Soziale Utopien – gestern und heute Filmreihe vom, 3. bis 28. März im Filmmuseum Frankfurt

Foto © massow-picture
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Im Verlauf der Filmgeschichte wurden in unzähligen Werken Visionen und Träume von einer besseren Welt dokumentiert und imaginiert. Parallel zu den großen gesellschaftlichen Umbrüchen des 20. Jahrhunderts fanden Filme ihren Weg ins Kino, die eine Alternative zur Wirklichkeit einforderten: laute Aufrufe zur Revolution, leise Proteste gegen bestehende Strukturen und eskapistische Reisen an andere Orte. Indem sie die Alternativen filmisch erlebbar machten, wurden die Filme selbst zum Antrieb von Veränderung.

Die Filmreihe „Soziale Utopien – gestern und heute unternimmt eine Reise durch das 20. und beginnende 21. Jahrhundert und folgt den politischen und gesellschaftlichen Alternativbewegungen, die aus deutscher Perspektive prägend waren. Der Fokus liegt weniger auf fantastischen Furcht- denn auf konkreten Wunschbildern, auf Filmen, die an die Veränderbarkeit der Gesellschaft glauben und alternative Lebensweisen vorstellen. Den Anfangsmomenten einer Bewegung im Film werden aktuelle Dokumentar- und Spielfilme gegenübergestellt, die sich den Themen aus heutiger Perspektive nähern.

Donnerstag, 3. März, 18 Uhr
KUHLE WAMPE ODER WEM GEHÖRT DIE WELT
Deutschland 1932. R: S. Th. Dudow
D: Alfred Schäfer, Hertha Thiele, Max Sablotzki. 72 Min. 35mm
Berlin 1931: Inmitten der Weltwirtschaftskrise bestimmen Erwerbslosigkeit, Hunger und drohender Wohnungsverlust den Alltag der Arbeiterschicht, so auch den von Familie Bönike. Während die Eltern in kleinbürgerlicher Lethargie erstarren und sich der Sohn vor Verzweiflung aus dem Fenster stürzt, schließt sich Tochter Anni einem Arbeitersportverein an. Als Klassiker des proletarischen Films dokumentiert KUHLE WAMPE ungeschönt die sozialen Missstände der Zeit und formuliert die Hoffnung auf eine Revolution der kommunistischen Jugend. Die Filmzensur gab den Film erst nach Kürzungen frei, bevor er 1933 wieder verboten wurde.
Vorfilm: ERWERBSLOSE KOCHEN FÜR ERWERBSLOSE
Deutschland 1932. R: Ella Bergmann-Michel. 9 Min. 35mm. Musikfassung
Einführung: Dirk Braunstein (Institut für Sozialforschung)

Dienstag, 8. März, 20:30 Uhr
PROJEKT A
Deutschland 2015. R: Moritz Springer, Marcel Seehuber
Dokumentarfilm. 85 Min. DCP. OmU
Weltwirtschaftskrise heute: Wieder einmal steht der Kapitalismus als Gesellschaftsmodell in Frage, entstehen alternative Bewegungen, die versuchen, da Hilfe zu leisten, wo der Staat versagt. Wer wird heute die Welt verändern? Der mit Hilfe von Crowdfunding entstandene Dokumentarfilm PROJEKT A spürt der Anarchiebewegung nach und zeigt Aktivisten in Griechenland, Spanien und Deutschland, die von einer freieren und gerechteren Gesellschaft träumen und konkrete Visionen für die Verwirklichung ihrer Utopien entwickeln.

Mittwoch, 9. März, 18:00 Uhr
UNTER DEN BRÜCKEN
Deutschland 1945. R: Helmut Käutner
D: Hannelore Schroth, Carl Raddatz, Gustav Knuth. 99 Min. DCP
Während die Rote Armee auf Berlin vorrückt und Durchhaltefilme als nationalsozialistische Propaganda fungieren, setzt Helmut Käutner dem Elend ein verträumtes und zärtliches Szenario der Privatheit entgegen, das unberührt bleibt von der Kriegsrhetorik jener Zeit: zwei Männer, eine Frau, eine angedeutete ménage-à-trois auf einem altmodischen Schleppkahn im Havelland. Als poetischer Aussteigerfilm entwirft UNTER DEN BRÜCKEN eine Welt jenseits der Propaganda und wirkt heute beinahe Zeitlos als Ballade auf Freundschaft, Liebe und das freie Leben auf dem Wasser.
Einführung: Kai Dröge (Institut für Sozialforschung)

Freitag, 11. März, 20:30 Uhr
EMPIRE ME – DER STAAT BIN ICH!
Österreich/Deutschland/Luxemburg 2011. R: Paul Poet
Dokumentarfilm. 99 Min. 35mm. OmU
Welche Gegenentwürfe gibt es zur schnelllebigen, globalisierten Welt? In seinem dokumentarischen Abenteuerfilm besucht Paul Poet autonom gegründete Fürstentümer, esoterische Kommunen, anarchistische Post-68-Aktivisten und Punkkünstler auf selbstgebauten Flößen – skurrile Gegengesellschaften, denen die Suche nach Selbstverwirklichung und alternativen Wegen des Zusammenlebens gemein ist. Wo endet das Ich, wo beginnt das Wir? Vorurteilsfrei porträtiert EMPIRE ME die unterschiedlichen Aussteiger, deren großes Glück darin besteht, ganz nah bei sich selbst zu sein.

Sonntag, 13. März, 17 Uhr
SPUR DER STEINE
DDR 1966. R: Frank Beyer. D: Manfred Krug,
Krystyna Stypulkowska, Eberhard Esche. 134 Min. DCP
Auf der sozialistischen Großbaustelle Schkona hat Brigadeleiter Balla das Sagen, der, wenn es sein muss, auch mal eigenwillige Wege geht, um fehlendes Baumaterial zu beschaffen. Als der neue Parteisekretär Horrath und die junge, selbstbewusste Ingenieurin Kati mit neuen Ideen auf der Baustelle erscheinen, stellt sich Balla erst einmal quer. SPUR DER STEINE ist einer von insgesamt zwölf verbotenen DEFA-Filmen der Jahre 1965/66. Der Film ist eine „verbotene Utopie, die dazu führte, dass er bis 1989 nicht mehr öffentlich gezeigt wurde.
Einführung: Judith Mohrmann (Institut für Sozialforschung)

Donnerstag, 17. März, 18 Uhr
ICH BIN EIN ELEFANT, MADAME
BRD 1969. R: Peter Zadek.
D: Wolfgang Schneider, Günther Lüders, Margot Trooger. 100 Min. 16mm
Kurz vor dem Abitur kommt es zur Rebellion an einem Bremer Gymnasium: Der Schüler Rull lehnt die autoritär geführte Schule vehement ab und denkt sich immer wieder neue Provokationen aus, um seinem Unmut Ausdruck zu verleihen. Als er schließlich aus Protest eine Zeltplane mit einem großen Hakenkreuz am Haus der Bürgerschaft aufhängt, droht ihm der Schulverweis, doch seine Mitschüler solidarisieren sich mit ihm und fordern Mitbestimmung. Anhand des Mikrokosmos Schule thematisiert Peter Zadek in seinem stilistisch furiosen Spielfilmdebüt die 68er-Utopie einer klassenlosen und herrschaftsfreien Gesellschaft.
Einführung: Konstantin Rückert (Institut für Sozialforschung)

Freitag, 18. März, 20:15 Uhr
DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI
Deutschland/Österreich 2004. R: Hans Weingartner. D: Daniel Brühl, Julia Jentsch, Stipe Erceg, Burghart Klaußner. 126 Min. 35mm
Um ihrer Unzufriedenheit über die ungerechte Verteilung der Güter Ausdruck zu verleihen, brechen Jan und Peter in Villen ein, verrücken dort Einrichtungsgegenstände und hinterlassen unheilvolle Botschaften. Als Jan mit Peters Freundin Jule bei einer Aktion von dem Manager Hardenberg überrascht wird, entführen sie den reichen Hauseigentümer kurzerhand – und er entpuppt sich als Alt-68er. Obwohl die ehemaligen Revolutionäre scheinbar Teil des Systems geworden sind, formuliert DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI die Hoffnung, dass die besten Ideen dennoch überlebt haben.

Sonntag, 20. März, 18 Uhr
EINE PRÄMIE FÜR IRENE
BRD 1971. R: Helke Sander
D: Gundula Schroeder, Sarah Schumann, Helga Foster. 50 Min. 16mm
Irene schuftet tagsüber in der Fabrik und kümmert sich in der verbleibenden Zeit um ihre beiden Kinder, die sie alleine großzieht. Gedacht als Kritik an dem „Berliner Arbeiterfilm, der die Situation der Frauen außen vor ließ und sich nur auf das Fabrikleben beschränkte, formuliert Regisseurin Helke Sander in EINE PRÄMIE FÜR IRENE erstmalig den Zusammenhang zwischen öffentlichem und privatem Leben. Die Ausbeutung weiblicher Fabrikangestellter endet im Film mit der gemeinschaftlichen Zerstörung einer Kamera, die die Frauen bei ihrer Arbeit überwacht: „Wir Frauen gemeinsam sind stark!
Vorfilm: SILVO BRD 1967 R: Helke Sander. 11 Min. 16mm
Einführung: Lisa Herzog (Institut für Sozialforschung)

Dienstag, 22. März, 20:30 Uhr
EINE FLEXIBLE FRAU
Deutschland 2010. R: Tatjana Turanskyj
D: Mira Partecke, Katharina Bellena, Laura Tonke. 97 Min. Blu-ray
Greta ist 40, alleinerziehend, ehemals erfolgreiche Architektin und nun auf der Suche nach Arbeit. Hin- und hergerissen zwischen Anpassung und Auflehnung driftet sie durch eine „Stadt der Frauen, deren Einwohnerinnen aufgrund der starken Konkurrenz ständig bedacht sind auf Selbstoptimierung und Flexibilität. EINE FLEXIBLE FRAU formuliert Möglichkeiten des Mitmachens in einer spätkapitalistischen Arbeitswelt – und äußert mehr als deutlich ein Unbehagen am Status quo der Emanzipation.

Freitag, 25. März, 20:30 Uhr
GORLEBEN: DER TRAUM VON EINER SACHE
BRD 1981. R: Roswitha Ziegler, Niels-Christian Bolbrinker, Bernd Westphal Dokumentarfilm. 108 Min. 16mm
Im Frühjahr 1980 besetzen Atomkraftgegner einen Bohrplatz bei Gorleben und errichten dort ein „Dorf des Friedens aus selbstgebauten Holzhäusern und Zelten. Flankiert wurde die 33-tägige Besetzung von Diskussionen, Konzerten und Theatervorstellungen – und von der Wendländischen Filmkooperative, die die Anti-Atomkraft-Bewegung von Beginn an filmisch begleitete. Die „Freie Republik Wendland war ein Traum, der für kurze Zeit wahr wurde, bevor einige tausend Polizisten den Platz räumten. Der Film zeigt neben Aufbau und Räumung auch das, was in Gefahr ist: die unberührte Landschaft und die Menschen, die dort leben.

Donnerstag, 24. März, 18 Uhr
DIE 4. REVOLUTION – ENERGY AUTONOMY
Deutschland 2010. R: Carl-A. Fechner
Dokumentarfilm. 83 Min. 35mm. OmU
Wie könnte eine Welt aussehen, die komplett mit erneuerbaren Energien versorgt wird? Um diese Frage zu beantworten, bereist Filmemacher Carl-A. Fechner in seinem mit Hilfe von Crowdfunding finanzierten Dokumentarfilm zehn verschiedene Länder und findet Solarkraftwerke, vernetzte Windparks, Blockheizkraftwerke und vor allem Menschen, die für ihre Vision einer „Energieautonomie leidenschaftlich kämpfen.

Sonntag, 27. März, 18 Uhr
AUF DER ANDEREN SEITE
Deutschland 2007. R: Fatih Akin
D: Baki Davrak, Nursel Köse, Hanna Schygulla. 122 Min. 35mm
Die Lebensläufe von sechs Personen kreuzen und verfehlen sich zwischen Deutschland und der Türkei, wobei sich die ständige Neu-Orientierung der Figuren als roter Faden durch den Film zieht. Kunstvoll wird die Wandelbarkeit von Identitätskonzepten sichtbar sowie die Utopie einer Ersatzfamilie jenseits von Ethnizität und Alter.

Dienstag, 29. März, 20:30 Uhr
DIE LANDUNG DER KURDEN AUF DEM MOND
Deutschland 2015. R: Julian Bogenfeld, Johannes Busse
Dokumentarfilm. 54 Min. DCP. 3D. OmeU
Der in 3D gedrehte Dokumentarfilm erzählt die Geschichte von vier jungen kurdischen Männern, die vor dem Krieg aus Syrien geflohen und nun in einem kleinen Dorf in der Eifel gelandet sind. Gemeinsam mit dem Filmteam erarbeiten sie eine Neuinszenierung des Stummfilmklassikers LE VOYAGE DANS LA LUNE (Die Reise zum Mond) von Georges Méliès.
Vorfilm: LE VOYAGE DANS LA LUNE FR 1902. R: Georges Méliès. 16 Min
Zu Gast: Julian Bogenfeld, Johannes Busse

Montag, 28. März, 17 Uhr
BIS ANS ENDE DER WELT
Deutschland/Frankreich/Australien 1991 (Director’s Cut von 1994)
R: Wim Wenders. D: Solveig Dommartin, William Hurt, Pietro Falcone.
288 Min. Mit Pause. DCP. OmU
1999 wird die Erde von einem Atomsatelliten bedroht. Vor dem Hintergrund dieses Endzeitszenarios verliebt sich die Französin Claire in den Wissenschaftler Trevor, der auf einer geheimnisvollen Mission um die Welt reist. Claire folgt ihm, nicht ahnend, dass auch sie verfolgt wird. Wim Wenders ´ fünfstündiges Road Movie führt die Zuschauer ins Reich der Träume.
Einführung: Felix Trautmann (Institut für Sozialforschung)