Die Sonderausstellung „Blauer Aufbruch – informelle Malerei der Quadriga nach 1945“ im Landesmuseum Mainz widmet sich der deutschen abstrakten Malerei nach dem Zweiten Weltkrieg. Innenminister Michael Ebling eröffnete die Ausstellung im Rahmen einer Vernissage und betonte die Bedeutung der Kunstbewegung für das Deutschland der Nachkriegszeit.
Ausgangspunkt ist das Gemälde „Blauer Aufbruch“, das 1952 in der berühmten Ausstellung in der Zimmergalerie Franck in Frankfurt am Main von Otto Greis präsentiert wurde. Der Titel steht zugleich programmatisch für den künstlerischen Aufbruch der vier jungen Künstler ‒ Otto Greis, Karl Otto Götz, Bernard Schultze und Heinz Kreutz ‒ die dort als Gemeinschaft der sogenannten Quadriga subsumiert und zur deutschen Avantgardebewegung gekürt wurden.
„Die Nachkriegszeit in Deutschland war geprägt von tiefen gesellschaftlichen Umwälzungen, politischen Veränderungen und der Suche nach neuen Formen der künstlerischen Selbstexpression. In diesem Kontext entstand die informelle Malerei, die das kulturelle Gesicht des Landes nachhaltig prägte“, sagte der für das kulturelle Erbe zuständige Innenminister Michael Ebling. „Die informelle Malerei war ein Weg, die unsichere und traumatische Zeit der Nachkriegsjahre zu verarbeiten und die Grenzen der konventionellen Kunst zu sprengen. Die Künstler wagten es, die Regeln zu brechen und schufen Werke von ungeheurer emotionaler Tiefe“, so Ebling weiter.
In der Zeit des Wandels und der Zerstörung nach 1945, als Künstler nach Wegen suchten, die Traumata des Krieges und die gemeinsamen Erfahrungen des deutschen Volkes zu verarbeiten, entstand die informelle Malerei als eine bedeutsame Kunstbewegung in Deutschland. So widmeten sich Künstlerinnen und Künstler der abstrakten Kunst, um ihre Emotionen und Gedanken auf eine nicht-gegenständliche Weise auszudrücken. Der „Blaue Aufbruch“ dieser frühen deutschen informellen Künstler, vollzog sich bekanntermaßen nicht als völliger Neuanfang einer fiktiven Stunde null, sondern bestand aus langjährigen Prozessen, jedes einzelnen Künstlers. Für Otto Greis war beispielsweise die Bekanntschaft mit Ernst Wilhelm Nay ein wichtiger Impuls für seine künstlerische Weiterentwicklung und der damit verbundenen Befreiung von der Gegenständlichkeit.
Als Schlüsselbild dieser Kunstbewegung in Deutschland gilt „Blauer Aufbruch“ von Otto Greis, das erstmals 1952 in Frankfurt am Main präsentiert wurde und als zentrales Kunstwerk im Mittelpunkt der Sonderausstellung steht. Die informelle Malerei, wie sie in „Blauer Aufbruch“ präsentiert wird, zeigt den Einsatz reiner Farbmaterie und wird von Zeitzeugen als „kosmische Gewalt“ beschrieben.
Die Maler Karl Otto Götz, Otto Greis, Heinz Kreutz und Bernard Schultze, die die Künstlergruppe Quadriga bildeten, gelten als Pioniere des abstrakten Expressionismus und Avantgardisten der 1950er Jahre. Durch ihre unkonventionellen Techniken haben sie die Malerei in Deutschland maßgeblich beeinflusst. Die Ausstellung würdigt die Quadriga-Künstler und hebt ihre vielseitigen Konzepte und die mit ihren Arbeiten verbundenen Hoffnungen für einen inhaltlichen Neuanfang hervor.
„Dabei sind es vor allem die hochinteressanten Gegenüberstellungen, die die Unterschiede der künstlerischen Ansätze der vier damals noch unbekannten Künstler aufzeigen“, ergänzte die Generaldirektorin der Generaldirektion Kulturelles Erbe, Dr. Heike Otto.
„Wir zeigen unter anderem Werke von Otto Greis, von dem das Landesmuseum Mainz umfangreiche Bestände besitzt, sowie Teile seines Nachlasses, den das Museum als Dauerleihgabe verwahrt“, so die Direktorin des Landesmuseums Mainz, Dr. Birgit Heide. Erweitert werden diese zentralen Referenzpunkte durch zahlreiche Leihgaben aus nationalen Museen und bedeutenden Privatsammlungen.
Informel ist eine Haltung
Das „Informel“ so Kuratorin Dr. Karoline Feulner in ihrer Einführung, ist kein Stil, sondern charakterisiere „eine künstlerische Haltung. Wörtlich übersetz bedeutet „informel“ formlos. Das heißt, die Gemälde weisen weder erkennbare Motive noch konkrete geometrische Formen auf. Es gibt keine Kompositionsregeln. wie etwa die Einhaltung von Perspektive. „Das bisher gängige klassische Formprinzip von Vorder-, Mittel- und Hintergrund im Gemälde wird zugunsten einer Entwicklung eines neuen und offenen Bildbegriffs aufgelöst. Das Kunstwerk, so Feulner entstehe in einem Prozess, dessen Endresultat offen ist. Es überlässt dem Betrachter einen freien Assoziationsraum, der ihm keine feste Deutung vorgibt“, so die Kuratorin. Die künstlerische Sprache des „Informel“ bekam die verschiedensten Etiketten und wurde neben „Informel“ auch als abstrakter Expressionismus, als Tachismus (von frz. la tache = der Fleck), als „Lyrische Abstraktion“ oder auch einfach als „Un art autre“ ( eine andere Kunst) bezeichnet, erläutert Feulner. Die Sprache des Informel war zugleich eine Formensprache, die sich radikal von einer figurativen, durch die Propagandakunst des Nationalsozialismus vorbelasteten Kunst unterschied und somit auch als eine Gegenposition zu dem sozialistischen Realismus der Deutschen Demokratischen Republik fungierte, erklärt die Kuratorin.
Die Ausstellung wird die vielschichtigen Konzeptionen der Künstler der Quadriga, wie auch ihre unkonventionellen Techniken, aber auch die Hoffnungen eines inhaltlichen „Aufbruchs“ skizzieren und zugleich die Unterschiede der künstlerischen Ansätze der vier damals unbekannten Newcomer in Gegenüberstellungen verdeutlichen.
Die Werke von Otto Greis, von welchem das Landesmuseum Mainz, GDKE umfangreiche Bestände besitzt sowie dessen Nachlass, den das Museum als Dauerleihgabe verwahrt, sind dabei die zentralen Referenzpunkte. Erweitert werden diese durch zahlreiche Leihgaben aus nationalen Museen und privaten Sammlungen. Begleitend erscheint ein umfangreicher Ausstellungskatalog im Sandstein Verlag.
Die Sonderausstellung „Blauer Aufbruch – informelle Malerei der Quadriga nach 1945“ ist vom 28. Oktober 2023 bis zum 4. Februar 2024 im Landesmuseum Mainz zu sehen.
(Dokumentation Diether von Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)
Landesmuseum Mainz
Große Bleiche 49 – 51
55116 Mainz
Telefon 06131 2857 0
Mo bis Do von 9 – 15.30 Uhr
Fr von 9 – 12 Uhr
landesmuseum-mainz@gdke.rlp.de
Begleitprogramm
Vortrag
Prof. Christoph Zuschlag (Forschungsstelle Informelle Kunst
am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn)
Zur historischen Stellung der Quadriga Ausstellung 1952
Di, 21.11.2023, 18 Uhr
Der Vortrag findet hybrid statt.
Anmeldung unter: anmeldung@gdke.rlp.de
Filmvorführung
quadriga – aufbruch in eine neue malerei (1986) von Isolde Pech
mit anschließendem Gespräch mit der Filmemacherin
Di., 23.1.2024, 18 Uhr
Kuratorenführungen mit Dr. Karoline Feulner
So., 19.11.2023, 14 Uhr; So., 10.12.2023, 14 Uhr; Di., 30.1.2024, 18 Uhr
Museumseintritt + 2 €, Tickets an der Kasse und im Onlineshop
Workshops
Museumswerkstatt für Kinder ab 6 Jahre
Wir machen blau. Experimentiere mit der schönsten Farbe!
14.11.2023, 16 Uhr
Tastbilder. Farbe(n) kann man nicht nur sehen, sondern auch fühlen.
12.12.2023, 16 Uhr
Kosten: 5 € p.P. inkl. Material, Tickets im Online-Shop
Workshop Reliefbilder für Erwachsene
Aus Stoff, Papier, Draht, Gips und Farbe entsteht ein Bild
mit herausragenden Elementen.
13.1.2024, 11-16 Uhr
Kosten: 50 € p.P. inkl. Material, Tickets im Online-Shop
Buchbares Begleitprogramm
Für Erwachsene:
Führung durch die Sonderausstellung
Kosten: 40 €, zzgl. Eintritt | Dauer: ca. 60 min
Für Schulklassen:
Führung durch die Sonderausstellung
Klassenstufe 5-13
Kosten: 4 € p.P. | Dauer: ca. 60 min
Workshop Kleisterbilder
Aus Kleisterfarbe entstehen farbige Gemälde in Manier
der informellen Malerei.
Klassenstufe 1-7
Kosten: 6 € p.P. | Dauer: ca. 90 min
Anmeldung jeweils unter: bildung.lmmz@gdke.rlp.de
Landesmuseum Mainz
Große Bleiche 49 – 51
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Telefon 06131 2857 0
Mo bis Do von 9 – 15.30 Uhr
Fr von 9 – 12 Uhr
landesmuseum-mainz@gdke.rlp.de
Begleitprogramm
Vortrag
Prof. Christoph Zuschlag (Forschungsstelle Informelle Kunst
am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn)
Zur historischen Stellung der Quadriga Ausstellung 1952
Di, 21.11.2023, 18 Uhr
Der Vortrag findet hybrid statt.
Anmeldung unter: anmeldung@gdke.rlp.de