenheiten und dem Verhältnis des Menschen zur Natur. Honetschläger entschied sich dazu, seine Stimme nicht ausschließlich als Künstler, sondern auch als Aktivist zu erheben und nicht mehr nur im symbolischen Raum der künstlerischen Produktion zu agieren. Mit der Schaffung des gemeinnützigen Vereins „GoBugsGo“ engagiert er sich seit 2018 dafür, weltweit Mitstreiter zu finden. Vor dem Hintergrund der drastischen Entwicklung, dass in den vergangenen zwanzig Jahren die Anzahl und Vielfalt der Insekten global dramatisch zurückgegangen ist, agiert Honetschläger mit dem Anliegen Lebensraum zurückzugewinnen und diesen durch Schenkung oder Kauf dauerhaft als kollektives Eigentum zu erwerben und ihn zu einem menschenfreien Raum umzuwandeln. Die Ausstellung zeigt zum ersten Mal in Deutschland „GoBugsGo“ und widmet Honetschläger einen Ausstellungsraum, in dem sein aktivistisches Projekt gemeinsam mit einer historischen Insektensammlung aus den Sammlungen der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung präsentiert wird. Die Sammlung stammt aus Heidelberg, wurde im 19. Jahrhundert angelegt und zeigt in 42 einzelnen Kästen aufgereihte Arten aus der gesamten Welt. Die Objekte stehen in ihrer ästhetischen Präsenz für eine menschliche Form der Annäherung an Natur.

Im oberen Geschoss befindet sich das Werk des Künstlerkollektivs Studio Drift, das Lonneke Gordijn und Ralph Nauta in Amsterdam gründeten. Ihre Arbeiten untersuchen die Beziehung des Menschen zu den von ihm geschaffenen Dingen und Technologien. Die Ausstellung präsentiert die Werkreihe „Materialism“: Alltagsobjekte, Ikonen der Konsumgesellschaft wie das iPhone oder ein Nokia-Mobiltelefon, wurden in ihre zahlreichen Einzelteile und somit in die darunter liegende Ebene, die der Rohstoffe, dekonstruiert. Zwei weitere Objekte, die in den kriegerischen Auseinandersetzungen weltweit eine zentrale Rolle spielen, sind Teil der Untersuchung von Studio Drift. Die Maschinengewehre M16 (mit Patrone) und die AK 47 (mit Patrone), beide zählen zu den bekanntesten Waffen weltweit. Alle Objekte wurden in ihre einzelnen Bestandteile und dann in ihre chemischen Elemente dekonstruiert und reverse-engeneered. Wir sehen die Artefakte nicht mehr in der Form industriell gefertigter Objekte. Wir begegnen ihnen in ihrer Essenz, in der Reduziertheit auf deren wesentliche Materie. Industrielle Produkte stehen als reine Rohstoffe vor uns, die zu abstrakten Kuben synthetisiert wurden. Geometrische Formen, die auf die Formensprache der klassischer Moderne und dessen Prinzip der Dekonstruktion verweisen.

In räumlicher Nähe stellt die Ausstellung die Quelle aller Elemente, die sich auf unserem Planeten befinden: den Kosmos. Gezeigt werden Moldavite und Meteoriten aus der Sammlung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Meteoriten entstanden vor 4,56 Milliarden Jahren, in der Frühzeit unseres Sonnensystems. Meteorite enthalten chemische Elemente, aus denen das gesamte Sonnensystem besteht und letztendlich alles Lebende auf unserem Planeten hervorgegangen ist. So stammt das Wasser der Ozeane von Kometen, das Kalzium und der Phosphor in unseren Knochen aus den Explosionen von Supernovae, der Wasserstoff in unseren Zellen ist ein Urelement des Urknalls. Eine VR-Station ermöglicht die immersive Erfahrung, die Wucht eines Meteoriteneinschlags selbst zu erleben.

Video-Raum "Holobiont Society" von Dominique Koch im 2. OG © Foto: Diether v Goddenthow
Video-Raum „Holobiont Society“ von Dominique Koch im 2. OG © Foto: Diether v Goddenthow

Dominique Koch bildet den Abschluss des Parcours. Ihre Werke stehen für eine zurzeit in zahlreichen Disziplinen geführte Debatte, die die Notwendigkeit sehen, gefestigte Denkmodelle anhand neuen Wissens wieder kritisch zu hinterfragen. Der Film „Holobiont Society“ entsteht als Montage aus Found Footage mit Audioaufzeichnungen von Interviews dreier international renommierter WissenschaftlerInnen – Scott Gilbert, Maurizio Lazzarato und Donna Haraway – sowie der elektronischen Musik von Tobias Koch. Der Film beginnt mit Gedanken des Biologen Scott Gilbert über den sogenannten genetischen Determinismus und leitet dann zu Lazzaratos kritischen Ansätzen zum Kapitalismus und der Ausbeutung als dessen zentrales Merkmal über. Als dritte Position problematisiert Donna Haraway die Idee der Sonderstellung des Menschen. Koch gelingt es, eine ihr eigene ästhetische Form zu finden, in der sie Fragmente diskursiver Wissensmodelle emotional auflädt.

Die Vernissage findet am 9. Oktober um 19 Uhr statt. Zur Eröffnung spricht unter anderem auch  Ayse Asar, Staatsministerin im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst.

Ort:

FRANKFURTER KUNSTVEREIN
Steinernes Haus am Römerberg
Markt 44, 60311 Frankfurt Main
www.fkv.de