RENOIR. ROCOCO REVIVAL. DER IMPRESSIONISMUS UND DIE FRANZÖSISCHE KUNST DES 18. JAHRHUNDERTS

Pierre-Auguste Renoir. Frau mit Sonnenschirm in einem Garten, 1875. Öl auf Leinwand. © Foto Diether v. Goddenthow
Pierre-Auguste Renoir. Frau mit Sonnenschirm in einem Garten, 1875. Öl auf Leinwand. © Foto Diether v. Goddenthow

Von heute an bis zum 19. Juni 2022 präsentiert das Frankfurter Städel Museum die erste bedeutende Pierre-Auguste-Renoir-Sonderausstellung in Deutschland nach 25 Jahren. Dabei widmet sich das Städel Museum  auf zwei Etagen  den überraschenden Bezügen Renoirs Kunst zur Malerei des Rokoko, und zwar  auf  gesellschaftspolitischer, biografischer, motivischer und mal- und zeichentechnischer Ebene.

Ausgangspunkt groß angelegten einzigartigen Sonderausstellung ist die Frage, in welchem historischen Kontext Renoirs Schaffen zu verstehen ist. Denn Renoir sei, so Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums, auch noch viel, viel mehr als einer der herausragenden Maler des französischen Impressionismus. „Schau’n Sie sich das Leben des Künstlers an, dann sehen Sie, dass dieses Leben überaus bewegt gewesen ist“. Er wird 10 Jahre nach der sogenannten Juli-Revolution von 1830 und der Abdankung der Bourbonen geboren. Es folgt die Regierung des Bürgerkönigs Louis Philippe dann die Februar-Revolution von 1848, das Ende der zweiten Republik und der Staatstreich von 1852, und das zweite Kaiserreich und dann Napoleon III., schließlich der Deutsch-Französische Krieg, die Dritte Republik und am Ende sogar noch der Erste Weltkrieg. Ein Jahr nach dessen Ende, im Schicksalsjahr Europas 1919 stirbt Renoir. „Ein Leben also, das geprägt gewesen ist von Revolution und von Umbrüchen und von Zeitenwenden, und um solche Zeitenwenden und Umbrüche soll es auch in der Ausstellung „Renoir. Rococo Revival“ vom 2. März bis 19. Juni 2022 im Städel-Museum Frankfurt gehen“, so Phillipp Demandt, Direktor des Städelmuseums, beim Pressegespräch.

Impressionismus aus historischer Entwicklung verstehen

„Wir haben schon seit Jahren den Anspruch, den Impressionismus von seinen historischen Wurzeln her zu denken“, so Dr. Alexander Eiling, Sammlungsleiter Kunst der Moderne, im Städel Museum. Er sowie Dr. Juliane Betz, seine Stellvertreterin, und  Dr. Fabienne Ruppen, wissenschaftliche Mitarbeiterin, bilden das Kuratorenteam dieser wunderbaren  Ausstellung mit insgesamt 132 Exponaten aus 11 Ländern, darunter 71 der schönsten Werke Renoirs sowie 29  Werke aus dem  Rokoko des 18. Jahrhunderts und 19 Bilder von Zeitgenossen und Wegbegleitern wie Edgar Degas, Édouard Manet und weitere. Diese Gegenüberstellungen mit Werken des 18. Jahrhunderts, aber auch Vergleiche mit Künstlerinnen und Künstlern aus dem Umfeld des Impressionismus bieten Besuchern die Gelegenheit, Renoirs Schaffen neu zu entdecken.

Landläufig ist Renoire vor allem für seine häufig lockere, skizzenhafte Malweise sowie die leuchtende Palette seiner Gemälde bekannt und zum Inbegriff jenes impressionistischen Malers geworden, der flüchtige Eindrücke auf der Leinwand festhält. Und ja!, wie kaum andere, prägen Renoirs Schilderungen des modernen Lebens aus dem Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts unsere Sicht auf diese Zeit nach wie vor. Aber weniger bekannt ist, dass Renoir  seine Inspirationen jedoch nicht nur in seinem Alltag fand, sondern auch in der Kunst vorangegangener Epochen. Von besonderer Bedeutung war für ihn die französische Malerei des 18. Jahrhunderts. Diese erfreute sich zu Renoirs Lebzeiten so großer Wertschätzung, dass man heute von einem „Rococo Revival“ spricht.
Renoirs Bezüge zum 18. Jahrhundert sind vielschichtig. Zum einen teilte er mit dem Rokoko die Vorliebe für bestimmte Motive: Darunter finden sich das Flanieren in Parkanlagen und am Flussufer, die Rast im Freien oder das Gartenfest. Darüber hinaus widmete sich auch Renoir der Darstellung häuslicher Szenen und befasste sich immer wieder mit dem familiären Beieinander sowie mit privaten Momenten wie dem Baden, Lesen oder dem heimischen Musizieren. Zudem lehnte er sich in seiner offenen Malweise sowie in der Verwendung bestimmter Zeichenmittel an die Kunst des vorangegangenen Jahrhunderts an. Schließlich verbindet Renoir und das Rokoko ein Bekenntnis zur dekorativen Funktion von Kunst, die übergreifend alle Lebensbereiche gestalten sollte.

„Rococo-Revival“ mehr als bloß „Neorokoko“

Die Darstellung von weiblichen Badenden zählt seit der Antike zu den Kernthemen der bildenden Kunst und war im 19. Jahrhundert ausgesprochen beliebt. Auch in Renoirs Werk bildete der weibliche Akt zeitlebens ein zentrales Thema. Vor allem Kompositionen von Boucher dienten ihm als Vorbilder, insbesondere dessen Diana, dem Bade entsteigend.  © Foto Diether v. Goddenthow
Die Darstellung von weiblichen Badenden zählt seit der Antike zu den Kernthemen der bildenden Kunst und war im 19. Jahrhundert ausgesprochen beliebt. Auch in Renoirs Werk bildete der weibliche Akt zeitlebens ein zentrales Thema. Vor allem Kompositionen von Boucher dienten ihm als Vorbilder, insbesondere dessen Diana, dem Bade entsteigend. © Foto Diether v. Goddenthow

Der Impressionismus sei ja nicht voraussetzungslos über Nacht entstanden, so Eiling. Ähnlich wie die französische Kunst generell immer etwas traditioneller als viele andere Kunstrichtungen sei und immer wieder aus der vorausgegangenen Kunst Anknüpfungspunkte gefunden und geschöpft habe, so habe es natürlich diese Beziehungen auch zwischen Renoir und des Rococo gegeben. In der Ausstellung solle dies auf vier verschiedenen Ebenen wiedergeben: „Das ist einmal gesellschaftspolitisch, im Bereich des Rococo-Revival. Das ist ein englischer Terminus, der auch in der Literatur gewählt wird, weil er anders als Neo-Rococo sich nicht nur auf die Kunst bezieht, sondern auch alle gesellschaftspolitischen Hintergründe, die sich mit der Rückkehr des Rococo als den französischem Nationalstil beschäftig“, so Kurator Eiling. Und diese viel umfassendere Begrifflichkeit „Rococo-Revival“ noch einmal zu betonen, sei einfach wichtig für das bessere Verständnis. Das Kuratorenteam habe für die Ausstellung auch noch einen weiteren Begriff gewählt, „den Begriff des ‚Echos‘, weil es immer wieder sozusagen ferne Erinnerungen sind. Es sind nicht immer nur eins-zu-eins motivische Übersetzungen oder Kopien, sondern es ist im Grunde genommen ein Anverwandeln einer Motivwelt des Rokoko im Impressionismus, die zu den Zeiten von Renoir sehr wohl immer wieder auch gesehen wurde.“, so Eiling.

Die Wurzeln seiner Kunst als Porzellan-Maler
Zudem möchte die Ausstellung aber auch biographisch anknüpfen. Besonders wichtig sei für die Rezeption von Renoirs Werken, einen Blick auf seine Ausbildung zu werfen. Renoir fand zur Kunst über seine Ausbildung zum Prozellanmaler, die er 1854 in der Werkstatt der Lèvy-Frères et Cie in Paris begann. Die Firma stellte Porzellane mit Motiven her, die häufig an Werke von Rokoko-Malern wie Watteau, Boucher oder Nicolas Lancret (1690¬1743) angelehnt waren. Renoir studierte deren Gemälde im Louvre. In Zeichnungen entwickelte er eigenständige Interpretationen, die er auf die Porzellanrohlinge übertrug. Auf diese Weise fand er im Rahmen seiner Tätigkeit als Dekorateur bereits in jungen Jahren einen Zugang zum Rokoko, das ihm fortan als Inspirationsquelle dienen sollte. Nur wenige Werke aus dieser Frühzeit haben sich erhalten: zum einen Skizzenbuchblätter mit Studien von Kartuschen und Girlanden sowie von Figuren, die nach der Mode des 18. Jahrhunderts gekleidet sind. Zum anderen kann Renoir etwa die Bemalung eines vasenförmigen Kerzenständers mit Bronzemontierungen aus der Produktion der Lèvy-Frères zugeschrieben werden. In der Rückschau stilisierte Renoir seine Lehrjahre als prägend für sein Selbstverständnis, demzufolge Kunst und Handwerk ebenso eng miteinander verbunden waren wie im 18. Jahrhundert.

„Gerade für den Porzellanmaler ist das Rokoko das kleine Einmaleins. So etwas vergisst man einfach nicht. Und als Porzellanmaler malt man auch auf knallweißen Untergrund. Renoir hat das dann bei seinen Leinwänden auch gemacht. Die Farben stehen umso leuchtender, umso brillanter. Die eigene Ausbildung vergisst man nie. Die bleibt einem tiefverwurzelt, und so ist Renoir eigentlich immer auch ein Porzellanmaler auf eine gewisse Art und Weise geblieben, motivisch natürlich“, beleuchtet Eiling Renoirs handwerkliches Rüstzeug.
Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung sei, einen Blick auf die Mal- und Zeichentechniken zu werfen: „Welche Maltechnik und welche Maltechnik übernimmt Renoir aus dem 18. Jahrhundert? „

Weitere zentrale Stichworte der Ausstellung sind unter anderem „Renoir & der Impressionismus“, „Renoir, der ‚neue Watteau‘“, “Was bedeutet Rokoko?“, „Was bedeutet ‚Rococo Revival‘?“, “Die Goncourts & das Rokoko“, „Moderne Fête galante“ (galante Feste), „Renoir & die moderne Freizeitkultur“, „Renoir als Zeichner“, Renoirs Amazone“, „Renoir & die Dekoration“, „Boudoir“, „Lesen & Handarbeit“, „Aktdarstellungen & Badende“, „Landschaft & Facture“, „Stillleben“,“ Genredarstellungen & Rollenporträts“ sowie „Peinture morale“.

Eine großartige Ausstellung, übrigens „das erste Ausstellungshighlight im Frankfurter Städel 2022, so Philipp Demandt, Direktor, Städel Museum

Sie wird gezeigt auf zwei Etagen. Sie auch höchst empfehlenswert für alle, die sich „bloß“ an der Schönheit, Pracht und Leuchtkraft der Farben und vollendeter Bildsprache erfreuen möchten.

„Das erste Ausstellungshighlight im Frankfurter Städel 2022 ist dem Meister des Impressionismus und seiner Rokoko-Leidenschaft gewidmet.“ Philipp Demandt, Direktor, Städel Museum © Foto Diether v. Goddenthow
„Das erste Ausstellungshighlight im Frankfurter Städel 2022 ist dem Meister des Impressionismus und seiner Rokoko-Leidenschaft gewidmet.“
Philipp Demandt, Direktor, Städel Museum © Foto Diether v. Goddenthow

STÄDEL MUSEUM
Schaumainkai 63
60596 Frankfurt am Main
Alle Informationen zum Besuch

Begleitkatalog
Renoir_Katalog_250Sehr empfohlen sei auch der gelungene reichlich bebilderte Begleitkatalog zur Ausstellung: „Renoir. Rococo Revival. Der Impressionismus und die französische Kunst des 18. Jahrhunderts. 328 Seiten, erschienen im Hatje Cantz Verlag, Museumsausgabe 39,90 Euro.