Neue Römische Zeugnisse am Mainzer Zollhafen sollen künftig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden

Römische Zeugnisse präsentiert in der  Wandvitrine in der Kantine des Rheinkontors. Foto: GDKE/Bonewitz
Römische Zeugnisse präsentiert in der Wandvitrine in der Kantine des Rheinkontors. Foto: GDKE/Bonewitz

Lewentz, GDKE und LBBW stellen Überraschungsfunde vor
„Eigentlich haben wir in dem Bereich des Zollhafens gar keine archäologischen Relikte erwartet“, bekennt Dr. Marion Witteyer von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE). Dass es am Ende nicht nur Überraschungsfunde gab, sondern auch neue Erkenntnisse über die römische Besiedlung im Bereich der heutigen Mainzer Neustadt ist für die Leiterin der Außenstelle Mainz der Landesarchäologie umso erstaunlicher.

Entdeckt wurden die römischer Siedlungsreste während des Baugrubenaushubs für das Rheinkontor-Gebäude der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), die die Grabungsarbeiten der Landesarchäologen von Anfang an unterstützt haben. „Für uns war es eine Selbstverständlichkeit, das römische Erbe, das uns so zufällig in der Baugrube über den Weg lief, nicht nur erkunden zu lassen, sondern auch so weit wie möglich zu bewahren und zu präsentieren“, ergänzt Peter Hähner, Regionalvorstand LBBW Region Nord/West. So stiftete die LBBW für einen Teil der Überraschungsfunde sowohl eine Wandvitrine in der Kantine des Rheinkontors als auch eine Außenvitrine im Innenhof des Gebäudekomplexes.

Das Ergebnis löste auch bei Innenminister Roger Lewentz Begeisterung aus, dessen Ministerium für die Generaldirektion Kulturelles Erbe zuständig ist: „Es freut mich besonders, dass wir mit dieser neuen römischen Fundstätte eine Brücke schlagen von der Stadtentwicklung der Antike zur Stadtentwicklung des heutigen Zollhafenareals. Ich möchte allen Beteiligten herzlich danken, dass diese unverhofften römischen Zeugnisse nicht nur sichtbar sind, sondern künftig auch der Öffentlichkeit zugänglich sein werden“. Auch die Generaldirektorin der GDKE, Dr. Heike Otto, freut sich über die Aufarbeitung der Funde: „Es ist unser Selbstverständnis, dass wir unser gemeinsames kulturelles Erbe schützen, sichern, erforschen und pflegen, am Schönsten ist es natürlich, wenn wir das auch zeigen können, und den Menschen, die hier leben, die Ergebnisse unserer Arbeiten so anschaulich vermitteln.“

Wunderbar erhaltene Delphinfigur ist nur ein Beispiel der zahlreichen eindrucksvollen Exponate.   Foto: GDKE/Bonewitz
Wunderbar erhaltene Delphinfigur ist nur ein Beispiel der zahlreichen eindrucksvollen Exponate. Foto: GDKE/Bonewitz

Die römischen Relikte am Rheinkontor machen deutlich, dass es hier von der Römerzeit bis in die Spätantike eine intensive Bebauung gab. Die ältesten Siedlungsspuren datieren etwa in die Zeit des Legionslagers auf dem Kästrich (um 13/12 v. Chr.). „Man sieht, das schöne Wohnen am Wasser war zu allen Zeiten sehr beliebt“, schmunzelt Dr. Witteyer. Nachteilig waren dagegen der oft nasse Untergrund sowie mögliche Überschwemmungen und Hochwasser.

Ein sehr anschauliches Beispiel für die Bemühung bebaubares Land zu gewinnen, hat die Landesarchäologie Mainz nun am Rheinkontor dokumentiert. Zur Fundamentierung eines Gebäudekomplexes hatte man ausgediente Amphoren verwendet. Die leeren Behälter lagen dicht nebeneinander gepackt und sollten verhindern, dass aufsteigende Feuchtigkeit in das darüber errichtete Mauerwerk eindrang. Solche Amphorendepots waren schon früher in der Neustadt beobachtet worden, aber erst jetzt ließ sich ihre Funktion sicher deuten. Es handelt sich um eine aus dem Mittelmeergebiet bekannte Bauweise, die an großen Flüssen wie dem Po oder an der Rhône angewandt wurde. Bemerkenswert ist, dass dieses Verfahren in Mainz anscheinend bevorzugt hier zum Einsatz kam, während im römischen Siedlungsgebiet der heutigen Altstadt offenbar hölzerne Pfahlgründungen als Unterbau für Fundamente gewählt wurden.

„Der ergrabene Siedlungsausschnitt entspricht einem Mischgebiet aus Wohnen und Handwerk“, ergänzt Witteyer. Besondere Ausstattungselemente deuten auf ein gehobenes Wohnniveau, wofür auch die Qualität verschiedener Fundgegenstände spricht. Einige sind in den Vitrinen ausgestellt. Darunter Fragmente einer lebensgroßen Gesichtsmaske. Wobei es sich bei den Tonmasken nicht um Schauspielerrequisiten handelt, sie wurden vielmehr in häuslichem wie militärischem Kontext als Zeichen von Kultiviertheit und zur Abwehr von Unheil an Säulengängen aufgehängt.

Gefunden wurde auch ein Gewichtsstein, ein seltenes Zeugnis römischen Wirtschaftslebens. Auf dessen Oberfläche wurde die Zahl XXV als Gewichtsangabe eingeritzt, entsprechend 25 römischen Pfund (ca. 8,2 kg). Bemerkenswert ist das verwendete Gesteinsmaterial, das vermutlich aus dem Raum Belgien stammt.

Einem ganz anderen Kontext ist das kleine bauchige Henkelgefäß zuzuordnen, das als Behälter für Weihrauch oder alternativ für Puder gedeutet wird. Innerhalb der Gruppe dieser Gefäße fällt das Mainzer Exemplar durch seine besondere Verzierung auf. Nicht alle römischen Relikte lassen sich direkt zuordnen: So bleibt ungewiss, zu was die am Zollhafen gefundene Delphinfigur gehörte. Wurde sie etwa als schmückender Aufsatz an einem Gerät oder Möbelstück verwendet oder diente sie als Zierrat am Kasten eines Reisewagens? Raum für Forschung bleibt in jedem Fall noch genug.

(Michael Bonewitz)