Internationales Forschungsnetzwerk untersucht in Mainz mit LEIZA Super-CT Gebrauchsspuren an 1,6 Mio. Jahre alten Werkzeugen

In den spezialisierten Laboren des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA) werden die Rohstoff, aus denen die Steinwerkzeuge hergestellt sind, nun auf ihren ursprünglichen Gebrauch untersucht. Die Forscher erhoffen sich durch den Einsatz des modernen 3D Computertomographn (CT) für die zerstörungsfreie Prüfung, verborgene Gebrauchsspuren im Inneren der Objekte aufzudecken und so Rückschlüsse auf die spezifische Verwendung der altsteinzeitlichen Werkzeuge ziehen zu können. (v.li.:) Baker Hughes u.Frank Sieker (beide Firma Waygate Technologies), Dr. Ivan Calandra, Laborleiter für bildgebende Verfahren, LEIZA; Generaldirektorin Prof. Dr. Alexandra W. Busch und Kooperati onspartner Dr. Sören Tholen, Institut für Geowissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. © LEIZA /Foto: R. Müller
In den spezialisierten Laboren des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA)
werden die Rohstoff, aus denen die Steinwerkzeuge hergestellt sind, nun auf ihren ursprünglichen Gebrauch untersucht. Die Forscher erhoffen sich durch den Einsatz des modernen 3D Computertomographn (CT) für die zerstörungsfreie Prüfung, verborgene Gebrauchsspuren im Inneren der Objekte aufzudecken und so Rückschlüsse auf die spezifische Verwendung der altsteinzeitlichen Werkzeuge ziehen zu können. (v.li.:) Baker Hughes u.Frank Sieker (beide Firma Waygate Technologies), Dr. Ivan Calandra, Laborleiter für bildgebende Verfahren, LEIZA; Generaldirektorin Prof. Dr. Alexandra W. Busch und Kooperati onspartner Dr. Sören Tholen, Institut für Geowissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. © LEIZA /Foto: R. Müller

Um die menschliche Lebensweise vor 1,6 Millionen Jahren zu ergründen, rücken zahlreiche jüngst im äthiopischen Hochland gefundene Werkzeuge aus der Altsteinzeit in den Fokus eines internationalen Forschungsnetzwerks, bestehend aus Experten der Hebräischen Universität Jerusalem in Israel, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der Universität Algarve in Portugal und dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) in Mainz. Die aus dem Fundort Melka geborgenen Steinwerkzeuge weisen in ihrer Herstellung jeweils unterschiedliche Materialien auf.

In den spezialisierten Laboren des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA) Mainz werden die Rohstoffe, aus denen die Steinwerkzeuge hergestellt sind, nun auf ihren ursprünglichen Gebrauch untersucht. Die Forschenden erhoffen durch den Einsatz eines in Europa einzigartigen 3D-Computertomographen (CT) für die zerstörungsfreie Prüfung, verborgene Gebrauchsspuren und die Beschaffenheit im Inneren der 1,6 Millionen Jahre alten Schlagwerkzeuge aufzudecken.  Nachdem die verborgenen Gebrauchsspuren im Inneren der Gesteinsmaterialien sichtbar gemacht worden sind, sollen sie mit den äußerlichen Spuren der Werkzeuge in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden, um somit Rückschlüsse auf ihre unterschiedliche Verwendung bei der Bearbeitung von Gegenständen ziehen zu können.
„Wir untersuchen die Hypothese, dass die frühen Menschen die verschiedenen Steinrohstoffe gezielt nach bestimmten Verwendungszwecken der Werkzeuge auswählten“, erklärt Projektleiterin Prof. Erella Hovers vom Archäologischen Institut der Hebräischen Universität Jerusalem und ergänzt: „Frühere Studien haben bereits eindeutige Zusammenhänge zwischen verschiedenen Werkzeugtypen und Rohstoffen festgestellt, aber die genaue Verwendung der Werkzeuge bleibt unbekannt. Unser Ziel ist es, die spezifische Verwendung durch die Analyse der verwendeten Rohstoffe und der Gebrauchsspuren zuzuordnen.“

Mit 3D-CT-Gesteins-Analyse Rückschlüsse auf Werkzeuggebrauch

Dr. Ivan Calandra (Laborleiter für bildgebende Verfahren, LEIZA) hat den kleinen Steinprobenwürfel zum Röntgen-Scan durch die 350-KV-Röhre positioniert. © Foto: Diether von Goddenthow
Dr. Ivan Calandra (Laborleiter für bildgebende Verfahren, LEIZA) hat den kleinen Steinprobenwürfel zum Röntgen-Scan durch die 350-KV-Röhre positioniert. © Foto: Diether von Goddenthow

„In diesem Projekt geht es um Steine“, so Dr. Ivan Calandra, Laborleiter für bildgebende Verfahren am LEIZA. Die in Afrika gefundenen verschiedenen Artefakte, Steinobjekte, und Steinwerkzeuge seien aus verschiedenen Rohstoffen gemacht. „Und es muss irgendwie einen Grund gegeben haben, warum verschiedene Rohstoffe für die gleiche Art von Werkzeugen verwendet wurden.“ Dies ist die zentrale Fragestellung, auf die die Forscher eine Antwort zu finden hoffen. „Wir gehen davon aus, dass verschiedene Rohstoffe verschiedene Eigenschaften haben, die es erlauben verschiedene Funktionen durchzuführen. Also es kann sein, dass der eine Rohstoff, die eine Steinsorte, für einen Knochen zu zerbrechen besser geeignet war, und ein anderer Rohstoff zum Beispiel für irgendwelche pflanzlichen Bearbeitungen eingesetzt wurde“, so Calandra. Daher sei es eine wichtige Information, zu wissen, wie die verwendeten Steine innen aussehen, wie sie beschaffen sind hinsichtlich Dichtigkeit und Härtegrad. Man wolle verstehen, wie sich die Steine als Schlagwerkzeuge (z.B. Steinhammer) verhalten haben, wenn man mit ihnen schlagend Gegenstände bearbeitet wurden.
Fünf Gesteinsproben für´s CT-Scanning

Gesteinsprobenwürfel von Bimstein, Basalt, Glasartiger Ignimbrit, Vulkan-Schlacke und Ingnimbrit in Würfelform werden zum Scan in den 3D-CT gegeben. © Foto: Diether von Goddenthow
Gesteinsprobenwürfel von Bimstein, Basalt, Glasartiger Ignimbrit, Vulkan-Schlacke und Ingnimbrit in Würfelform werden zum Scan in den 3D-CT gegeben. © Foto: Diether von Goddenthow

Für die Experimente und das CT-Scanning wurden bisher als Rohmaterialien in Würfelform Bimstein, Basalt, Glasartiger Ignimbrit, Vulkan-Schlacke und Ingnimbrit verwendet. Die CT- Scans durchgeführt und ausgewertet hat als Kooperationspartner des LEIZA Dr. Sören Tholen, Postdoktorand am Institut für Geowissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „Was der CT uns bietet, ist halt, dass wir das Innere der Probe angucken können und die verschiedenen Materialien hier erkennen.“ Besonders interessierten die Forscher in dem Projekt die Ecken und die Kanten. Man wolle sich genau angucken, „was mit den unterschiedlichen Mineralien, mit den unterschiedlichen Gesteinen, passiert bei Schlageinwirkungen.“

LEIZA-Kooperationspartner Dr. Sören Tholen, Institut für Geowissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, ist der Fachmann für die Gesteinsanalyse. © Foto: Diether von Goddenthow
LEIZA-Kooperationspartner Dr. Sören Tholen, Institut für Geowissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, ist der Fachmann für die Gesteinsanalyse. © Foto: Diether von Goddenthow

Deswegen habe er seinen Focus der Analyse auf die Ecken gelegt, da hier sofort erkennbar wäre, was bei Starkeinwirkung im Stein passiere, ob und wie stark Poren zuzusagen zusammengedrückt würde, ob sich Material abspalte, welche Materialien druckabsorbierend seien usw. , so Tholen. „Vorläufige Beobachtungen aus den CT-Scans bestätigen, dass sich die verschiedenen Materialien unterschiedlich verhalten: Vulkanische Schlacke (engl.: scoria) ist zum Beispiel ein sehr poröses Material, das beim Aufprall verdichtet wird. Basalt kann hingegen viel dichter sein. Durch die im Gestein vorhandene Risse und eingeregelten Minerale kommt es hier häufig zu einem Bruch entlang einer klar erkennbaren Vorzugsrichtung.“ Endgültige Ergebnisse zu den Untersuchungen werden im nächsten Jahr publiziert.

Das erste Projekt für den neuen LEIZA-3D-Computertomograph

Generaldirektorin Prof. Dr. Alexandra W. Busch. © Foto: Diether von Goddenthow
Generaldirektorin Prof. Dr. Alexandra W. Busch. © Foto: Diether von Goddenthow

Das Projekt läuft schon seit zwei Jahren in verschiedenen Schritten, aber dies hier sei der erste Schritt, und es ist eins der ersten Projekte mit dem neuen Computertomograph. „Wir waren extrem dankbar dem Land Rheinland-Pfalz für die Sonderfinanzierung dieses Gerätes im Zusammenhang mit dem Beschluss des Neubaus und den Mitteln, die wir für die Ersteinrichtung bekommen haben.“, so Professorin Dr. Alexandra Busch, LEIZA-Generaldirektorin. Es gäbe „keine andere Einrichtung in Deutschland, also kein Museum, das über solche Forschungs-Infrastruktur verfügt, und wir haben jetzt auch schon neben den hauseigenen Projekten viele Anfragen von Kooperationspartnern, die einfach auch mit uns zusammen Untersuchungen über diesen 3D-Computertomographen durchführen möchten.“, freut sich Busch. Wie das Beispiel mit der Untersuchung der Steingeräte zeige, könne man mit diesem Gerät Untersuchungen machen, „die man vorher nicht machen konnte. Und da kommen wir wirklichen einen substanziellen Schritt mit weiter“. Den 3D-CT würde das LEIZA „natürlich nicht nur für die Steingeräte anwenden oder für die Untersuchung von Blockbergungen, sondern zukünftig für die Analyse von Metallen.“, so Busch.

Einzigartige CT-Technologie und Einsatzmöglichkeit

Das CT-System, das sich im Untergeschoss des LEIZA befindet ist von der Firma Waygate Technologies geliefert worden. Das hier verwendete Modell Phoenix V|tome|x L450 ist besonders leistungsstark und daher in der Lage, mittels innovativer industrieller Röntgentechnologie auch vergleichsweise große Objekte zu scannen. © Foto: Diether von Goddenthow
Das CT-System, das sich im Untergeschoss des LEIZA befindet ist von der Firma Waygate Technologies geliefert worden. Das hier verwendete Modell Phoenix V|tome|x L450 ist besonders leistungsstark und daher in der Lage, mittels innovativer industrieller Röntgentechnologie auch vergleichsweise große Objekte zu scannen. © Foto: Diether von Goddenthow

Das Besondere an dem neuen 3D-Computertomographen, Modell Phoenix V|tome|x L450, sei, so Frank Sieker der Herstellerfirma Waygate Technologies, dass es bislang in der Archäologie und Museumesektor kein Gerät in dieser Größenordnung gäbe. Das rund 16 Tonnen schwere Geräte sei für die unterschiedlichen Einsatzbereiche mit zwei unterschiedlichen Röntgen-Quellen ausgestattet. Die Gesteinswürfel zur Steinwerkzeuganalyse seien beispielsweise mit der 300 KV-Mikrofocusröhre durchschossen (gescannt) worden. Diese Röhre können Objekte mit sehr hoher Auflösung von bis 5 /6 Tausendstel Millimeter (0,005 mm) erfassen. Im Vergleich: Ein Haar hat beispielsweise einen Durchmesser von 0,04 mm).
Für relativ große, kompakte und schwer zu durchstrahlende Objekte sei der 3D-Computertomograph mit einer 450 KV-Röntgenquelle ausgestattet für Objekte bis 1,25 Meter Höhe. Und sollte das Objekt höher sein, könne man dieses einmal umdrehen, so dass man auch „Objekte bis 2,5 Meter Länge und einem Durchmesser von 1 Meter bis zu 100 kg tomographieren und komplett hinterher abbilden“ könne, so Sieker.

Vorteil: Zerstörungsfreie Untersuchungsmethode 

Der 3D-Computertomograph im Wert von 1,3 Millionen Euro bietet dem archäologischen Forschungsinstitut der Leibniz-Gemeinschaft eine weitere zerstörungsfreie Untersuchungsmethode. Zwar arbeite man schon seit 40 Jahren mit CT-Technologie, aber nur in 2D. „Mit dem 3D-CT sehen wir beispielsweise, was sich in einer Blockbergung befindet, um zu entscheiden, ob die Artefakte innerhalb des Erdklumpens restauriert oder nur konserviert werden sollen. Durch das Verfahren ist es uns nun auch möglich, in verschlossene Gefäße zu schauen, ohne sie zu öffnen. Damit schützen wir das Objekt vor weiteren Schäden“, fasst Dr. Ivan Calandra zusammen. Eine weitere wichtige Anwendung besteht in der Rekonstruktion von vergangenen Herstellungstechniken sowie der Dokumentation von Befunden und Artefakten durch zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden. Ziel ist es, diese Informationen aus der Forschung der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Projektinformationen:

Um das Wissen über diese frühe Entwicklungsphase von Werkzeugen zu erweitern, widmet sich das Forschungsprojekt The stone tool technology of the Acheulian culture and the origins of Human Decision-making processes dem neu entdeckten archäologischen Fundortkomplex im äthiopischen Hochland, Melka Wakena, der mit der Acheuléen-Kultur in Verbindung gebracht wird. Die Untersuchungen fokussieren sich dabei auf die physikalischen Eigenschaften und Nutzungsprozesse von Schlagwerkzeugen vor 1,6 Millionen Jahren. Das Projekt in Melka Wakena wird von Prof. Dr. Erella Hovers und Dr. Tegenu Gossa aus dem Archäologischen Institut der Hebräischen Universität Jerusalem in Israel geleitet. Weitere Kooperationspartner neben dem LEIZA sind das Institut für Geowissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und das Interdisciplinary Center for Archaeology and Evolution of Human Behaviour der Universität Algarve in Portugal. Das Projekt wird von der Fritz Thyssen Stiftung unterstützt.

Link:
https://www.leiza.de/forschung/projekt/die-steinwerkzeug-technologie-des-acheuleens-und-die-urspruenge-der-menschlichen-entscheidungsprozesse

Weiterführende Links:
Archäologisches Institut der Hebräischen Universität Jerusalem https://archaeology.huji.ac.il/
Institut für Geowissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz https://www.geowiss.uni-mainz.de/tektonik-und-strukturgeologie/
Das interdisziplinäre Zentrum für Archäologie und Evolution des menschlichen Verhaltens an der Universität der Algarve: https://www.ualg.pt/en/interdisciplinary-centre-archaeology-and-evolution-human-behaviour
MONREPOS Archäologisches Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution: https://monrepos.leiza.de/
Labor für Gebrauchsspurenforschung und kontrollierte Experimente in MONREPOS, Neuwied/ Laboratory for Traceology and Controlled Experiments,(TraCEr): https://www.leiza.de/forschung/infrastrukturen/labore/tracer
Plattform für bildgebende Verfahren im LEIZA Mainz/ Imaging Platform at LEIZA, (IMPALA): https://www.leiza.de/forschung/infrastrukturen/labore/impala

Herstellerlinks:

Industrielle Computertomographie von Waygate Technologies:
ww.waygate-tech.com/CT
Das CT_System Phoenix V|tome|x L450: https://www.bakerhughes.com/waygate-technologies/industrial-radiography-and-ct/industrial-3d-precision-metrology-ct/phoenix-vtomex-l450