IN GOLD GESCHRIEBEN – Einzigartige ZEUGNISSE FRÜHMITTELALTERLICHER SCHRIFTKULTUR IN MAINZ

Foto:  Diether v. Goddenthow
Foto: Diether v. Goddenthow

Einst wurde die Mainzer Dombibliothek neben dem gotischen Kreuzgang  als eines der sieben nationalen (Welt-)Wunder gerühmt. Als sie 1793 bei der Befreiung des von den Franzosen belagerten Mainz durch österreichisch-preußische Truppen abbrannte, geriet Mainz als Zentrum der frühmittelalterlichen Buchkultur in Vergessenheit. An die 7000 wertvollste Schriften und goldene Buchdeckel dürften, ähnlich wie in Umberto Ecos Verfilmung „Name der Rose“, im Nu verbrannt oder zur Unkenntlichkeit geschmolzen sein. Die Ausstellung  „In Gold Geschrieben – Zeugnisse frühmittelalterlicher Schriftkultur in Mainz“, vom 24. März bis 18.Juni 2017 im Dom- und Diözesanmuseum Mainz, will jetzt  an den untergegangenen Bücherschatz und die geretteten Bände und Schriftfragmente erinnern und einmal mehr die Bedeutung Mainz als eines der ehemals wichtigsten  Zentren von Gelehrsamkeit und Politik wieder ins Bewusstsein rufen.

Zierseite mit den ligierten Initialen IN aus dem Festtagsevangelistar Stiftskirche St. Stephan Mainz, um 990. Handschrift und Deckfarben sowie Gold- und Silbertinte auf Pergament. Foto: Dom- u. Diözesanmuseum
Zierseite mit den ligierten Initialen IN aus dem Festtagsevangelistar Stiftskirche St. Stephan Mainz, um 990. Handschrift und Deckfarben sowie Gold- und Silbertinte auf Pergament. Foto: Dom- u. Diözesanmuseum

Erstmals – und zur Vermeidung von Lichtschäden   nur drei Monate lang – sind in der Schatzkammer des Mainzer Doms die schönsten Werke frühmittelalterlicher Mainzer Schriftkultur zu sehen. Um die vier ottonischen Prunkhandschriften des Domschatzes gruppieren sich zahlreiche Arbeiten des 7.–10. Jhs. aus Mainzer Museen und Bibliotheken der Stadt; herausragende Leihgaben aus Trier sowie der Stiftsbibliothek Zeitz runden die Ausstellung ab.

Bei der Ausstellung geht es auch darum, “Mainz endlich einmal zu würdigen als Zentrum der deutschen, wenn nicht gar der europäischen Schriftkultur“, unterstreicht Dr. Winfried Wilhelmy, Direktor des Mainzer Dom- und Diözesanmuseums bei einer Presseführung. Im frühen Mittelalter sei Mainz eines der wichtigsten Zentren von Gelehrsamkeit und Politik gewesen. Über Jahrhunderte entfaltet sich hier eine hochentwickelte Schrift-kultur, die unter Erzbischof Willigis (reg. 975–1011) eine besondere Blüte erlebte. Dennoch wurde Mainz als Zentrum frühmittelalterlicher Buchmalerei bisher kaum gewürdigt, so Wilhelmy.

Ausstellungsansicht der Sonderausstellung: "In Gold  Geschrieben - Zeugnisse frühmittelalterlicher Schriftkultur in Mainz. vom 24.März bis 18. Juni 2017 Foto: Diether v. Goddenthow
Ausstellungsansicht der Sonderausstellung: „In Gold Geschrieben – Zeugnisse frühmittelalterlicher Schriftkultur in Mainz. vom 24.März bis 18. Juni 2017 Foto: Diether v. Goddenthow

Selbst Fachwissenschaftlern fiele beim Stichwort „frühmittelalterliche Schriften“ eher Fulda, Reichenau oder Lorsch ein, da die frühmittelalterlichen Mainzer Buchproduktionen letztendlich noch überhaupt nicht umfassend überblicksmäßig aufgearbeitet worden seien, so Wilhelmy. Im Mainzer Domschatz befänden sich vier ottonische Prunkhandschriften, die zuletzt im Rahmen einer Doktorarbeit Anfang der 80er Jahre wissenschaftlich von Dr. Lauer aus Köln bearbeitet worden seien, aber „ohne eine einzige Abbildung“. „Unsere ganzen Ottonischen Prunkhandschriften sind bestenfalls bislang nur mit einer einzigen Seite – meist nur in schwarz-weiß – überhaupt publiziert gewesen“, beklagt Wilhelmy, der im Rahmen der Ausstellung leider viel, aber bestens angelegtes Geld in die Hand nehmen musste, um diese Prunkhandschriften durchfotografieren zu lassen und hierdurch diese unwiederbringlichen Handschriften, zahlreiche in Gold, der Nachwelt zu erhalten. Es ist eigentlich unverständlich, warum die Sicherung des frühmittelalterlichen Mainzer Schriftenschatzes erst jetzt geschehen konnte. „Wenn unser Haus jetzt abbrennen würde, Gott behüte, doch der Dom ist schon fünf Mal abgebrannt in den letzten 1000 Jahren, dann wären diese Handschriften trotzdem für die Fachwelt und Öffentlichkeit weiter – wenigstens digital – vorhanden“, beruhigt Wilhelmy.

Erstmals werden nun in einer Sonderausstellung die herausragenden karolingischen und ottonischen Mainzer Handschriften jener Epoche zusammengetragen. Etliche Werke sind in Goldtinte auf Purpur geschrieben und geben Zeugnis von der verschwenderischen Pracht der Mainzer Buchkunst des Frühmittelalters.

katalog-coverZahlreiche Fotografien der wertvollen Hand- und Prunkschriften findet man im – auch didaktisch – wunderbar aufbereiteten Begleit-Katalog zur Ausstellung mit demselben Titel: „In Gold Geschrieben – Zeugnisse Frühmittelalterlicher Schriftkultur in Mainz“, Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2017. Im Museums-Shop 29,95 Euro, nach der Ausstellung 34,95 Euro.

 

Schrift in Stein gemeißelt – Zeugnisse des 7. und frühen 8. Jahrhunderts

Grabstein des Priesters Badegisel. Ehemals Mainz, Beneditinerkloster St. Alban Mainz, um 700. Foto: Diether v. Goddenthow
Grabstein des Priesters Badegisel. Ehemals Mainz, Beneditinerkloster St. Alban Mainz, um 700. Foto: Diether v. Goddenthow

Die Mainzer Schriftkultur vom frühen Christentum bis zum 10. Jahrhundert, also am Ende der Amtszeit von Willigis im Jahre 1011 beginnt natürlich nicht mit „geschriebenen“ Schriftzeugnissen, wie man erwarten würde. Sie beginnt mit Grabsteinen, einfach aufgrund der Materialität, weil sich andere Schriftzeugnisse aus der Zeit des 7. Und frühen 8. Jahrhundert sonst nicht erhalten haben. Deswegen zeigt die Ausstellung als erstes Schriftzeugnis jener Zeit den Grabstein des Priesters Badegisel, der wohl, so der Direktor des Mainzer Dom- und Diözesanmuseums, Dr. Winfried Wilhelmy, die Kommunität von ST. Alban, eben das Geistliche Amt, inne hatte. Dieses 1908 bei Ausgrabungen im Benediktinerkloster St. Alban Mainz gefundene steinerne Schriftzeugnis sei, so Wilhelmy, in einer an römische Capitalisform, einer Art frühen Buchschrift, gestaltet worden, wobei der germanische Runeneinfluss auf diese römische Buchstabenform hier besonders prägnant erkennbar sei. Wilhelmy verdeutlicht, dass bereits in dieser merowingischen Zeit, im 7. und frühen 8. Jahrhundert, es in Mainz „durchaus eine Bevölkerung gegeben haben muss, die hochgebildet war, dass sie dieses, wenn auch teilweise verderbte Latein, verstanden hat, und auch durchaus in der Lage war, gewisse metrische Formen wahrzunehmen, und auch zu verstehen“, so der Museumsdirektor.

Reliquienauthentiken – älteste Mainzer Schriftzeugnisse

Zentraler Ausgangspunkt der Ausstellung „In Gold geschrieben“ sind jedoch nicht in Stein gemeißelte Grabinnenschriften, sondern frühmittelalterliche Beschriftungen von Reliquien, ‚Importe‘ aus dem westfränkischen Reich.

Kopfreliquie des hl. Antonius, 4. Jah. in Umhüllung des 19. Jh. Foto: Diether v. Goddenthow
Kopfreliquie des hl. Antonius, 4. Jah. in Umhüllung des 19. Jh. Foto: Diether v. Goddenthow

Wie Dr. des. Anja Lempges im Begleitbuch, S. 57, ausführt, war „Der Vorstellung nach“ (…) „in jedem Teil des Leichnams der ‚ganze‘ Heilige präsent, der nicht nur wegen seiner Person, sondern wegen seines heiligmäßigen Lebens und seiner Glaubensstärke verehrt wurde, sondern auch  – so die Glaubensüberzeugung – durch Heilige und durch sie gewirkte Wunder in besonderer Weise die Christusnähe und Gnade Gottes sichtbar wird, sie also als Medien zwischen Jenseits und Diesseits wirken.“

Man Unterscheidet zwischen Berührungs- oder Sekundärreliquien, als jenen Gegenständen wie Gewändern oder Marterwerkzeugen, die mit den Heiligen zu deren Lebezeiten oder nach ihrem Tod in Berührung gekommen waren. Bei Primärreliquien handelt es sich um sterbliche Überreste, etwa einem Knöchelchen, der Heiligen selbst. Diese Reliquien mussten beschriftet, authentifiziert werden. Reliquienauthentiken seien, platt gesagt, „nichts weiteres als Beipackzettel“ , so Wilhelmy. Jedes Reliquien-Knöchelchen erhält eine Pergamentbeschriftung, die mit einem Bindfaden drum rum gebunden wird.

Die Inventarauthentik, auf der bestimmte Reliquien aufgelistet waren, ist das älteste erhaltene Mainzer Schriftdokument. Foto: Diether v. Goddenthow
Die Inventarauthentik, auf der bestimmte Reliquien aufgelistet waren, ist das älteste erhaltene Mainzer Schriftdokument. Foto: Diether v. Goddenthow

Die in der Ausstellung im Mainzer Dommuseum gezeigten Reliquienauthentiken sind, so Museumsdirektor Wilhelmy, die ersten erhaltenen Schriftstücke der Stadt. Gezeigt werden die Gregorauthentik, Sulpiciusauthentik, Austregiselauthentik und eine Inventarauthentik aus der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts. Wenngleich es zunächst keine sinnliche Anmutung habe, sei die Inventarauthentik das älteste Schriftstück der Stadt Mainz. Es gib kein älteres Pergament-Dokument, das älteren Datums ist, als diese sogenannte Inventarauthentik, so der Museumsdirektor. Auf dieser Überblicksauthentik stehe sinngemäß: „Dies sind ihre Reliquien“, und darunter sei eben aufgeführt, was dort für Gebein-Fragmente zu sehen waren, unter anderem eben von verschiedenen westfränkischen Heiligen. Und alles spräche dafür, dass die Schriftheimat von dieser Sammel-Authentik hier in Mainz war, so Wilhelmy: „Und damit haben wir hier – wie gesagt – das älteste Mainzer Schriftstück überhaupt, das heute im Dom- und Diözesan-Archiv des Bistums aufbewahrt worden ist!“

Herrnreliquien – Christi Schweißtuch

Diese Ausstellung habe der Museumsdirektor auch als Gelegenheit begriffen,  insgesamt auf den Schriften-Reichtum hinzuweisen, den Mainz im Frühmittelalter gehabt hat. „So dass man durchaus mit Fug und Recht von einer Moguntia sacra, dem heiligen Mainz, sprechen darf“, so Wilhelmy, der mit Stolz die Herrenreliquien im Mainzer Domschatz nennt, wovon –im Unterschied zu den „Steinen vom Grabe Christi – wirklich einzigartig das „Schweißtuch Christi“ ist. Es handle sich jedoch nicht um das bekannte Schweißtuch, welches der Legende nach Veronika Christus auf dessen Kreuzweg entgegengehalten habe. In der Mainzer Ausstellung werde eine dieser im Johannes-Evangelium beschriebenem „Binden“ als Schweißtuch Christi gezeigt.

Schweißtuch Christi in einem Reliquiar aus dem Jahre 1875 (Rückseite), in dem sich das antike Textil (Berührungsreliquie) befindet.Foto: Diether v. Goddenthow
Schweißtuch Christi in einem Reliquiar aus dem Jahre 1875 (Rückseite), in dem sich das antike Textil (Berührungsreliquie) befindet.Foto: Diether v. Goddenthow

Der antiken Grabsitte nach waren solche Hauptumwickelungen Toter üblich. Sie wurden vorgenommen mit einem Stoff, einen antiken Leinengewebe, der den Fachbegriff Byssos trägt. Byssos ist aus verschiedenen Materialien hergestellt, unter anderem aus allerfeinsten Leinpflanzen, die ausschließlich im Nildelta wachsen. Aus diesen Leinpflanzen wird ein Faden gewonnen, der unter anderem auch mit dem Fachbegriff als Spinngewebe bezeichnet wird, weil dieses Gewebe so dünn und entsprechend leicht wie „Spinnenfäden“ ist. So dass man, wenn man es um das Haupt gewickelt hat, trotzdem Gesichtszüge des Toten erkennen kann, erklärt der Museumsdirektor. All diese Merkmale treffen auch auf den Stoff zu, der hier gezeigt wird. Bischof von Ketteler ließ dieses Tuch und ein Schwesternfragment des Stoffes im Kloster Kornelimünster 1869 vom führenden Textilforscher jener Zeit, Dr. Franz Bock, einem Kölner Kanoniker, untersuchen. Dieser kam zum Ergebnis, dass beide Stoffe, auch das Schwesternfragment, das auch heute noch als Schweißtuch Christi verehrt wird, vom gleichen Webstuhl stammen.
Dieser Stoff soll der Legende nach von der merowingischen Königin Imnechildis, der Gattin des merowingischen Königs Sigebert, dieser Klosterkrypta -Bilhildis geschenkt worden sein. Imnechildis lebt in der Zeit um 700, ihr Onkel Rigibert ist ein Mainzer Bischof, und sie hat das Altmüsterkloster hier in Mainz gegründet. Imnechildis ließ sich dann, nachdem sie in das Kloster eingetreten war, neben der Heiligen Bilhildis hier in Mainz auch bestatten. Und diese Stoffe, wie gesagt ein königliches Geschenk an Bilhildis, lässt sich genau wie das andere Schwesterfragment im Kornelimünster bis ins 8. Jahrhundert zurückverfolgen.
Dr. Wilhelmy würde das Textil gern neu nach heutigen wissenschaftlichen modernen Methoden untersuchen lassen. Gesichert sei die Herkunft der Reliquie bis ins Frühmittelalter 7. bis 8. Jahrhundert, so der Museumsdirektor. Es handele sich definitiv um einen antiken Stoff.

Die Herren-Reliquie wird von hinten gezeigt, was dem Laien gar nicht auffällt. Denn nur von der Rückseite sieht man sehr schön die Stoff-Schichten. Die eigentliche Reliquie befindet sich in einer nachträglich eingefügten Stofftasche aus dem 12. Jahrhundert.
Dieser unschätzbare wertvolle Kirchenschatz ist praktisch kaum bekannt, er werde allenfalls in der „Nacht der Heiligen“ mal aus der Ost-Krypta geholt, und dann bestaunt: „Was, dass haben wir auch in Mainz!“, beklagt der Museumsdirektor, und macht unmissverständlich deutlich: „Mainz ist nicht irgendwas, Mainz ist im Frühmittelalter wirklich eines der absolut wichtigen Zentren im Heiligen Römischen Reich!“

Zu den absoluten Highlights gehören die Ottonischen Schriften

Zahlreiche Mitarbeiter der Trierer Werkstatt kamen erst nach dem Tod des Trierer Erzbischofs nach Mainz und hatten großen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Mainzer Skiptoriums. Hier eines der vier gezeigten ottonischen Prunk-Schriften. Foto: Diether v. Goddenthow
Zahlreiche Mitarbeiter der Trierer Werkstatt kamen erst nach dem Tod des Trierer Erzbischofs nach Mainz und hatten großen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Mainzer Skiptoriums. Hier eines der vier gezeigten ottonischen Prunk-Schriften. Foto: Diether v. Goddenthow

Vermutlich gab es im frühmittelalterlichen Mainz Schreibstuben verteilt im ganzen Stadtgebiet. Ihnen gemein ist, wie einzelne Buchstaben gestaltet sind, woran sich ein typischer „Mainzer Stil“ festmachen lasst. Erst vor zehn Jahren seien weitere Fragmente in Buchdeckeln in Köln aufgetaucht, die wegen der sogenannten Skalpelschäfte der Buchstuben eindeutig den Mainzer Skriptorien zugeordnet worden seien, so Wilhelmy. „Das sind Buchstaben, die senkrecht stehen, wie ein ‚L‘ zum Beispiel oder der Schaft des ‚D‘, die dann oben so eine Verdickung haben. Wie so’n Spargel sieht das aus. Das ist der typische Mainzer Skalpelschaft“, erläuterte Wilhelmy, woran der frühmittelalterliche Mainzer Schrift-Stil zu erkennen ist.
Aber Mainz war  nicht ein reines Zentrum der Buchkunst. Vielmehr war der frühmittelalterliche Bischofssitz ein bedeutendes Verwaltungszentrum. Denn der Mainzer Erzbischof war gleichzeitig, so Wilhelmy, auch Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches. Dem Amt des Mainzer Erzbischofs oblag auch das Privileg, deutsche Könige zu krönen.

Der ältestes deutsche Rechts-Text  – Verwaltungszentrum Mainz

Lex Salica - ein Pergamentfragment aus Deutschlands ältester Rechtsschrift. Foto: Diether v. Goddenthow
Lex Salica – ein Pergamentfragment aus Deutschlands ältester Rechtsschrift. Foto: Diether v. Goddenthow

Das war mit einer umfänglichen Verwaltung verbunden, weswegen hier viele Synodalakten und Rechtstexte hergestellt wurden. Dabei fiele auf, dass zahlreiche Texte bereits sehr früh in Althochdeutsch und nicht in Latein formuliert seien, was der Museumsdirektor am Beispiel Deutschlands ältesten Rechts-Text-Fragmentes plausibilisiert: „Dafür steht einmal hier die Lex Salica. In dem Fall ist beschrieben, was passiert, wenn Schweine gestohlen werden. -Wie ist es zu bewerten, und zu bestrafen? Nicht sehr hoch, bestenfalls vier Wochen Pranger, mehr war das nicht! Das andere hier ein Beichtformular, ebenfalls in althochdeutscher Sprache, das eben auch wieder zeigt, dass man auch in Mainz in religiösen Bereichen sehr früh in der Volkssprache Althochdeutsch versucht hat, sich verständlich zu machen“, erläutert Wilhelmy

Die frühmittelalterlichen Handschriften aus der Werkstatt des Erzbischofs Willigest markieren den Höhepunkt ottonischer Buchmalerei. Foto: Diether v. Goddenthow
Die frühmittelalterlichen Handschriften aus der Werkstatt des Erzbischofs Willigis markieren den Höhepunkt ottonischer Buchmalerei. Foto: Diether v. Goddenthow

Einen regelrechten Aufschwung nahm die Mainzer Buchkunst Ende des 1000. Jahrhunderts unter Erzbischof Willigis von Mainz mit großer finanzieller Unterstützung vom ottonischen Kaiserhaus. Mit diesen Mitteln konnten nunmehr ganze Pergamenthandschriften in Goldschrift durchgängig auf Purpur geschrieben und zu Büchern gebunden werden.  Die frühmittelalterlichen Handschriften aus der Werkstatt des Erzbischofs Willigis markieren den Höhepunkt ottonischer Buchmalerei. Umso erstaunlicher ist es, dass von einem Skriptorium im frühmittelalterlichen Mainz bislang kaum etwas bekannt ist. Umso notwendiger wurde es, die wenigen von der Feuersbrunst geretteten Handschriften und wiedergefundenen Fragmente nun in der ehemaligen St. Nikolauskapelle am Kreuzdomgang zu zeigen. Heute seien – neben einigen Handschriften mit Initialschmuck – nur noch acht eindeutig identifizierte, figürlich illuminierte Codices Mainzer Produktion erhalten, die in die Zeit von Erzbischof Willigis von Mainz (amt. 975 – 1011) datiert werden, nämlich:

  1. Gebetbuch Ottos III.
  2. Benediktionale
  3. Sakramentar des Mainzer Domschatzes
  4. Evangeliar
  5. Evangeliar aus St. Mauritius
  6. Augustinus: De civitate Die
  7. Augustinus: De trinitate
  8. Capitularia regum Francorum

Highlight: Festtags-Evangelistar 

Die Schrift sei zum Niederknien schön, und keine Schwein kenne sie, so - frei zitiiert - Direktor Wilhelmy über das absolute Ausstellungshiphlight: Das Festtagsevangelistar, Stiftskirche St. Stephan Mainz, mit auswärtiger Beteiligung, um 990.  Domschatz/ Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Mainz. Foto: Diether v. Goddenthow
Die Schrift sei zum Niederknien schön, und keine Schwein kenne sie, so – frei zitiiert – Direktor Wilhelmy über das absolute Ausstellungshighlight: Das Festtagsevangelistar, Stiftskirche St. Stephan Mainz, mit auswärtiger Beteiligung, um 990. Domschatz/ Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Mainz. Foto: Diether v. Goddenthow

Eine absolute Prunk-Handschrift ist das sogenannte Festtags-Evangelistar aus der Mainzer Stiftskirche St. Stephan um 990, „das wirklich zu den absoluten Höhepunkten der ottonischen Buchmalerei gehört, und ich kann mich nicht anders ausdrücken: „Bislang kennt es kein Schwein!“, präsentiert Wilhelmy mit Stolz diese vergessene Handschrift wie einen gehobenen Schatz. Bei der Erstellung des Festtagsevangelistar war ein eingeworbener Maler aus Tier von höchster Bedeutung. Denn dieser Mitarbeiter aus der Trierer Werkstatt des sogenannten Meisters des Registrum Gregorii prägte die zeitgleich in Mainz arbeitenden Kräfte maßgeblich. „Unter seinem Einfluss“, so heißt es auf einer Infotafel der Ausstellung, „entstehen zahlreiche vor allem liturgische Prunkhandschriften, die sich durch in Gold und Silber gerahmte Purpurseiten auszeichnen, auf denen in goldener Tinte die erhabenen Texte niedergeschrieben sind“.

Die Ausstellung zeigt erstmals die zentrale Bedeutung der Landeshauptstadt im frühen Mittelalter, als Mainz eines der wichtigsten Zentren von Gelehrsamkeit und Politik war und sich hier – lange vor Johannes Gutenberg – über Jahrhunderte eine hochentwickelte Schriftkultur entfaltete. Die Präsentation der Ausstellung „In Gold geschrieben“ ist nicht nur für Liebhaber und Fachleute mittelalterlicher Handschriften ein Muss, sondern kann für jeden eine echte Entdeckung sein, der/die sich auf die Entdeckung unterschiedlicher frühmittelalterlicher Schriften – von der Grabinschrift bis zur verschwenderischen Pracht ottonischer Prunkschriften aus der Blütezeit von Mainz – einlässt. 33 Exponate sowie die Erstellung eines aufwändigen Begleitbandes haben Direktor Wilhelmy und sein Team in der Rekordzeit von sechs Monaten auf die Beine gestellt. Seine Mitarbeiter hätten weder Weihnachten noch Silvester gehabt, damit diese Ausstellung noch rechtzeitig zur Fachtagung über Reliquienauthentiken fertig wird.

Großes Rahmenprogramm mit Kinder-Dommal-Werkstatt

"Dommalerei für Kinder" in der Kreativwerkstatt. Foto: Diether v. Goddenthow
„Dommalerei für Kinder“ in der Kreativwerkstatt. Foto: Diether v. Goddenthow

Um tiefer in die Materie des frühmittelalterlichen Schriftwesens einzutauchen, empfiehlt sich, an Führungen und Sonderveranstaltungen des Rahmenprogramms teilzunehmen. Besonders originell ist auch die Idee, in der museumspädagogisch angeleiteten Kreativ-Werkstatt Kindern spielerisch zu ermöglichen, die Materialien und Techniken frühmittelalterlicher Buchmalerei kennenzulernen und selbst auszuprobieren.

In_Gold_geschrieben_Flyer

In_Gold_geschrieben-Rahmenprogramm

Das Begleitbuch – zum ersten Mal werden hier zahlreiche Zierseiten der bislang nicht zugänglichen frühmittelalterlichen Mainzer Prunkschriften gezeigt. 

katalog-coverNeben  zahlreichen Fotografien bietet der Begleit-Katalog handfestestes Rüstzeug durch die aktuelle Ausstellung sowie tiefe Einblicke in frühmittelalterliche Kirchengeschichte vom Feinsten. Dafür garantieren  alle  hochkarätigen Autoren dieses Bandes. Auch als  wunderbares Geschenk bestens geeignet: „In Gold Geschrieben – Zeugnisse Frühmittelalterlicher Schriftkultur in Mainz“, Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2017. Im Museums-Shop 29,95 Euro, nach der Ausstellung 34,95 Euro.

Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst

Ort:

Foto: Diether v. Goddenthow
Foto: Diether v. Goddenthow

BISCHÖFLICHES DOM- UND DIÖZESANMUSEUM
Domstraße 3
55116 Mainz
Tel.: 06131 / 253 344
Fax: 06131 / 253 349
Internet: www.dommuseum-mainz.de
Mail: info@dommuseum-mainz.de