„Was Bildschirme und anderes zum Laufen bringt!“ Achema – Weltmesse der chemischen und pharmazeutischen Prozesstechnik in Frankfurt eröffnet

© Foto: Diether v. Goddenthow
© Foto: Diether v. Goddenthow

Mit 3.737 Ausstellern aus 55 Ländern hat gestern die ACHEMA, das Weltforum für chemische Technik, Verfahrenstechnik und Biotechnologie ihre Pforten in Frankfurt geöffnet.  Kaum im Blick der breiten Öffentlichkeit,  trifft sich in Frankfurt am Main, vom Dachverband Dechema organisiert, alle drei Jahre die internationale „Community“ rund um Biotechnologie, Medizin- und Chemietechnik, Forschung, Wasser- und Rohstoffmanagement.

Vieles, was auf dieser Leitmesse unter dem dürren Begriff „Prozesstechnik“ subsumiert wird, hat in vielerlei Hinsicht Einfluss auf  Leben, Alltag und Kultur. Es begleitet uns von morgens bis abends. Man denke allein an die Display-Materialien und –Technologien der eher für die  Herstellung von Pharmaprodukten bekannten  Merck AG in Darmstadt: Ohne  Flüssigkristalle würden moderne Monitore, Touch-Screen und Displays  nicht funktionieren: nicht im OP,  TV, in der IT-Branche oder im digitalen Fotoapparat. Praktisch in allen Lebensbereichen moderner Lebenskultur sind Verbraucher mit Produkten, Techniken und Ausrüstungen konfrontiert, wie sie jetzt auf der ACHEMA  in Frankfurt gezeigt werden.

achema-logoAuf der Pressekonferenz verdeutlichten  Jürgen Nowicki, (Linde Engineering) Vorsitzender des ACHEMA-Ausschusses,  Dr. Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) und Prof. Dr. Rainer Diercks, Vorsitzender der DECHEMA e.V., dass  technologische Lösungen für die Chemie-, Pharma- und Lebensmittelbranche dazu beitragen, weltweit Ressourcen zu schonen und menschliche Grundbedürfnisse nach Nahrung, Energie, Gesundheit und Mobilität zu erfüllen.

Jürgen Nowicki, (Linde Engineering) Vorsitzender des ACHEMA-Ausschusses. © Foto: Diether v. Goddenthow
Jürgen Nowicki, (Linde Engineering) Vorsitzender des ACHEMA-Ausschusses. © Foto: Diether v. Goddenthow

Auf globale Phänomene wie den Klimawandel ließe sich nur mit globalen Anstrengungen reagieren. Dazu trügen energieeffiziente Methoden ebenso bei wie neue Speichertechnologien für erneuerbare Energien. Die Digitalisierung tue ein Übriges, die Branchen weltweit noch stärker zu vernetzen und zu integrieren.
Damit die Prozessindustrie dies leisten könne, wäre der internationale Austausch essentiell. An kaum einen Ort werde die Internationalität der Branchen so sichtbar wie bei der ACHEMA. Aber „Handelsbarrieren blockieren nicht nur den Austausch von Waren oder Dienstleistungen, sondern auch von Innovationen“, warnte Jürgen Nowicki, mit Blick über den großen Teich.

Prof. Dr. Rainer Diercks, Vorsitzender der DECHEMA e.V.© Foto: Diether v. Goddenthow
Prof. Dr. Rainer Diercks, Vorsitzender der DECHEMA e.V. © Foto: Diether v. Goddenthow

„Die Nachrichtenlage ändert sich quasi im Stundentakt; was bei Redaktionsschluss noch galt, könnte bei Drucklegung schon wieder überholt sein. Diese Unsicherheit betrifft auch uns und unsere Branchen. Praktisch alle Unternehmen der Prozessindustrie sind international aktiv. Das gilt nicht nur für die börsennotierten Weltkonzerne, sondern auch vielen klein- und mittelständischen Unternehmen, die mit High-Tech-Produkten häufig Weltmarktführer in ihrem Bereich und entsprechend global orientiert sind.“, unterstrich Prof. Dr. Rainer Diercks die dunklen Wolken über einer Branche, die noch boomt, und sich wohl auch in diesem Jahr auf 3,5 Prozent Wachstum freuen kann.

Handelsbarrieren und Strafzölle träfen gerade bei den Innovationsführern immer beide: „Den Produzenten, dessen Marktzugang erschwert wird, aber auch den Kunden, der gerade bei den hochspezialisierten Produkten keine adäquate Alternative findet. Dazu kommt die Unsicherheit: Investitionen in der Prozessindustrie haben einen langen Zeithorizont. Sie brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Nur so lassen sich Entscheidungen zu Gunsten moderner Anlagen und effizienterer Verfahren treffen – und damit auch zu Gunsten von Arbeitsplätzen und Steuergeldern sowohl im Export- als auch im Abnehmerland. Hier gilt noch mehr als für andere Branchen: Handelskriege kennen nur Verlierer“, erläuterte der  DECHEMA-Vorsitzende.

Doch nicht nur die Hersteller und Aurüster seien international unterwegs. Auch die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, gleich ob in der Industrie oder an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, seien auf den weltweiten Austausch angewiesen. Der ACHEMA-Kongress mit seinen rund 800 Vorträgen stehe hier exemplarisch für viele andere internationale Konferenzen, die nicht zuletzt von der DECHEMA ausgerichtet würden. „So stark nationale Forschung auch sein mag – aus den internationalen Kontakten ergeben sich viele zusätzliche Impulse, sei es aufgrund unterschiedlicher Forschungstraditionen und –schwerpunkte oder aufgrund unterschiedlicher regionaler Gegebenheiten wie etwa Rohstoff- und Energieverfügbarkeit oder Marktausrichtung,“ sagte der DECHEMA-Vorsitzende.  Auch viele Forschungsgruppen seien sehr international besetzt. Erschwernisse bei Visavergaben oder Einreiserestriktionen behinderten deshalb Konferenzen und Kooperationen, denn sie beträfen nicht nur Forscher aus dem jeweiligen Land, sondern auch viele Wissenschaftler, die andernorts aktiv seien, so Prof. Diercks.

Dr. Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des VCI. © Foto: Diether v. Goddenthow
Dr. Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des VCI. © Foto: Diether v. Goddenthow

Dr. Utz Tillmann hob die geopolitischen Risiken für Rückschläge der Weltwirtschaft hervor. „Für Unsicherheit sorgen vor allem die USA mit ihrer protektionistischen Handelspolitik. Aber auch die industriepolitische Strategie in China ist nicht unproblematisch: Die Volksrepublik kauft gezielt europäische Unternehmen auf, um technologische Lücken zu schließen. Direktinvestitionen für ausländische Unternehmen im eigenen Land erschwert China aber weiterhin. Diese Ungleichbehandlung behindert die internationale Zusammenarbeit.“

Jedoch davon einmal abgesehen, habe die deutsche Chemie langfristig exzellente Perspektiven. Das läge auch daran, „dass unsere Unternehmen die Chancen der Digitalisierung und zirkulären Wirtschaftsweise erkannt haben und beherzt umsetzen“, so Dr. Tillmann. Innovative Lösungen seien gerade im Klimaschutz gefragt, wobei insbesondere große Erwartungen an die Chemiebranche gestellte würde, etwa ihre Produktion weniger CO2-intensiv und langfristig sogar treibhausgasneutral zu gestalten. Die deutsche Chemie habe bereits ihre CO2- -Emissionen seit 1990 halbiert“, so Dr. Tillmann. Klimaschutz sei nur eine wichtige Facette in der aktuellen Ära der chemischen Industrie, „die wir als ‚Chemie 4.0′ bezeichnen. Deshalb wollen deutsche Chemieunternehmen in den nächsten 3 bis 5 Jahren 1 Milliarde Euro in Digitalisierungsprojekte oder in neue digitale Geschäftsmodelle investieren. Hinzu kommen jährlich mehrere Milliarden Euro für die Entwicklung ressourcenschonender Innovationen. Gerade Digitalisierung und der sparsame Einsatz von knappen Ressourcen sind eng miteinander verknüpft und ermöglichen weitere Fortschritte bei der zirkulären Wirtschaft“. Außerdem eröffne die Digitalisierung auch Start-ups neue Nischen im Markt. Ihr Geschäftsmodell komme dabei teilweise ohne einen kapitalintensiven Produktionsbetrieb im Hintergrund aus, so der Vorsitzende des Verbandes der Deutschen Chemie.

Eröffnung – Achema-Startup-Preis 2018

ACHEMA-Gründerpreis 2018. © Foto: Diether v. Goddenthow
ACHEMA-Gründerpreis 2018. © Foto: Diether v. Goddenthow

Alles, was die Prozessindustrie forsche, entwickele und umsetze, sei auf die Zukunft ausgerichtet zum Wohl zukünftiger Generationen, begrüßte Prof. Dr. Rainer Diercks, Vorsitzender der DECHEMA e.V., bei der Eröffnungsveranstaltung. Gleich zu Beginn wurden die Sieger des DECHEMAX-Schülerwettbewerbs und des  ACHEMA-Gründerpreises geehrt. Die drei Startups, die es in die Endrunde des zum zweiten Mal verliehenen ACHEMA-Gründerpreises geschafft hatten, erhielten je 10 000 Euro Preisgeld:

1.HeiDelTec. Das 2017 gegründete Unternehmen Heidelberg Delivery Technologies GmbH kurz „HeiDelTec“ entwickelt eine Drug-Delivery-Technologie, die eine orale Verabreichung von Peptiden und Proteinen ermöglicht.

2. Watttron. Dieses Jungunternehmen hat ein modulares Heizsystem für die definiert zonale Erwärmung entwickelt. Wie bei einem TFT-Display können einzelne kleine Heizkreise individuell hinsichtlich der Temperatur geregelt werden.

3. Plasmion. Auf der Grundlage ihrer Doktorarbeiten , stellte das wissenschaftliche Gründerteam basierend auf ihrer „Elektronische Nasen“-Technologie Add-on-Produkte her, mit denen Labor-Massenspektrometer zu online-Sensoren aufgerüstet und neue Analyseroutinen ermöglicht werden. Auf gut deutsch: Die – noch primär – in der Aroma-Analyse verwendet „Elektronische Nase“ kann nun auch online ambulant zum Einsatz kommen.

Von der Idee über das Konzept bis zum Business Plan unterstützt der ACHEMA-Gründerpreis mit dem, was am dringendsten gebraucht wird – Rat und Hilfe von Industrie- und Finanzexperten, Kontakte zu potentiellen Kunden und Investoren und eine hohe Sichtbarkeit gegenüber der weltweiten Industrie. Siehe hier: http://www.achema-gruenderpreis.de

Kay-Sölve Richter im Gespräch mit Festredner Sir James Fraser Stoddart. © Foto: Diether v. Goddenthow
Kay-Sölve Richter im Gespräch mit Festredner Sir James Fraser Stoddart. © Foto: Diether v. Goddenthow

Den Festvortrag hielt Sir James Fraser Stoddart. Der britisch-US-amerikanische  Chemiker erhielt 2016 gemeinsam  mit Jean-Pierre Sauvage und Ben Feringa den Nobelpreis für Chemie für „das Design und die Synthese von molekularen Maschinen“. Mit seinem Vortrag „Serendipity Strokes Discovery: Disrupting Established Industries“ gab Stoddart viele neue Impulse.

Event-Moderatorin Kay-Sölve Richter führte  durch das Programm.

Meets your friends

Meets your friends © Foto: Diether v. Goddenthow
Meets your friends © Foto: Diether v. Goddenthow

Aussteller, Journalisten und ACHEMA-Besucher fanden sich im Anschluss des ersten ACHEMA-Messetages ungeachtet des einsetzenden Regens auf der Agora und dem Vorplatz des Forums ein.

 Regentanz mit Party-Band Docotor Blond. © Foto: Diether v. Goddenthow
Regentanz mit Party-Band Docotor Blond. © Foto: Diether v. Goddenthow

Bei Klängen der bekannten Frankfurter Partyband Doctor Blond, rustikaler Kulinarik und ausgesuchter Getränke ließen Freunde, Kollegen oder Geschäftspartner den Tag  in entspannter Atmosphäre ausklingen.