Unterstützt von Wiesbadens Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerhard Obermayr, feierte die seit 1. Juli 2024 neue NKV-Direktorin Lotte Dinse mit Neven Allgeier „Drown in Dreams“ am 30. August 2024 ein gelungenes Vernissagen-Debüt im Nassauischem Kunstverein.
Drown in Dreams, so nennt sich die umfassende Einzelausstellung von Neven Allgeier, der 1986 in Wiesbaden das Licht der Welt erblickte, jetzt aber in Wien lebt und arbeitet. Der Künstler habe in den vergangenen Jahren ein beeindruckendes fotografisches Werk entwickelt, das sich mit Lebensgefühlen und Selbstentwürfen junger Menschen auseinandersetze, die mit Klimakrise, Pandemie, Krieg und sozialen Medien aufgewachsen seien. Dabei kombiniere der Künstler Porträts von Jugendlichen mit Environments – Natur- und Landschaftsbilder, urbane Räume, Stillleben und Interieurs, führte Dinse in das Werk ein. „Durch diese Gegenüberstellung und den spielerischen Wechsel zwischen unterschiedlichen fotografischen Genres schafft der Künstler eine persönliche und offen angelegte visuelle Erzählung, die der Frage nachgeht, wie wir unsere Welt wahrnehmen und wovon wir träumen“, so die neue Direktorin
Im ersten Stockwerk werden Fotografien aus der Werkserie Fading Temples gezeigt, wobei es aber nicht bloß um die Vergänglichkeit allen Seins geht, sondern vor allem auch „Veränderung“ gemeint sei. Die Werke entstanden 2017 und 2022 und wurden zunächst in Buchform im Distanz Verlag veröffentlich. Allgeier selbst nimmt gegenüber den Porträtierten öfters eine beobachtende Position ein. Dies zeigt sich darin, dass manche Personen nicht der Kamera zugewandt sind und mehr bei sich zu sein scheinen. Durch solche Setzungen entwickelt Allgeier seine künstlerische Ausdrucksweise weiter und schafft neue Sichtweisen auf seine Themen.
„Die Zusammenstellung von Porträts und Environments dient nicht nur dazu, Mensch und Natur in ein bestimmtes Verhältnis zu setzen, sondern auch die Bilder selbst.“, so Dinse, dabei folgten die Bildkombinationen keiner dokumentarischen Strategie, sondern einer subjektiven und formal-ästhetisch begründeten Zuschreibung von Porträt und Environment. Die Zusammenstellungen beruhten auf Analogien in Farben, Strukturen, Mustern oder bildkompositorischen Überschneidungen. „Diese Art des Umgangs mit dem eigenen Bildmaterial verdeutlicht, dass Allgeier eigene Geschichten und zusammenhänge konstruiert und suggeriert. Allgeiers Fotografien zeichnen sich durch besondere Lichtstimmungen aus. Es bleibt oft unklar, ob die Aufnahmen bei Tag oder Nacht entstanden sind. Durch den gezielten Einsatz von Licht und Farben erzeugt Allgeier eine spannungsvolle Mehrdeutigkeit. Wir sehen einerseits schöne Sonnenuntergänge, fast schon romantische Naturaufnahmen. Andererseits erzählen verrußte Autos von Luftverschmutzung, verwelkte Blumen von Zerfall und Vergänglichkeit.“, erläutert Dinse.
Genau diese Art uneindeutiger melancholischer, bis depressiver Stimmung spiegelt sich auch auf den Gesichtern der recht abwesend wirkenden fotografierten Jugendlichen wider. „Auch wenn gegenwärtige Krisen und Entwicklungen wenig hoffnungsvoll auf die Zukunft blicken lassen, scheinen die Porträtierten jedoch selbstbewusst und selbstverständlich einen Bereich für sich zu beanspruchen, den sie frei gestalten können: ihr Aussehen, ihre Körper, Geschlechtsidentität und Selbstdarstellung“, interpretiert Dinse Allgeiers Werke. Seine fotografische Bildwelt bewege sich zwischen Realität und Fiktion, zwischen Utopie und Dystopie. Seine Bilder verhandelten zahlreiche Themen unserer Zeit und erzählten von Zerrissenheit, Sehnsucht und Selbstbehauptung.
Im zweiten Stockwerk hat Allgeiers neueren Arbeiten versammelt. Sie knüpfen thematisch an Fading Temples an, setzen den fotografischen Fokus jedoch stärker auf Einzelbilder und sequenzielle Bildfolgen, auf denen sich oft nur minimale Verschiebungen von Bewegung, Geste und Mimik beobachten lassen. Zudem experimentiere Allgeier mit anderen Materialien und verschiedenen Bildformaten und Techniken. So flössen beispielsweise Handyfotos und Drucke auf Kunststoffplanen mit ein, erläutert die NKV-Direktorin.
Begleitprogramm zur Ausstellung lnspirational Happening
Freitag, 20.9.2024, 19 Uhr
mit dem Philosophen Manuel Scheidegger (Argumented Reality, Göttingen)
Gesprächsrunde
Donnerstag, 17.10.2024, 18 Uhr
mit Neven Allgeier (Künstler, Wien), Christin Müller (freie Kuratorin und Autorin, Leipzig) und Heinz Drügh (Professor für Neuere Deutsche Literatur und Ästhetik, Universität Frankfurt). Moderiert von Lotte Dinse (Direktorin, Nassauischer Kunstverein Wiesbaden)