Kategorie-Archiv: Julius Campe Preis

Schriftstellerin und Moderatorin Thea Dorn erhält auf der Buchmesse den Julius-Campe-Preis 2023 des Hoffmann und Campe Verlags

Die preisgekrönte Schriftstellerin und Moderatorin Thea Dorn, seit 2020 alleinige Gastgeberin des Literarischen Quartetts im ZDF erhielt im Frankfurt Pavilion auf der Frankfurter Buchmesse des Julius Campe-Preise 2023 des Hoffmann und Campe Verlags. © Foto Diether von Goddenthow
Die preisgekrönte Schriftstellerin und Moderatorin Thea Dorn, seit 2020 alleinige Gastgeberin des Literarischen Quartetts im ZDF erhielt im Frankfurt Pavilion auf der Frankfurter Buchmesse des Julius Campe-Preise 2023 des Hoffmann und Campe Verlags. © Foto Diether von Goddenthow

Der Julius-Campe-Preis, den der HOFFMANN UND CAMPE Verlag verleiht, geht in diesem Jahr an die Schriftstellerin und Moderatorin Thea Dorn. Der Preis wurde am 20.10.2023 im Frankfurt Pavilion auf der Frankfurter Buchmesse verliehen von Tim Jung, Verlegerischer Geschäftsführer von Hoffmann und Campe in Beisein des Verlegers Thomas Ganske, Inhaber der Ganske Verlagsgruppe (Hoffmann u Campe, Gräfe und Unzer, Jahreszeiten usw.) Die Laudatio hielt der Publizist Deniz Yücel, Vorsitzender des Pen-Berlin. . Der Preis ist mit 99 Flaschen edlen Weins und des bei HOFFMANN UND CAMPE erschienenen Faksimiles des Manuskripts der »Französischen Zustände« Heinrich Heines dotiert.

Tim Jung, Geschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlages überreicht Thea Dorn die Preisurkunde mit folgendem Text (Auszug): "Als heutige Gastgeberin des Literarischen Quartetts bietet Thea Dorn der Literatur eines der wichtigsten öffentlichen Foren und leistet damit einen entscheidenden Beitrag für das kulturelle Leben in Deutschland, für Meinungsvielfalt und für einen offenen Diskurs, der für den Erhalt der Demokratie unverzichtbar ist ...", © Foto Diether von Goddenthow
Tim Jung, Geschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlages überreicht Thea Dorn die Preisurkunde mit folgendem Text (Auszug): „Als heutige Gastgeberin des Literarischen Quartetts bietet Thea Dorn der Literatur eines der wichtigsten öffentlichen Foren und leistet damit einen entscheidenden Beitrag für das kulturelle Leben in Deutschland, für Meinungsvielfalt und für einen offenen Diskurs, der für den Erhalt der Demokratie unverzichtbar ist …“, © Foto Diether von Goddenthow

Der Preis, so Jung, werde an Persönlichkeiten und Institutionen verliehen, die sich auf herausragende Weise literaturkritische und literaturvermittelnde Verdienste erworben haben. Als heutige Gastgeberin des Literarischen Quartetts böte Thea Dorn der Literatur eines der wichtigsten öffentlichen Foren und leiste damit einen entscheidenden Beitrag für das kulturelle Leben in Deutschland für Meinungsvielfalt und für einen offenen Diskurs, der für den Erhalt unserer Demokratie unverzichtbar sei, sagte Jung. In Zeiten schwindender Toleranz und einer zunehmend deformierten Debattenkultur stehe Thea Dorn für einen Austausch von Meinungen, Sichtweisen und Ideen, der den Idealen der Aufklärung folge: „Sie ermöglicht es einem großen Publikum, an einem Gespräch über Literatur teilzuhaben, dessen elementarer Wert für unsere Gesellschaft in Orientierung, Erkenntnis, gegenseitiger Akzeptanz und einem tieferen Verständnis unserer Welt besteht“, so der HoCa-Geschäftsführer. Im Rahmen Ihrer Sendung praktiziere Thea Dorn eine tolerante Streitbarkeit. Literatur sei ihr nicht nur Anlass zum Disput, sondern sie sorge, wie Hamburgs Kultursenator Dr. Carsten Brosda seinem Buch „Die Kunst der Demokratie“ einmal schrieb, „für fortwährende lebendige Aufbegehrung, bei der die Vernunft in der Vielheit ihrer Stimmen liegt“.

Jung kritisiert Schließung von Goethe-Instituten und Literatursendungen im ÖRR
Wir lebten in Zeiten, in denen Austausch und Verständigung, das Suchen und Finden von Brücken über Terror, Kriege, Staatsgrenzen und Denkhorizonte hinweg gleich notwendiger denn je seien. Ausgerechnet in solch einer Zeit, in der Brückenbauen über Denkhorizonte hinweg zu bauen, oft so schwer vorstellbar wäre, „müssen wir gemeinsam erleben, dass es das Auswärtige Amt für eine gute Idee hält, Goethe-Institute zu schließen, und wir erleben auch, wie innerhalb der ARD der Bayerische Rundfunk mit Verweis auf angebliche Rezeptionsgewohnheiten seiner jüngeren Zielgruppe etablierte Kultursendungen einstellen will“, kritisiert Jung die Politik und den ÖRR. Dies sei ein fatales Signal, auch an andere Sender und Anstalten des Öffentlich Rechtlichen Rundfunks. „Der öffentlich rechtliche Bildungsauftrag besteht nicht darin, Hörer nach ihrer Lieblingslektüre zu befragen, oder Redakteure Klappentexte vorlesen zu lassen, sondern darin, eine Jugend und eine Gesellschaft ernstzunehmen, die in höllisch komplizierten Zeiten lebt, und die ein Anspruch darauf hat, profund, klug und komplex informiert zu werden.“
Bei Thea Dorn sei Literatur ist kein Beiwerk als Einspieler oder Lückenfüller. Literatur brauche eigene Räume Formate, um wie etwa im Literarischen Quartett, ihre besondere Wirkung zu entfalten. Dort dürften wir Thea Dorn „als Garantin eines Diskurses erleben, der anschaulich vermittelt, dass unterschiedliche Meinungen keinesfalls ein Problem, sondern etwas Vergnügliches und Erhellendes sind.“ Wir erlebten die Preisträgerin Thea Dorn als scharfsinnige, unbestechliche und erkenntnisgeleitete Anwältin der Literatur, die in besonderer Weise für Meinungsvielfalt und Diskurs stünde, Widersprüche gelassen aushielte und profunde wie fundierte Urteile fälle. Vor allem sei sie mutig. Während das ZDF 1989 die „Satanischen Verse“ von Salman Rushdie nicht im Literarischen Quartett besprechen wollte, habe man es „Thea Dorn zu verdanken, dass das im vergangenen Jahr nachgeholt wurde, als sichtbares Zeichen dafür, dass wir die Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit, egal wie archaisch der Terror ist, dem wir begegnen, niemals preisgeben dürfen und auch niemals preisgeben werden.“, lobte Jung die Preisträgerin.

Deniz Yücel: „Dorn habe Beitrag zur Rettung der Literaturkritik geleistet“

Laudator Deniz Yücel, Präsident PEN-Berlin, studierte an der Freien Universität Berlin Politikwissenschaften. Er arbeitete als Redakteur bei der Wochenzeitung Jungle World und der tageszeitung (taz). 2015 ging er als Korrespondent der Welt in die Türkei. Für seine Arbeit wurde Yücel mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis. »Agentterrorist« ist sein drittes  Buch. © Foto Diether von Goddenthow
Laudator Deniz Yücel, Präsident PEN-Berlin, studierte an der Freien Universität Berlin Politikwissenschaften. Er arbeitete als Redakteur bei der Wochenzeitung
Jungle World und der tageszeitung (taz). 2015 ging er als Korrespondent der Welt in die Türkei. Für seine Arbeit wurde Yücel mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis. »Agentterrorist« ist sein drittes Buch. © Foto Diether von Goddenthow

In seiner Laudatio bekräftigte Publizist Deniz Yücel die Ausführungen seines Vorredners: Thea Dorn habe „nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Rettung der Literaturkritik geleistet. Sie hat der Literatur eine letzte massentaugliche Bühne geboten, und somit, sich um die Rettung der zeitgenössischen Literatur selbst verdient gemacht.“ Wo sonst sollten junge Menschen lernen, und sich ältere daran erinnern wie großartig, wie aufwühlend, aufregend, aufheiternd und vieles mehr das Lesen von Literatur sein kann, als bei Ihnen ‚Frau Dorn, sagte Yücel, der zudem ein wenig aus dem Nähkästchen seines von freundschaftlicher Distanz und respektvoller Nähe geprägtes Kollegenverhältnisses zur Preisträgerin erzählte, „die sich in große Fragen unserer Zeit einmischt, meistens in schreibender essayistischer Weise, zuweilen auch, da hätte ich beinahe auch aktivistisch gesagt, in einer praktischen Weise“. So erlebte er Kollegin Dorn bei der Gründung von PEN-Berlin. https://penberlin.de/

Thea Dorn: „Literatur nicht zum sensibilitätsgerechten Save-Space umbauen“
Der Dank der Preisträgerin galt vor allem auch ihren Mitstreitern im Literarischen Quartett: „Ohne Sie, ohne Euch wäre ich nichts in diesem Quartett.“ Aber seit einiger Zeit, „endgültig seit dem 7. Oktober, seit den Pogromen der Hamas gegen die israelische Bevölkerung, fällt es mir doch zunehmend schwer, Literarisches, Literaturkritisches oder meinetwegen auch Literaturvermittlung business as usual zu betreiben“. Zu stark sei der Eindruck, dass die Welt, wie wir sie kannten, keinen verlässlichen Grund mehr dafür gäbe, und immer häufiger habe sie beim Aufwachen Friedrich Hölderin Zeilen vom „wunderbaren Sehnen dem Abgrund zu“ präsent.

Tim Jung, Geschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlages, Preisträgerin Thea Dorn, Laudator Deniz Yücel, Thomas Ganske, Verleger und Inhaber der Ganske Verlagsgruppe (Hoffmann u Campe, Gräfe und Unzer, Jahreszeiten usw.) bei der Preisverleihung des Julius-Campe-Preises 2023 im Frankfurt Pavilion auf der Frankfurter Buchmesse.  © Foto Diether von Goddenthow
Tim Jung, Geschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlages, Preisträgerin Thea Dorn, Laudator Deniz Yücel, Thomas Ganske, Verleger und Inhaber der Ganske Verlagsgruppe (Hoffmann u Campe, Gräfe und Unzer, Jahreszeiten usw.) bei der Preisverleihung des Julius-Campe-Preises 2023 im Frankfurt Pavilion auf der Frankfurter Buchmesse. © Foto Diether von Goddenthow

Was solle „die Kunst der Worte, wenn die freiheitliche Welt von einem Fieber nach dem anderen geschüttelt“ werde, und „die Menschen in ihrer Verwirrung immer häufiger Scharlatanen“ zuliefen, die „außer Irrationalität, Autoritarismus, Ressentiments und Gewalt nichts, aber auch gar nichts in ihrem Besteckkasten haben“?, so Dorn. Was solle die Kunst der Worte, „wenn die äußeren Feinde der freiheitlichen Welt die Waffen aus den Arsenalen holen, und mit größter Brutalität einsetzen? Welche ihrer vielen Stimmen soll Literatur ergeben, wenn Waffen, nein nicht sprechen, sondern töten und zerstören. Und wenn die Hoffnung, Freiheit ließe sich allein mit Worten verteidigen ins Reich des Irrationalen der Träumerei gehört, und einzig der Schmerz bleibt.“, sagte die Preisträgerin sichtlich erschüttert von den derzeitigen Entwicklungen.
In solchen Zeiten möge selbst „der idealistischste versponnenste oder ironisch abgebrühteste Literat erkennen, dass es Zeit ist, ebenso klar wie leidenschaftlich für Menschenrechte und Demokratie für Vernunft und Zivilität Partei zu ergreifen, wie Thomas Mann es vor 100 Jahren getan hat. Dies bedeute aber nicht, so Dorn, „dass wir die Literatur selbst moralisch aufladen sollten. Der Kampf um Menschlichkeit und das Humane muss in der gesellschaftlichen Wirklichkeit ausgetragen werden. Irrationalität, Ressentiment und Hass“ ließen sich nicht mit moral sensitivity bekämpfen“. Denn nichts werde real besser, „wenn wir heute als beleidigend empfundene Wörter aus Werken der Vergangenheit tilgen oder in Romanen der Gegenwart Professoren vergangener Jahrhunderte vorsichtshalber von Studierenden reden lassen“. Bisweilen dränge sich der Campe-Preisträgerin der Verdacht auf, dass es „Ausdruck objektiver Verzagtheit“, ja ein „hilfloses Zum-Wohle-handeln“ sei, „wenn angesichts einer bedrohlicher gewordenen Welt mit Eifer daran gearbeitet“ werde, „wenigstens die Kunst, Literatur zum sensibilitätsgerechten Save-Space umzubauen“.

„Geben wir das ‚Faire des Politischen‘, was des Politischen ist, und lassen wir dem eigentümlichen Nebenreich der Literatur, was der Literatur ist: Streiten wir für eine bessere, friedlichere, zivilere Welt und bewahren wir uns die Literatur als einen Raum, in dem die Trauer, der Zorn oder auch das Gelächter über die Unrettbarkeit der Welt ihren Platz haben. Niemand sagt, dass dies einfach ist, aber wenigstens wir Literaturmenschen sollten in finsteren Zeiten den Verlockungen der Vereinfachungen widerstehen“, gab die Preisträgerin zu Bedenken.

(Diether von Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Biografie Thea Dorn (ZDF)
Mit der März-Ausgabe 2020 ist Thea Dorn erstmalig alleinige Gastgeberin der Sendung „Das Literarische Quartett“: Flankiert von drei illustren Gästen. Ihr Ziel ist es, die „Glut der Leselust“ beim Zuschauer neu zu entfachen. Bereits seit März 2017 gehörte sie neben Volker Weidermann und Christine Westermann zum festen Stamm der sechsmal im Jahr ausgestrahlten Sendung. Sie moderierte die Sendung „Literatur im Foyer“ im SWR-Fernsehen. 1970 geboren, studierte sie Philosophie und Theaterwissenschaften in Frankfurt, Wien und Berlin und arbeitete als Dozentin und Dramaturgin. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane und Bestseller , u.a. „Die Hirnkönigin“ (1999), Theaterstücke, Drehbücher und Essays,u.a. „Die neue F-Klasse – Wie die Zukunft von Frauen gemacht wird“ (2006), mit Richard Wagner den Sachbuch-Bestseller „Die deutsche Seele“ (2011). Sie kuratierte unter dem Motto „Hinaus ins Ungewisse!“ das „forum:autoren“ beim Literaturfest München 2012. Der Film „Männertreu“, zu dem sie das Drehbuch schrieb, wurde 2014 mit dem „Deutschen Fernsehpreis“ als bester Fernsehfilm des Jahres und 2015 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. 2016 erschien ihr Roman „Die Unglückseligen“, 2018 „deutsch, nicht dumpf: Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten“. 2021 ihr aktueller Roman „Trost: Briefe an Max“.

Infos: Das Literarische Quartett

Das Literarische Quartett Lesestoff zur Frankfurter Buchmesse