Frankfurter Institut für Sozialforschung feiert 100-jähriges Jubiläum mit Festakt.

IfS-Gebäude 1951 © Institut für Sozialforschung
IfS-Gebäude 1951 © Institut für Sozialforschung

FRANKFURT. Am Montag, den 23. Januar 2023, jährte sich der Erlass des preußischen Kultusministers zur »Errichtung eines Instituts für Sozialforschung an der Universität Frankfurt als einer wissenschaftlichen Anstalt, die zugleich Lehrzwecken der Universität dient«, zum hundertsten Mal. Zu diesem Anlass hat das Institut für Sozialforschung (IfS) im Rahmen seines 100-jährigen Jubiläums zu einem presseöffentlichen Festakt eingeladen. Anwesend waren u.a. Vertreter:innen der hessischen Landesregierung, der Stadt Frankfurt, der Goethe-Universität sowie von zahlreichen akademischen wie zivilgesellschaftlichen Institutionen und Organisationen.

Der Direktor des IfS, Prof. Dr. Stephan Lessenich, verwies in seinem Redebeitrag auf die gegenwärtig stattfindende Entwicklung eines neuen Forschungsprogramms. Für die kritische Gegenwartsanalyse im Lichte einhundertjähriger Bemühungen um eine Gesellschaftskritik auf der Höhe der Zeit gelte es »mit dem konzeptionellen Fundus der Kritischen Theorie zu operieren, ohne seiner historischen Schwerkraft zu erliegen; mit der Dynamik der neuen Zeit zu gehen, ohne die kritische Distanz zu ihr zu verlieren. Die Tradition kritischer Theoriebildung und Sozialforschung verändernd fortschreiben: Das ist die ebenso erfüllende wie herausfordernde Aufgabe, vor die sich das IfS im Jahre 2023 gestellt sieht. Wie wollen wir an diese Aufgabe herangehen? In dem Bewusstsein, dass wir das Rad nicht neu erfinden werden, aber eben auch nicht müssen; dass es heute ums Ganze geht, um das Ganze der Gesellschaft und die Zukunft der Menschheit; dass die wissenschaftliche Ergründung des Ganzen, seiner Bewegung, seiner Widersprüche, seiner Grenzen, seiner Überwindung, nicht anders bewältigt werden kann als in einem kollektiven, kooperativen, kollegialen Arbeitszusammenhang.«

Direktorenrunde des Instituts für Sozialforschung mit Max Horkheimer und Theodor W.Adorno in der Mitte. Foto undatiert. © Stadt-und Universitätsbibliothek/May Horkheimer-Archiv. Frankfurt
Direktorenrunde des Instituts für Sozialforschung mit Max Horkheimer und Theodor W.Adorno in der Mitte. Foto undatiert. © Stadt-und Universitätsbibliothek/May Horkheimer-Archiv. Frankfurt

Zu seinem 100-jährigen Bestehen hat die Wissenschaftsministerin Angela Dorn die wichtige Rolle des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt für eine lebendige Demokratie hervorgehoben: »Das IfS steht seit Horkheimer, Benjamin und Adorno in einer philosophischen Tradition, die sich nicht damit begnügt, die Welt verschieden zu interpretieren, sondern sie auch verändern will. Es begann als Forschungsstätte zur Theorie und Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung mit der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule, der es um die Aufdeckung von Unrecht, um Emanzipation und Veränderung ging. Nach den Verbrechen des Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg eröffnete es 1951 wieder; der Zivilisationsbruch wurde zum Forschungsgegenstand. Die Kritische Theorie hat seit dem Anfang des IfS an Relevanz und Bedeutung nichts verloren. Wir brauchen dringend solche Einrichtungen. Um diese wichtige Rolle zu stärken, haben wir die Förderung des Landes von 2021 an gern von rund 620.000 auf nunmehr gut 870.600 Euro im Jahr erhöht.«

Die Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt Dr. Ina Hartwig betonte in ihrer Rede die enge Verbindung von IfS und der Stadt Frankfurt: »Ich gratuliere dem Institut für Sozialforschung von Herzen zu seinem runden Geburtstag. Seit seiner Gründung strahlt es weit über die Grenzen Frankfurt hinaus und gilt national wie international als bedeutender Ort kritischer Gesellschaftstheorie und Sozialforschung. Das Institut für Sozialforschung hat – zuletzt mit dem langjährigen Direktor Axel Honneth, nun mit Stephan Lessenich an der Spitze – in den vergangenen 100 Jahren seine gesellschaftskritischen Positionen und eine empirische Forschungspraxis stets beibehalten. Zu sehen ist in den Veranstaltungen heute eine noch stärkere Öffnung des Hauses. Ein Ort nicht nur für Wissenschaftler und Studierende, sondern auch für Künstler und Kulturschaffende, für die Stadtgesellschaft. Ich bin mir sicher, dass das Institut für Sozialforschung auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine ›Frankfurter Schule‹ im besten Sinne bleiben wird!« Die Stadt Frankfurt unterstützt das IfS mit rund 356.000 Euro jährlich.

Der Präsident der Goethe-Universität Frankfurt, Prof. Dr. Enrico Schleiff, gratulierte in seinem Grußwort dem Institut für Sozialforschung herzlich zum 100. Geburtstag: »Die Kritische Theorie der Frankfurter Schule ist eine der wissenschaftlichen Visitenkarten Frankfurts, die trotz der immer kürzer werdenden Halbwertszeit von wissenschaftlichen Erkenntnissen und wissenschaftlichen Reputationen nach wie vor auch international glänzt.« Das Institut für Sozialforschung, so Schleiff, habe sich der aktiven Gestaltung der Gesellschaft durch wissenschaftliche Erkenntnisse auf höchstem Niveau verschrieben. Und diesem Anspruch sehe sich auch die Goethe-Universität verpflichtet. Schon jetzt seien die Beziehungen zwischen Universität und Institut eng, kooperiere man seit Anfang an auf vielfältigen Ebenen miteinander. Schleiff wünschte sich abschließend vom IfS: »Erforschen Sie in der Tradition der Kritischen Theorie Überraschungen, Verunsicherungen, Herausforderungen, damit eine unter wissenschaftlichen Vorzeichen stehende ›politische Aufklärung‹ gelingt!«