Forms larger and bolder: Überblicksschau zu Eva Hesses Zeichnungen im Museum Wiesbaden

Kurator und Hesse-Experte Dr. Jörg Daur, stellvertretender Direktor Kustos moderne und zeitgenössische Kunst, beim Presserundgang in der neuen Überblicksausstellung "Eva Hesse – Zeich­nun­gen" vom 15.3. bis 23.06. 2019 © Foto: Diether v. Goddenthow
Kurator und Hesse-Experte Dr. Jörg Daur, stellvertretender Direktor Kustos moderne und zeitgenössische Kunst, beim Presserundgang in der neuen Überblicksausstellung „Eva Hesse – Zeich­nun­gen“ vom 15.3. bis 23.06. 2019 © Foto: Diether v. Goddenthow

Das Hessische Landesmuseum Wiesbaden rückt fünfzehn Jahre nach der groß angelegten Retrospektive in einer Überblicksausstellung „Eva Hesse – Zeichnungen“ (15. März– 23. Juni 2019) erneut das Schaffen einer der bedeutendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts seinen Mittelpunkt. Vernissage ist am 14. März um 19.00 Uhr.

Die wenigsten wissen, dass das Museum Wiesbaden der wohl wichtigste Sammler von Werken von Eva Hesse (1936–1970) in Europa ist. Tatsächlich seien dies zahlenmäßig lediglich fünf skulpturale Arbeiten, drei Gemälde und drei Zeichnungen. Das sei aber bei Eva Hesse schon sehr viel, so Dr. Jörg Daur, stellvertretender Direktor, Kustos moderne und zeitgenössische Kunst, und Kurator der Ausstellung. Dauer hat bereits die erste Hesse-Ausstellung 2002, damals noch als Assistent, mitorganisiert und über die Ausnahmekünstlerin promoviert. Denn in ihrem kurzen Leben konnte Eva Hesse im Bereich der Malerei und der Skulptur nur wenig mehr als 100 Arbeiten überhaupt schaffen, so der Kurator heute beim Presserundgang. Eva Hesse ist 1970 im Alter von 34 Jahren an einem Gehirnturmor viel zu früh verstorben.
Insofern sei es „auch immer ein bisschen schwierig beim Werk von Eva Hesse von Früh- und Spätwerk, von Chronologie und Entwicklung zu reden“. Es handele sich letztlich eben nur um eine Schaffensperiode von 10 Jahren. Aber in diesen 10 Jahren sei wirklich Wesentliches passiert, „was uns auch hier im Museum Wiesbaden seit vielen Jahren beschäftigt“, so Daur. Allerdings sei neue Ausstellung, „natürlich eine andere als damals, wobei der Fokus jetzt nicht auf dem skulpturalen Werk, sondern auf den Zeichnungen liege.

Ein Grund dafür sei natürlich auch, dass seit der Wiederentdeckung von Eva Hesses Werk nach Erscheinen ihres Werkverzeichnisses 1989 mit der folgenden Rezeptionsgeschichte in den 1990er Jahren die Skulpturen im Wert so extrem gestiegen sind, dass sie kaum mehr verliehen werden, da sich selbst größere Häuser die horrenden Versicherungssummen kaum mehr leisten können. Insofern ist das Museum Wiesbaden natürlich sehr glücklich über seinen eigenen Fundus.

Dennoch ist es zum ersten Mal mit der Ausstellung „Eva Hesse – Zeichnungen“ gelungen das gesamte Schaffen der US-amerikanischen Künstlerin mit deutschen Wurzeln in den Fokus zustellen. Anhand der 72, teils kleinformatigen zeichnerischen Arbeiten lassen sich unterschiedliche Stränge in Hesses Werk verfolgen und Rückschlüsse auf die Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Zeichnung, Malerei und Skulptur ziehen. Die Ausstellung zeigt in einem chronologisch angelegten Rundgang frühe Studienskizzen neben malerischen Gouachen und Aquarellen, dazu expressive Tusch- und Farbstiftzeichnungen, Collagen wie auch Konstruktionszeichnungen und Entwürfe für skulpturale Arbeiten. Eine Auswahl von Gemälden und Skulpturen aus der Sammlung des Museums Wiesbaden ergänzen die Schau, der Großteil der Leihgaben speist sich aus den Beständen des Allen Memorial Art Museums, Oberlin College (Ohio).

Die Künstlerin selbst sei natürlich auch mit ihrem deutschen Bezug zu sehen, so der Kurator. Eva Hesse, 1936 in Hamburg als zweite Tochter eines renommierten Rechtsanwalts geboren, wird im Rahmen der elterlichen Fluchtpläne nach den Ereignissen der Reichspogromnacht bereits 1938 mit ihrer älteren Schwester Helen über Amsterdam nach London geschickt und von dort ging es dann 1939 in die USA nach New York, wo die Familie, wieder zusammengeführt, sich in der deutsch-jüdischen Nachbarschaft in Washington Heights niederließ. Eva Hesse, die ihr malerisches Talent wohl von ihrer künstlerisch begabten Mutter geerbt hatte, und nach der elterlichen Scheidung und Selbstmord ihrer Mutter, zunächst beim sorgeberechtigten Vater aufwuchs, studierte später an der Cooper Union School und an der Yale School of Art and Architecture. 1961 heiratete sie den berühmten Bildhauer Tom Doyle.
Damals war sie als Künstlerin noch völlig unbedeutend, galt eher als Ehefrau des großen Bildhauers, die eben auch Kunst studiert hatte, so Daur. Das sollte sich aber bald ändern, nachdem sie zusammen mit Doyle von 1964 bis 1965 ein Jahr lang in Deutschland, Kettwig an der Ruhr, auf Einladung des Industriellenpaares Isabell und Friedrich Arnhard Scheidt verbrachte. Hier fand sie zu ihrer eigenen Kunst, arbeitete schließlich nur noch figural.

Während des Deutschlandaufenthalt unternehmen sie gemeinsam Reisen durch ganz Europa, unter anderem nach Kassel (Besuch der documenta 3), Basel, Bern, Brüssel, Paris, Rom, Florenz, Zürich und Berlin. Im Atelier des stillgelegten Teils der Scheidt’schen Textilfabrik entstehen Zeichnungen und Gemälde mit Motiven der dort herumliegenden Maschinenteile. Im März 1965 entsteht Hesses erstes Relief Ringaro und Arosie. Im Mai stellt sie im Gewächshaus auf dem Scheidt’schen Anwesen ihre fünf Reliefs und Maschinenzeichnungen aus. Die Kunsthalle Düsseldorf zeigt unter dem Titel „Materialbilder und Zeichnungen“ im August alle vierzehn Reliefs. Im September kehren Hesse und Doyle nach New York zurück.

New York 1966–1970 Im Januar 1966 trennt sich das Paar. Im August stirbt Wilhelm Hesse. Im September zeigt Hesse in der von Lucy Lippard kuratierten Ausstellung „Eccentric Abstraction“ in der Fischbach Gallery Metronomic Irregularity II. Zu Hesses Freundeskreis gehören inzwischen Robert Smithson, Nancy Holt, Dan Graham, Mel Bochner, Donald und Julie Judd sowie Dan und Sonja Flavin. Im Januar 1967 geht Hesse bei der Fischbach Gallery unter Vertrag. In der School of Visual Arts nimmt sie gemeinsam mit Louise Bourgeois und Paul Thek an einer Podiumsdiskussion über erotischen Symbolismus teil. Sie entdeckt Latex als künstlerischen Werkstoff und es entstehen erste Teststücke.

Ab 1968 experimentiert Hesse zusammen mit Doug Johns mit Fiberglas und Polyester. Im September übernimmt sie einen Lehrauftrag an der School of Visual Arts. Ihre erste Ausstellung als Objektkünstlerin feiert Hesse im November in der Fischbach Gallery mit der Ausstellung „Eva Hesse: Chain Polymers“. Im Januar 1969 vollendet Hesse die beiden Arbeiten Sans III und Vinculum II, die für die Ausstellung „Live in Your Head. When Attitudes Become Form“ von Harald Szeemann in der Kunsthalle Bern bestimmt sind. Sie nimmt einen Lehrauftrag an der Boston Museum School an. Im März mehren sich die Anzeichen einer beginnenden Krankheit und sie ist zunehmend auf Hilfe durch die Assistenten Doug Johns und Martha Schieve angewiesen. Die Ärzte diagnostizieren einen Hirntumor. Trotz ihrer Erkrankung ist mit der Beteiligung an 21 Gruppenausstellungen 1969 das Jahr ihrer großen Ausstellungserfolge.

Im Mai 1970 erscheint ein ausführliches Interview mit Cindy Nemser. Ende März wird sie zum dritten Mal an einem Gehirntumor operiert. Im Frühjahr findet eine Einzelausstellung ihrer Zeichnungen in der Fischbach Gallery statt und sie beteiligt sich an einer Gruppenausstellung im Owens-Corning Fiberglas Center in New York. Nachdem Eva Hesse eine Woche im Koma liegt stirbt sie am 29. Mai im Alter von 34 Jahren.

Die Ausstellung „Eva Hesse – Zeichnungen“ stellt das gesamte Schaffen der US-amerikanischen Künstlerin in den Fokus. Anhand der 72, teils kleinformatigen zeichnerischen Arbeiten lassen sich unterschiedliche Stränge in Hesses Werk verfolgen und Rückschlüsse auf die Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Zeichnung, Malerei und Skulptur ziehen. Die Ausstellung zeigt in einem chronologisch angelegten Rundgang frühe Studienskizzen neben malerischen Gouachen und Aquarellen, dazu expressive Tusch- und Farbstiftzeichnungen, Collagen wie auch Konstruktionszeichnungen und Entwürfe für skulpturale Arbeiten. Eine Auswahl von Gemälden und Skulpturen aus der Sammlung des Museums Wiesbaden ergänzen die Schau, der Großteil der Leihgaben speist sich aus den Beständen des Allen Memorial Art Museums, Oberlin College (Ohio).

Diese Ausstellung wurde organisiert in Zusammenarbeit mit dem Estate of Eva Hesse, der Galerie Hauser & Wirth sowie dem Allen Memorial Art Museum, Oberlin College.

Laufzeit der Ausstellung: 15. März – 23. Juni 2019
https://museum-wiesbaden.de/hesse

Begleitpublikation
eva-hesse-publikationDie Publikation „Eva Hesse – Unheimlich lustig“, 2019, MuWi-Buch / MuWi Book (ISBN: 978-3-89258-122-2, Preis: 14,50 Euro) beschreibt Werk und Schaffen sowie systematisch die Eva Hesses Ausstellung. Es ist sehr empfehlenswert.

 

 

 

Auswahl der wichtigsten Ausstellungen

Einzelausstellungen (Auswahl)
1963 Eva Hesse, Recent Drawings, Allan Stone Gallery, New York
1965 Eva Hesse. Materialbilder und Zeichnungen, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen / Kunsthalle Düsseldorf, Düsseldorf
1968 Eva Hesse. Chain Polymers, Fischbach Gallery, New York
1970 Eva Hesse. New Drawings, Fischbach Gallery, New York
1972 Eva Hesse. A Memorial Exhibition, Solomon R. Guggenheim Museum, New York; Albright-Knox Art Gallery, Buffalo; Museum of Contemporary Art, Chicago; Pasadena Museum of Modern Art, Pasadena; University Art Museum, Berkeley
1979 Eva Hesse. Sculpture, Whitechapel Art Gallery, London; Rijksmuseum Kröller-Müller, Otterlo; Kestner-Gesellschaft, Hannover
1992 Eva Hesse. A Retrospective, Yale University Art Gallery, New Haven; The Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institute, Washington
2002 Eva Hesse Retrospective, San Francisco Museum of Modern Art, San Francisco; Museum Wiesbaden, Wiesbaden; Tate Modern, London
2013 Eva Hesse. One More than One, Hamburger Kunsthalle, Hamburg

Gruppenausstellungen (Auswahl)
1961 Drawings. Three Young Americans, John Heller Gallery, New York
1966 Eccentric Abstraction, Fischbach Gallery, New York
1969 Live in Your Head. When Attitudes Become Form. Works, Concepts, Processes, Situations, Information, Kunsthalle Bern, Bern; Museum Haus Lange, Krefeld; ICA – Institute of Contemporary Art, London

Führungen und Veranstaltungen

Öffentliche Führungen
Sa 16 Mär 15:00 Uhr
So 17 Mär 15:00 Uhr
Sa 23 Mär 15:00 Uhr
So 31 Mär 15:00 Uhr
So 7 Apr 15:00 Uhr
So 14 Apr 15:00 Uhr
Fr 19 Apr 15:00 Uhr
Mo 22 Apr 15:00 Uhr
So 28 Apr 15:00 Uhr
Sa 4 Mai 15:00 Uhr
Di 14 Mai 18:00 Uhr Kuratorenführung
So 12 Mai 15:00 Uhr
Di 14 Mai 18:00 Uhr
Di 28 Mai 18:00 Uhr
So 2 Jun 15:00 Uhr
Sa 15 Jun 15:00 Uhr
So 23 Jun 15:00 Uhr

Vortrag
Do 25 Apr 18:00 Uhr
Zwischen Gemälde und Skulptur –Die Zeichnung im Werk von Eva Hesse. Mit Dr. Renate
Petzinger. In Kooperation mit den Freunden des Museums Wiesbaden e.V.

Film
Do 4 Apr 17:30 Uhr
„Eva Hesse“. Regie: Marcie Begleiter, 2015. In Kooperation mit der Caligari FilmBühne.

Kunstpause
Mi 3 Apr 12:15 Uhr
Mi 12 Jun 12:15 Uhr
Art after Work
Di 16 Apr 19:00 Uhr
Kunst und Religion
Di 2 Apr 18:30 Uhr

„Preziosen auf Papier“ – Eva Hesse, ohne Titel, 1965
60+
Di 16 Apr 15:00 Uhr
Kunst und Kuchen
Do 11 Apr 15:00 Uhr

Angebote für Kinder und Familien
Sa 23 Mär 11:00 – 13:30 Uhr

Museumswerkstatt für Kinder: Den Rätselhaften Formen der Künstlerin Eva Hesse in der
Ausstellung „Zeichnungen“ auf der Spur.

Freier Samstag Sa 6 Apr
Maltisch in der Wandelhalle 11:00 – 14:00 Uhr
Familienführungen 12:00 Uhr, 12:45 Uhr

Angebote für KITAS und Schulen
Pädagogische Gruppen und zwei Begleitpersonen erhalten freien Eintritt in die Dauer- und Sonderausstellungen des Museums Wiesbaden.
Eintritt frei für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Einfache Führungen
Dauer: 45 Minuten (1 Schulstunde)
Kosten für Schul- und Kindergartengruppen:
45,— Euro, Freier Eintritt für Kinder und 2 Betreuer
Kosten für Privatgruppen: 70,— Euro zzgl. Eintritt

Erweiterte Führungen
Dauer: 90 Minuten (2 Schulstunden)
Kosten für Schul- und Kindergartengruppen:
75,— Euro, Freier Eintritt für Kinder und 2 Betreuer

Führung mit Workshop
Dauer: 135 Minuten (3 Schulstunden)
Kosten für Schul- und Kindergartengruppen:
90,— Euro, Freier Eintritt für Kinder und 2 Betreuer

Der wilde Raum: Zeichnungen und Collage bei Eva Hesse
Das Ringen um naturalistische Abbildung kennen alle Schülerinnen und Schüler. Inspiriert durch Hesses Lust an der Form und ihrem spielerischen Umgang damit – fernab von naturalistischen Zwängen – geht es in der Vermittlung darum, sich in der Begegnung mit ihren Arbeiten für den eigenen Ausdruck inspirieren zu lassen. Eva Hesse verwendet u.a. die Technik der Collage, um sich in der Arbeit im Zweidimensionalen auf der Bildfläche vorhersehbaren Kompositionsschemata zu entziehen und erweitert dadurch auch gleichzeitig den Bildraum ins Dreidimensionale. Dieses Verfahren wird auch als Strategie in der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern genutzt und erprobt, damit ihr jeweils eigener zeichnerische Ausdruck einen „wilden Raum“ findet.

Workshop:
Eigenes kreatives Erproben in unseren Ateliers mittels der künstlerischen Arbeitsweisen: Collage • Formwiederholung • Mixed Media

Anmeldung, Buchung und Beratung für Schulgruppen unter 0611 / 335 2185 oder
bildungundvermittlung@museum-wiesbaden.de.

Museum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2, 65185 Wiesbaden
Fon 0611 ⁄ 335 2170, Fax 0611 ⁄ 335 2192
direktion@museum-wiesbaden.de