Niemandskind gewinnt Hauptpreis bei goEast 2015

©goEast "Nicije dete" (Niemandskind) ist das Erstlingswerk des Serben Vuk Ršumović, der die Hauptrolle mit dem überzeugenden Jungdarsteller Denis Muric.
©goEast „Nicije dete“ (Niemandskind) ist das Erstlingswerk des Serben Vuk Ršumović, der die Hauptrolle mit dem überzeugenden Jungdarsteller Denis Muric.

Die skurrile wie bewegende Geschichte  eines serbisch-kroatischen Findelkindes, das fernab jeglicher moderner menschlichen Zivilisation aufwächst, gewinnt den mit 10 000 Euro dotierten Hauptpreis des  Filmfestivals goEast 2015. Der serbische Regisseur Vuk Ršumović hatte mit seinem Erstlingswerk  die Jury überzeugt: „Nicije dete“ auf deutsch „Niemandskind“ beruht auf einer wahren Begebenheit vor dem Hintergrund des Bürgerkrieges im ehemaligen Jugoslawien: In den Bergen von Bosnien-Herzegowina wird 1988 ein Wolfs-Junge gefunden. Woher „Haris“, so hatten sie ihn genannt, kommt und wie er in der Wildnis unter Wölfen überleben konnte, bleibt ein Rätsel. Der Film zeigt die Paradoxie wie  Haris „vom Tier zum Menschen“ werden soll, während um ihn herum, die Entwicklung genau umgekehrt verläuft, nämlich die menschliche Zivilisation in der Barbarei des Bürgerkrieges versinkt.

Vuk Ršumović bekommt für sein Erstlingswerk den Hauptpreis sowie auch den Preis für die beste Regie der Landeshauptstadt Wiesbaden
Vuk Ršumović bekommt für sein Erstlingswerk den Hauptpreis sowie auch den Preis für die beste Regie der Landeshauptstadt Wiesbaden

In der Begründung der Jury heißt es: „Der Film überzeugt sein Publikum durch eine starke Geschichte über einen Jungen, der vom Tier zum Menschen zivilisiert wird, während die Welt um ihn herum sich in die Gegenrichtung entwickelt.“

©goEast Das tschechisch-slowakische Boxerdrama "Koza" von Ivan Ostrochovsky erhielt gleich zwei Preise, den Preis der Internationalen Filmkritik FIPRESCI und den Preis der Stadt Wiesbaden für die beste Regie.
©goEast Das tschechisch-slowakische Boxerdrama „Koza“ von Ivan Ostrochovsky erhielt gleich zwei Preise, den Preis der Internationalen Filmkritik FIPRESCI und den Preis der Stadt Wiesbaden für die beste Regie.

Den Preis für die Beste Regie der Landeshauptstadt Wiesbaden (7.500 Euro) gewann Ivan Ostrochovsky mit dem Boxerdrama KOZA.  „Der Preis wird verliehen für die Darstellung eines ungewöhnlichen Mannes auf einer Reise, die ihn an seine Grenzen bringt. Die herausragende Regie bringt uns sehr nahe an die

Protagonisten heran“, so die Jury.

Weitere Filme aus Serbien, Kroatien und der Slowakischen sowie der Tschechischen Republik haben die Preise im Spiel- und Dokumentarfilmwettbewerb der 15. Ausgabe von goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films gewonnen. Mit der von Festivalleiterin Gaby Babic moderierten Preisverleihung endete am Dienstagabend in der vollbesetzten Caligari FilmBühne das vom Deutschen Filminstitut veranstaltete Festival in Wiesbaden.

Mit der von Festivalleiterin Gaby Babić moderierten Preisverleihung endete am Dienstagabend in der vollbesetzten Caligari FilmBühne das vom Deutschen Filminstitut veranstaltete Festival in Wiesbaden.
Mit der von Festivalleiterin Gaby Babić moderierten Preisverleihung endete am Dienstagabend in der vollbesetzten Caligari FilmBühne das vom Deutschen Filminstitut veranstaltete Festival in Wiesbaden.

Gaby Babic zieht eine positive Bilanz: „Wir freuen uns über gelungene Festivaltage, die hinter uns liegen, und haben mit rund 11.450 Besucherinnen und Besuchern einen neuen Publikumsrekord erzielt“, betonte Festivalleiterin Gaby Babic bei der Preisverleihung.

Der Preis des Auswärtigen Amts für kulturelle Vielfalt (4.000 Euro) ging an den Film DESTINACIJA_SERBISTAN / DESTINATION_SERBISTAN von Zelimir Zilnik.
Die Jury begründet die Vergabe des Preises folgendermaßen: „Der Film beleuchtet die gegenwärtigen europäischen Schlüsselthemen auf vielschichtige Art und Weise und diskutiert die Ost-West- und Nord-Süd-Beziehungen aus einer ungewöhnlichen Perspektive.“

Die goEast Jury sprach zudem zwei Lobende Erwähnungen aus: Sie war begeistert von DRIFTER von Gabor Hörcher, dessen Protagonist versucht, sein Leben wieder auf Kurs zu bringen, und ehrte JAMA / ZUHAUSE von Jiri Stejskal für die Geschichte einer Familie, die um ein Leben in Würde kämpft.

Der Preis der Internationalen Filmkritik, vergeben von der FIPRESCI, der internationalen Vereinigung von Filmkritikern- und Filmjournalisten, ging in diesem Jahr ebenfalls an das Boxer-Drama KOZA von Ivan Ostrochovsky.

© massow-picture Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz (l.) und Festivalleiterin Gabi Babic´ gratulieren Doppelpreisträger Ivan Ostrochovský nochmals persönlich nach der Preisvergabe.
© massow-picture Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz (l.) und Festivalleiterin Gabi Babic´ gratulieren Doppelpreisträger Ivan Ostrochovský nochmals persönlich nach der Preisvergabe.

Die FIPRESCI-Jury begründet ihre Vergabe: „Dieses sehr gut beobachtete, poetische Roadmovie spiegelt eindrucksvoll die schwierige und bedrückende Situation in Osteuropa mit der Darstellung eines einfachen, jungen Mannes, der sich als Boxer seinen Lebensunterhalt verdient, um über die Runden zu kommen. In wunderschönen Bildern erzeugt der Film eine einnehmende Atmosphäre und erzählt zudem die Geschichte einer seltsamen, aber großen Freundschaft mit offenem Ausgang.“

Im Wettbewerb für Experimentalfilm und Videokunst wurde die beste Arbeit mit dem Open Frame Award in Höhe von 5.000 Euro ausgezeichnet. Der Preis wird von der BHF-BANK-Stiftung ausgelobt. Die Jury des Open Frame Awards prämierte ESSEN VOM BODEN DER GESCHICHTE / EATING FROM THE FLOOR OF HISTORY (Deutschland 2014) von Sita Scherer. Überzeugt hat die Jury vor allem die Bildsprache, „der eigenständige und sichere Umgang mit dem filmischen Material, der im Einsatz einer dezidiert subjektiven Kamera zwischen dokumentarischen Aufnahmen und assoziativen Montagen changiert und sich auf diese Weise den überwachsenen, doch nie verschließbaren Schichten deutscher Vergangenheit widmet.“

Der goEast Development Award (3.500 Euro) für das beste Pitching im Rahmen des East-West Talent Lab ging an die Projektidee SOL / MESSENGER der Regisseurin Anda Puscas aus Rumänien. In der Jurybegründung heißt es: „Eine berührende Geschichte über die Bedeutung der familiären Bindungen, die unseren Glauben an die menschliche Existenz berührt. Die Geschichte von Leben und Tod, Religion und Glaube konfrontiert uns mit einer geschlossenen, distanzierten Gemeinschaft.“ Bereits 2012 gewann die Rumänin bei goEast den Preis für den besten Dokumentarfilm im Hochschulwettbewerb.

© goEast alle Gewinner auf einen Blick
© goEast alle Gewinner auf einen Blick

Das East-West Talent Lab konnte dank der Unterstützung des Kulturfonds Frankfurt RheinMain und der BHF-BANK-Stiftung realisiert werden.

Die Musikgruppe Hotel-Ost sorgte - zwischen Klezma  und Django  Reinhardt - mit Geige, Akkordeon, Schlagzeug , Tuba, Kontrabass und Klarinette für den passenden klangvollen Rahmen.
©massow-picture Die Musikgruppe Hotel-Ost sorgte – zwischen Klezma und Django Reinhardt – mit Geige, Akkordeon, Schlagzeug , Tuba, Kontrabass und Klarinette für den passenden klangvollen Rahmen.

„Wir freuen uns sehr über das große Interesse, das unser Festival – und damit auch der mittel- und osteuropäische Film – Jahr für Jahr erfährt. Sieben Tage lang schlug das Herz Wiesbadens für goEast. Hier erfuhren Filmschaffende aus Osteuropa die Aufmerksamkeit und den Respekt, den ihr kreatives Schaffen verdient.

©massow-picture: Das Presse- und Orgateam von goEast 15 begrüßte die Festivalgäste.
©massow-picture: Das Presse- und Orgateam von goEast 15 begrüßte die Festivalgäste. Vlnr.: Romina Neu, Friederike Mertes, Johanna Ruhl, Kerstin Herlt, Roswitha Schwabenland, Michael Schurig, Melika Gothe Romina Neu, Friederike Mertes, Johanna Ruhl, Kerstin Herlt, Roswitha Schwabenland, Michael Schurig, Melika Gothe.

Die Festivalwoche war für Besucherinnen und Besucher sowie das Team gleichermaßen eine intensive, inspirierende und spannende Zeit. Talentierte Filmschaffende, bezaubernde Gäste und ein leidenschaftliches Publikum schufen eine wunderbare Atmosphäre, die uns besonders glücklich macht und für die wir sehr dankbar sind“, erklärt Festivalleiterin Gaby Babic.

Nach wie vor großer Beliebtheit erfreute sich das Festivalzentrum in der Wiesbadener Casino-Gesellschaft. Filmemachen in Kriegszeiten war in diesem Jahr einer der thematischen Schwerpunkte von goEast, der vor allem in der Sektion Beyond Belonging zum Tragen kam. In dem Pilotprojekt „Young Filmmakers for Peace“ wurde insbesondere der Dialog zwischen russischen und ukrainischen NachwuchsfilmemacherInnen gefördert. goEast ist es gelungen, einen Raum für intensive und fruchtbare Begegnungen zu schaffen, was angesichts der angespannten politischen Situation zwischen Ost und West von großer Bedeutung ist.

©massow-picture: Zum Schluss des Preisverleihungsreigen stellten sich alle Aktiven von goEast 15 einem Gruppenfoto, ein wenig abschiedswehmütig: Aber nach dem Festival ist vor dem Festival goEast 16!
©massow-picture: Zum Schluss des Preisverleihungsreigens stellten sich alle Aktiven von goEast 15 einem Gruppenfoto, ein wenig abschiedswehmütig: Aber nach dem Festival ist vor dem Festival goEast 16!