Underground-Comics-Star Gerhard Seyfried mit 474 Werken ab 27.09.15 im Caricatura Museum in Frankfurt

Vorneweg:
ausstellungsraum

Seyfrieds große Werkschau vom 27. September bis 24. Januar 2016 im Frankfurter Caricatura ist auch ein urkomischer Rückblick auf 50 Jahre deutsche Geschichte, stets so herrlich bitterbös auf den wunden Punkt gebracht, dass es selbst Geschichtsmuffeln wieder warm um ihr politverdrossenes Herz wird. Seyfrieds Werke sind tiefgründig erheiternd, anarchisch ansteckend und dazu erfrischend lehrreich und handwerklich großartig, sowieso. Seyfried sagt von sich „ich bin Anarchist“ und lehnt Ideologien und religiöse Dogmen ab, „die nur Gewalt, Kriege und Leid über Menschen gebracht haben“.

Zur Ausstellung

Das caricatura museum präsentiert in einer großen Werkschau die gesamte Bandbreite von Gerhard Seyfrieds Schaffen. Gezeigt werden frühe Cartoons aus dem Münchner Blatt, Comics aus den letzten 35 Jahren, seine großformatigen Wimmelbilder und Plakate, Einzel- und tagespolitische Cartoons, Illustrationen und Objekte.
In der Galerie im ersten Stock werden frühe Arbeiten ausgestellt, oft Kleinstformate in Schwarzweiß. Hier sind neben Zeichnungen für Pardon und Titanic Blätter aus Seyfrieds Zeit in den USA zu sehen (ab 1978), darunter eine Fülle an Skizzenblättern aus San Francisco und Berkeley. Gezeigt werden hier u.a. Cartoons aus seinen ersten Büchern und ein großartiger Polizeiautobastelbogen, sowie Seyfrieds Anfangswerke aus der Werbegrafik.

Im Erdgeschoss werden Auszüge und Materialien zu Seyfrieds Comics Invasion aus dem Alltag (1980), Das schwarze Imperium (1986) und Flucht aus Berlin (1990) präsentiert. Daneben sieht man die in Zusammenarbeit mit Ziska entstandenen Science Fiction-Blätter, Geschichten rund um den Hanf, Plakate und nicht zuletzt aktuelle tagespolitische Cartoons.

 

Der Künstler

Gerhard Seyfried, Portrait aus einem Seyfried-Video, welches in der Ausstellung gezeigt wird. © massow-picture
Gerhard Seyfried, Portrait aus einem Seyfried-Video, welches in der Ausstellung gezeigt wird. © massow-picture

Gerhard Seyfried ist der Star des deutschen Underground-Comics. 1948 geboren, verbrachte er Kindheit, Jugend, Lehr- und Studienjahre in seiner Heimatstadt München. Nach einer Lehre als Industriekaufmann und als Gebrauchsgrafiker begann er 1967 ein Studium der Malerei und Grafik an der Münchner Akademie für das Graphische Gewerbe. Ende 1969 erfolgte sein erzwungener Austritt aus der Akademie wegen Streiks gegen die Notstandsgesetze. Seit 1970 arbeitete er als selbstständiger Grafiker und Karikaturist für Werbeagenturen und lokale Firmen, hauptsächlich jedoch für das alternative Münchner Stadtmagazin Das Blatt, wo er zum politischen Zeichner der linken Szene wurde.
1976 verließ Seyfried München und zog in das damalige West-Berlin, wo er längst Kult war in der linksalternativen Szene. Die Stadt ist von da an Hintergrund seiner Comics und Cartoons. Von mehreren Auslandsaufenthalten u.a. in den USA und in der Schweiz kehrte Seyfried immer wieder nach Berlin zurück.
Heute lebt er in Schöneberg, er arbeitet als Zeichner, Schriftsteller und Historiker.

Das Werk
Gerhard Seyfried ist ein großer Geschichtenerzähler – viele seiner Tableaus wimmeln von Längs- und Querverweisen, die vom geduldigen Betrachter herausgelesen und entschlüsselt werden wollen. F.W. Bernstein rühmte seine Zeichentechnik im Vorwort zu Seyfrieds Die Werke. Alle!: „Gelobt sei seine pusselige, wuselige Linie, die sich um die winzigsten Kleinigkeiten kringelt…“

Seyfried war als Comiczeichner und Cartoonist Teil und Chronist der undogmatischen linken und alternativen Szene. Titel wie Freakadellen und Bulletten (1979), Invasion aus dem Alltag (1980), ganz besonders aber sein erstes Buch Wo soll das alles enden (1978) fehlten in keiner Wohngemeinschaft der APO-Nachfolgegenerationen. Das Buch vereinte viele seiner Zeichnungen, die in den 1970ern ursprünglich für Das Blatt entstanden waren. Mit dem Geld aus dem Verkauf seines ersten Buches flog Gerhard Seyfried 1978 das erste Mal in die USA. Er blieb einige Monate in San Francisco und Berkeley und lebte und arbeitete mit Gilbert Shelton und Paul Mavrides, den Schöpfern der Fabulous Furry Freak Brothers, zusammen bei deren Verlag Rip Off Press. Shelton und Mavrides waren – neben Robert Crumb (Fritz the Cat) – die wohl prominentesten Vertreter des USA-Underground Comics. Seyfried wirkte von da an selbst bei etlichen Rip Off Press-Produktionen mit und übersetzte viele weitere ins Deutsche.

Seyfried veröffentlichte neben seinen Cartoons auch mehrere längere Comicbände, angefangen mit „Invasion aus dem Alltag“ aus dem Jahr 1980. Die Geschichten erzählen, wie auch seine Cartoons, von den Lebenswelten der Westberliner Freaks, angereichert mit angeblichen Aliens mit Anarchie-Bomben („Invasion aus dem Alltag“), sagenhaften Zeichner-Imperien („Das schwarze Imperium“, 1986) und Irrfahrten durch Sowjetrussland und Führer-Bunker („Flucht aus Berlin“, 1990)

1990 lernte Gerhard Seyfried die Berliner Künstlerin Ziska Riemann kennen. Dies war der Beginn einer langen Freundschaft und Zusammenarbeit: Die beiden bilden von da an das Künstlerduo „Harmonian Anarchists“. Gemeinsam veröffentlichten sie unter anderem vier Science Fiction-Comics, in denen zwischen Erde und Weltraum spielende dystopische Szenarien ausgemalt werden – keine Kreuzberger Freaks, keine blöden Bullen mehr, sondern völlig neues Personal in gänzlich anderer Umgebung.
Ständig wiederkehrendes Thema in Seyfrieds Schaffen ist neben den alternativen Aktivisten und ihren Widersachern der Hanf.

Das Thema zieht sich durch sein Werk von Anbeginn an – in vielen seiner Zeichnungen nebeln sich die Figuren aus dem alternativen Milieu mit Cannabis ein. Gemeinsam mit Mathias Bröckers verfasste er bspw. 1996 Hanf im Glück mit allerlei Wissenswertem über Hanf in Form von Gedichten und Illustrationen. 2002 verließ Seyfried Berlin und zog zusammen mit Bröckers nach Solothurn (CH), wo die beiden an weiteren Hanf-Geschichten arbeiteten. Im schweizerischen Barockjuwel hielt es Seyfried zwei Jahre, 2004 kehrt er nach Berlin zurück.

Seit Anfang der 2000er Jahre gestaltete Gerhard Seyfried für den Kreuzberger Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele mehrere Plakate. Auch für kulturelle Institutionen und Künstler ist Seyfried als Plakatkünstler tätig, wie z.B. regelmäßig für den deutschen Kabarettisten Arnulf Rating.

Gerhard Seyfried ist nicht nur Zeichner, sondern auch Romanautor. Sein erster Roman erzählt vom Herero-Aufstand 1904 in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Ein Aufenthalt für das Goethe-Institut in Namibia verschaffte ihm seinen eigenen Zugang zur deutschen Kolonialgeschichte. Er arbeitete sich in die Details von Waffentechnik und Militärgeschichte ein – so entsteht 2003 sein erster Roman „Herero“. Die NZZ lobt: „Virtuos verwebt er historische Ereignisse, Figuren und Dokumente mit Fiktivem“. Daraufhin folgt Seyfrieds weitgehend autobiographischer Roman Der schwarze Stern der Tupamaros (2004), der in der linken Szene Münchens und Berlins Anfang der 1970er Jahre spielt. Mit Gelber Wind oder Der Aufstand der Boxer (2008) über Deutschlands koloniale Vergangenheit in China und den Boxeraufstand in Peking im Jahr 1900. und Verdammte Deutsche! (2012), einem Spionageroman aus der Zeit am Vorabend des ersten Weltkrieges, veröffentlichte er zwei weitere Romane aus der Zeit des deutschen Kaiserreichs.

 

Rahmenprogramm zur Ausstellung SEYFRIED

16_Cover-Verdammte-DeutscheGerhard Seyfried liest aus „Verdammte Deutsche!“
Vom 27.9.2015 bis zum 24.1.2016 zeigt das caricatura museum frankfurt Karikaturen, Cartoons und Comics von Gerhard Seyfried.

Gerhard Seyfried ist jedoch nicht nur Zeichner, sondern ebenfalls erfolgreicher Autor, unter anderem von historischen Romanen wie etwa „Herero“ und „Gelber Wind oder Der Aufstand der Boxer“. Im Rahmenprogramm zur Ausstellung finden mehrere Lesungen an verschiedenen Orten aus Seyfrieds neustem Roman „Verdammte Deutsche!“ statt.

Der Roman thematisiert das Verhältnis zwischen Großbritannien und Deutschland vor dem ersten Weltkrieg von 1914. Zwischen Berlin, Kiel und London geht es für den jungen Marineoffizier Adrian Seiler um Spionage, Politik und große Gefühle. Ein Werk, das seine Leser sehr authentisch in die damalige Lebenswelt eintauchen lässt, in unverhohlene Feindbilder und Kriegsspielzeug als Weihnachtsgeschenk. „Verdammte Deutsche!“ ist dabei mehr als ein kluger historischer Roman. Spätestens wenn man sich Seyfrieds Karikaturen zu Angela Merkel und der NSA, oder seine „Conspiracy“-Diagramme von vor gut einem Jahrzehnt anschaut, wird deutlich, dass die Themen des Romans hochaktuell sind: Verschwörungstheorien, politische Macht – und das korrumpierbare Individuum auf der Suche nach Erfolg und Glück.
Die Ausstellung Seyfried vom 27.09.2015 bis 24.01.2016 findet statt:
caricatura museum frankfurt
Museum für Komische Kunst
Weckmarkt 17
D-60311 Frankfurt am Main
Tel +49 (0) 69 212 301 61
caricatura.museum@stadt-frankfurt.de

Orte und Termine weiterer Veranstaltungen auch außerhalb Frankfurts wie folgt:

Samstag, 26.9.2015 in Hanau
um 19 Uhr
im Autonomen Kulturzentrum Metzgerstraße
Metzgerstraße 8, 63450 Hanau
4,- €
nur Abendkasse
in Kooperation mit dem Autonomen Kulturzentrum Metzgerstraße

Mittwoch, 7.10.2015 in Idstein
um 19:30 Uhr
im Gerberhaus
am Löherplatz, 65510 Idstein
6,- € / erm. 5,- €
in Kooperation mit dem Hexenbuchladen, Obergasse 10, 65510 Idstein,
Tel. 06126-6437; Vorverkauf nur im Hexenbuchladen

Samstag, 17.10.2015 in Frankfurt
um 19:30
in der Buchhandlung BUCH & WEIN
Berger Straße 122, 60316 Frankfurt
8,- € incl. ein Glas Wein / erm. 6,- €
in Kooperation mit Buchhandlung BUCH & WEIN, Tel. 069-23807963
Vorverkauf nur in der Buchhandlung BUCH & WEIN

Mittwoch, 18.11.2015 in Wiesbaden
um 18 Uhr
im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
Mosbacher Straße 55, 65187 Wiesbaden
4,- €
nur Abendkasse
in Kooperation mit dem Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden

Mit der Eintrittskarte für die Lesung erhält man beim Besuch der Seyfried-Ausstellung im caricatura museum frankfurt den ermäßigten Eintrittspreis von 3 €.

Gefördert werden die Lesungen wie die Ausstellung SEYFRIED durch den Kulturfonds RheinMain. Der Kulturfonds fördert kulturelle Projekte im RheinMain-Gebiet insgesamt und unterstützt insbesondere Aktivitäten abseits der großen Zentren. http://kulturfonds-frm.de.

AUSSTELLUNGEN im Caricatura 2015 / 2016

Gerhard Seyfried
27. September 2015 bis 24. Januar 2016
Eröffnung: Sonntag, 27. September 2015

Dauerausstellung
Die Zeichner der Neuen Frankfurter Schule
Neue Hängung ab 27. September 2015

VERANSTALTUNGEN 2015
Frankfurter Buchmesse
Mittwoch, 14. bis Sonntag, 18. Oktober 2015
caricatura-Stand Halle 3.0 K45

Gerhard Seyfried signiert!
Freitag, 16.10.2015. 16-17 Uhr
Samstag, 17.10.2015. 16-17 Uhr

 

Cartoonlesung „Hier lacht der Betrachter“:
Hauck & Bauer, Rattelschneck und Rudi Hurzlmeier
Freitag, 30. Oktober 2015 – 20 Uhr
caricatura museum Frankfurt

Prinz Hamlet von F.K. Waechter
Ensemble Mensch & Welt
Donnerstag, 26. November 2015 – 20 Uhr
caricatura museum Frankfurt