Kategorie-Archiv: Schmidt-Rotluff

Karl Schmidt-Rottluff Bild und Selbstbild vom 2 Okt 2015—17 Jan 2016 im Hessischen Landesmuseum Wiesbaden

Heute, 1. Oktober 2015, 19.00 Uhr Vernissage

Karl Schmidt-Rottluff Bild und Selbstbild
2 Okt 2015—17 Jan 2016

Schmidt-Rottluff Selbstbildnis 1919© Hessisches Landesmuseum Wiesbaden
Schmidt-Rottluff Selbstbildnis 1919© Hessisches Landesmuseum Wiesbaden

Das Museum Wiesbaden und das Brücke-Museum Berlin, das die weltweit bedeutendste Sammlung zum Künstler beherbergt, präsentieren die Ausstellung „Karl Schmidt-Rottluff – Bild und Selbstbild“. Neben über einhundert Werken des Malers sind Selbstbildnisse und Porträts seiner berühmten Weggefährten wie Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Otto Mueller oder Emil Nolde vertreten.

Von den Gründungsmitgliedern der Dresdner Künstlervereinigung „Brücke“ hat sich am häufigsten Karl Schmidt- Rottluff (1884—1976) selbst porträtiert. Ausgangspunkt sind daher die etwa 70 Selbst-porträts des Künstlers (Malerei, Zeichnung, Druckgrafik). Mit ihnen werden die unterschiedlichen Werkphasen seiner Malerei in der Ausstellung thematisiert.

Nach zwei wichtigen Selbstbildnissen der „Brücke“-Zeit (1905—1913) folgen die hoffnungsvollen Zwischenkriegsjahre mit ihrer Aufbruch-stimmung von 1919 bis 1930, in welchen Schmidt-Rottluff sich häufig selbst dargestellt hat. Auch privat findet er mit Emy Frisch seine Lebenspartnerin, die er kurz nach dem ersten Weltkrieg heiratet und in vielen Porträts festhalten sollte. Gerade an ihren Bildnissen wird deutlich, dass Schmidt-Rottluff sich selbst als ausgleichendes beziehungsweise ergänzendes Pendant mitgedacht hat. Emy ist Teil von Schmidt-Rottluffs künstlerischem Kosmos und erscheint als selbstverständlicher Bestandteil seiner Lebenswelt. Dabei hat er sie, dem künstlerischen Stil der jeweiligen Zeit entsprechend, gestaltet. Diesen Bildnissen, von denen die meisten hier erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden, ist ein wesentlicher Teil der Ausstellung gewidmet.

Während des Nationalsozialismus schuf Schmidt-Rottluff, der nicht nur Berufsverbot hatte, sondern auch als vom politischen System angefeindeter Expressionist 1937 auf der Schandausstellung „Entartete Kunst“ in München mit über 50 Werken vertreten war, bemerkenswerter Weise nur ein einziges Selbstbildnis. In diesen Jahren entstand demgegenüber eine Vielzahl von Darstellungen, die metaphorisch jenen von ihm im Nachhinein als „dunkle Jahre“ bezeichneten Lebensabschnitt kommentieren. Schmidt-Rottluff malte nicht nur beengte Innenräume, die diese eingeschränkte Situation eindringlich vor Augen führen, sondern auch zerstörte Landschaften mit entwurzelten Bäumen, die den Verlust seines Fundamentes verdeutlichen, und schuf damit spannungsreiche, teilweise sogar apokalyptisch wirkende „Selbstbildnisse ohne Selbst“.

Als ein weiterer Aspekt in der Ausstellung werden jene Bildnisse in den Blick genommen, die wichtige Personen im Leben des Künstlers zeigen und sein Schaffen über sieben Jahrzehnte hinweg begleitet haben. Besonders nahe standen ihm neben seiner Frau Emy und den anderen Künstlerkollegen der „Brücke“-Vereinigung der Maler Lyonel Feininger, die Kunsthistorikerin Rosa Schapire sowie die Förderin Hanna Bekker vom Rath. Letztere hatte Schmidt-Rottluff nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in ihrem Hofheimer „Blauen Haus“ ihr eigenes Atelier zur Verfügung gestellt; damit hat sie ihm – unerschrocken und mutig zugleich – den nötigen Platz eingeräumt, um weiterhin mit den „verräterischen“ Ölfarben malen zu können. Hanna Bekker, die als Schmidt-Rottluffs langjährige Mäzenin eine der wenigen Personen war, die einen allumfassenden Einblick in sein Schaffen hatte, legte 1974 in einer Kabinettausstellung das erste und bis heute einzige Mal den Fokus auf seine Selbstbildnisse.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Leuchtkraft der Farben im Werk von Schmidt-Rottluff enorm gesteigert. Sie gewinnt an Energie und Klarheit. Dass sich der Künstler in jenen Jahren als reiner Farbmaler verstand, verdeutlichen diejenigen Bilder, in welchen er uns seine Palette, Staffelei und Pinsel in leuchtenden Farben vorführt und sich
selbst als stillen Herrscher seines Reichs im Künstleratelier präsentiert.

Etwa ab 1960 rücken nicht nur motivisch, sondern auch thematisch das Selbstbildnis und das Bildnis seiner Frau Emy wieder stärker ins Zentrum seines Schaffens. Der „Alte Maler“, wie die letzten Selbstbildnisse programmatisch heißen, konfrontiert sich immer wieder, auf fast manische Art und Weise, mit sich selbst. Die derartig intensive Begegnung mit seinem Gegenüber im Wissen um das bevorstehende Lebensende wirkt gleichzeitig melancholisch resümierend, dabei sich dem Unvermeidbaren stellend, entgegensehend und annehmend.

© Hessisches Landesmuseum Wiesbaden
© Hessisches Landesmuseum Wiesbaden

Zur Ausstellung, die ab März 2016 auch im Brücke-Museum Berlin präsentiert wird, erscheint im Hirmer Verlag ein umfangreicher Katalog, der von der Ernst von Siemens Kunststiftung München maßgeblich mitfinanziert wurde.

Weitere Infos, auch zu Eintritt und Öffnungszeiten, Hessisches Landesmuseum Wiesbaden