Die 26 besten Bauten in /aus Deutschland: Der DAM-Preis 2023 geht an das international tätige Architekturbüro Auer /Weber für die Erweiterung des Landratsamtes Starnberg
Die Erweiterung des Landratsamts Starnberg von Auer Weber hat die Jury begeistert. Wobei es eigentlich der Zusammenklang des Bestands und des Ergänzungsbaus ist, der letztendlich überzeugte. Denn selten treffen ein Alt- und ein Neubau so harmonisch aufeinander, was nicht zuletzt daran lag, dass hier im Abstand von 35 Jahren die gleichen Architekten am Werk waren. Und so ist heute nur mit scharfem Blick zu erkennen, wo der Bestand aufhört und die Erweiterung beginnt, welche bewährten und geschätzten Attribute des Bestands fortgeschrieben und wo zeitgemäß modernisiert wurde und eben doch ein neuer Charakter Einzug gehalten hat.
Seit 2007 werden mit dem DAM Preis jährlich herausragende Bauten in Deutschland ausgezeichnet. 2023 wird der Preis vom Deutschen Architekturmuseum (DAM) bereits zum siebten Mal in enger Zusammenarbeit mit JUNG als Kooperationspartner vergeben.
Die Longlist
Für die Longlist des DAM Preis nominiert wurden rund 100 Bauwerke aus Deutschland, die aus einer umfangreichen Recherche stammen, an der ein Beirat aus Experten beteiligt war. Dieser bestand aus Christina Beaumont, Christof Bodenbach, Uwe Brösdorf, Matthias Dreßler, Florian Fischer, Lydia Haack, Florian Heilmeyer, Liza Heilmeyer-Birk, Angelika Hinterbrandner, Christian Holl, Philipp Jamme, David Kasparek, Ursula Kleefisch-Jobst, Steffen Lauterbach, Maximilian Liesner, Gert Lorber, Andreas Reich, Marcus Rommel, Ilka Ruby, Christian Schmieder, Heiner Stengel und Finn Warncke. Außerdem wurden Projekte von den Architektenkammern der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen vorgeschlagen. Grundsätzlich bestand für die Nominierung der Bauten keine Einschränkung auf eine bestimmte Bautypologie, Mindestgröße oder Bausumme. Die nominierten Bauwerke für den DAM Preis 2023 sollten zwischen Ende 2020 und Frühjahr 2022 fertiggestellt sein.
Neu seit 2017 ist, dass alle Bauten dieser Nominierungsliste, geographisch sortiert, jährlich im Architekturführer Deutschland vorgestellt werden. Die Ausgabe 2023, von DOM publishers verlegt, ist bereits im Handel. Gleichzeitig ist die Longlist auch im Internet unter dam-preis.de einsehbar. Über die Jahre entsteht so zusätzlich ein digitales Archiv bemerkenswerter Gebäude in Deutschland.
Die Shortlist
Eine Expertenjury unter Vorsitz von Martin Haas bestimmte aus dem Feld der Longlist 23 Projekte für die engere Wahl der Shortlist zum DAM Preis 2023. Eine Auswahl von drei Bauten deutscher Architekten im Ausland kommt außer Konkurrenz hinzu.
Es fällt auf, dass sich die Debatte um die Bedeutung des öffentlichen Raums ausweitet, dass verstärkt mit flexiblen Wohnformen experimentiert wird und das Um- und Weiterbauen weiterhin im Fokus steht. Vor dem Hintergrund der Mobilitätswende gewinnen Verkehrsinfrastrukturprojekte an Bedeutung, die über ihre Funktion hinaus auch Aufenthaltsqualität versprechen. Dass sich nach der intensiven Phase des Homeoffice die Büros wieder füllen, bildet sich an interessanten Arbeitsorten ab, die Kultur zieht gerne in geschickt umgestaltete Industriebauten ein, im Bereich Bildung sind wegweisende Schul- und Universitätsbauten entstanden. Eine Gemeinsamkeit zeichnet sich ab: am Thema Nachhaltigkeit kommt kaum noch ein Vorhaben vorbei.
Die Finalisten
Auf einer gesonderten Juryfahrt Anfang September 2022 wurden die fünf gewählten finalen Bauensembles von der Jury vor Ort besichtigt:
- ALLMANNWAPPNER – Stadtbahntunnel Karlsruhe
- AUER WEBER – Erweiterung Landratsamt Starnberg
- ELEMENT • A ARCHITEKTEN / HIENDL_SCHINEIS ARCHITEKTENPARTNERSCHAFT – Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins e.V., München
- HÜTTEN & PALÄSTE – Scheune Prädikow, Prötzel
- LRO LEDERER RAGNARSDÓTTIR OEI – Münchner Volkstheater
Die Bauten im Ausland
Nicht in der Auswahl für den DAM Preis, aber seit vielen Jahren ein fester Bestandteil dieser Übersicht zur deutschen Gegenwartsarchitektur, sind die Bauten von Architekturbüros aus Deutschland in anderen Ländern: In Shenzhen, China, haben Crossboundaries das Dach eines Bahnhofsgebäudes in einen 1,2 Kilometer langen »Skypark« verwandelt. Ein ungewöhnliches Museum ist mit dem Insectarium in Montreal, Kanada, entstanden. Die Architekten waren Kuehn Malvezzi und die ortsansässigen Büros Pelletier de Fontenay sowie Jodoin Lamarre Pratte architectes. Studio Anna Heringer hat in Bangladesch ein vollständig mit der Hand errichtetes Lehm-Bambus-Gebäude entwickelt – das Therapiezentrum Anandaloy mit eng damit verwobener Textilproduktion.
Würdigung des Preisträgers AUER /WEBER
durch Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architektur Museums (DAM) Frankfurt.
„Auer /Weber – Erweiterung Landratsamt Starnberg
Die Erweiterung des direkt am See gelegenen Starnberger Landratsamts ehrt den Bestand und schreibt ihn in beeindruckender Weise fort. Es ist nicht selbstverständlich, dass Bestandsbauten erhalten und weiterverwendet oder erweitert werden – im Gegenteil werden besonders Bauten der Siebziger- und Achtzigerjahre skeptisch betrachtet, was ihre Zukunftsfähigkeit angeht. In Starnberg war dies von Anfang an anders. Die Architekten Fritz Auer und Carlo Weber nahmen 1982 am Wettbewerb für das Landratsamt Starnberg teil. Fritz Auer erinnert sich, dass wesentliche Inspirationen für die städtebauliche Organisation von seiner Japanreise 1960 stammten, bei der er sich die Katsura-Villa – den kaiserlichen Nebenpalast – aus dem 17. Jahrhundert in Kyoto angeschaut hatte. Dessen horizontale Verteilung der Baumassen und Staffelung der Baukörper, die damit ihr sehr großes Volumen geschickt verbargen, die Zweigeschossigkeit mit umlaufenden Veranden im Obergeschoss, die Dachüberhänge und die sanft geneigten Dächer schienen ihm auch geeignete Mittel für das Grundstück in Starnberg zu sein.
Tatsächlich gewann der Entwurf und wurde realisiert. Schon der ursprüngliche Bau setzte in seiner städtebaulichen Anordnung in Form zweigeschossiger Pavillons mit umlaufenden Fluchtbalkonen und einem Wasserbecken sowie fingerartigen Höfen auf eine enge Verzahnung mit der Nachbarschaft. Die teils flügel-, teils kammartige Struktur der Erweiterung führt diese Idee fort. Ein öffentlicher Fußweg leitet durch den baumbestandenen Innenhof mit einem weiteren Wasserbecken hinunter zum Seeufer. Fast nebenbei gelangt man dabei in das großzügige Eingangsatrium, das über zierliche Treppen und Galerien zu den Büros führt. Sie sind nach außen orientiert, aber auch zu den Gängen hin stellen Glasbänder in den Trennwänden große Transparenz her. Die insgesamt drei Atrien haben Oberlichtbänder; es entsteht eine für Behörden überraschend freundliche Atmosphäre.
Dass »das schönste Landratsamt Bayerns«, wie der aktuelle Landrat es stolz nennt, von seinen ursprünglichen Architekten erweitert wurde, war sicher wesentlich. Sie nahmen aber nicht die 1987 noch intendierten Flächen für künftige Erweiterungen im Osten und Süden auf, sondern entwickelten das modulare Konzept im Westen weiter. Dort wurde additiv die im Bestand vorgezeichnete Figur aus Flügelbauten um eine Atriumhalle verdoppelt. Gestalterisch gleichen sich der Bestand und die Erweiterungen weitgehend. Der Übergang zwischen Alt und Neu ist fließend, die Fassaden und Einbauten sind neu, liegen aber teilweise noch unter dem alten Dach. Außerdem wurden manche gestalterischen Entscheidungen von früher revidiert. So ist das Holz der äußeren, neuen Tragstützen nicht mehr natürlich belassen, sondern in dem Grauton lasiert, der der Patina der alten Tragstützen entspricht. Im Vergleich der Atrien ist die Interpretation und Weiterentwicklung der damals lässig verspielten Details hochspannend anzuschauen. Keine Spiegelungen unter den Decken, keine ulkigen Roste im Geländer an den Ecken, keine rhetorischen Glasdurchbrüche und keine mintgrünen Farbakzente an den Geländern mehr. Stattdessen herrscht eine schnörkellosere und klarere Architektursprache in den Details, die die Feinheit der bestehenden aufnimmt, aber professioneller und damit weniger warmherzig erscheint. Die Gebäudetechnik entspricht dem aktuellen Standard, die den Neubau zu einem CO2-neutralen KfWEffizienzhaus 55 macht.
Der Jury hat besonders die Haltung der Architekten imponiert, ihr eigenes Werk zu reflektieren, neu zu interpretieren und in zeitgemäßer Sprache fortzuschreiben.“
Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architektur Museums (DAM) Frankfurt
Jury DAM PREIS 2023
- Martin Haas (Partner haascookzemmrich STUDIO2050, Juryvorsitz)
- Peter Chachola Schmal (Direktor DAM)
- Brita Köhler (PR DAM)
- Yorck Förster (Freier Kurator DAM, Vorjury / Stellvertreter)
- Christina Gräwe (Freie Kuratorin DAM, Vorjury / Stellvertreterin)
- Uwe Bresan / Dijane Slavic (Architektur Media Management JUNG)
- Juliane Greb (Preisträgerin DAM Preis 2022, Gründerin Büro Juliane Greb) /
- Florian Summa (Preisträger DAM Preis 2022,
- Partner SUMMACUMFEMMER) Andreas Ruby (Direktor Schweizerisches Architekturmuseum S AM)
- Lena Unger (Partnerin Meier Unger Architekten)
- Jörn Walter (Stadtplaner, ehem. Baudirektor Hamburg)
- Uta Winterhager (Architekturkritikerin, Publizistin)
Stimmen aus der Jury
»Die clusterartige Anordnung mit intelligenten Grundrissen, die Zeitlosigkeit und helle Freundlichkeit des Gebäudes sind besonders im Bereich des Verwaltungsbaus eine Seltenheit. Dass es die Architekten geschafft haben, dies unter all den aktuellen energetischen und baulich-konstruktiven Anforderungen im gleichen Duktus fortzuschreiben und zu optimieren, ist (wiederholt) preiswürdig.« Brita Köhler
»Die eigene Arbeit Korrektur zu lesen ist schwierig. Wie gerne verschließt man doch die Augen vor der eigenen Unzulänglichkeit, hakt ab, geht weiter. AUER WEBER haben sich der Auseinandersetzung mit dem eigenen Schaffen gestellt, genau hingeschaut und weitergedacht. Genau das brauchen wir heute: Architektur, die das Gestern ernst nimmt, das Heute versteht und deutlich über morgen hinausdenkt.«
Uta Winterhager
»Das Landratsamt Starnberg ist ein wunderbares Beispiel für das so kluge, aber dennoch so selten praktizierte Prinzip des Weiterbauens. Die Qualitäten des Gebäudes haben sich bis heute bewährt. Die Ergänzung hat trotz der technischen Herausforderungen unserer Tage nichts davon eingebüßt. Die Nutzer lieben das Haus. Besseres kann einem Gebäude nicht widerfahren« Martin Haas »Es ist so wohltuend, endlich ein gelungenes Bauwerk zu finden, das von seinen Nutzern geliebt und von seinen Architekten nach über 30 Jahren ˏeinfachˊ weitergebaut wird.« Peter Cachola Schmal
»Um eine Architektur der 1980er-Jahre in Stil, Form und Materialität des ursprünglichen Entwurfs weiterzubauen, braucht es Verständnis für die Qualitäten des Bestands, Respekt vor dem Werk und nur behutsame Anpassungen an heutige Bedürfnisse. Alle drei Bedingungen widersprechen eigentlich unserem auf Fortschritt und Innovation versessenen Zeitgeist. Dass die Erweiterung des Starnberger Landratsamtes gelungen ist, darf daher als ein großer Glücksfall gelten.« Dijane Slavic/Uwe Bresan
»Eine Bauherrschaft, die nach mehr als 30 Jahren ihr Gebäude noch einmal fast identisch erweitern lässt – gibt es eine schönere Auszeichnung für alle am Bau und Unterhalt Beteiligten?« Florian Summa »Das Landratsamt entsorgt souverän die triviale Unterscheidung von Alt- und Neubau, die es so erst seit der Moderne gibt. Das permanente Weiterbauen, das dieses Projekt so elegant beiläufig zelebriert, war in der Baugeschichte Regel und nicht Ausnahme. Das Gebäude seinem ursprünglichen Entwurfsgedanken entsprechend weiterzubauen ist ein bauliches Plädoyer für die prinzipielle Unabgeschlossenheit von Architektur.« Andreas Ruby
»Das Projekt beweist, dass flexible Veränderungen und nötige Anpassungen nicht charakterlose, ausdruckslose Strukturen erfordern, sondern dass es nur logisch ist, die Qualitäten des Bestandes weiterzuführen. Eine bewundernswerte Bescheidenheit.« Lena Unger
»Mit der Erweiterung des Landratsamts haben sich AUER WEBER entspannt der Erwartung entzogen etwas `Neues´ schaffen zu müssen und überzeugen mit einem jahrzehntelang perfekt gepflegten, instandgehaltenen und weitergebauten Gesamtprojekt. Eine ressourcenschonende und zeitgemäße Architekturpraxis.« Juliane Greb
»Das schönste und heiterste Landratsamt der Republik erweitern zu sollen, ist eine mentale Herausforderung. Das vorbildliche Gebäude von 1987 unter heutigen Bedingungen (Energie, Brandschutz, Inklusion) einfach zu reproduzieren aber auch eine ingenieurtechnische. Verblüffend das überzeugende Ergebnis, das erneut zum Vorbild wird.« Jörn Walter
Ausstellung
DAM PREIS 2023 Die 26 besten Bauten in\aus Deutschland
Zeit: vom 28. Januar bis 1. Mai 2023
Ort: DAM Ostend Henschelstr. 18, Frankfurt / M., Hessen
Die Liste der ausgestellten Objekte
- ALLMANNWAPPNER FINALIST Stadtbahntunnel Karlsruhe
- AMUNT NAGEL THEISSEN FRIHA / Haus am Hang, St. Blasien – Menzenschwand
- AUER WEBER PREISTRÄGER Erweiterung Landratsamt Starnberg
- C/O NOW Experimentelles Wohnhaus „Where the White Morels Grow“, Groß Kreutz – Schmergow
- DAVID CHIPPERFIELD ARCHITECTS Grundinstandsetzung Neue Nationalgalerie, Berlin
- ELEMENT • A ARCHITEKTEN/ HIENDL_SCHIENEIS ARCHITEKTENPARTNERSCHAFT FINALIST Bundesgeschäftsstelle Deutscher Alpenverein, München
- FTHENAKIS ROPEE ARCHITEKTENKOOPERATIVE Aufstockung Justizgebäude, Aschaffenburg
- GMP VON GERKAN MARG UND PARTNER Isarphilharmonie HP8, München
- GRÜNTUCH ERNST ARCHITEKTEN Hotel Wilmina / Umbau ehemaliges Frauengefängnis, Berlin
- HEIDE & VON BECKERATH Baugruppe „Spiegelfabrik“, Fürth
- HEIM BALP ARCHITEKTEN Gutshof Güldenhof / Umbau zum Atelier, Stechlin
- HERZOG & DE MEURON MKM Museum Küppersmühle, Duisburg
- HILD UND K Wohnen am Hohentorsplatz, Bremen
- HÜTTEN & PALÄSTE FINALIST Scheune Prädikow, Prötzel
- KREKELER ARCHITEKTEN Sanierung Audimax Universität Braunschweig
- LRO LEDERER RAGNARSDÓTTIR OEI FINALIST Münchner Volkstheater
- MEHR* ARCHITEKTEN Brauereihalle, Kirchheim
- MONO ARCHITEKTEN | PLANORAMA LANDSCHAFTSARCHITEKTUR | MUS STUDIO KOMMUNIKATIONSDESIGN Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel, Sömmerda (A71)
- PASZTORI SIMONS Studio D / Künstleratelier, Berlin
- SAUERBRUCHHUTTON Bürohaus Luisenblock West, Berlin
- STEPHANIE HIRSCHVOGEL Sanierung und Umbau „Grünes Haus“, Schongau
- STURM UND WARTZECK Nationalparkzentrum Ruhestein, Baiersbronn
- WULF ARCHITEKTEN Mensa und Mediathek Berufsschulzentrum, Darmstadt
Ort:
Deutsches Architekturmuseum im
DAM OSTEND
Henschelstr. 18, 60314 Frankfurt am Main
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