Politisches Engagement, polnisches Kultkino und jede Menge Krimis: Die 16. Ausgabe von goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films

Jahr um Jahr präsentiert goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films den Facettenreichtum des Kinos aus Mittel- und Osteuropa – im April zum 16. Mal. Erste Einblicke ins Programm, das vom 20. bis 26. April in Wiesbaden, Frankfurt, Mainz und Darmstadt zu sehen ist, lieferte das Festival beim Empfang des Deutschen Filminstituts anlässlich der 66. Internationalen Filmfestspiele in Berlin.

Dem Genre verschrieben: Symposium und Porträt

Symposium und Porträt wagen sich bei der diesjährigen Festivalausgabe auf bislang wenig betretene Wege: Gleich beide Sektionen haben sich voll und ganz dem Genrekino verschrieben. Der Deutschen liebstes Genre, den Kriminalfilm, nimmt das Symposium in den Blick – jedoch aus einer für goEast typischen osteuropäischen Perspektive. Unter dem Titel „Die im Schatten: Verbrechen und andere Alltäglichkeiten im mittel- und osteuropäischen Kriminalfilm ab 1945″ vereint das Programm hierzulande weitgehend unbekannte Spielarten des Krimis, die vom klassischen Polizeifilm bis hin zum nihilistischen Noir reichen. Das Potenzial des Genres, länderspezifische Zeitgeschichte und Lebenswirklichkeiten abzubilden, ist dabei nur eine Frage, mit der sich Kurator Olaf Möller und die ReferentInnen während des Symposiums beschäftigen. Gleichzeitig soll auch untersucht werden, warum der Kriminalfilm trotz seiner Beliebtheit und der Produktionsfülle bislang weder in der Wissenschaft noch bei der Kritik groß Beachtung fand.

Polnisches Kultkino bietet das Porträt in diesem Jahr:

Die Werkschau stellt Juliusz Machulski vor – Regisseur, Drehbuchautor und Produzent einiger der erfolgreichsten polnischen Produktionen der vergangenen 35 Jahre. Mit einem gelungenen Balanceakt zwischen westlichem Genreduktus und einem bissigen, sozialkritischen Humor trafen die Filme des Absolventen der Lódzer Filmhochschule schon zur Zeit ihrer Kinostarts einen Nerv. Heute gelten vor allem seine Komödien aus demselben Grund als Kult. Die Auswahl, die goEast im Rahmen der Festivalwoche präsentiert, umfasst seine erfolgreichsten Werke – wie die Science-Fiction-Satire SEX MISSION (Polen 1984) oder die Verwechslungskomödie um den gleichnamigen Taxifahrer KILLER (Polen 1997) -, präsentiert jedoch auch das weniger beachtete Historiendrama DIE SCHWADRON (Polen 1992).

Gewohnt politisch engagiert: Beyond Belonging

Unter jährlich wechselndem Themenschwerpunkt beschäftigt sich die Sektion Beyond Belonging mit gesellschaftspolitischen Phänomenen und präsentiert dort auch thematisch relevante Filme, die nicht zwangsläufig in Mittel- und Osteuropa produziert wurden. In diesem Jahr widmet sich das Filmprogramm dem Themenkomplex des Othering – also gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Unter der Überschrift „Wir und sie? Vom Anderssein und Andersmachen“ versammelt die Sektion Filme, die Aus- und Abgrenzungserscheinungen in ihren unterschiedlichen Formen zum Thema machen. Die Auswahl reicht dabei von Spielfilmklassikern wie Michael Ciminos Westernepos HEAVEN’S GATE (USA 1981), in dem osteuropäische Einwanderer von Großgrundbesitzern unter Gewaltanwendung vertrieben werden, bis hin zu Dokumentarfilmproduktionen wie TAG DES SIEGES (Russland 2014, Regie: Alina Rudnitskaya) oder CALL ME MARIANNA (Polen 2015, Regie: Karolina Bielawska), in denen es um alternative Liebesbeziehungen und Geschlechteridentitäten und deren gesellschaftliche Akzeptanz geht.

Die Sektion steht damit in enger Verbindung mit dem neu gestarteten Nachwuchsprojekt OPPOSE OTHERING!, das gemeinsam mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) ins Leben gerufen wurde. Junge Filmschaffende erarbeiten dabei in internationalen Tandems gemeinsame Filmprojekte, in denen sie sich dem Phänomen in ihren Heimatländern kritisch annähern oder auch Initiativen aufzeigen, die sich für die Akzeptanz und Toleranz von Minderheiten einsetzen.

Kino mit eigener Handschrift: Die Wettbewerbe

Kreativ, nicht selten kritisch und in jedem Fall besonders: Im Spiel- und Dokumentarfilmwettbewerb konkurriert eine Auswahl von 16 der besten aktuellen Produktionen aus Mittel- und Osteuropa um Preise im Gesamtwert von 21.500 Euro. Jeder Film trägt seine eigene Handschrift, egal ob es sich um Autoren-, Arthouse- oder Genrekino handelt. Auch die thematische Vielfalt ist groß, wobei die Mehrheit der Filme die Stimmung und den gesellschaftlichen Status quo ihrer jeweiligen Länder reflektiert. Die zehn Spiel- und sechs Dokumentarfilme haben dabei die Chance auf drei hochdotierte Preise: den Preis für den Besten Film (10.000 Euro), den Preis für die Beste Regie der Landeshauptstadt Wiesbaden (7.500 Euro) und den Preis des Auswärtigen Amtes für kulturelle Vielfalt (4.000 Euro). Ein Spielfilm hat zudem die Möglichkeit, mit dem Preis der Internationalen Filmkritik (FIPRESCI-Preis) ausgezeichnet zu werden.

Mit der Unterstützung der BHF-BANK-Stiftung und der Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung für Kunst und Kulturpflege findet auch erneut der Wettbewerb für Experimentalfilm und Videokunst statt. Junge KünstlerInnen und FilmemacherInnen aus Mittel- und Osteuropa sowie von hessischen Film- und Kunsthochschulen präsentieren dort ihre aktuellen Arbeiten und konkurrieren um den Open Frame Award (5.000 Euro).

goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films wird vom Deutschen Filminstitut veranstaltet und von zahlreichen Partnern unterstützt: Hauptförderer sind das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die Landeshauptstadt Wiesbaden, die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ), der Kulturfonds Frankfurt RheinMain, die Robert Bosch Stiftung, ŠKODA AUTO Deutschland, die BHF-BANK-Stiftung, die Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung für Kunst und Kulturpflege, das Auswärtige Amt, die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds und Renovabis. Medienpartner sind u.a. 3sat, die FAZ, hr-iNFO und sensor.