Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild 28. Januar – 4. Juni 2023

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Als erstes Museum überhaupt, widmet sich das Museum Angewandte Kunst Frankfurt vom  28. Januar – 4. Juni 2023 in der Ausstellung „Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild“ dem berühmten Frankfurter Privatsammler und Mäzen und seiner Kunstsammlung. In der Aufarbeitung der Sammlung spiegelt sich Maximilian von Goldschmidt-Rothschilds Lebensweg und seine spätere als ein von den Nazis verfolgten und enteigneten Juden wider, beinahe wohl beispielhaft für andere jüdische Sammler. Im Fokus der hervorragend von Dr. Katharina Weiler und Prof. Matthias Wagner K kuratierten Ausstellung stehen daher der NS-verfolgungsbedingte Verkauf der Sammlung an die Stadt Frankfurt am Main im Jahre 1938, die anschließende Übereignung ihrer kunsthandwerklichen Stücke an das Museum für Kunsthandwerk (heute Museum Angewandte Kunst), und die Rückgabe eines Großteils der Sammlung an die rechtmäßigen Erben nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die für das Museum Angewandte Kunst in der Erarbeitung und Ausführung aufwendigste Ausstellung präsentiert die Sammlung von Maximilian von GoldschmidtRothschild und ihre Biographie im Spiegel der Geschichte des Museum Angewandte Kunst. Dabei stützt sie sich mit einer kritischen Betrachtung der eigenen Institutionsgeschichte auf die jüngsten Ergebnisse der Provenienzforschung am Museum. Diesbezüglich präsentiert und hinterfragt die Ausstellung Objekte der Sammlung, die sich noch heute im eigenen Bestand befinden. Zudem kommen erlesene internationale Leihgaben aus namhaften Museen und aus dem Privatbesitz hinzu: seltene Kirchenschätze, wertvolle Skulpturen und frühneuzeitliches Kunsthandwerk (Gefäße, Silberpokale, Bestecke, Majoliken, Email-Gläser, Porzellane, Miniaturen und Schnupftabakdosen), aber auch erlesene altmeisterliche Gemälde sowie Louis XV. Möbel. Die Kontextualisierung der Kunstobjekte und der Sammlungsgeschichte im Spannungsfeld von „Leerstelle“ und „Rekonstruktion“ bietet hierbei den ästhetischen Ausgangspunkt. Die Ausstellung ist für Frankfurt am Main von besonderer (kunst)historischer Relevanz und (kultur)historischer Brisanz und stellt gleichzeitig erstmals zeitgenössische globale Zusammenhänge zwischen den Exponaten und ihrer Provenienz her.

Biografie und Sammlung

Trinkschale und ein Hippocamp als Trinkgefäß, Silber vergoldet um 1590–1600 © Los Angeles County Museum of Art© Foto Diether von Goddenthow
Trinkschale (li) und ein Hippocamp als Trinkgefäß, Silber vergoldet um 1590–1600 © Los Angeles County Museum of Art© Foto Diether von Goddenthow

Mayer Benedikt Hayum Goldschmidt wurde am 20. Juni 1843 in die jüdische Frankfurter Bankiersfamilie Goldschmidt-Kassel geboren. Ab 1855 trug er den Namen Maximilian B.H. Goldschmidt. Er trat 1862 in das Bankhaus „B. H. Goldschmidt“ seines Vaters ein und führte dieses später gemeinsam mit seinem Bruder Adolf B. H. Goldschmidt (1838–1918). Sie etablierten ihre Privatbank zu einer Zeit, in der die Freie Stadt Frankfurt noch die Bürgerrechte aller Jüdinnen und Juden beschränkte.

Durch die Heirat mit Minna Caroline (Minka) von Rothschild (1857–1903) wurde er 1878 ein Teil jener jüdischen Familie, die durch ihre erfolgreichen Bankgeschäfte eines der größten Vermögen ihrer Zeit erwirtschaftete. Das Paar hatte fünf Kinder. Nach dem Tod seines Schwiegervaters, Wilhelm Carl Freiherr von Rothschild (1828–1901), führte er dessen Familienzweig in Frankfurt weiter. Als sein Nachfolger wurde er 1902 zum kaiserlich und königlich österreichisch-ungarischen Generalkonsul ernannt.

Seine einfache Adelung 1903 erlaubte die Namensführung „von Goldschmidt-Rothschild“. Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) erhob ihn  schließlich 1907 in den preußischen Freiherrnstand. Er war die einzige Person jüdischer Herkunft, der solch eine Nobilitierung zuteil wurde. Durch seine herausragende Laufbahn galt er 1912 als reichster Jude in Preußen und viertreichster Preuße insgesamt. Seine gesellschaftliche Stellung bewahrte jedoch weder ihn noch seine Familie ab 1933 vor der antisemitischen Verfolgung durch die Nationalsozialisten.

Maximilian von Goldschmidt-Rothschild baute seine mehr als 1.500 Objekte umfassende Kunstsammlung gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf. Zu seinen Sammelschwerpunkten zählten unter anderem kunstvolle Trinkgefäße in Tiergestalt und antike Bronzeplastiken, kostbare Kirchenschätze und seltene Bestecke, dekorative Emailgläser und wertvolles Porzellan, exquisite Miniaturen und ausgefallene Tabatieren sowie erlesene französische Möbel aus dem 18. Jahrhundert. In den Räumen des RothschildPalais, das er mit seiner Familie bewohnte, platzierte er seine Kunstobjekte auf individuelle Weise.

Historisches Foto: Mitteltrakt des einstigen Palais Rothschild in der Bockenheimer Straße 10 Frankfurt a. Main.  © Foto Diether von Goddenthow
Historisches Foto: Mitteltrakt des einstigen Palais Rothschild in der Bockenheimer Straße 10 Frankfurt a. Main. © Foto Diether von Goddenthow

Maximilian von Goldschmidt-Rothschild pflegte seine Kunstsammlung neben seinen sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Aktivitäten. Er verwaltete einige der zahlreichen Goldschmidt’schen und Rothschild’schen wohltätigen Stiftungen in Frankfurt und war auch im Vorstand der 1877 gegründeten „Freiherr Anselm Salomon von Rothschild’schen Stiftung zur Förderung des Kunstgewerbes“ seiner Schwiegermutter Mathilde von Rothschild (1832– 1924) tätig. Ebenfalls 1877 wurde in Frankfurt der Mitteldeutsche Kunstgewerbe-Verein gegründet, der wiederum das Kunstgewerbemuseum (Museum Angewandte Kunst) eröffnete. Die Rothschild’sche Stiftung legte den Grundstock für die Kunstgewerbeschule, die der Verein 1879 mit Unterstützung der Polytechnischen Gesellschaft gründete. Maximilian von Goldschmidt-Rothschild förderte den Verein und das Museum durch Schenkungen sowie als Leihgeber ausgewählter Kunstobjekte für Ausstellungen.

1933 wurde Maximilian von Goldschmidt-Rothschild 90 Jahre alt. Im selben Jahr begannen die Nationalsozialisten auf der Grundlage antisemitischer Verordnungen systematisch mit der Entrechtung der als Juden und Jüdinnen verfolgten Bürgerinnen und Bürger. Der Nationalsozialismus erzwang damit auch das Ende des Frankfurter Kunst- und Kulturlebens, das jüdische Kunstsammelnde, Händlerinnen und Händler sowie Mäzenatinnen und Mäzene bis dahin geprägt hatten. Maximilian von Goldschmidt-Rothschild kündigte 1935 seine Mitgliedschaft im Mitteldeutschen Kunstgewerbe-Verein und folgte damit einem großen Schwund jüdischer Mitglieder.

Im Alter von 95 Jahren sah er sich gezwungen, sein Palais am 5. September 1938 für 620.000,– Reichsmark deutlich unter Wert an die Stadt Frankfurt zu verkaufen. Er bewohnte fortan nur noch wenige Räume des Palais gegen eine hohe jährliche Miete von 25.000,– Reichsmark, blieb aber zunächst Eigentümer seiner Kunstsammlung.

Verlust versus Aneignung der Sammlung

Die „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“ zwang Maximilian von Goldschmidt-Rothschild 1938 dazu, seine wertvolle Kunstsammlung schätzen zu lassen. In seinem Interesse sollte ihr Wert möglichst niedrig angesetzt werden, um seine erzwungenen Abgaben zu minimieren. Er beauftragte zwei Taxatoren, deren Schätzsumme bei insgesamt 2.552.030,– Reichsmark lag. Verkaufen wollte er seine Sammlung jedoch nicht.

Ausstellungs-Impression "Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild" © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungs-Impression „Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild“ © Foto Diether von Goddenthow

In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 trennte er sich schließlich in einer verzweifelten Lage drohenden Terrors durch antisemitische Übergriffe hastig von seiner Sammlung. Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt bot ihm am Telefon als Kaufpreis die verhältnismäßig niedrige Schätzsumme an. Die Stadt Frankfurt überwies den Betrag teilweise auf ein Sperrkonto, auf das er keinen Zugriff hatte. Nachdem Museumsmitarbeiter eine Inventarliste erstellt hatten, wurde die Sammlung Goldschmidt-Rothschild auf drei Frankfurter Museen verteilt. Das Museum für Kunsthandwerk (Museum Angewandte Kunst) erhielt rund 1.350 kunsthandwerkliche Objekte, die Städtische Galerie (Städel) 71 Gemälde und das Liebieghaus 85 Kleinplastiken.

Unterschiedliche Akteure waren 1938 am Erwerb der Sammlung Goldschmidt-Rothschild beteiligt. Sie rückten den Kauf nach Ende des Zweiten Weltkriegs ins Licht des Kunstschutzes und legitimierten ihr Handeln im Zuge des legalisierten Raubes an den Frankfurter Jüdinnen und Juden. Ihre Aussagen standen im Spannungsverhältnis von widersprüchlicher Erzählung und fragwürdiger Erinnerung. Die Darstellung des NSverfolgungsbedingten Verlusts der Sammlung aus der persönlichen Perspektive Maximilian von Goldschmidt-Rothschilds wurde hingegen nicht überliefert. Er erlebte die Auflösung seiner Sammlung als einsamer Mieter nur noch weniger Räume des RothschildPalais.

Der Bestand des Museums für Kunsthandwerk wuchs ab 1938 durch Neuerwerbungen aus NS-verfolgungsbedingten Abgaben stark an. Die Sammlung Goldschmidt-Rothschild nahm dabei eine beispiellose Rolle ein. 1939 ernannte der nationalsozialistische Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, Friedrich Krebs (1894–1961), das Rothschild-Palais in der Bockenheimer Landstraße 10 zum „Museum für Kunsthandwerk, Abteilung II“. Unter der Leitung von Museumsdirektor Walter Mannowsky (1881–1958) dekorierten Museumsmitarbeiter die einstigen Privaträume nach stilgeschichtlichen Kriterien um. Neben Stücken aus der Sammlung Goldschmidt-Rothschild wurden darin auch Silbergegenstände öffentlich zur Schau gestellt, die Frankfurter Jüdinnen und Juden bei der Städtischen Darlehensanstalt abgeben mussten. Maximilian von Goldschmidt-Rothschild wohnte bis zu seinem Tod am 15. März 1940 im Alter von 96 Jahren als Mieter in der Bockenheimer Landstraße 10.

Frankfurter Nachkriegszeit

Während des Zweiten Weltkriegs lagerte das Museum die Sammlung GoldschmidtRothschild aus, um sie vor einer Zerstörung durch Bomben zu bewahren. Ab 1945 dienten im schwer zerbombten Frankfurt zahlreiche Teppiche und Möbel aus der Sammlung Goldschmidt-Rothschild zur Ausstattung amerikanischer Offizierswohnungen. Andere fanden in der Dienstwohnung oder im Dienstzimmer des neu ernannten Oberbürgermeisters Kurt Blaum (1884–1970) sowie im Gästehaus der Stadt Frankfurt Verwendung. Letztere erwarb für diese Zwecke nach dem Rückgabeanspruch durch die Erben von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild und nach Abschluss einer Vergleichsvereinbarung am 16. Mai 1949 insgesamt 17 Teppiche im damaligen Wert von 25.000, – Deutschen Mark. Zwölf dieser Teppiche befinden sich noch heute im Besitz des Museum Angewandte Kunst.

Restitution

Ausstellungs-Impression "Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild" © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungs-Impression „Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild“ © Foto Diether von Goddenthow

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bemühten sich die Erben von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild im Zuge der Wiedergutmachung um die Rückgabe der Kunstsammlung. Die Stadt Frankfurt und die Museumsdirektoren versuchten dagegen vehement, eine Rückgabe zu verhindern. Die Parteien einigten sich schließlich am 16. Mai 1949 auf eine Vergleichsvereinbarung. Damit waren alle gegenseitigen Ansprüche hinsichtlich der Sammlung Goldschmidt-Rothschild abgegolten. Die Stadt Frankfurt restituierte den Großteil aller Objekte. Die Erben ließen diese anschließend über den Kunsthandel in New York verkaufen. Sie fanden und finden bis heute den Weg in Museen und Privatsammlungen rund um den Globus. Im Besitz des Museum Angewandte Kunst sind insgesamt 68 eindeutig identifizierte Objekte aus der Sammlung Goldschmidt-Rothschild verblieben; bei drei weiteren Stücken ist die Provenienz aus der Sammlung wahrscheinlich. Darunter ist jedoch nur in 18 Fällen ein rechtmäßiger Erwerb in den Nachkriegsj ahren eindeutig belegt. Über eine faire und gerechte Lösung hinsichtlich der übrigen 53 Objekte stehen die Stadt Frankfurt, das Museum Angewandte Kunst und die Erbberechtigten von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild derzeit im Dialog.

Multimedia-App

Die Multimedia-Stationen in der Ausstellung wurden von Schauspieler:innen des Schauspiels Frankfurt eingesprochen. Außerdem gibt es ab sofort eine Museumsapp, die den Grundstein für einen in die Zukunft reichenden Erinnerungspfad legt. Hier können sich Besucher:innen anhand von virtuellen und auditiven Elementen und Augmented Reality („erweiterte Realität“) die Geschichte von Maximilian von Goldschmidt-Rothschilds Sammlung teilweise selbst rekonstruieren sowie Zusatzinformationen in die museale Gegenwart projizieren. Eine Außenstation zeigt mithilfe der App das ehemalige Rothschild-Palais im Stadtraum, genauer im Rothschildpark.

Katalog Zur Ausstellung

Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild wird Ende April 2023 ein umfangreicher Ausstellungskatalog in jeweils deutscher und englischer Sprache erscheinen. Vier Kapitel widmen sich erstmals eingehend der Biographie des erfolgreichen Bankiers und großzügigen Philanthropen Maximilian von Goldschmidt-Rothschild (1843– 1940) (Andrea C. Hansert), erforschen ausführlich die Geschichte seiner berühmten Kunstsammlung (Katharina Weiler), beleuchten detailliert die Umstände ihres NS – verfolgungsbedingten Verlusts bzw. ihrer Aneignung durch die Stadt Frankfurt und das Museum für Kunsthandwerk im Nationalsozialismus (Lieve Brocke), und werfen einen kritischen Blick auf die Institutionsgeschichte und das Verhalten der Frankfurter Museumsdirektoren im Zuge der Restitution der Sammlung in den Nachkriegsjahren (Matthias Wagner K). Neben neuesten Forschungsergebnissen zur Provenienz von 129 Objekten aus der einstigen Sammlung bildet der Katalog auch erstmalig die Fülle an historischen Fotografien der meisten der rund 1.500 Sammlungsobjekte ab. Bei Interesse kann eine Mail mit gewünschter Stückzahl und in gewünschter Sprache an mvgr-katalog@stadt-frankfurt.de gesendet werden.

Ort

Museum Angewandte Kunst
Schaumainkai 17
60594 Frankfurt am Main
Information T +49 69 212 31286 F +49 69 212 30703 info.angewandte-kunst@stadt-frankfurt.de www.museumangewandtekunst.de

Öffnungszeiten
Mo, Do geschlossen
Di, Fr–So 10–18 Uhr Mi 10–20 Uhr
Eintritt 12 Euro, ermäßigt 6 Euro Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Studierende der Goethe-Universität Frankfurt, der Städelschule und der HfG Offenbach fre