Uropa aller Wölfe weltweit stammt aus Wiesbaden Biebrich – Naturhistorisches Museum zeigt die Sonderausstellungen „Wolfswelt“ u. „Wolfsland“ ab 9. Juli 2021

"Luigi" so wurde der Mainzer Wolf aufgrund seiner italienischen Herkunft getauft. © Foto Diether v. Goddenthow
„Luigi“ so wurde der Mainzer Wolf aufgrund seiner italienischen Herkunft getauft. © Foto Diether v. Goddenthow

Das Naturhistorische Museum Mainz präsentiert nach langer Corona-Schließung ab Freitag, 09. Juli 2021 seine neue Sonderausstellung WOLFSWELT und WOLFSLAND.

Aufhänger zu diesen zwei Ausstellungen „WOLFSWELT“ und „WOLFSLAND“ war der „Mainzer Wolf“, welcher im Januar 2020 auf der A60 überfahren wurde. Die Autobahnmeisterei hatte seinerzeit das – zunächst nicht eindeutig als toter Wolf identifizierte – Tier mit Zustimmung der Unteren Naturschutzbehörde dem Naturhistorischen Museum übereignet. Dort war man sich aber schnell sicher, dass es sich um einen Wolf handelte. Um aber absolute Gewissheit zu erlangen und herauszufinden, aus welcher Gegend Europas der Wolf abstammen würde, ließen Chefpräparatorin Sylva Scheer und Nicole Fischer, stellvertretende Museumsdirektorin, den von ihnen nach Berlin transportierten Wolf im Berliner Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) epigenetisch auf seine Herkunft untersuchen. Die Überraschung: Der „Mainzer Wolf“ war nicht wie üblicherweise für in Deutschland ansässig gewordene Wölfe ein Einwanderer (Nachkomme) aus Osteuropa.

Chefpräparatorin Sylva Scheer vor ihrer wunderbaren "Schöpfung", Luigi, der ausgestopfte Mainzer Wolf. © Foto Diether v. Goddenthow
Chefpräparatorin Sylva Scheer vor ihrer wunderbaren „Schöpfung“, Luigi, der ausgestopfte Mainzer Wolf. © Foto Diether v. Goddenthow

Der „Mainzer Wolf“, so Museumsdirektor Dr. Bernd Herkner beim heutigen Presserundgang, sei ein Italiener. So gehöre der Mainzer Wolf genetisch zur Alpenpopulation. Deren Ursprung liege in Italien, im Apennin. Rund ein Dutzend Wölfe, die von dort abwanderten, siedelten sich in den 1990er Jahren in den Alpen an und etablierten dort eine Population, die sich bis heute weiter ausbreitete. Der Mainzer Wolf sei, so hätten weitere Rückfragen bei französischen Kollegen ergeben, wohl über Frankreich zu uns gekommen, so der Museumsdirektor.

Themenbereich "Wolf trifft Beute"  Wölfe können problemlos tagelang ohne Nahrung auskommen. Machen sie Beute, fressen sie so viel wie möglich in kurzer Zeit. Wölfe verschlingen teils über 15 % des eigenen Körpergewichts, was bis zu 10 kg Nahrungsmenge entsprechen kann. © Foto Diether v. Goddenthow
Themenbereich „Wolf trifft Beute“ Wölfe können problemlos tagelang ohne Nahrung auskommen. Machen sie Beute, fressen sie so viel wie möglich in kurzer Zeit. Wölfe verschlingen teils über 15 % des eigenen Körpergewichts, was bis zu 10 kg Nahrungsmenge entsprechen kann. © Foto Diether v. Goddenthow

Was aber mache ein Alpen-Wolf in Mainz? Es gäbe immer wieder sogenannte Wanderwölfe, umherziehende Einzelgänger, die weite Strecken zurücklegten, vertieft SylvaScheer beim Ausstellungsrundgang. Ungeklärt sei bislang, weshalb ein Wolf zum Wanderwolf werde. Sicherlich sei die Partner- und Reviersuche dabei ein wichtiger Faktor. Denn zumeist seien es Wolfs-Rüden, die es dabei so weit- teils über gefährliche Routen und unter schwierigsten Bedingungen – in die Ferne zöge, so die Präparatorin und Zoologin. Ihrem Können verdankt der nunmehr auf Luigi „Getaufte“ sein neues „ewiges“ Leben als Tier-Präparat. Luigi begrüßt die Besucher gleich zum Auftakt der Ausstellung: „Woher kommt der Wolf“. Didaktisch bestens in Bild und Text aufbereitet, folgen die Bereiche: „Wolf trifft Wolf“, „Wolf trifft Wald“, „Wolf trifft Beute“, „Wolf trifft Fuchs“, „Wolf trifft Hund“ und „Wolf trifft Mensch“.

Die Wiege der Wölfe steht in Wiesbaden-Biebrich

Canis Mosbachensis - der Uropa aller Wölfe weltweit vermutet man in Wiesbaden Biebrich. © Foto Diether v. Goddenthow
Canis Mosbachensis – der Uropa aller Wölfe weltweit vermutet man in Wiesbaden Biebrich. © Foto Diether v. Goddenthow

Hätten Sie’s gewusst? Die Wiege der Wölfe steht in Wiesbaden-Biebrich. Der „Urgroßvater“ aller Wölfe weltweit stammt aus den Mosbacher Sanden.  So hat man in eiszeitlichen Ablagerungen des Zusammenflusses von Rhein und Main um 1910 auf dem Gebiet des Dorfes Mosbach (heute Wiesbaden-Biebrich) Unterkieferreste einer kleinen Wolfsart entdeckt. Nach dem Fundort wurde dieser Spezies, so Dr. Bernd Herkner, später der wissenschaftliche Name Canis mosbachensis gegeben. Von dort aus verbreiteten sich die Wölfe vor 600 000 Jahren in Europa und Asien. Sie gelten als die Vorfahren aller heutigen Wölfe der Art Canis lupus.

Wolfsland

Kein anderes Tier beschäftigt den Menschen wohl so sehr, wie der Wolf. Die Reaktionen reichen bekanntermaßen von Besorgnis bis Begeisterung, wobei mitunter Probleme schöngeredet werden oder der Wolf als „Bösewicht“ pauschal verteufelt wird. Doch nur, wenn wir den Wolf sachlich als normales Wildtier mit all seinen natürlichen Eigenschaften sehen, können wir vernünftige Lösungen erarbeiten, so Martina Kracht, Leiterin der pädagogischen Vermittlung.

Wie fühlt es sich an, ein  Wolfsfell zu streicheln? © Foto Diether v. Goddenthow
Wie fühlt es sich an, ein Wolfsfell zu streicheln? © Foto Diether v. Goddenthow

Während die Ausstellung „Wolfswelt“ insbesondere der Wissensvermittlung dient, widmet sich die zweite Ausstellung „Wolfsland“ der Auseinandersetzung mit dem Thema Wolf. Mitmachstationen laden hier zum Mittun ein. So können Besucher an einer Tafel „Der Wolf und wir“ mit drei ihnen zur Verfügung gestellten Abstimmungs-Chips per Einwurf in entsprechende Antwortschlitze Fragen zu ihrem Verhältnis zum Wolf beantworten und dabei zugleich helfen, das allgemeine Meinungsbild abzubilden. Beispielsweise wird der Position „Ich will, dass Wölfe als Teil unserer natürlichen Artenvielfalt geschützt werden“ gegenübergestellt: „Ich finde, der Wolfsschutz ist einfach zu teuer. Das Geld wäre an anderer Stelle besser eingesetzt“. Oder: „Ich finde es schön, dass die Wölfe, die einst von Menschen vertrieben wurden, zurückkehren. Wir müssen wieder naturverbundener werden“ contra: „Ich halte die Wiedereingliederung des Wolfes in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft für sinnlos.“.
An einer anderen Mitmachstation können junge Menschen ihren eigenen Wolf zusammenstecken, sie können an einem Original-Fell erleben, wie es sich anfühlt, einen Wolf zu streicheln oder etwas über die Bedeutung der Wolfs-Losung, des Kots und Urins, zur Reviermarkierung erfahren.

Martina Kracht, Leiterin der Pädagogischen Vermittlung, erläutert an der Mitmachtafel, wie sie junge Menschen selbst einen Wolf "zusammenstecken" können. © Foto Diether v. Goddenthow
Martina Kracht, Leiterin der Pädagogischen Vermittlung, erläutert an der Mitmachtafel, wie sie junge Menschen selbst einen Wolf „zusammenstecken“ können. © Foto Diether v. Goddenthow

In einem dritten Bereich, der sogenannten Chill-Lounge, sind junge Besucher herzlich eingeladen, sich über Bücher und andere Infos vertiefend mit dem Wolfsthema auseinanderzusetzen oder das zuvor Gesehene sacken zu lassen. „Wir wollen, dass unsere Besucher möglichst lange im Museum verweilen und sich wohlfühlen“, erläutert der Museumsdirektor.