POLO − Die Komische Kunst des André Poloczek vom 30. Mai bis zum 1. September 2024

CMF_POLO_ 250Bunt, laut und leise, überraschend abwechslungsreich: Das ist sie, die neue Ausstellung „POLO − Die Komische Kunst des André Poloczek“ im Caricatura Museum Frankfurt. Sie würdigt den Cartoonisten POLO posthum und gibt einen Einblick in sein äußerst vielseitiges Werk an Komischer Kunst. Zu sehen sind Cartoonklassiker auf Papier, digitale Bildwitze, Malereien, Objekte und allerhand Spielereien. Komplementiert wird die Schau durch Digitaldrucke, einer Diashow und Videos, Leihnahmen und Hommage-Werke.

Geboren wurde André Poloczek in Wuppertal 1959. Nach seinem Umzug nach Haltern am See veröffentlichte er bereits als Schüler 1978 erste Comics und Cartoons im Halterner Kommunalteil der Ruhr Nachrichten. Mit dem Abitur in der Tasche und dem Abschluss seines Zivildienstes kehrte er 1981 zum Germanistik- und Soziologiestudium in seine Geburtsstadt zurück. Seine Abschlussarbeit über den Schriftsteller Robert Wolfgang Schnell sollte ihn auch in seiner eigenen künstlerischen Arbeit lebenslang prägen: Wie Schnell verstand es POLO, die alltäglich spießbürgerlichen, absurden und unglaublichen Situationen als Gegenentwurf zur kritisierten Gegenwartsgesellschaft als „Urkomik des Daseins“ (Max Christian Graeff) darzustellen.

Du spinnst wohl, 2016. © bei POLOs Rechtsnachfolger Martin Poloczek
Du spinnst wohl, 2016. © bei POLOs Rechtsnachfolger Martin Poloczek

Anfang der 1980er Jahre dokumentierte der leidenschaftliche Fotograf vorwiegend das nächtliche Wuppertal, malte in Öl surreale oder metaphysische Motive in Anlehnung an Dali oder De Chirico. Über die Kulturszene berichtete er als fester freier Mitarbeiter mit dem Kürzel „Apo“ für die Westdeutsche Zeitung und für die alternative Zeitung Wupper Nachrichten. Hier erschien auch die erste von POLO entwickelte Cartoonfigur „Anton von de(r) Gathe“. Der knollennasige Comicstripheld im Lokalkolorit erfreute sich schnell großer Beliebtheit und feierte sein wöchentliches Comeback von 2001 bis 2009 in der Wuppertaler Rundschau.
Mitte der 1980er Jahre machte POLO mit ersten eigenen Ausstellungen auf sich aufmerksam: 1987 mit „Karicartoons und andere UnARTigkeiten“ in der Schwelmer Galerie Basiner, 1988 mit „Dichter ge-sichtet“ im Wuppertaler Kulturpalast, wiederholt in der Villa Amalia (Briller Schlößchen) gezeigt, 1989 auch in der Bonner Stadtbibliothek und im Lädeli Lörrach.
Zwei mehrwöchige Pentiment-Comiczeichenkurse in Hamburg sollten seine Komische Kunst nachhaltig prägen: 1989 lehrte dort F. K. Waechter, nur ein Jahr darauf F. W. Bernstein. Ab 1992 nahm Poloczek regelmäßig an der „Zeichenschule an der Eider/Grafisches Trainingslager an der Eider in Rendsburg“ teil, gegründet und geleitet von F. W. Bernstein, der für ihn zum Mentor und Wegbegleiter wurde.

Erste satirische Grafiken erschienen Anfang der 90er Jahre in der Literaturzeitschrift Der Rabe, zudem zeichnete er als fester freier Mitarbeiter für das DGB-Jugendmagazin ‘ran. 1992 folgte der erste eigene Cartoonband „Arsch auf Grundeis“ im Semmel Verlach, zahlreiche Einzelbände folgten bei Lappan. Auch arbeitete POLO erfolgreich als Illustrator und Lohnzeichner für Agenturen und namhafte Unternehmen wie Karstadt, Erfurter Rauhfaser, Vorwerk und Würth. Für Jürgen von der Lippe entwarf er das CD-Cover „Männer. Frauen. Vegetarier“.

Ein bundesweit breites Publikum erreichte POLO durch Veröffentlichungen in überregionalen Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen wie TITANIC, Eulenspiegel, taz, Konkret, Kowalski, ‘ran, stern und Süddeutsche Zeitung. Ab 2015 zeichnete er für die Westdeutsche Zeitung Cartoons zur Stadtpolitik und Zeitgeschichte. Mit dem Satiriker und Grafiker Andreas Greve bildete er von 2009 bis 2011 das Cartoon-Duo „Jünger und Schlanker“, die nicht nur gemeinsam Cartoons entwickelten, sondern auch humorvolle Auftritte absolvierten und 2011 den „Abräumer“-Sonderpreis des Deutschen Karikaturenpreises erhielten.

Ab 2013 engagierte sich POLO zunehmend für den künstlerischen Nachwuchs: 2013 übernahm er die Kursleitung des CartoonKollegs im Rahmen des pass:projects der Galerie Grölle in Wuppertal. 2014 leitete er zusammen mit Ari Plikat die Sommerakademie für Komische Kunst in Kassel. Ab 2015 lehrte er an der Junior Uni Wuppertal die Kunst des Cartoonzeichnens.
Für sein künstlerisches Schaffen erhielt André Poloczek 2002 den Deutschen Karikaturenpreis in Silber.

Facettenreich ist POLOs Werk, das immer wieder überrascht und die stilistische Einordnung des Künstlers erschwert. Ob gemalt, illustriert, karikiert und modelliert; mit Stift, Tusche, Öl, Pinsel, Stempel oder Zahnbürste: Immer spürbar ist die große Lust und Freude am künstlerischen Schaffen, am Ausprobieren, am „Rumprobieren“ (POLO). Dies aber immer mit großer Könnerschaft. Seine Cartoons kommentieren Alltägliches, Politisches wie Gesellschaftliches genauso wie Kulinarisches, Medizinisches und Zwischenmenschliches. Die Sprache ist im Werk des studierten Germanisten Poloczek ein wichtiges Element. Wortspielereien und Kalauer werden gekonnt und einfallsreich in Szene gesetzt.

André Poloczek verstarb unerwartet und plötzlich im Juni 2022 in Wuppertal. Seinen künstlerischen Nachlass vermachte er der Sammlung des Caricatura Museum Frankfurt.

Die Ausstellung mit retrospektivem Charakter fängt auf begrenztem Platz den „ganzen POLO“ ein. Sämtliche Exponate im Erdgeschoß haben Werkcharakter und spiegeln den Zeichner und Cartoonisten POLO, den die Öffentlichkeit kennt: Darunter Originalzeichnungen aus seinen Cartoonbänden und Vertragsarbeiten für große und kleine Unternehmen und Verlage. Ein

Schmankerl: Der Auftritt des Cartoonisten – nein, des Kaffeemaschinenimitators – in der von Jürgen von der Lippe moderierten Überraschungsshow „Wat is?“ (ARD/WDR) von 1996.

Auf der Galerie hingegen wird von jenem spielenden, kritzelnden Künstler erzählt, der hinter dem Werk lebte: Wilde Skizzenbücher, lose, vorläufige und unveröffentlichte Blätter, Schnipsel und Montagen zeigen das unentwegte Ausprobieren und den das Zeichnen liebenden Künstler. Neben dem als Herausgeber amtierenden POLO werden hier auch erstmals Auszüge aus seinen Kinderbuch-Entwürfen präsentiert. Zum Ende der Schau wird noch auf jenen POLO eingegangen, der mehr als ein „Szenemitglied“ im großen Kreis der Cartoonist:innen und Komischen Künstler:innen war. Sehr persönlich sind die letzten Meter der Ausstellung, in denen gezeichnete Postkarten an und von POLO, extra für die Ausstellung angefertigte Zeichnungen und die jährlich in Rendsburg entstandenen Portraitstreifen den Freund, Weggefährten, Cartoonlehrer und Zeichner POLO charakterisieren.

Caricatura Museum Frankfurt
Museum für Komische Kunst
Weckmarkt 17, D-60311 Frankfurt am Main,