Restituiertes NS-Raubkunstgemälde, „Gang nach Bethlehem“, an Museum Wiesbaden übergeben

Bildunterschrift: Fritz von Uhde (1848–1911), Gang nach Bethlehem, 1890. Museum Wiesbaden, Stiftung Rose und Friedrich Klein 1980, Restituiert an die Erben nach Rudolf Mosse 2016. Erworben mit Mitteln der Kulturstiftung der Länder /Ernst von Siemens Kunststiftung / Hessischen Kulturstiftung.Foto: Diether v. Goddenthow
Bildunterschrift: Fritz von Uhde (1848–1911), Gang nach Bethlehem, 1890. Museum Wiesbaden, Stiftung Rose und Friedrich Klein 1980, Restituiert an die Erben nach Rudolf Mosse 2016. Erworben mit Mitteln der Kulturstiftung der Länder /Ernst von Siemens Kunststiftung / Hessischen Kulturstiftung.Foto: Diether v. Goddenthow

Restituiertes NS-Raubkunst-Gemälde an Museum Wiesbaden übergeben. Zentrale Stelle für Provenienz-Forschung klärt Geschichte des Werks „Gang nach Bethlehem“.

Wiesbaden. Das Museum Wiesbaden übertrug kürzlich das Eigentum am Gemälde Gang nach Bethlehem von Fritz von Uhde (1848 – 1911) an die Erben des Verlegers und Kunstsammlers Rudolf Mosse. Anschließend wurde das Werk vom Museum Wiesbaden für seine Kunstsammlung erworben. Die offizielle Übergabe des Gemäldes fand nun am 8. September um 13 Uhr im Museum Wiesbaden in Beisein von Kunst- und Kulturminister Boris Rhein und in Anwesenheit der Presse sowie einiger geladener Gäste statt.

vli. Dr. Peter Forster, Kustos der Sammlung Alte Meister am Museum Wiesbaden, Boris Rhein, Hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst,Dr. Stephanie Tasch, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder. Eva Claudia Scholtz, Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung, Miriam Olivia Merz, Zentrale Stelle für Provenienzforschung in Hessen,  Professor Dr. Jan Hegemann, Vertreter der Erbengemeinschaft nach Rudolf Mosse. oto: Diether v. Goddenthow
vli. Dr. Peter Forster, Kustos der Sammlung Alte Meister am Museum Wiesbaden, Boris Rhein, Hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst,Dr. Stephanie Tasch, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder. Eva Claudia Scholtz, Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung, Miriam Olivia Merz, Zentrale Stelle für Provenienzforschung in Hessen, Professor Dr. Jan Hegemann, Vertreter der Erbengemeinschaft nach Rudolf Mosse. Foto: Diether v. Goddenthow

Zunächst begrüßte Dr. Peter Forster, Kustos der Sammlung Alte Meister am Museum Wiesbaden Boris Rhein, Hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst, Dr. Stephanie Tasch, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder, Eva Claudia Scholtz, Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung, Professor Dr. Jan Hegemann, Vertreter der Erbengemeinschaft nach Rudolf Mosse und Miriam Olivia Merz, Zentrale Stelle für Provenienzforschung in Hessen. Forster erläuterte zur Einführung wie das Museum Wiesbaden sein 1980 durch die Stiftung Rose und Friedrich Klein erhaltenes – erst 2015 als NS-Raubkunst identifiziertes Uhde-Bild „Gang nach Bethlehem“ nach Rückgabe an die Erben jetzt als „restituiertes“ Gemäldes aus der Sammlung Mosse erwerben konnte: So habe 2015 die Zentrale Stelle für Provenienzforschung in Hessen Fritz von Uhdes „Gang nach Bethlehem“ als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Werk aus ursprünglich jüdischem Besitz identifiziert und seine Provenienz daraufhin genauer untersucht. Dabei wurde festgestellt,so Forster, dass das Bild aus der Sammlung des Berliner Verlegers Rudolf Mosse stammte. Das Werk wurde daraufhin restituiert und konnte dank des freundlichen Entgegenkommens der Erbengemeinschaft und der finanziellen Unterstützung durch die Kulturstiftung der Länder, die Ernst von Siemens Kunststiftung und die Hessische Kulturstiftung für die Sammlung des Museums Wiesbaden angekauft werden.

Kunst- und Kulturminister Boris Rhein unterstrich: „Mit der Suche nach NS-Raubgut in unseren landeseigenen Museumsbeständen stellen wir uns unserer historischen Verantwortung. Und so ist es immer ein besonderer Moment, wenn es den Expertinnen der Zentrale Stelle für Provenienz-Forschung gelingt, die Geschichte eines mutmaßlichen Raubkunst-Werks zu klären und seine rechtmäßigen Besitzer zu finden. Ich freue mich sehr darüber, dass die Erben des Gemäldes ‚Gang nach Bethlehem‘ dem Museum Wiesbaden die Möglichkeit gegeben haben, es zu für seine Sammlung zu erwerben und so weiterhin ausstellen zu können.“ Die Klärung der Herkunft ihrer Bestände sei eine zentrale Aufgabe für jede öffentliche Sammlung, so auch für unsere Landesmuseen, so Kunst-und Kulturminister Boris Rhein, und weiter: „Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, haben wir bereits 2015 die Zentrale Stelle für Provenienz-Forschung am Museum Wiesbaden eingerichtet. Hier können die schwierigen Recherchen gebündelt, die dringend gebotene planvolle Untersuchung der seit 1933 erworbenen musealen Bestände koordiniert und gerechte Lösungen für den Umgang mit Kunstraubgut gefunden werden. Das sind wir den Opfern der Nationalsozialisten und ihren Nachkommen schuldig“, sagte der Kunst- und Kulturminister.

Wer war Rodolf Mosse?
Rudolf Mosse (1843 – 1920), Verleger, Sammler und Mäzen Rudolf Mosse (1843 – 1920) besaß eines der größten und einflussreichsten Verlagshäuser der Weimarer Republik. Flaggschiff seines Medienimperiums war das Berliner Tageblatt, das zu den international vielgelesenen deutschsprachigen Zeitungen zählte. Mosse galt als die fortschrittlichliberale Stimme im deutschen Kaiserreich, er engagierte sich in zahlreichen sozialen Projekten und trat immer wieder als Mäzen der Künste in Erscheinung. Mosse gehörte zu den nachweisbar ersten privaten Käufern von Uhde Bildern in Berlin. Während der 1880er und 1890er Jahre baute er sich eine umfangreiche Kunstsammlung auf, deren Schwerpunkt auf Gemälden des späten 19. Jahrhunderts lag. Im eigens dafür errichteten Palais Mosse machte er diese Sammlung auch der Öffentlichkeit zugänglich..

v.li.: Miriam Olivia Merz, Zentrale Stelle für Provenienzforschung in Hessen , Eva Claudia Scholtz, Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung , Boris Rhein, Hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst, Dr. Stephanie Tasch, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder, Dr. Peter Forster, Kustos der Sammlung Alte Meister am Museum Wiesbaden und  Professor Dr. Jan Hegemann, Vertreter der Erbengemeinschaft nach Rudolf Mosse vor Fritz Uhdes Bild „Gang nach Bethlehem“. Foto: Diether v. Goddenthow
v.li.: Miriam Olivia Merz, Zentrale Stelle für Provenienzforschung in Hessen , Eva Claudia Scholtz, Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung , Boris Rhein, Hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst, Dr. Stephanie Tasch, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder, Dr. Peter Forster, Kustos der Sammlung Alte Meister am Museum Wiesbaden und Professor Dr. Jan Hegemann, Vertreter der Erbengemeinschaft nach Rudolf Mosse vor Fritz Uhdes Bild „Gang nach Bethlehem“. Foto: Diether v. Goddenthow

Beschlagnahmung und Versteigerung seiner Kunstsammlung in der NS-Zeit
Gegen Ende der Weimarer Republik geriet auch der Mosse Verlag zunehmend unter den Druck, der bereits weltweit spürbar war. Vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise und der zunehmenden politischen Unsicherheit musste der Verlag, der von Rudolf Mosses Schwiegersohn Hans Lachmann-Mosse (1885 – 1944) geführt wurde, 1932 Konkurs anmelden. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde das Verlagshaus dann gleichgeschaltet und zerschlagen. Gleichzeitig setzten Verfolgungsmaßnahmen gegen Hans Lachmann-Mosse und seine Frau ein. Das gesamte Vermögen der Familie wurde unter staatliche Verwaltung gestellt und ihr so entzogen. Auch die Kunstsammlung wurde auf Betreiben der Nationalsozialisten zu großen Teilen 1934 im Auktionshaus Rudolf Lepke in Berlin versteigert.

Wer war Fritz von Uhde
Der Künstler Fritz von Uhde (1848-1911) zählt mit seinem Gesamtwerk, das sich im Spannungsfeld zwischen Realismus und Impressionismus verorten lässt, zu den großen Malern des späten 19. Jahrhunderts in Deutschland. Ab 1884 schuf Uhde zahlreiche Gemälde, die sich auf Themen aus dem Neuen Testament beziehen und das Milieu der „einfachen Leute“, in den sich Christus zeigt, wiedergeben. Ursprünglich, so Professor Dr. Jan Hegemann, hatte von Uhde nach kaum drei Monaten sein Studium zum Künstler abgebrochen, eine Offizierslaufbahn eingeschlagen und sehr engagiert im 1870/71 Krieg gegen Frankreich gekämpft und anschließend begonnen Bilder mit religiösen Inhalten zu malen. Eines seiner ersten in dieser Werke seit 1884 war „Ihr Kinderlein kommet!“. Diese Entscheidung verhalf ihm zum künstlerischen Durchbruch und half ihm, die konservative und liberale Kunstkritik der Zeit für sich zu gewinnen. Bei dem seit 1980 in der Sammlung des Museum Wiesbaden befindlichen Gemäldes handelt es sich um eine von Rudolf Mosse bei Fritz von Uhde beauftragte kleinere Variante des Gemäldes Der Gang nach Bethlehem, das sich heute in der Königlichen Neuen Pinakothek in München befindet.

Provenienzforschung zum Gemälde
Das Gemälde Gang nach Bethlehem von Fritz von Uhde gelangte 1980 zusammen mit einigen weiteren Kunstwerken über eine private Schenkung in das Museum Wiesbaden. Seither zählt es zu den Hauptwerken der Sammlung des 19. Jahrhunderts im Museum Wiesbaden.
Aufgrund einer Suchmeldung in der Datenbank Lost Art wurde das Museum 2015 aktiv und ließ die ursprüngliche Provenienz des Bildes durch die Zentrale Stelle für Provenienzforschung in Hessen recherchieren. Dabei wurde bestätigt, dass das Bild aus der Sammlung des Berliner Verlegers Rudolf Mosse stammte und der Familie in der NS-Zeit verfolgungsbedingt entzogen worden war. Das Museum Wiesbaden empfahl daraufhin dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, das Werk zu restituieren. Das Gemälde wurde per Restitutionsvereinbarung am 18. Juli 2016 der Erbengemeinschaft Mosse zurückgegeben, offiziell beglaubigt von Seiten des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst für das Land Hessen. Seither blieb es als Leihgabe der Erbengemeinschaft Mosse im Museum Wiesbaden. Nun konnte das Werk dank des freundlichen Entgegenkommens der Erbengemeinschaft und der finanziellen Unterstützung durch die Kulturstiftung der Länder, die Ernst von Siemens Kunststiftung und die Hessischen Kulturstiftung für die Sammlung des Museums Wiesbaden angekauft werden.

Dr. Stephanie Tasch, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder: „Fritz von Uhdes Gemälde Gang nach Bethlehem ist ein beeindruckendes Zeugnis für die Umsetzung eines religiösen Themas im späten 19. Jahrhundert. Zugleich verweist es durch seine enge Verbindung zum Auftraggeber, dem Berliner Verleger und Kunstsammler Rudolf Mosse, auf dessen bedeutende Kunstsammlung. Dank der langjährigen Provenienzforschung am Museum Wiesbaden konnte die Herkunft des Bildes aus der Sammlung Mosse und sein Verlust im Zuge der nationalsozialistischen Verfolgung der Familie nachgewiesen werden. Der Kulturstiftung der Länder ist es ein zentrales Anliegen, durch die Förderung von Ankäufen restituierter Kunstwerke zu fairen und gerechten Lösungen im Sinne der Washingtoner Prinzipien beizutragen.“

Engagement öffentlicher Förderer
Da von Uhdes Gemälde in der Sammlung der Alten Meister eine bedeutende Stellung einnimmt, war das Museum Wiesbaden an einem Verbleib des Werkes im Hause sehr interessiert. In intensiven Gesprächen mit den Erbenvertretern und ihren Anwälten, mit dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst , der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Hessischen Kulturstiftung ist dies gelungen. „Die Ernst von Siemens Kunststiftung unterstützt die Museen seit vielen Jahren bei der Erarbeitung von Bestandskatalogen und damit auch bei der Provenienzforschung an den eigenen Beständen. Immer wieder führen neue Forschungsergebnisse zur Restitution von verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerken. Bei einem fairen Ausgleich zwischen den rechtmäßigen Besitzern und den Museen, ist die Kunststiftung oft ebenfalls ein Partner, der den Verbleib in einer gewachsenen und stimmigen Sammlung ermöglichen kann – dies ist auch in Wiesbaden geschehen – Fritz von Uhdes Gang nach Bethlehem kann in dem Haus bleiben, in dem es die Sammlung hervorragend ergänzt“, freut sich Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung.

Eva Claudia Scholtz, Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung, betont: „Aus der Stiftungspraxis kennen wir meist die Entwicklung von Kunstsammlungen prospektiv, im Sinne einer Zukunfts- und Anschlussfähigkeit an kommende Künstlergenerationen. Eine verantwortungsvolle Stiftungspolitik besteht auch darin, Museen und Provenienzforscher darin zu unterstützen, ihre Sammlungen retrospektiv zu betrachten und aktiv mit der Sammlungsgeschichte insbesondere während des Naziregimes umzugehen. Wir freuen uns, dass dieses Werk von Fritz von Uhde, ein Auftragswerk des Berliner Publizisten Rudolf Mosse, nach erfolgter Restitution in einem gerechten Verfahren unter Beteiligung der Hessischen Kulturstiftung nun im Museum Wiesbaden verbleiben kann.“