„KINDHEIT IM WANDEL Von der Aufklärung zur Romantik“ – ab 26.10.2023 im Deutschen Romantik Museum Frankfurt

Johann Gottlieb Ziehnert (1785 - 1856) Kleines ABC, u. Lese-Buch oder deutliche Anweisung, richtig und schnell lesen zu lernen, nebst Bildungsübungen für Verstand, Herz und Gedächtnis der Kinder aller Stände. Dritte ganz umgearbeitete u. verbesserte Auflage. Pirna: August Robert Friese (1829) - Mit 50 illustrierten Abbildungen auf 8 Kupfertafeln. © Foto Diether von Goddenthow
Johann Gottlieb Ziehnert (1785 – 1856) Kleines ABC, u. Lese-Buch oder deutliche Anweisung, richtig und schnell lesen zu lernen, nebst Bildungsübungen für Verstand, Herz und Gedächtnis der Kinder aller Stände. Dritte ganz umgearbeitete u. verbesserte Auflage. Pirna: August Robert Friese (1829) – Mit 50 illustrierten Abbildungen auf 8 Kupfertafeln. © Foto Diether von Goddenthow

Johann Wolfgang Goethe ist noch ein Kind, als 1762 Jean-Jacques Rousseaus pädagogische Abhandlung ‚Emile. Oder über die Erziehung‘ erscheint, in dem Kinder als autonome, vollkommene Wesen beschrieben werden. Erstmals wird hier das Recht auf Kindheit als eine eigenständige Lebensphase formuliert. Eine Definition, die nachwirkte und das Kindheitsbild und die Pädagogik der Zeit radikal veränderte. Kinder befinden sich, laut Rousseau noch ganz in einem Naturzustand und alles pädagogische Handeln muss darauf gerichtet sein, der Natur zu folgen und den Kindern Raum für die Entwicklung ihrer natürlichen Anlagen zu lassen: „Die Natur will, dass Kinder Kinder sind …“. Das war gegen die vorherrschende Lernkultur der Aufklärung mit Drill und stumpfer Wissensanhäufung gerichtet. Zwei unterschiedliche Kindheitsentwürfe trafen aufeinander, die in der Zeit von Aufklärung und Romantik diskutiert wurden. In den Jahrzehnten nach Goethes Geburt bildeten sich Vorstellungen heraus, die uns noch heute modern erscheinen: Ein Kind sollte lebhaft, fröhlich und offen sein, dazu stark und unabhängig.

Die Kindheit Goethes und die seiner Schwester Cornelia spielen in Goethes Elternhaus schon lange eine zentrale Rolle. Nun werden ihre „Kindheiten“ zusammen mit denen der Familie Brentano Gegenstand einer großen Sonderausstellung im Deutschen Romantik-Museum, die die grundlegenden Veränderungen in der Betrachtung von Kindheit, die sich im „Jahrhundert der Pädagogik“ vollziehen, in den Blick nimmt. Dabei spannt sich der thematische Bogen von den Kindheitsdiskursen der Aufklärung bis zur Idealisierung der Kindheit im Zeitalter der Romantik. Für die Dichter der Frühromantik sind Kinder heilige, dem Göttlichen noch unmittelbar verbundene Wesen und durch ihre ausgeprägte Phantasie geborene Poeten. Die Welt verschmilzt für sie mit dem Märchen oder dem Traum und wird in der Kindheit so auf ganz ursprüngliche Weise romantisiert.

Dr. Katja Kaluga, Kuratorin der Ausstellung, erläutert beim Presserundgang die Funktionen des Zauberkasten aus dem Besitz von Walther Wolfgang (1812-1885) und Wolfgang Maximilien von Goethe (1820 - 1883), der nicht nur reines Spielzeug war, sondern auch Kinder darin trainiert, als "Zauberer" vor anderen frei zu sprechen und aufzutreten, alles Tugenden, die sie einmal im Leben einer gehobenen Gesellschaft benötigten. © Foto Diether von Goddenthow
Dr. Katja Kaluga, Kuratorin der Ausstellung, erläutert beim Presserundgang die Funktionen des Zauberkasten aus dem Besitz von Walther Wolfgang (1812-1885) und Wolfgang Maximilien von Goethe (1820 – 1883), der nicht nur reines Spielzeug war, sondern auch Kinder darin trainiert, als „Zauberer“ vor anderen frei zu sprechen und aufzutreten, alles Tugenden, die sie einmal im Leben einer gehobenen Gesellschaft benötigten. © Foto Diether von Goddenthow

Die Entdeckung der Kindheit zwischen Aufklärung und Romantik wird mit Exponaten aus den Sammlungen des Freien Deutschen Hochstifts und zahlreichen bedeutenden Leihgaben dargestellt: wissenschaftlich fundiert, aber zugleich auch bunt, bildstark, spielerisch-interaktiv und anschaulich. Goethes Elternhaus gehört zum Ausstellungbesuch dazu. In der Bibliothek von Johann Caspar Goethe kann man Johann Wolfgang Goethes Kindheitslektüren sehen. Begleitet wird die Ausstellung von einem umfangreichen Programm mit unterschiedlichen Führungsformaten und Workshops. Zudem werden ein reich bebilderter Ausstellungskatalog sowie ein Kreativheft für Kinder erscheinen. Kooperationspartner ist das Institut für Jugendbuchforschung der Frankfurter Goethe-Universität. Studentinnen und Studenten gehen der Bedeutung des romantischen Kindheitsbildes in der Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart nach, von Astrid Lindgren bis Cornelia Funke.

Die Ausstellung wird kuratiert von Dr. Joachim Seng und Dr. Katja Kaluga.

Informationen zur Ausstellung und zum umfangreichen Begleitprogramm