Mainz: KUZ is back! – Blumfeld are back!


„Ein tolles Konzert in meinem Lieblings-Bundesland.“ Hätte es einer Anbiederung an sein Publikum bedurft, so wäre sie Jochen Distelmeyer vielleicht mit diesen Worten im gut gefüllten Mainzer Kulturzentrum gelungen. Von den Konzertbesuchern kontert einer mit der Frage nach der Grünen Soße (irgendwann muss sich Distelmeyer einmal als Fan des hessischen Nationalgerichts geoutet haben). Prompt kommt zurück: „Green sauce included, my dear, green sauce included“, doch als dann tatsächlich eine Packung frischer Kräuter für die „Grie Soß“ auf der Bühne landet, kann Blumfelds Frontmann es kaum glauben und freut sich über das vorzeitige Weihnachtsgeschenk drei Tage vor dem Fest wie ein Kind. Der Sänger und Songschreiber ist an diesem Abend gut drauf. Als Opener des Auftritts im Rahmen der „Love Riots Revue“ hatte der Song „Einfach so“ von Jochen Distelmeyers Solodebüt „Heavy“ die Richtung vorgegeben. Einfach so hatte man sich vor rund einem Jahr nach einem erfolgreichen Gig in Düsseldorf – trotz der 2007 bekannt gegebenen Auflösung der Band – vielleicht auch entschieden, doch wieder auf Tour zu gehen.

Und die Fans danken es den Vorreitern der Hamburger Schule und Begründern des Diskurspop, die zusammen mit Tocotronic und Die Sterne mit einer Mischung aus Poesie und (Polit-)Agitation deutschsprachiger Rockmusik ein neues Feeling gegeben haben und damit seit 1990 in die Geschichte eingegangen sind. Die Gründungsmitglieder Eike Bohlen am Bass und André Rattay an den Drums stehen auch jetzt wieder zusammen mit Sänger und Gitarrist Jochen Distelmeyer auf der Bühne des Mainzer Kulturzentrums. Als einstmals kultiges Konzert- und Veranstaltungshaus hatte dieses nach knapp dreijährigem Umbau inklusive Sanierung erst knapp eine Woche zuvor ebenfalls sein Comeback gefeiert. Jetzt hauchen die Stars aus Hamburg der noch frisch und neu wirkenden Halle mit ihrem Assoziations- und Gitarrengewitter wieder etwas von der alten Patina ein. Distelmeyer tänzelt in schwarzer Hose, weißem Jackett und körperbetontem Hemd mit schwarz-weißem Vogelmuster fast dandyhaft um sein Mikrofon. Nach den ersten drei Songs verabschiedet er sich vom Jackett, es wird eine schweißtreibende Angelegenheit. „Von der Unmöglichkeit Nein zu sagen, ohne sich umzubringen“ und „Viel zu früh und immer wieder; Liebeslieder“, beide aus dem Album „Ich-Maschine“ von 1992 geben das richtige Tempo vor, zwar keine Single-Auskopplungen, aber mit genügend Potenzial, die Fans von Anfang an für die Musik einzunehmen.

Distelmeyer weiß, wie man einen Spannungsbogen aufbaut, lässt mit seinen Mitstreitern, die von dem zweiten Gitarristen Daniel Florey und später auch vom Elder Statesman der Hamburger Schule, Tobias Levin (Produzent, Studiobetreiber, Sänger, Gitarrist, Pianist), unterstützt werden, vor allem Stücke aus dem starken ersten Jahrzehnt des Blumfeld-Schaffens Revue passieren. Hält den Kontakt mit dem Publikum, kokettiert, lässt sein Charisma spielen, verlangt von den Fans bei „Wir sind frei“, dem letzten Song vor der ersten Zugabe, Unterstützung beim Refrain, die gerne gegeben wird. Als eine Anhängerin lautstark „Ausziehen“ fordert, tut Distelmeyer verdutzt, aber auch belustigt ob so viel Starkult.

Drei Zugaben mit insgesamt sechs Songs sind dem Publikum vergönnt. Darunter Hits, für die man die Hamburger Schule liebt oder hasst, wie „2 oder 3 Dinge, die ich von dir weiß“, „Verstärker“, am Ende in einer Hommage an Morrissey kulminierend, und „Tausend Tränen tief“, letzteres in einer smoothen Funky-Soul-Version. Bei all dem erweist sich Distelmeyer als unglaublich höflicher Zeitgenosse, bedankt sich bei seinem Publikum mehrmals für den tollen Abend und sagt zum Abschied vor dem letzten Stück: „Es war eine Ehre und große Freude, für euch gespielt zu haben“ – was man ihm tatsächlich abnimmt, auch wenn man ahnt, dass er dies am nächsten Abend in der Zeche Carl in Essen, dem letzten Konzert des Jahres für Blumfeld, wieder sagen wird. Immerhin ein passender Jahresabschluss für so manche Musikbegeisterte. Und als Paul McCartneys „Wonderful Christmastime“ nach knapp zwei Stunden als Rausschmeißer vom Band erklingt und die Besucher in die Vollmondnacht entlässt, dann ist das alles irgendwie doch stimmig.

(Jutta Ziegler/Rhein-Main.Eurokunst)