documenta14 öffnet übermorgen: Kassel wird 100 Tage zur Welthauptstadt internationaler politischer Gegenwartskunst

„The Parthenon of Books“ eine das Athener Original im Maßstab 1:1 abbildende Arbeit von Marta Minujín, mit verbotenen oder einst verbotenen Büchern bestückt, nimmt symbolhaft den zentralen Platz vor dem Fridericianum ein. Antike trifft hier auf Klassizismus. Das historische Gebäude Fridericianum, der erste Museumsbau für die Öffentlichkeit auf dem Kontinent, wird als „Wiege der documenta“ bezeichnet und ist seit über 60 Jahren ihr traditioneller Ausstellungsort. Auch hier schafft die documenta 14 einen Bezug zu Athen. Adam Szymczyk zeigt im Fridericianum in einem zentralen Kooperationsprojekt mit dem Nationalen Museum für zeitgenössische Kunst (EMST) in Athen eine Auswahl dessen ständiger Sammlung. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
„The Parthenon of Books“ eine das Athener Original im Maßstab 1:1 abbildende Arbeit von Marta Minujín, mit verbotenen oder einst verbotenen Büchern bestückt, nimmt symbolhaft den zentralen Platz vor dem Fridericianum ein. Antike trifft hier auf Klassizismus. Das historische Gebäude Fridericianum, der erste Museumsbau für die Öffentlichkeit auf dem Kontinent, wird als „Wiege der documenta“ bezeichnet und ist seit über 60 Jahren ihr traditioneller Ausstellungsort. Auch hier schafft die documenta 14 einen Bezug zu Athen. Adam Szymczyk zeigt im Fridericianum in einem zentralen Kooperationsprojekt mit dem Nationalen Museum für zeitgenössische Kunst (EMST) in Athen eine Auswahl dessen ständiger Sammlung. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Für die kommenden 100 Tage hat Kassel ein neues Wahrzeichen: Marta Minujins „Partheonon der Bücher“ ragt in Originalgröße des einstigen griechischen Tempels für die Athener Stadtgöttin Pallas auf dem Friedrichsplatz empor. Seine Säulen mit verbotenen und einstmals verbotenen Büchern bestückt, sind ein Mahnmal an die weltweit zunehmende Behinderung von Meinungs- und Publikationsfreiheit wie sie zuletzt vor allem in der Türkei, Ungarn, Russland und vielen anderen nichtdemokratischen Ländern dieser Erde beklagt wurden. Symbolträchtiger hätte dieser Ort wohl kaum gewählt sein können, da auf diesem Friedrichsplatz am 19. Mai 1933 die Nazis eine ihrer großen Bücherverbrennungen zelebrierten. Als hätte die Menschheit nichts hinzugelernt, als wiederholten sich die Fehler der Vergangenheit immer wieder aus’s Neue klagen die gigantischen Büchersäulen des begehbaren imposanten Mahnmals der argentinischen Künstlerin an. Auf die erneut wachsende Bedrohung der Freiheit allerorten im aktuellen Kontext von Flüchtlingskrise, wachsenden Populismus, Terror, Klimakatastrophe und Fake-News medienwirksam aufmerksam zu machen , hat sich die documenta14 auf ihre Fahnen geschrieben.  Anfang Mai in Athen und nun parallel in Kassel demnächst eröffnet, werden die Kunstwerke, Performances und Begleitprogramme den Daumen in die Wunden legen. Beim gestrigen Presse-Preview stellten die Veranstalter und Kuratoren der dokumenta14 im Stadt-Palais ihr Konzept der weltberühmte Ausstellung zeitgenössischer Kunst mit Werken von über 160 Künstlerinnen und Künstlern den rund 3000 angereisten Journalisten vor.

Die Ausstellung im Fridericianum präsentiert erstmals in Deutschland die Sammlung des Athener Nationalen Museums für Zeitgenössische Kunst (EMST). Auf dem Königsplatz zeigt der amerikanische Künstler Olu Oguibe seine Arbeit zur humanitären Hilfe für Kriegsopfer.Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Die Ausstellung im Fridericianum (rechts) präsentiert erstmals in Deutschland die Sammlung des Athener Nationalen Museums für Zeitgenössische Kunst (EMST). Auf dem Königsplatz zeigt der amerikanische Künstler Olu Oguibe seine Arbeit zur humanitären Hilfe für Kriegsopfer.Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Die Ausstellung im Fridericianum präsentiert erstmals in Deutschland die Sammlung des Athener Nationalen Museums für Zeitgenössische Kunst (EMST). Auf dem Königsplatz zeigt der amerikanische Künstler Olu Oguibe seine Arbeit zur humanitären Hilfe für Kriegsopfer.

„Wir erleben in diesem Jahr eine ganz besondere Ausstellung in der langen Tradition der Kunstschau. Denn die documenta 14 beweist es erneut: Auch nach über sechzig Jahren löst diese Institution überaus lebendig ihr Credo ein, nachdem sie sich stets erneuert und ihrem Publikum immer wieder Überraschendes und Unerwartetes präsentiert“, sagte Oberbürgermeister Bertram Hilgen.
In ihrer Heimat Kassel ist das dem Ideengeber Arnold Bode 1955 erstmals gelungen. Im Jahr 2017 sind nun gleich zwei Städte, Kassel und Athen, die Achsen, auf denen sich die Weltausstellung bewegt und globale Fragestellungen thematisiert. „Von Athen lernen“ hat es der künstlerische Leiter Adam Szymczyk überschrieben.
„Die documenta 14 mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie die Geschäftsführung der documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs gGmbH haben sich mit der Ausdehnung auf zwei Städte ein gigantisches Pensum auferlegt und mit großem Einsatz zum Gelingen gebracht“, äußerte OB Hilgen seine Wertschätzung für das Projekt.

Jannis Kounellis (ohne Titel 1993), Kohle, Säcke, Stahl - Soll die Transfusion des einen Raumes in den anderen symbolisieren. Diese Idee, die Kounellis ganz klar durch sein Gesamtwerk hindurch beschäftigt hat, ermöglicht es ihm, Kompositionen aus "dem Leben" ärmlicher aber konkreter Wirklichkeiten einer Jacke, eines Haufens Holzkohle, eines alten Holzstücks, dem Gipsabguss eines antiken Kopfes usw. zu kreieren, um daraus echte Bilder zu schaffen - so, als ob er das Staffeleibild nur deshalb hinter sich gelassen hatte, um wieder darauf zurückzukommen, wenn er die Wirklichkeit selbst als sein "Gemälde" rahmt. (aus dem Wandtext).  Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Jannis Kounellis (ohne Titel 1993), Kohle, Säcke, Stahl – Soll die Transfusion des einen Raumes in den anderen symbolisieren. Diese Idee, die Kounellis ganz klar durch sein Gesamtwerk hindurch beschäftigt hat, ermöglicht es ihm, Kompositionen aus „dem Leben“ ärmlicher aber konkreter Wirklichkeiten einer Jacke, eines Haufens Holzkohle, eines alten Holzstücks, dem Gipsabguss eines antiken Kopfes usw. zu kreieren, um daraus echte Bilder zu schaffen – so, als ob er das Staffeleibild nur deshalb hinter sich gelassen hatte, um wieder darauf zurückzukommen, wenn er die Wirklichkeit selbst als sein „Gemälde“ rahmt. (aus dem Wandtext). Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Kassel und Athen: Die Verdoppelung der documenta-Perspektive
In Kassel schließt sich nach dem Auftakt in der griechischen Hauptstadt nun der Kreis und offenbart den Besucherinnen und Besuchern der documenta 14 die komplette Einsicht in die diesjährige Weltkunstschau. OB Hilgen: „Mit der Verdoppelung der documenta-Perspektive durch die zwei Standorte hat sich das Interesse an der Ausstellung in bisher noch nicht dagewesener Weise vervielfacht. In zwei Städten ist die intensive Auseinandersetzung mit den Thesen des Kuratoren-Teams möglich.“
Die documenta 14 schaffe zudem über das Medium der Kunst eine Brücke und eine bislang nicht gekannte Form der Gemeinschaft zwischen den beiden Städten. „Die Kunst führt die Menschen zusammen“, war die gemeinsame Aussage von Oberbürgermeister Bertram Hilgen und Athens Bürgermeister Yiorgos Kaminis anlässlich des Starts der documenta 14 im April in Athen. Beide betonten, dass zahlreiche Chancen für Athen wie auch für Kassel von ihr ausgehen. Im Rahmen der Vorbereitung der Kunstschau habe es auch auf kommunaler Ebene einen von gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen geprägten Austausch gegeben.

Kunst- und Kulturminister Boris Rhein. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Kunst- und Kulturminister Boris Rhein. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Hessens Kunst- und Kulturminister Boris Rhein lobte in seinem Grusswort, : dass sich „die documenta als eine der bedeutendsten und international bekanntesten Ausstellungen weltweit Anerkennung erworben“ hat: „Hier werden Debatten um Positionen in der Kultur ausgetragen und Perspektiven für die Zukunft entwickelt. Dieser hohe Anspruch ist für uns zugleich Verpflichtung, auch in Zukunft für angemessene Rahmenbedingungen zu sorgen. Deswegen fördert das Land Hessen die documenta in diesem Jahr mit fast 14 Millionen Euro mehr als je zuvor.“ Mit der Eröffnung würde die Stadt Kassel zu einem großen Museum, so der Minister, und wünschte „dieser documenta einen überwältigenden Erfolg und viele Menschen, die an diesem Ereignis teilnehmen, die Kunst diskutieren und sich von ihr inspirieren lassen. Mein Dank gilt den Organisatoren, Helfern und Sponsoren, ohne die diese großartige Ausstellung nicht zu stemmen gewesen wäre“ so Kunst- und Kulturminister Boris Rhein

documenta-Stadt Kassel – Kulturstadt von Rang

Ob durch die Außenkunstwerke, ob in den über verschiedene Kasseler Stadtteile verteilten Ausstellungshäusern und -räumen, ob bei Performances oder in den zahlreichen, teilweise eigens für den Ausstellungszeitraum entstandenen gastronomischen Treffpunkten: Die documenta ist nun für 100 Tage ein prägendes Element, gestaltet das städtische Leben für die Gäste und die Bürgerinnen und Bürger vibrierend, spannend und lebendig. OB Hilgen: „Es ist allerdings ein Lebensgefühl, auf das Kassel auch in den jeweils fünf Jahren zwischen den documenta-Ausstellungen nicht verzichten muss. Vom nordhessischen Schattendasein kann heute keine Rede mehr sein.“

Denn die ehemalige Landgrafen- und Kurfürstenstadt ist voller Geschichte, die auf pralle kulturelle Gegenwart trifft. Kassel hat in den vergangenen Jahren eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung genommen und sich dabei zu einem der zentralen Kulturstandorte in Deutschland entwickelt. Es bietet eine kreative Szene und etablierte Einrichtungen der Hochkultur, eine vielgestaltige Museumslandschaft sowie eine Kunsthochschule, aus der Oscarpreisträger hervorgegangen sind. Mit dem barocken Bergpark Wilhemshöhe ist die Stadt ein UNESCO Weltkulturerbe, mit der GRIMMWELT Kassel auf dem Weinberg die moderne Grimmhauptstadt Deutschlands.
Kasselkultur2017 – das Stadtprogramm im documenta-Jahr.

Das documenta-Jahr bietet für die Kulturakteure Kassels stets einen besonderen Rahmen und Ansporn zu außergewöhnlichen Vorhaben und Initiativen. Weit über tausend kulturelle Projekte und Veranstaltungen unterschiedlichster Sparten und Richtungen bilden den Kern von Kasselkultur2017, dem Stadtprogramm im documenta-Jahr. Bis Dezember können Besucher und Bewohner aus einem von mehr als hundert Kooperationspartnern gestalteten Programm auswählen, das von klassischen Formaten bis zu experimentellen Kulturveranstaltungen reicht.

Documenta Archiv, documenta Institut und eine documenta-Professur
Eine einzigartige Schatzkammer an öffentlich zugänglichen Quellen zur zeitgenössischen Kunst ist das documenta Archiv, dessen Gründung auf einer Idee Arnold Bodes beruht. Es spiegelt zentrale Aspekte zur Ausstellungsgeschichte der documenta wider, die Kunst, Historie, Gesellschaft und Politik berühren. Das Archiv wurde 1961 gegründet und beherbergt ein Aktenarchiv, das das Schriftgut der Ausstellungen verwahrt, eine große Spezialbibliothek sowie umfangreiche Presse-, Bild- und audiovisuelle Mediensammlungen. Nachlässe ergänzen den wertvollen Bestand.
Gemeinsam mit der Universität Kassel, der documenta gGmbH und mit der Unterstützung des Bundes sowie des Landes Hessen ist ein documenta Institut im Aufbau begriffen. Es wird die documenta als ein Kulturerbe von internationalem Rang im Hinblick auf ihre Geschichte aufarbeiten sowie Fragestellungen im Kontext der globalen zeitgenössischen Ausstellungskultur untersuchen.

Neue documenta-Professorin an der Kunsthochschule Kassel wird Prof. Dr. Nora Sternfeld (geb. 1976). Damit hat die Universität Kassel rechtzeitig vor Beginn der documenta eine Personalie mit Ausstrahlung in die internationale Kunstwelt entschieden. „Eines der wesentlichen Ziele meiner Forschungsarbeit sehe ich darin, Kassel als international relevanten Standort für Ausstellungstheorie und -praxis zu positionieren, auch in der Zeit zwischen den alle fünf Jahre stattfindenden Ausstellungen“, kündigte Sternfeld an.
Mit einer Vielzahl von Projekten und Veranstaltungen unterstützt und begleitet die Universität Kassel die documenta 14. An einigen documenta-Kunstwerken sind Studierende, Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler der Universität direkt beteiligt. Zudem ist die Weltkunstschau mit mehreren Ausstellungsorten an der Hochschule zu Gast.

Image- und Wirtschaftsfaktor documenta
Die documenta ist ein nicht zu vernachlässigender Image- und Wirtschaftsfaktor für Kassel. Durch ihren Bekanntheitsgrad ist sie hervorragend geeignet, nach innen und nach außen zu wirken. Sie selbst ist ein Arbeitgeber für hunderte Beschäftige, zudem sind zahlreiche Kasseler Betriebe und Unternehmen für die Ausstellung tätig. Hotels, die Gastronomie und der Handel profitieren von den Gästen, deren Zahl zur documenta 13 bei rund 900 000 lag.
OB Hilgen: „Die documenta fasziniert seit 1955 immer wieder die internationale Kunstwelt und setzt sie nach Kassel in Bewegung. Gut möglich also, dass die documenta 14 mit ihrem Konzept zweier Städte noch weitaus mehr Menschen zur Kunst bringen wird als alle vorherigen Ausstellungen.“

Weitere Informationen:
www.documenta14.de
www.documenta.kassel.de
https://www.kasselkultur2017.de
https://www.documenta.de
http://www.documenta-archiv.de
http://www.kassel-marketing.de