Mit einem Empfang und einer Weinprobe am Montag, 19. August 2019, im Gewölbesaal des Kurfürstlichen Schlosses feierten Oberbürgermeister Michael Ebling gemeinsam mit Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse und Erika Friderichs, der langjährigen Leiterin des Denk!Mal Netzwerkes (MDN), die Fertigstellung des umfänglich sanierten Diether von Isenburg-Flügels des Kurfürstlichen Schlosses. Das Mainzer Denk!Mal Netzwerk setzt sich seit 15 Jahren für den Erhalt der Mainzer Baudenkmäler ein. So konnten die Fassade des Hauses „Zum Römischen Kaiser“, sechs Rheintore und auch die gesamte Fassade des Isenburg-Flügels des Kurfürstlichen Schlosses nur dank dieser großen Unterstützung und damit weiterer gewonnener Förderungen restauriert werden. Bei diesem Anlass übergab Erika Friderichs nach nun 15 Jahren unermüdlichen und erfolgreichen denkmalpflegerischen Engagement ihre Leitungsfunktion an Peter Krawietz. Der Oberbürgermeister ehrte sie mit einer besonderen Urkunde ihrer Heimatstadt Mainz. Zu den Gratulanten zählte auch Finanzministerin Doris Ahnen unter anderem mit den Worten: „Sie haben sich im besten Sinne des Wortes um das Allgemeinwohl verdient gemacht!“.
Zuvor hatten Interessenten die Möglichkeit die Sanierungsarbeiten des Isenburg-Flügels mit fachkundiger Erläuterung des Architekten Franz Kurz in Augenschein zu nehmen. Sein Anliegen, nämlich den Mainzern das Schloss wieder so zu übergeben, wie es ursprünglich mal gebaut und gestaltet war und wie es der große Kunsthistoriker Georg Dehio (1850–1932) beschrieben hatte, ist Franz Kurz vollends gelungen. Nachdem das Mainzer Schloss 1942 im Bomenhagel bis auf die Außenmauern und ein paar wenige überwölbte Räume untergegangen und nach dem Krieg seit 1948 trotz der großen Materialknappheit, die damals geherrscht hatte, wieder aufgebaut worden war, wurde nunmehr doch eine größere Sanierung notwendig. „Man hatte damals auch nicht diese Mörtel, die wir zur Sanierung wieder haben, so dass eben die Schäden, die wir ausbessern mussten, nicht nur Schäden waren, die noch kriegsbedingt vorhanden waren, sondern auch erste Sanierungen betrafen, die eben nicht mehr brauchbar waren“, begründete Kurz den notwendigen Umfang der Maßnahmen, die insgesamt 4,3 Millionen Euro kosteten. 703 000 Euro davon kamen von der Stadt und zwar aus Bauunterhaltungsmitteln der GWM. Weitere 704 000 Euro stammten aus dem Denkmalpflege-Programm des Bundes sowie 543 000 Euro vom Land. 2,34 Millionen Euro haben das Mainzer Denkmalnetzwerk und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz zugestiftet.
Der Aufwand hat sich gelohnt, denn mit Sicherheit könne man sagen, dass das Schloss bei seiner Fertigstellung 1752 in diesem Farbton genauso ausgesehen hat wie jetzt nach den Sanierungsarbeiten, so Architekt Franz Kurz. Man habe handflächengroße Reste der Originalfarbe im Innenhofbereich gefunden und nach Vorgabe des Landesdenkmalamtes den Farbton in einer Mineralfarbe nachgemischt. Diese silikatische, nur aus Pigmenten und aus Kaliwasserglas bestehende Farbe bilde keinen Film wie eine Dispersionsfarbe, sondern verkiesele mit dem Untergrund- Sie halte eins, zwei Generationen, müsse jedoch, abhängig von Umwelteinflüssen wohl nach 30 Jahren nachgearbeitet werden, so der Architekt.
Entschieden länger, etwa 80 bis 90 Jahre, halten die Arbeiten an der Fassade, die Steinsanierungen, bevor man da wieder etwas tun müsse. Die Steinsanierung habe sich im Wesentlichen darauf bezogen, „dass wir mürbe Steine ganz ausgebaut haben, und durch Neuteile ersetzt haben. Kleinere Schäden wurden ausgearbeitet, und da wurden sogenannte Vierungen eingesetzt, also nur Teilstücke des Steines ergänzt, und kleine etwa bis handtellergroße vorhandene Schäden wurden durch Antragmörtel repariert“, erklärt Kurz. Es gebe zahlreiche Neuteile, Vierungen und Antragungen, die jedoch so perfekt eingearbeitet wurden, dass sie als solche nicht identifizierbar wären.
Probleme haben die Balkone bereitet. Da aus statischen Gründen Risse in den tragenden Konsolen nicht geklammert werden konnten, habe man in die beiden äußeren Masken eine Kernbohrung durch die Konsole und Außenwand mit einem Durchmesser von 8 cm durchgeführt. Hierdurch habe man dann einen 22 Millimeter starken Spannstahl durchgeschoben und diesen von beiden Seiten mit Hilfe von jeweiligen Konterplatten und Muttern gekontert und somit eine Konstruktion geschaffen „wie bei Spannbeton. Und dann haben wir die ausgebohrten Bohrkerne wieder aufgesetzt und das Ganze überarbeitet, und kein Mensch sieht, was wir da gemacht haben“, ist Kurz sichtlich stolz auf diese gelungene Arbeit.
Bei der Gestaltung der Fenster waren sich Kurz und das Denkmalamt sicher, dass diese einst original natursichtig waren und keine weiße Rahmen hatten wie die auf der Rheinseite. Denn zur Bauzeit des Schlosses war die aus Frankreich kommende Mode, Fenster weiß zu streichen, noch nicht bis Mainz vorgedrungen. Zudem gab es historische Schloss-Abbildungen, auf denen man keine weißen Fenster erkennen konnte.
Auf eine Besonderheit weist Kurz noch in seiner Architekturkritik hin: „als 1752 hier das Objekt fertiggestellt wurde, war ja in Mainz schon lange der Barock zuhause“, erläutert er, und nennt als Beispiele das „Deutschhaus“, welches von 1730 bis 1731 errichtet worden war, den Dalberger Hof, den Ertaler Hof, der 1743 fertig gestellt war und den Osteiner Hof, des Bauherrn eigenes Stadt-Palais, welches in einem wunderschönen Barock ebenfalls 1752 fertig gestellt worden war.
Kurz glaubt aber, dass der Architekt als Dienstleister seines Auftraggebers eher dessen Wünsche als seine eigenen Überzeugungen verwirklicht habe. Denn dass sich der Architekt wohl schwer getan hat, im Stile der Renaissance zu bauen, sähe man „an vielen Barock-Elementen, die er in seine Gestaltung eingebracht hat“, so Kurz. Es gäbe ein signifikantes Merkmal, nämlich, dass er auf den Einbau der für die deutsche Renaissance typischen Kreuzstockfenster, auf die Fenster mit dem Natursteinkreuz, verzichtet habe. Stattdessen habe er offene Fenster als ein typisches Element barocker Gestaltung verwendet. Der Architekt öffnete sich zum Licht und wollte Licht in das Gebäude holen. Weitere Hinweise auf barocke Akzente, die er gesetzt habe, seien auch die Verwendungen von Pilastern in einer für den Barock klassisch gegliederten Säulenordnung, nämlich in dorische, ionische und korinthische Ordnung.
Das Tüpfelchen auf dem „I“ für die barocken Ambitionen des Architekten seien diese schon geschwungenen Balkone, zwar etwas zurückhaltend, nicht wie bei den Barock-Palais in der Stadt, aber immer doch schon sehr lebhaft geschwungen, so Kurz. Und auch die Barock-Konsolen mit den Masken seien nicht typisch für die Renaissance, sondern reichten schon in das Barock hinüber.
Damit habe der Architekt schon gezeigt, dass er in der Mode des Barockes zuhause ist. Und er habe deutlich gemacht, „dass er eben, nennen wir es unter Zwang, sich zurückgenommen hat, um dem Ganzen das Gepräge der Renaissance noch zu geben, und ein einheitliches Bauwerk zu schaffen. Das ist eben aus meiner Sicht seine besondere Leistung“, so Kurz, der abschließend den Kunsthistoriker Georg Dehio (1850–1932) mit den Worten über das Mainzer Schloss zitiert: „Kein Bau von großem Wurf, aber einer feinen und vornehmen Kultur, wie sie in der Deutschen Renaissance nicht wieder zu finden ist“.
Diether v. Goddenthow / Rhein-Main.Eurokunst
siehe auch:
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