March for Science: Professorin Brigitta Wolff sorgt sich um Freiheit von Wissenschaft und Wissenschaftlern

Professorin Dr. Brigitta Wolff –   „Die Erde sei eine Scheibe? – so geht das nicht!“

Professorin Dr. Brigitta Wolff, Präsidentin der Universität in Frankfurt. Foto: Diether v. Goddenthow
Professorin Dr. Brigitta Wolff, Präsidentin der Universität in Frankfurt. Foto: Diether v. Goddenthow

Zwar sei das Methodenrepertoir der Wissenschaft riesig und pluralistisch, aber „auf die Straße zu gehen, gehört normalerweise nicht dazu“, begann  Professorin Dr. Brigitta Wolff, Präsidentin der Universität in Frankfurt augenzwinkernd ihr Statement, in dem sie interne Einblicke in den weltweiten Wissenschaftsbetrieb gab und aktuelle konkrete Fehlentwicklungs-Beispiele aufzeigte: „Wir sorgen uns um die Freiheit der Wissenschaft. Und wir sorgen uns auch um die Freiheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Uns als Goethe-Uni erreichen in den letzten Monaten in der Tat besorgniserregende Anfragen aus Ländern, mit denen wir bislang extrem eng und in Freundschaft wissenschaftlich, das heißt in Forschung und Lehre, kooperiert haben. Es erreichen uns Anfragen und Nachrichten von ganz konkreten bedrängten, bedrohten, teils entlassenen und vertriebenen Wissenschaftskollegen: Es geht um Freiheit. Es geht um Menschenrechte. Und diese Anfragen haben alle einen besorgniserregenden Inhalt, und auch Ton.“, so Professorin Brigitta Wolff.

Die Freiheit der Wissenschaft sei, daran würden sie aktuell immer wieder in drängender Weise erinnert, nicht überall selbstverständlich, obwohl die Wissenschaftler und Forscher das ganz lange geglaubt haben und glauben wollten. „Und darauf müssen wir aufmerksam machen liebe Freundinnen und Freunde der Wissenschaft. Und danke, dass wir das heute hier gemeinsam tun! „Ich will ganz konkrete Zahlen und Daten und Fakten nennen“, so die Unipräsidentin.

Erstes  Beispiel: „Aus Ungarn schrieb uns eine unserer Absolventinnen, die aktuell ihren Master an der Central European University macht. Sie schrieb von jenem inzwischen berühmten Gesetzesvorhaben der Regierung, dass im Wesentlichen eine Universität betrifft, und zwar eine, die sich ganz besonders der offenen Gesellschaft verpflichtet fühlt: Und sie hat darum gebeten, dass wir mit ihr kommunizieren, was da passiert, natürlich nicht in der Hoffnung, dass wir das eins zu eins verhindern können. Aber wir können wenigstens darauf aufmerksam machen. „

Weitere Beispiele: Schon unmittelbar nach der letzten Präsidentschaftswahl in den USA bekamen wir Anfragen per E-Mail und auf anderem Weg, ob wir kurzfristig Kolleginnen und Kollegen bei uns beschäftigen, bei uns unterbringen könnten. Eine unserer Studierenden aus der Theologie, deren Vater aus Syrien stammt, und die eine doppelte Staatsbürgerschaft hat, durfte auf einmal nicht zu einer Exkursion nach Princeton (Privatuni im US-Bundesstaat New Jersey) mitfahren und dann am Ende, nach ganz viel Hickhack nur mit einem Sondervisum.

Erasmusaustausch bricht im Moment faktisch zusammen

Noch mehr Beispiele: Fakten, liebe Freundinnen und Freunde! Die Goetheuniversität hat 20 Erasmus-Partnerunis in der Türkei. An 12 davon wurden laut der Beobachterseite turkeypurge,com Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entlassen. Stand April 2017: schon über 800.

Nächstes Beispiel: Die Studierendenmobilität nimmt ab: Im Jahr 2015 /2016 gingen noch über 30 Studierende der Universität an unseres Partnerunis in die Türkei. Jetzt für 17/18 sind nur noch weniger als 10 angemeldet. Das Bild der aus der Türkei zu uns kommenden Erasmusstudierenden ist ähnlich. Auch da kommen wir von einer Größenordnung von fast 30 noch letztes Jahr, jetzt angekündigt für’s nächste akademische Jahr auf gerade noch 4. Das heißt: Der Erasmusaustausch der Studierenden, einer der besten Erfindungen der EU, bricht im Moment faktisch zusammen. Und das macht uns verdammt große Sorgen. Das meine Damen und Herren sind Zahlen, Daten und Fakten, nicht irgendwelche gefühlten alternativen parafaktiven oder postfaktischen Auffassungen.“

Professorin Brigitta Wolff verdeutlichte, dass man es sich ja leichtmachen und all diese „Beispiele als individuelle Schicksale oder kleine Betriebsunfälle abtun“ könne. „Ich kann und will das aber nicht!“, so die Unipräsidentin ganz im Sinne der Anwesenden. Denn „freie Bildung und Wissenschaft sind die Voraussetzung für das Gelingen, nicht nur des persönlichen Lebens von Menschen, sondern auch für die Lebens- und Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaften.

Freie Wissenschaft, Freie Bildung, sei die absolute Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit offener, pluralistischer und demokratischer Gesellschaften, so Professorin Brigitta Wolff: „Wenn wir den Herrschenden es überließen, alleine zu bestimmen, was geforscht wird, was wahr ist, und was falsch, müssten wir heute alle noch glauben, die Erde sei eine Scheibe. So geht das nicht!“
Aus Dokumentation March for Science in Frankfurt gegen Fake-News u. Religionsfundamentalismus für eine aufgeklärte, pluralistische Gesellschaft auf Rhein-Main.Eurokunst von Diether v. Goddenthow