Landesmuseum Darmstadt zeigt „Eleganz und Poesie – Höhepunkte der französischen Zeichenkunst vom 16. bis 18. Jahrhundert“


In der neuen Ausstellung „Eleganz & Poesie – Höhepunkte der französischen Zeichenkunst“ zeigt das Hessische Landesmuseum Darmstadt vom 29. März bis 24. Juni 2018 aus 490 Blättern seines eigenen Bestandes 75 ausgewählte Kostbarkeiten der Zeichenkunst in Frankreich vom 16. bis 18. Jahrhundert.

Die Ausstellung mit 75 ausgewählten Zeichnungen unterstreicht die Qualität der Werke, indem sie diese nicht nur chronologisch, sondern auch unter ästhetischen Gesichtspunkten ordnet. Abstraktion und Reduktion von visueller Information auf die bloße Kontur ist eine beachtliche intellektuelle Leistung. Deshalb gilt die Schule der Zeichnung auch als Schule des aufmerksamen und genauen Sehens

Im 16. Jahrhundert sind die Blätter von Jean Cousin der Ältere oder Étienne Delaune deutlich vom Manierismus geprägt. Wie die Zeichnungen von Martin Fréminet und Nicolas Cordier sind sie von höchster Qualität. Vielseitig und originell ist das 17. Jahrhundert mit Zeichnungen von Pierre Brebiette oder Claude Vignon. Aus dem lothringischen Raum stammen die Künstler Jacques Bellange und Jacques Callot, die mit einzigartigen, lavierten Federzeichnungen vertreten sind. Genauso bemerkenswert sind die Arbeiten von Simon Vouet und seinen Schülern sowie von Laurent de La Hyre, die unter der Regierung Louis XIII. arbeiteten. Auch die Künstler unter Louis XIV. sind präsent, insbesondere durch Charles Le Brun, Adam Frans Van der Meulen und Charles de La Fosse. Ebenso reich ist die Kollektion des 18. Jahrhunderts. Dazu gehören die berühmten Vertreter des Stils der „fêtes galantes“, Claude Gillot und Jean-Antoine Watteau, und die führenden Vertreter des Rokoko, François Boucher, Jean-Baptiste-Marie Pierre, Pierre-Charles Trémolières und Jean-Honoré Fragonard. Schließlich sind auch Arbeiten der großen Landschaftszeichner Joseph Vernet, Hubert Robert und Jean-Jacques Boissieu Teil der Ausstellung, genauso wie die der Historienmaler Jean-Simon Berthélémy, Gabriel-François Doyen oder Jean-Baptiste Greuze, die die französische Kunst zum neoklassizistischen Stil führten. Dieser wurde schließlich durch Jean-François-Pierre Peyron, Alexandre (oder Jean-Philibert) Moitte, Antoine-Denis Chaudet und Anne-Louis Girodet-Trioson umgesetzt.
RAUMFOLGE

RAUM 1
Zeichnung als eine Stufe im Werkprozess

Jacques Callot Entwurf für eine Theaterdekoration nach italienischer Art in der Mitte eine Säule um 1618. Schwarze Kreide, Pinsel und braune Lavierung. Foto: Wolfgang Fuhrmannek, HLMD
Jacques Callot Entwurf für eine Theaterdekoration nach italienischer Art in der Mitte eine Säule um 1618. Schwarze Kreide, Pinsel und braune Lavierung. Foto: Wolfgang Fuhrmannek, HLMD

In der Kunsttheorie der Renaissance wird Zeichnung als „Disegno“ – von lateinisch „designare“ (bezeichnen/zeichnen) – zum grundlegenden Begriff und steht sowohl für die künstlerische Idee, den Entwurf wie auch für das geistiges Konzept in einem religiösen Sinne. Die Zeichnung ist der erste Gedanke, den der Künstler zu Papier bringt. Auch im 17. Jahrhundert bleibt die Zeichnung eine Stufe im bildnerischen Entstehungsprozess und diesem untergeordnet. Häufig erfüllt sie eine akademische Pflichtaufgabe. Zeichnerisch wird das Gesamtbild in einzelnen Details erarbeitet oder es wird die Komposition durchgespielt, bevor die Einzelstudien etwa für ein Gemälde, eine Wandmalerei oder eine Skulptur übertragen werden. Im 18. Jahrhundert gilt die Zeichnung als die Grundtechnik der künstlerischen akademischen Ausbildung. Allerdings besteht die Tendenz, das Zeichnen auf den technischen Aspekt zu verkürzen und in der Zeichnung vor allem die vorbereitende Studie und Übung zu sehen. In der französischen Akademie dienen Ideen-, Entwurfsskizzen, Kompositions- und Figurenstudien sowie die genaue Vorzeichnung, gegebenenfalls in unterschiedlichen Techniken, zur Kontrolle im Herstellungsprozess eines Kunstwerkes.

RAUM 2
Zeichnung wird autonom

Horace Le Blanc Militaerszene. Foto: Wolfgang Fuhrmannek, HLMD
Horace Le Blanc Militaerszene. Foto: Wolfgang Fuhrmannek, HLMD

Die im 18. Jahrhundert übliche Akademiepraxis ordnet den Inhalt des Akademiestudiums in drei Bereiche: das Zeichnen „d‘après l’exemple“ (nach graphischen Vorlagen), „d’après la bosse“ (nach Statuen) und „d’après la nature“ (nach dem lebenden Modell). Den weichzeichnenden Stiften, das ist weiße, schwarze und rote Kreide, kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Gemeinsam ist diesen Materialien die Variabilität des Auftrags: Kreiden erlauben einerseits weich schattierend, schummernd sowie breit und flächig zu zeichnen, andererseits kann man durch Spitzen, Schneiden oder Brechen des Stiftes auch eine scharfe, präzise Linie ziehen. Kreide reagiert auf den leisesten Druck der Hand und lässt sich für lineare Gestaltungen wie für plastische Modellierungen und unterschiedliche Tondarstellungen einsetzen. Vorteilhaft für den Zeichner ist, dass die Kreidestriche korrigiert werden können, das ist ein wichtiger Aspekt für das Erarbeiten von Studien nach der Natur oder dem lebenden Modell.

Seit Beginn des 18. Jahrhunderts wächst das Bewusstsein einer subjektiven Empfindung. Damit einher geht das Interesse an einer individuellen zeichnerischen Handschrift und einer privaten Sicht auf die Dinge. Damals wird dem Sehen bei der Erziehung des vernünftigen Menschen eine wesentliche Bedeutung zugemessen, wobei das Auge als Instrument des Verstandes und der Emotion verstanden wird. Die Zeichnungen und das Zeichnen als private Beschäftigung erhalten hier einen neuen Sinn, insofern als sie die Trennung zwischen Auge und Hand aufheben. Während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstehen neben der offiziellen Akademie in Paris mehrere private Kunstschulen und Kreise, in denen das gemeinsame Zeichnen als eine Form von Geselligkeit praktiziert wird. Allmählich entwickelt sich die Zeichnung zu einem eigenständigen Bereich. So werden in dem ab 1737 regelmäßig stattfindenden „Pariser Salon“, jener Akademie-Ausstellung, die von König Ludwig XIV. 1667 initiiert wurde, um den offiziellen höfischen Kunstgeschmack zu propagieren, Zeichnungen neben Gemälden und Skulpturen als gleichberechtigt gezeigt.

RAUM 3
Pierre Crozat (1661 oder 1665–1740) – Bankier, Sammler und Mäzen

Charles-Joseph Natoire Der Hafen Ripa Grande in Rom. Foto: Wolfgang Fuhrmannek, HLMD
Charles-Joseph Natoire Der Hafen Ripa Grande in Rom. Foto: Wolfgang Fuhrmannek, HLMD

Es sind vor allem Liebhaber und Kenner, die der Zeichnung zum Durchbruch verhelfen, indem sie diese neben der akademischen Übung und Arbeit im Atelier zu einem Medium geistiger und geselliger Kommunikation machen. Im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts kommt dabei den Sammlungen des vermögenden Bankiers Pierre Crozat (1661 oder 1665–1740) eine existentielle Rolle zu. 1704 erwarb Crozat in Paris eine große, an der rue de Richelieu gelegene Parzelle, wo er sich eine luxuriöse Stadtresidenz bauen ließ. Die zur Gartenseite gelegene große Galerie schmückte Charles de La Fosse aus, für den Speisesaal schuf Crozats Schützling Jean-Antoine Watteau die „Vier Jahreszeiten“.

Bei wöchentlich stattfindenden „Réunions“ trifft sich ein Zirkel von Kennern und bildenden Künstlern, es wird musiziert und gesellschaftliche Konversation gepflegt, vor allem aber studiert man Gemälde und Zeichnungen in Crozats Sammlungen und diskutiert Fragen der Kunst. Einige der hier vertretenen Künstler gehören zum Besucherkreis. Nahezu ständig anwesende Stammgäste sind Charles de La Fosse (1640–1716), der in seinem Haus starb, und Crozats junger Schützling Jean-Antoine Watteau (1684–1721), den er von 1715 bis 1717 beherbergte, sowie der junge Maler Charles-Joseph Natoire (1700–1777) oder François Boucher (1703–1770).

Pierre Crozat stirbt im Jahr 1740 in seinem Stadtpalais. Seine Kunstsammlung ist die größte private Sammlung dieser Art im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Die Zeichnungen werden bereits 1741 versteigert. Im Jahr 1772 wird die Gemäldesammlung mit Unterstützung des Philosophen Denis Diderot von der russischen Zarin Katharina der Großen angekauft, so dass die Sammlung Crozat sich heute größtenteils in der Ermitage in Sankt Petersburg befindet.

RAUM 4
Der Markt der Sammler und Händler

Antoine Denis Chaudet Derjenige der gibt bekommt es von Gott zurueck Bleigriffel.Foto: Wolfgang Fuhrmannek, HLMD
Antoine Denis Chaudet Derjenige der gibt bekommt es von Gott zurueck Bleigriffel.Foto: Wolfgang Fuhrmannek, HLMD

„Die Handzeichnungen großer Meister werden von Kennern und Künstlern sehr hoch geschätzt, und nicht selten zum Studium der Kunst, den nach diesen Zeichnungen vollendeten Werken selbst vorgezogen. Denn da sie insgeheim in dem vollen Feuer der Begeisterung verfertiget werden, dem wahren Zeitpunkt, da der Künstler mit der größten Lebhaftigkeit fühlt, und am glücklichsten arbeitet: so ist auch das größte Feuer und Leben darin.“
Johann George Sulzer, Allgemeine Theorie der schönen Künste, 1779

Neben dem akademischen Diskurs befördert eine breite Sammlerbewegung die Etablierung der Zeichnung auf dem sich entwickelnden Kunstmarkt. Der Pariser Kunsthandel reagiert, indem er zu den zahlreichen Versteigerungen des 18. Jahrhunderts nicht nur Listen, sondern ausführliche Kataloge publiziert, in denen die Zeichnungen nach Schulen geordnet und beschrieben werden. Einige der Darmstädter Blätter stammen aus der Sammlung von Pierre-Jean Mariette (1694–1774), die 1775 in Paris versteigert worden ist. Was Qualität und Kennerschaft betrifft, ist Mariettes Sammlung als die überragende ihrer Zeit anzusehen. Mariettes Auffassung, der Strich lasse die Sache erkennen und arbeite damit das Wesentliche einer bildlichen Darstellung heraus, setzt sich allgemein durch und wird wegbereitend für die Aufwertung der Zeichnung als eigenständige Kunstgattung.
Diese Entwicklungen, das dem 18. Jahrhundert eigene ausgeprägte Bewusstsein für die Zeichnung einerseits und die Liberalisierung der Akademie andererseits, haben schließlich zu einer außerordentlichen Vielfalt geführt, was die Zeichenmittel, die Zeichentechniken und die behandelten Thematiken betrifft.

Veranstaltungsort

© Foto: atelier-Goddenthow
© Foto: atelier-Goddenthow

Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Friedensplatz 1, 64283 Darmstadt
Karl-Freund-Galerie

Laufzeit
29. März 2018 bis 24. Juni 2018

Öffnungszeiten
Dienstag, Donnerstag, Freitag 10.00 – 18.00 Uhr
Mittwoch 10.00 – 20.00 Uhr
Samstag, Sonn- und Feiertag 11.00 – 17.00 Uhr
Montag, Karfreitag geschlossen
Ostermontag und Pfingstmontag geöffnet

Eintritt
Erwachsene 6, ermäßigt 4 Euro
Das Ticket berechtigt auch zum Besuch der Ständigen Sammlung.
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren haben freien Eintritt.

Gruppen- und Einzelführungen
Individuelle Buchung beim Besucherservice Bildung und Vermittlung
unter: Telefon: +49 (0) 6151 1657-111, Mail: vermittlung@hlmd.de
Anmeldungen auch für Gruppen ohne gebuchte Führung erforderlich!
Die Führungen sind auf 25 Personen beschränkt.
Erreichbarkeit: Dienstag und Freitag 10.00 – 12.00 Uhr, Mittwoch 14.00 – 16.00 Uhr
pro Führung und Gruppe: 60 Euro zzgl. Eintritt, fremdsprachig: 70 Euro zzgl. Eintritt

Katalog
Französische Zeichnungen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts im Hessischen Landesmuseum Darmstadt“, in deutscher oder französischer Sprache
90 Euro während der Ausstellung im Museumsshop

Publikation
Sammelmappe für Zeichnungsliebhaber mit 15 Reproduktionen ausgewählter und kommentierter französischer Zeichnungen aus dem Darmstädter Bestand.
24,90 Euro

Rahmenprogramm

Eleganz & Poesie
Höhepunkte der französischen Zeichenkunst im Hessischen Landesmuseum Darmstadt

29. März 2018 bis 24. Juni 2018

Aktionstag
Sonntag der französischen Zeichenkunst
29.4.2018, 11.00 – 17.00 Uhr
Karl Freund-Galerie (2. OG)

Programm

Ganztägig
Die Kurse »Werkstatt Zeichnen« stellen sich vor und laden zum Mitzeichnen ein, unter der Leitung von Gudrun Cornford

11.15 Uhr
»Rendezvous«
Öffentliche Führung mit Dr. des. Jennifer Chrost, HLMD

12.15 Uhr
»Rendezvous«
Öffentliche Führung mit Nina Wittmann, M. A.

13.15 – 13.45 Uhr
»Harfenklänge für die Kunst«
mit Iván Gómez Cervantes

14.00 Uhr
»Rendezvous«
Öffentliche Führung mit Dr. Mechthild Haas, HLMD

15.00–15.30 Uhr
»Harfenklänge für die Kunst«
mit Iván Gómez Cervantes

15.30–16.00 Uhr
»La poésie et l´art«
Poetisches zur Ausstellung
mit Finn Holitzka und Samuel Kramer (Poetry Slamer)

16.00 Uhr
»Rendezvous« (frz./dt.)
Öffentliche Führung in deutsch-französischer Sprache mit Barbara Rubert, M. A.

Öffentliche Führungen

Sonntag, 1.4.2018
14.00 Uhr mit Dr. Susanne Lang

Sonntag, 8.4.2018
14.00 Uhr mit Nina Wittmann, M. A.

Mittwoch, 11.4.2018
18.30 Uhr mit Barbara Rubert, M. A.

Freitag, 11.5.2018
11.00 Uhr mit Dr. Susanne Lang

Sonntag, 27.5.2018
14.00 Uhr mit Dr. Susanne Lang

Freitag, 8.6.2018
11.00 Uhr mit Dr. des. Jennifer Chrost, HLMD

Mittwoch, 20.6.2018
18.30 Uhr mit Dr. des. Jennifer Chrost, HLMD

Sonntag, 24.6.2018

Finissage
11.15 Uhr, Führung mit Dr. des. Jennifer Chrost, HLMD
14.00 Uhr, Führung mit Dr. Mechthild Haas, HLMD
15.00–17.00 Uhr,
»Macarons et Crémant«
Französische Gaumenfreuden mit Anna Reckmann
Pâtisserie & Chocolaterie im Café Rodenstein

Veranstaltungsort
Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Friedensplatz 1, 64283 Darmstadt
Karl-Freund-Galerie

Laufzeit
29. März 2018 bis 24. Juni 2018

Öffnungszeiten
Dienstag, Donnerstag, Freitag 10.00 – 18.00 Uhr
Mittwoch 10.00 – 20.00 Uhr
Samstag, Sonn- und Feiertag 11.00 – 17.00 Uhr
Montag, Karfreitag geschlossen
Ostermontag und Pfingstmontag geöffnet

Eintritt
Erwachsene 6, ermäßigt 4 Euro
Das Ticket berechtigt auch zum Besuch der Ständigen Sammlung.
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren haben freien Eintritt.

Gruppen- und Einzelführungen
Individuelle Buchung beim Besucherservice Bildung und Vermittlung
unter: Telefon: +49 (0) 6151 1657-111, Mail: vermittlung@hlmd.de
Anmeldungen auch für Gruppen ohne gebuchte Führung erforderlich!
Die Führungen sind auf 25 Personen beschränkt.
Erreichbarkeit: Dienstag und Freitag 10.00 – 12.00 Uhr, Mittwoch 14.00 – 16.00 Uhr
pro Führung und Gruppe: 60 Euro zzgl. Eintritt, fremdsprachig: 70 Euro zzgl. Eintritt